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Full text of "Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich"

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Vierteljahrsschrift 


der 


Naturforschenden  Gesellschaft 

in 

Zürich. 

Unter  Mitwirkung  der  Herren 
Prof.  Dr.  A.  HEIM  und  Prof.  Dr.  C.  SCHRÖTER 

herausgegeben 


Dr.  FERDINAND  RUDIO, 

Professor  an  der  Eidgenössischen  Technischen  Hochschule. 


Sechsundfünfzigster  Jahrgang.   1911. 
Mit  zwei  Tafeln. 


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Zürich, 

in  Kommission  bei  Beer  &  Co.  in  Zürich      -"^^^ 
1912. 


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Gründung-sjalir  der  Gesellschait 
1746. 


Inhalt. 

Erster  Teil: 

Abhandlimgen. 


Seite 


0.   Bloch,     über    die    magnetischen    Eigenschaften    der    Nickel -Kobalt- 
Legierungen  ...........       415 

H.  Bluntschli.    Zur  Phylogenie  des  Gebisses  der  Primaten  mit  Ausblicken 

auf  jenes  der  Säugetiere  überhaupt     .......       351 

P.  Böhi.     Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  N. 

Hiezu  Tafel  I  und  II 183 

K.  Bretscher.     Geschichthehes  über  die  V'ogelwelt   des  Zürichseegebietes       471» 
P.  Debye.     Die  Frage  nach  der  atomistischen  Struktur  der  Energie  .       15ö 

E.  Denss.      Bestimmung   des    ^Yärmeausdehnungskoeffizienten   der   spezi- 
fischen  Wärme    und    der   Schmelzwärme    des   Bubidiums   und   der 

spezifischen  Wärme  des  Cadmiums 15 

Ä.  Einstein.     Die  Relativitäts-Theorie 1 

E.  Landan.     Zur  Theorie  der  Riemannschen  Zetafunktion         .         .         .125 

E.  Meissner.     Über  Punktmengen  konstanter  Breite  ....        42 
P.  Nabholz.     Aus  der  Geometrie  des  endliclien  und  des  unendlich-dimen- 

sionalen  Baumes 149 

A.  Oswald.     Die  Bolle  der  Schilddrüse  im  Körperhaushalt  und  der  Kropf      393 

F.  Radio  und  C.  Schröter.     Notizen  zur  Schweiz.  Kulturgeschichte. 

32.  Die  Eulerausgabe  (Fortsetzung) 552 

33.  Nekrologe.    Philipp  Stöhr.    Kaspar  Escher-Hess.    Jakob  Amsler- 
LafTon 558 

H.  Schinz,     Mitteilungen   aus   dem   botanischen   Museum  der  Universität 

Zürich  (LV). 
Deutsch-Südwest-Afrika  (mit  Einschluss  der  Grenzgebiete)  in  botanischer 

Beziehung .51 

—  Mitteilungen  aus  dem  botanischen  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI). 

1.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  afrikanischen  Flora  (XXIV).     (Neue  Folge.) 

Mit  Beiträgen  von  A.  Thellung  (Zürich)  und  H.  Schinz  (Züxich)       .       229 

2.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Schweizerflora  (XII).  Beiträge  zur  Adven- 
tivüora  der  Schweiz  (II)  von  A.  Thellung  (Zürich)     ....       269 

3.  Über  die  Abstammung,  den  systematischen  Wert  und  die  Kultur- 
geschichte der  Saathafer-Arten  (Aoenae  sativae  Gosson) .  Von  A. 
Thellung  (Zürich) 293 


237328 


Seite 

0.  Schwab.  Untersuchung  über  den  Einfluss  der  Temperatur  auf  die 
Änderung  des  elektrischen  Leitungswiderstandes  von  Eisen,  Nickel, 
Kupfer  und  Wismut 507 

P.  Weiss.  Anschauungen  über  Magnetismus,  ihre  Beziehungen  zur  Mole- 
kularphysik und  das  Magneton '^13 

W.  Wolflf.     Neuer  Beweis  für  die  Darstellbarkeit  definiter  biquadratischer 

Funktionen  als  Summe  von  fünf  Quadraten HO 

H.  Zangger.  Die  Bestimmungen  der  Avogadroschen  Zahl  N:  die  untere 
Teilungsgrenze  der  Materie  (deren  Bedeutung  für  die  Biologie  und 
Medizin) 168 


Zweiter  Teil: 
Sitzungsberichte. 

E.  Schoch.     Sitzungsberichte  von  1911 I 

H.  Schinz.     Bibliotheksbericht  von  1911 LXX 

Alphabetisches  Verzeichnis   der  sämtlichen  laufenden  Periodica   und 

Serienwerke LXXXVIIl 

Gutachten  und  Antrag  des  Vorstandes  der  Naturforschenden  Gesellschaft 
in    Zürich    betreffend    die   Abtretung    ihrer  Bibliothek   an   die 

Zentralbibliothek  Zürich CXXIX 

Verzeichnis  der  Mitglieder  der  Naturforschenden  Gesellschaft  in  Zürich  GXL 


Erster  Teil 


Abliandlungen 


Die  Relativitäts-Theorie.  0 

Von 
A.  Einstein  in  Prag*. 


Der  eine  Grundpfeiler,  auf  dem  die  als  „Relativitätstheorie"  be- 
zeichnete Theorie  ruht,  ist  das  sog.  Relativitätsprinzip.  Ich  will 
zuerst  deutlich  zu  machen  suchen,  was  man  unter  dem  Relativitäts- 
prinzip versteht.  Wir  denken  uns  zwei  Physiker.  Diese  beiden 
Physiker  sind  mit  allen  erdenklichen  physikalischen  Apparaten  aus- 
gestattet, jeder  von  ihnen  hat  ein  Laboratorium.  Das  Labora- 
torium des  einen  Physikers  denken  wir  uns  angeordnet  irgendwo 
auf  dem  offenen  Felde,  das  des  zweiten  in  einem  Eisenbahnwagen, 
der  mit  konstanter  Geschwindigkeit  in  einer  bestimmten  Richtung 
dahinfährt.  Das  Relativitätsprinzip  sagt  folgendes  aus :  Wenn  diese 
beiden  Physiker,  indem  sie  alle  ihre  Apparate  anwenden,  sämtliche 
Naturgesetze  studieren,  der  eine  in  seinem  ruhenden  Laboratorium 
und  der  andere  in  seinem  in  der  Eisenbahn  angeordneten,  so  werden 
sie,  vorausgesetzt,  dass  die  Eisenbahn  nicht  rüttelt  und  gieichmässig 
fährt,  genau  die  gleichen  Naturgesetze  herausfinden.  Etwas  ab- 
strakter können  wir  sagen :  die  Naturgesetze  sind  nach  dem  Rela- 
tivitätsprinzip unabhängig  von  der  Translationsbewegung  des  Bezugs- 
systems. 

Betrachten  wir  einmal  die  Rolle,  welche  dieses  Relativitätsprinzip 
in  der  klassischen  Mechanik  spielt.  Die  klassische  Mechanik  ruht  in 
erster  Linie  auf  dem  Galileischen  Prinzip,  wonach  ein  Körper,  welcher 
der  Einwirkung  der  andern  Körper  nicht  unterliegt,  sich  in  grad- 
liniger, gleichförmiger  Bewegung  befindet.  Wenn  dieser  Satz  gilt 
in  bezug  auf  das  eine  der  vorhin  genannten  Laboratorien,  so  gilt 
er  auch  für  das  zweite.     Wir  können  das   unmittelbar   aus   der  An- 


'i  Vortrag  gehalten   in   der   Sitzung  der  Zürch.   Naturforschendeii  Gesellschaft 
am  16.  Januar  1911. 

Vierteljahrsschrilt  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.    Jahrg.  56.     1911.  1 


2  A.  Einstein. 

schauung  entnehmen;  wir  können  es  aber  auch  entnehmen  aus  den 
Gleichungen  der  Newtonschen  Mechanik,  wenn  wir  eine  Transformation 
/j?  der  Gleichungen  auf  ein  relativ  zum  ursprünglichen  gleichförmig  be- 

wegtes Bezugssystem  vornehmen. 

Ich  spreche  immer  von  Laboratorien.  In  der  mathematischen 
Physik  pflegt  man  die  Dinge  nicht  auf  ein  bestimmtes  Laboratorium 
zu  beziehen,  sondern  auf  Koordinatensysteme.  Wesentlich  bei  diesem 
Auf-etwas-beziehen  ist  folgendes:  Wenn  wir  irgend  etwas  über  den 
Ort  eines  Punktes  aussagen,  so  geben  wir  immer  die  Koinzidenz  dieses 
Punktes  mit  einem  Punkt  eines  gewissen  anderen  körperlichen  Systems 
an.  Wenn  ich  mich  z.  B.  als  diesen  materiellen  Punkt  nehme  und 
sage:  ich  bin  an  dieser  Stelle  in  diesem  Saale,  so  habe  ich  mich 
in  räumlicher  Beziehung  mit  einem  gewissen  Punkt  dieses  Saales 
zur  Koinzidenz  gebracht,  bezw.  ich  habe  diese  Koinzidenz  ausge- 
sprochen. Das  macht  man  in  der  mathematischen  Physik,  indem 
durch  drei  Zahlen,  die  sog.  Koordinaten,  ausgedrückt  wird,  mit 
welchen  Punkten  desjenigen  starren  Systems,  welches  man  Koordi- 
natensystem nennt,  der  Punkt,  dessen  Ort  beschrieben  werden  soll, 
koinzidiert. 

Das  wäre  das  allgemeinste  über  das  Relativitätsprinzip.  Wenn 
man  einen  Physiker  des  18.  Jahrhunderts  oder  der  ersten  Hälfte  des 
19.  Jahrhunderts  gefragt  hätte,  ob  er  an  diesem  Prinzip  irgendwie 
zweifle,  so  hätte  er  diese  Frage  mit  Entschiedenheit  verneint.  Er 
hatte  keinen  Grund,  daran  zu  zweifeln,  da  man  damals  die  Über- 
zeugung hatte,  dass  sich  jegliches  Naturgeschehen  auf  die  Gesetze  der 
klassischen  Mechanik  zurückführen  lasse.  Ich  will  nun  auseinander- 
setzen, wie  die  Physiker  durch  die  Erfahrung  dazu  geführt  worden 
sind,  physikalische  Theorien  aufzustellen,  welche  diesem  Prinzip  wider- 
streiten. Dazu  müssen  wir  die  Entwicklung  der  Optik  und  Elektro- 
dynamik, so  wie  sie  sich  in  den  letzten  Jahrzehnten  allmählich  voll- 
zogen hat,  vom  Standpunkt  des  Relativitätsprinzips  aus  kurz  be- 
trachten. 

Das  Licht  zeigt  gerade  so  wie  die  Schallwellen  Interferenz  und 
Beugung,  so  dass  man  sich  bewogen  gefühlt  hat,  das  Licht  als  eine 
Wellenbewegung  oder  allgemein  als  einen  periodisch  wechselnden 
Zustand  eines  Mediums  zu  betrachten.  Dieses  Medium  hat  man  den 
Äther  genannt.  Die  Existenz  eines  solchen  Mediums  erschien  bis 
vor  kurzer  Zeit  den  Physikern  als  absolut  gesichert.  Die  im  Fol- 
genden skizzierte  Theorie  ist  mit  der  Äther-Hypothese  nicht  ver- 
einbar; vorerst  aber  wollen  wir  noch  an  derselben  festhalten. 
Wir  wollen  nun  sehen,  wie  sich  die  Vorstellungen  mit  Bezug  auf 
dieses  Medium    entwickelt    und    was   für   Fragestellungen    die    Ein- 


Die  Relativitätstheorie.  3 

führung  dieser  den  Äther  voraussetzenden  physikalischen  Theorie  er- 
geben haben.  Wir  haben  schon  gesagt,  dass  man  sich  vorstellte.^  n  / 
dass  das  Licht  in  Schwingungen  eines  Mediums  bestehe,  d.  h.  das  ' 
Medium  übernimmt  die  Fortpflanzung  der  Licht-  und  Wärme- 
schwingungen. So  lange  man  sich  ausschliesslich  mit  den  optischen 
Erscheinungen  ruhender  Körper  beschäftigte,  hatte  man  keinen 
Grund,  nach  anderen  Bewegungen  dieses  Mediums  zu  fragen  als 
nach  denen,  welche  das  Licht  ausmachen  sollen.  Man  nahm  einfach 
an,  dass  dieses  Medium,  ebenso  wie  die  materiellen  Körper,  die  man 
betrachtete  —  abgesehen  von  den  Oszillationsbewegungen,  welche 
das  Licht  ausmachen  sollten  — ,  im  Zustand  der  Ruhe  sei. 

Als  man  dazu  überging,  die  optischen  Erscheinungen  bewegter 
Körper  und  zugleich  —  was  damit  zusammenhängt  —  die  elektro- 
magnetischen Eigenschaften  bewegter  Körper  zu  betrachten,  musste 
man  sich  die  Frage  stellen,  wie  sich  der  Lichtäther  verhält,  wenn 
wir  in  einem  physikalischen  System,  das  unserer  Betrachtung  unter- 
liegt, den  Körpern  verschiedene  Geschwindigkeiten  beilegen.  Bewegt 
sich  der  Lichtäther  mit  den  Körpern,  so  dass  an  jedem  Ort  der 
Lichtäther  in  derselben  Weise  bewegt  ist,  wie  die  dort  befindliche 
Materie,  oder  ist  das  nicht  der  Fall?  Die  einfachste  Annahme  ist 
die,  dass  sich  der  Lichtäther  überall  bewegt,  gerade  so  wie  die 
Materie.  Die  zweite  mögliche  Annahme,  die  auch  einen  hohen 
Grad  von  Einfachheit  zeigt,  ist  die:  Der  Lichtäther  nimmt  an 
den  Bewegungen  der  Materie  überhaupt  keinen  Anteil.  Dann  wären 
Zwischenfälle  möglich  und  diese  Zwischenfälle  wären  dadurch  charak- 
terisiert, dass  sich  der  Äther  bis  zu  einem  gewissen  Grad  von  der 
Materie  unabhängig  im  Räume  bewegt.  Wir  wollen  nun  sehen,  wie 
man  etwa  versucht  hat,  auf  diese  Frage  eine  Antwort  zu  erhalten. 
Die  erste  wichtige  Aufklärung,  die  man  erhalten  hat,  stammt  von 
einem  hochbedeutenden  Experiment,  das  der  französische  Physiker 
Fizeau  ausgeführt  hat.  Dieses  Experiment  verdankt  seine  Aufstellung 
folgender  Fragestellung: 


Die  obenstehend  skizzierte  Röhre  sei  vorn  und  hinten  mit  einer 
Glasplatte  verschlossen.  An  beiden  Enden  angebrachte  Ansatzstutzen 
ermöglichen  es,  durch  die  Röhre  in  achsialer  Richtung  eine  Flüssigkeit 
hindurchströmen  zu  lassen.  Wie  beeinflusst  die  Geschwindigkeit,  mit 
welcher  die  Flüssigkeit  die  Röhre  durchströmt,  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit   eines  Lichtstrahls,    welcher   die   Röhre  in  achsialer 


4  A.  Einstein. 

Richtung  durchsetzt?  Wenn  es  wahr  ist,  dass  der  Lichtäther  sich 
mit  der  Materie,  die  durch  die  Röhre  strömt,  bewegt,  dann  ist  fol- 
gende Auffassung  gegeben.  Nehmen  wir  an,  die  Lichtfortpflanzung 
im  ruhenden  Wasser  geschehe  mit  der  Geschwindigkeit  V,  V  sei  also 
die  Geschwindigkeit  des  Lichtes  relativ  zum  Wasser  und  v  sei  die  Ge- 
schwindigkeit des  Wasseis  relativ  zur  Röhre,  so  müssen  wir  sagen: 
die  Geschwindigkeit  des  Lichtes  relativ  zum  Wasser  ist,  wenn  der 
Lichtäther  am  Wasser  haftet,  unabhängig  davon,  ob  das  Wasser  be- 
wegt ist  oder  nicht,  stets  die  gleiche.  Also  ist  zu  erwarten,  dass  die 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes  ralativ  zur  Röhre  bei  be- 
wegter Flüssigkeit  um  v  grösser  sei  als  bei  der  ruhenden  Flüssigkeit. 
Beim  Versuch  von  Fizeau  durchsetzte  eines  von  zwei  interferenzfähigen 
Lichtbündeln  die  Röhre  in  der  geschilderten  Weise.  Aus  dem  Einfluss  der 
bekannten  Bewegungsgeschwindigkeit  der  Flüssigkeit  auf  die  Lage  der 
Interferenzfransen  konnte  man  ausrechnen,  einen  wie  grossen  Einfluss 
auf  die  Lichtfortpflanzungsgeschwindigkeit  relativ  zur  ruhenden  Röhre 
die  Bewegung  mit  der  Geschwindigkeit  v,  welche  das  W^asser  ausführt, 
hatte.  Fizeau  hat  nun  gefunden,  dass  die  Lichtgeschwindigkeit  relativ 
zur  Röhre  infolge  der  Bewegung  der  Flüssigkeit  nicht  um  die  Ge- 
schwindigkeit V  zunimmt,  sondern  nur  um  einen  Bruchteil  dieses  Be- 
trages (y  (l 5-),  wenn  n  das  Brechungsvermögen  der  Flüssigkeit 

bedeutet).  Ist  dieses  Brechungsvermögen  nahezu  =  1,  d.  h.  pflanzt 
sich  das  Licht  in  der  Flüssigkeit  nahezu  gleich  rasch  fort,  wie  im 
leeren  Raum,  so  hat  die  Bewegung  der  Flüssigkeit  so  gut  wie  keinen 
Einfluss.  Daraus  musste  man  folgern,  dass  die  Vorstellung,  wonach 
sich  das  Licht  relativ  zum  Wasser  stets  mit  derselben  Geschwindig- 
keit  V  fortpflanzt,  mit  der  Erfahrung  nicht  vereinbar  sei. 

Die  nächst  einfache  Hypothese  war  die,  dass  der  Lichtäther  an  den 
Bewegungen  der  Materie  keinen  Anteil  nehme.  Bei  Zugrundelegung 
dieser  Hypothese  lässt  sich  nicht  in  so  einfacher  Weise  ableiten,  wie 
die  optischen  Erscheinungen  durch  die  Bewegung  der  Materie  beein- 
flusst  werden.  Aber  H.  A.  Lorentz  ist  es  Mitte  der  90er  Jahre  ge- 
lungen, eine  Theorie  aufzustellen,  welche  auf  der  Voraussetzung  eines 
Lichtäthers  beruht,  der  vollkommen  unbeweglich  ist.  Seine  Theorie 
gibt  beinahe  alle  bekannten  Erscheinungen  der  Optik  und  Elektro- 
dynamik bewegter  Körper,  darunter  auch  den  soeben  genannten 
Versuch  von  Fizeau,  vollständig  richtig  wieder.  Ich  will  gleich  be- 
merken, dass  eine  prinzipiell  von  der  Lorentzschen  verschiedene 
Theorie,  welche  auf  einfachen  und  anschaulichen  Voraussetzungen 
beruht  und  dasselbe  leistet,  nicht  aufgestellt  werden  konnte.  Des- 
halb musste  man  bis  auf  weiteres    die  Theorie    des   ruhenden  Licht- 


Die  Relativitätstheorie.  5 

äthers  als  die  einzige  mit  der  Gesamtheit  der  Erfahrungen  zu  ver- 
einbarende akzeptieren. 

Wir  betrachten  nun  diese  Theorie  des  ruhenden  Äthers  vom 
Standpunkt  des  Relativitätsprinzipes.  Bezeichnen  wir  alle  Systeme, 
in  bezug  auf  welche  sich  materielle  Punkte,  die  äusseren  Kräften 
nicht  unterworfen  sind,  gleichförmig  bewegen,  als  beschleunigungsfrei, 
so  besagt  das  Relativitätsprinzip :  Die  Naturgesetze  sind  die  gleichen 
in  bezug  auf  alle  beschleunigungsfreien  Systeme.  Die  Lorentzsche 
Grundhypothese  vom  ruhenden  Lichtäther  zeichnet  anderseits  unter 
allen  möglichen  beschleunigungsfreien  Bewegungssystemen  solche  von 
bestimmtem  Bewegungszustand  aus :  nämlich  Systeme,  die  sich  relativ 
zu  diesem  Lichtmedium  in  Ruhe  befinden.  Wenn  man  also  nach 
dieser  Auffassung  auch  nicht  sagen  kann,  es  gebe  eine  absolute 
Bewegung  im  philosophischen  Sinne  —  denn  das  ist  überhaupt  aus- 
geschlossen, wir  können  nur  relative  Lageänderungen  von  Körpern 
denken  — ,  so  ist  im  physikalischen  Sinne  eine  absolute  Bewegung 
insofern  statuiert,  als  wir  eben  einen  Bewegungszustand,  nämlich  den 
der  Ruhe  relativ  zum  Äther,  bevorzugt  haben.  Wir  können  jeden  Körper 
als  gewissermassen  absolut  ruhend  bezeichnen,  der  in  bezug  auf  das  Licht- 
medium ruht.  Relativ  zum  Äther  ruhende  Bezugssysteme  werden  vor  allen 
übrigen  beschleunigungsfreien  Bezugssystemen  ausgezeichnet.  In  diesem 
Sinne  wird  die  Lorentzsche  Grundanschauung  vom  ruhenden  Licht- 
äther dem  Relativitätsprinzip  nicht  gerecht.  Die  Grundanschauung 
vom  ruhenden  Lichtäther  führt  zu  folgender  allgemeiner  Betrachtung: 
Ein  Bezugssystem  k  ruhe  relativ  zum  Lichtäther.  Ein  anderes  Be- 
zugssystem k'  sei  relativ  zum  Lichtäther  gleichförmig  bewegt.  Es 
ist  zu  erwarten,  dass  die  Relativbewegung  von  k'  in  bezug  auf  den 
Äther  einen  Einfluss  habe  auf  die  Naturgesetze,  welche  relativ  zu  // 
gelten.  Es  war  also  zu  erwarten,  dass  sich  die  Naturgesetze  in  bezug 
auf  //  von  denjenigen  in  bezug  auf  k  wegen  der  Bewegung  von  k'  im 
Lichtäther  unterscheiden.  Man  musste  sich  ferner  sagen,  dass  die  Erde 
mit  unseren  Laboratorien  unmöglich  während  des  ganzen  Jahres 
relativ  zu  diesem  Lichtmedium  in  Ruhe  sein  könne,  dass  sie  also  die 
Rolle  eines  Bezugssystems  li  spielen  müsse.  Man  musste  also  annehmen, 
dass  sich  irgend  eine  Erscheinung  finden  lasse,  wo  sich  der  Einfluss 
dieser  Bewegung  auf  die  Experimente  in  unseren  Laboratorien  geltend 
mache.  Man  sollte  glauben,  dass  unser  physikalischer  Raum,  so 
wie  wir  ihn  auf  der  Erde  vorfinden,  wegen  dieser  Relativbewegung 
sich  in  verschiedenen  Richtungen  verschieden  verhalte.  Aber  es  ist 
in   keinem    einzigen  Falle   gelungen,    etwas  derartiges  nachzuweisen. 

Nun  war  man  diesem  Äther  gegenüber  in  einer  unangenehmen 
Lage.     Der  Fizeausche  Versuch  sagt:  der  Äther  bewegt  sich  mit  der 


6  A.  Einstein. 

Materie  nicht,  d.  h.  es  existiert  eine  Bewegung  des  Lichtmediums 
relativ  zur  Materie.  Alle  Versuche  aber,  diese  Relativbewegung  zu 
konstatieren,  lieferten  ein  negatives  Ergebnis.  Das  sind  zwei  Resul- 
tate, die  einander  zu  widersprechen  scheinen  und  es  war  unge- 
heuer schmerzlich  für  die  Physiker,  dass  man  diesen  unangenehmen 
Zwiespalt  nicht  loswerden  konnte.  Man  musste  sich  fragen,  ob  es 
nicht  vielleicht  doch  möglich  sei,  das  Relativitätsprinzip,  von  dem 
man  trotz  allen  Suchens  keine  Ausnahme  finden  konnte,  mit  der 
Lorentzschen  Theorie  in  Einklang  zu  bringen.  Bevor  wir  hierauf 
eingehen,  wollen  wir  aus  der  Lorentzschen  Theorie  des  ruhenden 
Lichtäthers  für  uns  folgendes  Wesentlichste  herausschälen.  Was  heisst 
physikalisch:  es  existiert  ein  ruhender  Lichtäther?  Der  wichtigste 
Gehalt  dieser  Hypothese  lässt  sich  wie  folgt  ausdrücken:  Es  gibt 
ein  Bezugssystem  (in  der  Lorentzschen  Theorie  „relativ  zum  Äther 
ruhendes  System"  genannt),  in  bezug  auf  welches  sich  jeder  Licht- 
strahl im  Vacuum  mit  der  universellen  Geschwindigkeit  c  fortpflanzt. 
Dies  soll  gelten  unabhängig  davon,  ob  der  das  Licht  emittierende 
Körper  sich  in  Ruhe  oder  in  Bewegung  befindet.  Diese  Aussage  wollen 
wir  als  Prinzip  von  der  Konstanz  der  Lichtgeschwindigkeit  be- 
zeichnen. Die  eben  gestellte  Frage  kann  also  auch  so  formuliert 
werden :  ist  es  unmöglich,  das  Relativitätsprinzip,  welches  ausnahmslos 
erfüllt  zu  sein  scheint,  in  Einklang  zu  bringen  mit  diesem  Prinzip  von 
der  Konstanz  der  Lichtgeschwindigkeit? 

Folgende  naheliegende  Überlegung  spricht  zunächst  dagegen: 
Pflanzt  sich  relativ  zum  Bezugssystem  k  jeder  Lichtstrahl  mit  der 
Geschwindigkeit  c  fort,  so  kann  dasselbe  nicht  gelten  in  bezug 
auf  das  Bezugssystem  fe',  wenn  k'  sich  relativ  zu  k  in  Bewegung 
befindet.  Bewegt  sich  nämlich  k'  in  der  Fortpflanzungsrichtung  eines 
Lichtstrahls  mit  der  Geschwindigkeit  v,  so  wäre  nach  den  uns  ge- 
läufigen Anschauungen  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Licht- 
strahls relativ  zu  k'  gleich  c  —  v  zu  setzen.  Die  Gesetze  der  Lichtaus- 
breitung in  bezug  auf  k'  wären  also  von  den  Gesetzen  der  Lichtaus- 
breitung relativ  zu  k  verschieden,  was  eine  Verletzung  des  Rela- 
tivitätsprinzips bedeutete.  Das  ist  ein  furchtbares  Dilemma.  Nun 
hat  sich  aber  herausgestellt,  dass  die  Natur  an  diesem  Dilemma 
vollständig  unschuldig  ist,  sondern  dass  dieses  Dilemma  daher  rührt, 
dass  wir  in  unseren  Überlegungen,  also  auch  in  der  Überlegung,  die 
ich  soeben  angab,  stillschweigende  und  willkürliche  Voraussetzungen 
gemacht  haben,  welche  man  fallen  lassen  muss,  um  zu  einer  wider- 
spruchsfreien und  einfachen  Auffassung  der  Dinge  zu  gelangen. 

Ich  will  versuchen,  diese  willkürlichen  Voraussetzungen,  die  der 
Grundlage  unseres  physikalischen  Denkens  anhafteten,  auseinander 
zu    setzen.     Die   erste   und   wichtigste    dieser   willkürlichen   Voraus- 


Die  Relativitätstheorie.  7 

Setzungen  betraf  den  Zeitbegriff  und  ich  will  versuchen,  darzu- 
legen, worin  diese  Willkür  besteht.  Um  das  gut  tun  zu  können, 
will  ich  zuerst  über  den  Raum  handeln,  um  die  Zeit  in  Parallele  dazu 
zu  stellen.  Wenn  wir  die  Lage  eines  Punktes  im  Räume,  d.  h.  Lage 
eines  Punktes  relativ  zu  einem  Koordinatensystem  A',  ausdrücken 
wollen,  so  geben  wir  seine  rechtwinkligen  Koordinaten  x,  y,  2,  an. 
Die  Bedeutung  dieser  Koordinaten  ist  folgende:  man  konstruiere  nach 
bekannten  Vorschriften  Senkrechte  auf  die  Koordinatenebenen  und 
sehe  nach,  wie  oft  sich  ein  gegebener  Einheitsmasstab  auf  diesen 
Senkrechten  abtragen  lässt.  Die  Resultate  dieser  Abzahlung  sind  die 
Koordinaten.  Eine  Raumangabe  in  Koordinaten  ist  also  das  Ergebnis 
bestimmter  Manipulationen.  Die  Koordinaten,  die  ich  angebe,  haben 
demnach  eine  ganz  bestimmte  physikalische  Bedeutung;  man  kann 
verifizieren,  ob  ein  bestimmter,  gegebener  Punkt  wirklich  die  ange- 
gebenen Koordinaten  hat  oder  nicht. 

Wie  steht  es  in  dieser  Beziehung  mit  der  Zeit?  Da  werden  wir 
sehen,  dass  wir  nicht  so  gut  dran  sind.  Man  hat  sich  bis  jetzt  immer 
begnügt  zu  sagen:  die  Zeit  ist  die  unabhängige  Variable  des  Ge- 
schehens. Auf  eine  solche  Definition  kann  niemals  die  Messung  des 
Zeitwertes  eines  tatsächlich  vorliegenden  Ereignisses  gegründet  werden. 
Wir  müssen  also  versuchen,  die  Zeit  so  zu  definieren,  dass  auf  Grund 
dieser  Definition  Zeitmessungen  möglich  sind.  Wir  denken  uns  im 
Anfangspunkt  eines  Koordinatensystems  Ä;  eine  Uhr  (etwa  eine  Unruh- 
uhr). Mit  dieser  können  unmittelbar  die  in  diesem  Punkte,  bezw.  in 
dessen  unmittelbarer  Nähe  stattfindenden  Ereignisse  zeitlich  gewertet 
werden.  Ereignisse,  w^elche  in  einem  anderen  Punkte  von  k  statt- 
finden, können  aber  mit  der  Uhr  nicht  unmittelbar  gewertet  werden. 
Notiert  ein  bei  der  Uhr  im  Anfangspunkt  von  k  stehender  Beobachter 
die  Zeit,  in  der  er  von  dem  betreffenden  Ereignis  durch  Lichtstrahlen 
Kunde  erhält,  so  ist  diese  Zeit  nicht  die  Zeit  des  Ereignisses  selbst, 
sondern  eine  Zeit,  die  um  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des 
Lichtstrahls  vom  Ereignis  bis  zur  Uhr  grösser  ist  als  die  Zeit  des 
Ereignisses.  Wenn  wnr  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes 
relativ  zum  System  k  in  der  betreffenden  Richtung  kennen  würden, 
wäre  die  Zeit  des  Ereignisses  mit  der  genannten  Uhr  bestimmbar; 
aber  die  Messung  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichtes  ist 
nur  dann  möglich,  wenn  das  Problem  der  Zeitbestimmung,  mit  dem 
wir  uns  beschäftigen,  bereits  gelöst  ist.  Um  nämlich  die  Geschwindig- 
keit des  Lichtes  in  einer  bestimmten  Richtung  zu  messen,  müsste 
man  die  Distanz  zweier  Punkte  A  und  B,  zwischen  welchen  sich  ein 
Lichtstrahl  fortpflanzt,  ferner  die  Zeit  der  Lichtaussendung  in  A  und 
die  Zeit  der  Lichtankunft  in  B  messen.  Es  wären  also  Zeitmessungen 


8  A.  Einstein. 

an  verschiedenen  Orten  nötig,  was  nur  dann  ausführbar  wäre,  wenn 
die  von  uns  gesuchte  Zeitdefinition  bereits  gegeben  wäre.  Wenn  es 
nun  aber  ohne  willkürliche  Festsetzung  prinzipiell  ausgeschlossen  ist, 
eine  Geschwindigkeit,  im  speziellen  die  Geschwindigkeit  des  Lichts^ 
zu  messen,  so  sind  wir  berechtigt,  bezüglich  der  Fortpflanzungsge- 
schwindigkeit des  Lichtes  noch  willkürliche  Festsetzungen  zu  machen. 
Wir  setzen  nun  fest,  dass  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des 
Lichtes  im  Vacuum  auf  dem  Wege  von  einem  Punkt  Ä  nach  einem 
Punkt  B  gleich  gross  sei  wie  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  eines 
Lichtstrahls  von  B  nach  Ä.  Vermöge  dieser  Festsetzung  sind  wir 
in  der  Lage,  gleich  beschaffene  Uhren,  die  wir  relativ  zum  System  k 
in  verschiedenen  Punkten  ruhend  angeordnet  haben,  wirklich  zu  richten. 
Wir  werden  z.  B.  die  in  den  beiden  Punkten  A  und  B  befindlichen 
Uhren  so  richten,  dass  folgendes  der  Fall  ist:  Wird  in  A  zur  Zeit  t 
(auf  der  Uhr  in  A  gemessen)  ein  Lichtstrahl  nach  B  gesandt,  der  zur 
Zeit  t-i-a  (gemessen  an  der  Uhr  in  B)  in  B  ankommt,  so  muss  um- 
gekehrt ein  zur  Zeit  t  (auf  der  Uhr  in  B  gemessen)  von  B  gegen  A 
gesandter  Lichtstrahl  zur  Zeit  t  -\~  a  (gemessen  an  der  Uhr  in  A} 
in  A  eintreffen.  Das  ist  die  Vorschrift,  nach  welcher  alle  Uhren,  die 
im  System  k  verteilt  sind,  gerichtet  werden  müssen.  Wenn  wir  diese 
Vorschrift  erfüllt  haben,  so  haben  wir  eine  Zeitbestimmung  vom 
Standpunkt  des  messenden  Physikers  erlangt.  Die  Zeit  eines  Ereig- 
nisses ist  nämlich  gleich  der  Angabe  derjenigen  der  nach  der  soeben 
angegebenen  Vorschrift  gerichteten  Uhren,  welche  sich  am  Ort  des- 
Ereignisses befindet. 

Nun  fragt  sich,  was  wir  damit  besonders  Merkwürdiges  erhalten 
haben,  da  das  alles  selbstverständlich  klingt.  Das  Merkwürdige  liegt 
darin,  dass  diese  Vorschrift,  um  zu  Zeitangaben  von  ganz  bestimmtem 
Sinn  zu  gelangen,  sich  auf  ein  System  von  Uhren  bezieht,  welches 
relativ  zu  einem  ganz  bestimmten  Koordinatensystem  k  ruht.  Wir 
haben  nicht  eine  Zeit  schlechthin  gewonnen,  sondern  eine  Zeit  mit 
Bezug  auf  das  Koordinatensystem  k  bezw.  mit  Bezug  auf  das  Ko- 
ordinatensystem k  samt  den  relativ  zu  k  ruhend  angeordneten  Uhren.. 
Wir  können  natürlich  genau  dieselben  Operationen  ausführen,  wenn 
wir  ein  zweites  Koordinatensystem  k'  haben,  welches  relativ  zu  k 
gleichförmig  bewegt  ist.  Wir  können  relativ  zu  diesem  Koordinaten- 
system k'  ein  Uhrensystem  über  den  Raum  verteilen,  aber  so,  dass 
alle  mit  k'  bewegt  sind.  Dann  können  wir  diese  Uhren,  die  bezüglich  k' 
in  Ruhe  sind,  genau  nach  der  oben  angegebenen  Vorschrift  richten. 
Wenn  wir  das  tun,  so  bekommen  wir  mit  Bezug  auf  das  System  k' 
auch  eine  Zeit. 


Die  Relativitätstheorie.  .  9* 

Nun  ist  aber  a  priori  gar  nicht  gesagt,  dass,  wenn  zwei  Ereig- 
nisse mit  Bezug  auf  das  Bezugssystem  k  —  ich  meine  damit  das- 
Koordinatensystem  samt  den  Uhren  —  gleichzeitig  sind,  dieselben. 
Ereignisse  aufgefasst  zum  Bezugssystem  //  auch  gleichzeitig  sind. 
Es  ist  nicht  gesagt,  dass  die  Zeit  eine  absolute,  d.  h.  eine  vom  Be- 
wegungszustand des  Bezugssystems  unabhängige  Bedeutung  hat.  Das 
ist  eine  Willkür,  welche  in  unserer  Kinematik  enthalten  war. 

Nun  kommt  ein  zweiter  Umstand,  welcher  ebenfalls  in  der  bis-^ 
herigen  Kinematik  willkürlich  war.  Wir  sprechen  von  der  Gestalt 
eines  Körpers,  z.  B.  von  der  Länge  eines  Stabes  und  glauben,  genaU' 
zu  wissen,  was  dessen  Länge  ist,  auch  dann,  wenn  er  sich  in  bezug  auf 
das  Bezugssystem,  von  dem  aus  wir  die  Erscheinungen  beschreiben,  in. 
Bewegung  befindet.  Aber  eine  kurze  Ueberlegung  zeigt,  dass  das  gar 
keine  so  einfachen  Begriffe  sind,  wie  wir  es  uns  instinktiv  vorstellen. 
Wir  haben  einen  Stab ,  der  in  Richtung  seiner  Achse  relativ  zui 
dem  Bezugssystem  k  in  Bewegung  ist.  Wir  fragen  nun :  wie  lang  ist 
dieser  Stab?  Diese  Frage  kann  nur  die  Bedeutung  haben:  welche  Ex- 
perimente müssen  wir  ausführen,  um  zu  erfahren,  wie  lang  der  Stab- 
ist. Wir  können  einen  Mann  mit  einem  Masstab  nehmen  und  ihnv 
einen  Stoss  geben,  so  dass  er  dieselbe  Geschwindigkeit  annimmt  wie- 
der Stab ;  dann  ist  er  relativ  zum  Stab  ruhend  und  kann  die  Länge- 
dieses  Stabes  durch  wiederholtes  Anlegen  seines  Massstabes  in  der- 
selben Weise  ermitteln,  wie  man  tatsächlich  die  Länge  ruhender  Körper 
ermittelt.  Da  bekommt  er  eine  ganz  bestimmte  Zahl  und  er  kann  mit 
einem  gewissen  Recht  erklären,  dass  er  die  Länge  dieses  Stabes  ge- 
messen habe. 

Wenn  aber  lediglich  solche  Beobachter  zur  Verfügung  stehen^. 
welche  nicht  mit  dem  Stab  bewegt  sind,  sondern  alle  relativ  zu 
einem  gewissen  Bezugssystem  k  ruhen,  können  wir  in  folgender  Weise 
verfahren:  Wir  denken  uns  längs  der  Bahn,  welche  der  längs  seiner 
Achse  bewegte  Stab  durchläuft,  eine  sehr  grosse  Zahl  von  Uhren  ver- 
teilt, deren  jeder  ein  Beobachter  beigegeben  sei.  Die  Uhren  seien 
nach  dem  oben  angegebenen  Verfahren  durch  Lichtsignale  gerichtet 
worden,  derart,  dass  sie  in  ihrer  Gesamtheit  die  zu  dem  Bezugs- 
system k  gehörige  Zeit  anzeigen.  Diese  Beobachter  ermitteln  nun 
die  beiden  Orte  mit  Bezug  auf  das  System  k,  in  denen  sich  Stab- 
anfang und  Stabende  zu  einer  bestimmten  gegebenen  Zeit  t  befinden, 
oder  was  dasselbe  heisst,  diejenigen  beiden  Uhren,  bei  denen  Stab- 
anfang bezw.  Stabende  passiert,  wenn  die  betreffende  Uhr  die  Zeit- 
angabe t  zeigt.  Die  Distanz  der  beiden  so  erhalteneu  Orte  (bezw. 
Uhren)  voneinander  werde  mit  einem  relativ  zum  Bezugssystem  k 
ruhenden  Masstab  durch  wiederholtes  Anlesen  auf  der  Verbindungs- 


10  A.  Einstein. 

strecke  ermittelt.  Die  Resultate  der  beiden  angegebenen  Verfahren 
kann  man  mit  gutem  Recht  als  die  Länge  des  bewegten  Stabes  be- 
zeichnen. Es  ist  aber  zu  bemerken,  dass  diese  beiden  Manipula- 
tionen nicht  notwendigerweise  zu  demselben  Resultat  führen  müssen, 
oder  m.  a.  W.  die  geometrischen  Masse  eines  Körpers  brauchen 
nicht  von  dem  Bewegungszustand  desjenigen  Bezugssystems  unab- 
liängig  zu  sein,  mit  Bezug  auf  welches  die  Masse   ermittelt  werden. 

Wenn  wir  diese  beiden  willkürlichen  Voraussetzungen  nicht 
machen,  so  sind  wir  zunächst  nicht  mehr  imstande,  das  folgende  ele- 
mentare Problem  zu  lösen:  gegeben  sind  die  Koordinaten  x,  y,  z, 
und  die  Zeit  t  eines  Ereignisses  mit  Bezug  auf  das  System  /c;  wir 
suchen  die  Raum-Zeitkoordinaten  x  ,  y\  z',  i'  desselben  Ereignisses 
bezogen  auf  ein  anderes  System  ä;',  welches  sich  in  bekannter,  gleich- 
förmiger Translationsbewegung  relativ  zu  Ä'  befindet.  Es  zeigt  sich 
nämlich,  dass  die  bisherige  einfache  Lösung  dieser  Aufgabe  auf  den 
beiden  von  uns  soeben  als  willkürlich  erkannten  Annahmen  beruhte. 

Wie  soll  man  die  Kinematik  wieder  auf  die  Beine  bringen?  Da 
«rgibt  sich  die  Antwort  von  selbst:  gerade  die  Umstände,  die  uns 
vorhin  die  peinlichen  Schwierigkeiten  bereitet  haben,  führen  uns  auf 
•einen  gangbaren  Weg,  nachdem  wir  durch  die  Beseitigung  der  ge- 
nannten willkürlichen  Annahmen  mehr  Spielraum  erlangt  haben.  Es 
zeigt  sich  nämlich,  dass  gerade  diese  beiden  scheinbar  unvereinbaren 
•Grundsätze,  welche  die  Erfahrung  uns  aufgedrängt  hat,  nämlich  das 
Relativitätsprinzip  und  das  Prinzip  von  der  Konstanz  der  Licht- 
geschwindigkeit, zu  einer  ganz  bestimmten  Lösung  des  Problems  der 
Raum-Zeit-Transformation  führen.  Da  kommt  man  zu  Resultaten, 
die  unseren  gewöhnlichen  Vorstellungen  zum  Teil  stark  zuwider 
laufen.  Die  mathematischen  Überlegungen,  die  dazu  führen,  sind  sehr 
einfach;  es  ist  nicht  der  Ort,  darauf  einzugehen.^)  Es  wird  besser 
sein,  wenn  ich  auf  die  hauptsächlichsten  Konsequenzen  eingehe,  welche 
man  auf  diese  Weise  durch  ganz  logisches  Vorgehen  ohne  weitere 
Voraussetzung  erlangt  hat. 


')  Sind  X,  y,  z,  t  bezw.  x',  y ,  s',  t'  Raum-  und  Zeitkoordinalen  mit  Bezug 
auf  die  beiden  Bezugssysteme  k  und  k',  so  verlangen  die  beiden  zugrunde  gelegten 
Prinzipien,  dass  die  Transformationsgleichungen  so  beschaffen  sein  müssen,  dass 
von  den  beiden  Geichungen 

X-  +  y^  +  z'^  =  c2  <2  und 

a.'2  ^  y>2  ^  g'2  ^  c2  l'i 

jede  die  andere  zur  Folge  hat.  Da  aus  hier  nicht  zu  erörternden  Gründen  die  Sub- 
stitutionsgleichungen lineare  sein  müssen,  so  ist  hiedurch  das  Transformationsge- 
setz festgelegt,  wie  eine  kurze  Untersuchung  lehrt  (vergl.  z.  B.  Jahrbuch  der  Radio- 
aktivität und  Elektronik  IV.  4.  S.  418  ff). 


Die  Relativitätstheorie.  11 

Zunächst  einmal  das  rein  Kinematische.  Da  wir  Koordinaten 
und  Zeit  in  bestimmter  Weise  physikalisch  definiert  haben,  so  wird  jede 
Beziehung  zwischen  räumlichen  und  zeitlichen  Grössen  einen  ganz  be- 
stimmten physikalischen  Inhalt  haben.  Es  ergibt  sich  folgendes :  Wenn  wir 
einen  festen  Körper  haben,  der  in  bezug  auf  das  Koordinatensystem  k, 
welches  wir  der  Betrachtung  zu  Grunde  legen,  gleichförmig  bewegt 
ist,  dann  erscheint  dieser  Körper  in  seiner  Bewegungsrichtung  ver- 
kürzt in  einem  ganz  bestimmten  Verhältnis  gegenüber  derjenigen 
Gestalt,  welche  er  in  bezug  auf  dieses  System  im  Zustand  der  Ruhe 
besitzt.  Wenn  wir  mit  v  die  Bewegungsgeschwindigkeit  des  Körpers 
bezeichnen,  mit  c  die  Lichtgeschwindigkeit,  so  wird  jede  in  der  Be- 
wegungsrichtung gemessene  Länge,  die  bei  unbewegtem  Zustande 
des  Körpers  =  l  ist,  infolge  der  Bewegung  mit  Bezug  auf  den  nicht 
raitbewegten  Beobachter  verringert  auf  den  Betrag 


Wenn  der  Körper  in  ruhendem  Zustande  kugelförmig  ist,  dann 
hat  er,  wenn  wir  ihn  in  einer  bestimmten  Richtung  bewegen,  die 
Gestalt  eines  abgeplatteten  Ellipsoides.  Wenn  die  Geschwindigkeit  bis 
zur  Lichtgeschwindigkeit  geht,  so  klappt  der  Körper  zu  einer  Ebene 
zusammen.  Von  einem  mitbewegten  Beobachter  beurteilt,  behält  der 
Körper  aber  nach  wie  vor  seine  Kugelgestalt ;  andererseits  erscheinen 
dem  mit  dem  Körper  bewegten  Beobachter  alle  nicht  mitbewegten 
Gegenstände  in  genau  gleicher  Weise  in  der  Richtung  der  Relativ- 
bewegung verkürzt.  Dieses  Resultat  büsst  von  seiner  Sonderbarkeit 
sehr  viel  ein,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  diese  Angabe  über  die 
Gestalt  bewegter  Körper  eine  recht  komplizierte  Bedeutung  hat,  in- 
dem ja  nach  dem  Vorigen  diese  Gestalt  nur  mit  Hilfe  von  Zeitbe- 
stimmungen zu  ermitteln  ist. 

Das  Gefühl,  dass  dieser  Begriff  „Gestalt  des  bewegten  Körpers" 
einen  unmittelbar  einleuchtenden  Inhalt  hat,  kommt  daher,  dass  wir 
in  der  Alltagserfahrung  gewohnt  sind,  lediglich  solche  Bewegungs- 
geschwindigkeiten vorzufinden ,  welche  gegenüber  der  Lichtge- 
schwindigkeit praktisch  unendlich  klein  sind. 

Nun  eine  zweite  rein  kinematische  Konsequenz  der  Theorie,  die 
fast  noch  merkwürdiger  berührt.  Wir  denken  uns  eine  Uhr  gegeben, 
welche  die  Zeit  eines  Bezugssystems  k  anzugeben  befähigt  ist,  falls 
sie  relativ  zu  k  ruhend  angeordnet  wird.  Man  kann  beweisen,  dass 
dieselbe  Uhr,  falls  sie  mit  Bezug  auf  das  Bezugssystem  k  in  gleich- 
förmige Bewegung  versetzt  wird,  vom  System  k  aus  beurteilt,  lang- 
samer läuft,    derart,    dass    wenn   die  Zeitangabe    der  Uhr   um    1  ge- 


12  A.  Einstein. 

wachsen  ist,    die  Uhren    des  Systems  k  anzeigen,    dass  in  bezug  auf 
das  System  k  die  Zeit 


Y 


verstrichen  ist.  Die  bewegte  Uhr  läuft  also  langsamer  als  dieselbe 
Uhr,  wenn  sie  sich  in  bezug  auf  k  im  Zustande  der  Ruhe  befindet. 
Man  muss  sich  die  Granggeschwindigkeit  der  Uhr  in  bewegtem  Zu- 
stand dadurch  ermittelt  denken,  dass  man  die  Zeigerstellung  dieser 
Uhr  jeweilen  verglichen  denkt  mit  den  Zeigerstellungen  derjenigen 
relativ  zu  k  ruhenden  Uhren,  die  mit  Bezug  auf  k  die  Zeit  messen 
und  an  denen  sich  die  betrachtete  bewegte  Uhr  gerade  vorbeibewegt. 
Wenn  es  uns  gelänge,  die  Uhr  mit  Lichtgeschwindigkeit  zu  bewegen 
—  angenähert  mit  Lichtgeschwindigkeit  könnten  wir  sie  bewegen,  wenn 
wir  genügend  Kraft  hätten  —  so  würden  die  Zeiger  der  Uhr  von  k 
aus  beurteilt,  unendlich  langsam  vorrücken. 

Am  drolligsten  wird  die  Sache,    wenn   man   sich   folgendes  aus- 
geführt denkt:    man   gibt   dieser  Uhr  eine  sehr  grosse  Geschwindig- 
/  keit    (nahezu    gleich    c)    und    lässt    sie    in  gleichförmiger  Bewegung 

yJi\J\.  weiterfliegen  und  gibt  die  dann,  nachdem  sie  eine  grosse  Strecke  durch- 

flogen hat,  einen  Impuls  in  entgegengesetzter  Richtung,  so  dass  sie 
wieder  an  die  Ursprungsstelle,  von  der  sie  abgeschleudert  worden 
ist,  zurückkommt.  Es  stellt  sich  dann  heraus,  dass  sich  die  Zeiger- 
stellung dieser  Uhr,  während  ihrer  ganzen  Reise,  fast  nicht  geändert 
hat,  während  eine  unterdessen  am  Orte  des  Abschleuderns  in  ruhen- 
dem Zustand  verbliebene  Uhr  von  genau  gleicher  Beschaffenheit  ihre 
Zeigerstellung  sehr  wesentlich  geändert  hat.  Man  muss  hinzufügen, 
dass  das,  was  für  diese  Uhr  gilt,  welche  wir  als  einen  einfachen 
Repräsentanten  alles  physikalischen  Geschehens  eingeführt  haben, 
auch  gilt  für  ein  in  sich  abgeschlossenes  physikalisches  System 
irgendwelcher  anderer  Beschaffenheit.  Wenn  wir  z.  B.  einen  lebenden 
Organismus  in  eine  Schachtel  hineinbrächten  und  ihn  dieselbe  Hin-  und 
Herbewegung  ausführen  Hessen  wie  vorher  die  Uhr,  so  könnte  man 
es  erreichen,  dass  dieser  Organismus  nach  einem  beliebig  langen 
Fluge  beliebig  wenig  geändert  wieder  an  seinen  ursprünglichen  Ort 
zurückkehrt,  während  ganz  entsprechend  beschaffene  Organismen, 
welche  an  den  ursprünglichen  Orten  ruhend  geblieben  sind,  bereits 
längst  neuen  Generationen  Platz  gemacht  haben.  Für  den  bewegten 
Organismus  war  die  lange  Zeit  der  Reise  nur  ein  Augenblick,  falls 
die  Bewegung  annähernd  mit  Lichtgeschwindigkeit  erfolgte !  Dies 
ist  eine  unabweisbare  Konsequenz  der  von  uns  zugrunde  gelegten 
Prinzipien,  die  die  Erfahrung  uns  aufdrängt. 


Die  Relativitätstheorie.  13 

Nun  noch  ein  Wort  über  die  Bedeutung  der  Relativitätstheorie 
für  die  Physik.  Diese  Theorie  verlangt,  dass  der  mathematische 
Ausdruck  eines  für  beliebige  Geschwindigkeiten  gültigen  Naturge- 
setzes seine  Form  nicht  ändert,  wenn  man  vermittelst  der  Trans- 
formationsgleichungen in  die  die  Gesetze  ausdrückenden  Formeln 
neue  Raum-Zeitkoordinaten  einführt.  Es  wird  dadurch  die  Mannig- 
faltigkeit der  Möglichkeiten  erheblich  eingeschränkt.  Es  gelingt, 
durch  eine  einfache  Transformation  die  Gesetze  für  beliebig  rasch 
bewegte  Körper  abzuleiten  aus  denjenigen  Gesetzen,  welche  für 
ruhende,  bezw.  langsam  bewegte  Körper  bereits  bekannt  sind. 
So  kann  man  z.  B.  die  Bewegungsgesetze  für  rasche  Kathodenstrahlen 
ableiten.  Es  hat  sich  dabei  ergeben,  dass  die  Newtonschen  Gleichungen 
nicht  für  beliebig  rasch  bewegte  materielle  Funkte  gelten,  sondern 
dass  sie  ersetzt  werden  müssen  durch  Bewegungsgleichungen  von 
etwas  komplizierterem  Bau.  Es  hat  sich  gezeigt,  dass  diese  Gesetze 
der  Ablenkbarkeit  der  Kathodenstrahlen  in  ganz  befriedigender  Weise 
mit  der  Erfahrung  übereinstimmen. 

Von  den  physikalisch  wichtigen  Folgerungen  der  Relativitäts- 
theorie muss  die  folgende  erwähnt  werden.  Wir  haben  vorhin  ge- 
sehen, dass  eine  bewegte  Uhr  nach  der  Relativitätstheorie  langsamer 
läuft  als  dieselbe  Uhr  im  ruhenden  Zustande.  Wohl  dürfte  es  für 
immer  ausgeschlossen  bleiben,  dass  wir  dieses  durch  Experimente 
mit  einer  Taschenuhr  verifizieren  werden,  weil  die  Geschwindigkeiten, 
die  wir  einer  solchen  mitteilen  können,  gegen  die  Lichtgeschwindig- 
keit verschwindend  klein  sind.  Aber  die  Natur  bietet  uns  Objekte 
dar,  welche  durchaus  den  Charakter  von  Uhren  haben  und  ausser- 
ordentlich rasch  bewegt  werden  können.  Es  sind  dies  die  Spektral- 
linien aussendenden  Atome,  denen  wir  mittelst  des  elektrischen 
Feldes  Geschwindigkeiten  von  mehreren  tausend  Kilometern  mitteilen 
können  (Kanal strahlen).  Es  ist  nach  der  Theorie  zu  erwarten,  dass 
die  Schwingungsfrequenzen  dieser  Atome  durch  deren  Bewegung  in 
genau  derjenigen  Weise  beeinflusst  erscheinen,  wie  dies  für  die  be- 
wegten Uhren  abzuleiten  ist.  Wenn  die  betreffenden  Experimente 
auch  grossen  Schwierigkeiten  begegnen,  so  dürfen  wir  doch  hoffen, 
auf  diesem  Wege  in  den  nächsten  Jahrzehnten  eine  wichtige  Be- 
stätigung oder  die  Widerlegung  der  Relativitätstheorie   zu    erlangen. 

Die  Theorie  führt  ferner  zu  dem  wichtigen  Resultat,  dass  die 
träge  Masse  eines  Körpers  von  dessen  Energieinhalt  abhängig  ist, 
allerdings  in  sehr  geringem  Masse,  so  dass  es  ganz  aussichtslos  ist, 
die  Sache  direkt  nachzuweisen.     Nimmt   die  Energie   eines   Körpers 

El 

um  E  zu,  so  nimmt  die  träge  Masse  um  —^  zu.     Durch  diesen  Satz 


14  A.  Einstein. 

wird  der  Satz  von  der  Erhaltung  der  Masse  umgestossen,  bezw.  mit 
dem  Satz  von  der  Erhaltung  der  Energie  zu  einem  einzigen  ver- 
schmolzen. So  merkwürdig  dieses  Resultat  klingen  mag,  so  kann 
man  doch  auch  ohne  Relativitätstheorie  in  einigen  speziellen  Fällen 
aus  erfahrungsmässig  bekannten  Tatsachen  mit  Sicherheit  schliessen, 
dass  die  träge  Masse  mit  dem  Energieinhalt  zunimmt. 

Nun  noch  ein  Wort  über  die  hochinteressante  mathematische 
Fortbildung,  welche  die  Theorie  hauptsächlich  durch  den  leider  so 
früh  verstorbenen  Mathematiker  Minkowski  erfahren  hat.  Die  Trans- 
formationsgleichungen der  Relativitätstheorie  sind  derart  beschaffen, 
dass  sie  den  Ausdruck 

X^  +lf  +  z''  —  C2  f 

als  Invariante  besitzen.  Führt  man  statt  der  Zeit  t  die  imaginäre 
Variable  et-]!  —  1  =  r  statt  der  Zeit  als  Zeitvariable  ein,  so  nimmt 
diese  Invariante  die  Form  an 

^^  +  y'  +  s'  +  r2. 

Hiebei  spielen  die  räumlichen  Koordinaten  und  die  Zeitkoordinaten 
dieselbe  Rolle.  Die  weitere  Verfolgung  dieser  formalen  Gleichwertig- 
keit von  Raum-  und  Zeitkoordinaten  in  der  Relativitätstheorie  hat 
zu  einer  sehr  übersichtlichen  Darstellung  dieser  Theorie  geführt, 
welche  deren  Anwendung  wesentlich  erleichtert.  Das  physikalische 
Geschehen  wird  dargestellt  in  einem  4-dimensionalen  Raum  und  die 
raum-zeitlichen  Beziehungen  der  Ergebnisse  erscheinen  als  geometrische 
Sätze  in  diesem  4-dimensionalen  Raum. 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezi- 
fischen Wärme  und  der  Schmelzwärme  des  Rubidiums  und 
der  spezifischen  Wärme  des  Cadmiums.  0 


Von 

Elsa  Deuss. 


Einleitung-. 

Im  Jahre  1879  stellte  R.  Pictet^)  das  Gesetz  auf,  dass  der 
Wärmeausdehnungskoeffizient  der  Elemente  ihrer  Dichte  direkt,  ihrem 
Atomgewicht  und  ihrer  Schmelztemperatur  umgekehrt  proportional 
ist.  Von  den  Gliedern  der  Alkaligruppe  sind  diese  physikalischen 
Grössen  für  Li,  Na,  Ka  und  Cs  bereits  bestimmt  worden.  Es  war 
nun  von  Interesse,  zu  ermitteln,  ob  sich  das  Rb.  mit  seinen  Eigen- 
schaften ebenfalls  dem  Pictetschen  Gesetz  unterordnen  lässt.  Ausser 
Bunsen^),  der  das  Rb.  1860  auf  spektral  analytischem  Wege  ent- 
deckte und  dann  im  selben  Jahre  seine  Dichte  (1,522  bei  15°  C.) 
und  seine  Schmelztemperatur  (38,5°  C.)  bestimmte,  haben  sich  in 
späterer  Zeit  nur  zwei  Experimentatoren  mit  diesem  Metall  beschäf- 
tigt. Erdmann  und  Köthner*)  untersuchten  mit  grosser  Sorgfalt 
ebenfalls  seine  Dichte  und  Schmelztemperatur ;  ihre  Resultate  stehen 
in  völliger  Übereinstimmung  mit  den  Bunsenschen.  Im  Jahre  1900 
erschien  eine  Arbeit  von  M.  Eckardt^)  über  den  Volumensprung  des 
Rb.  bei  der  Schmelztemperatur,  welche  er  bei  37,8°  C.  fand.  Hier- 
mit ist  die  über  das  Rb.  bestehende  Literatur  schon  erschöpft ;  kalori- 
metrische Untersuchungen  dieses  Metalles  existieren  bis  jetzt  noch 
keine.     Ich   stellte   mir   die   Aufgabe,    den  Wärmeausdehnungskoeffi- 


')  Die  vorliegende  Arbeit  lag  druckfertig  als  Promotionsschrift  vor,  als  die 
Verfasserin  einem  tragischen  Schicksal  erlag;  sie  starb  am  30.  Januar  1911.  Die 
Untersuchvmg  bildet  ein  schönes  Denkmal  des  arbeitsfreudigen  Sinnes,  der  Gewissen- 
haftigkeit und  des  wissenschaftlichen  Interesses  der  Verstorbenen.        A.  Kleiner. 

2)  C.  R.  1879  T.  88,  p.  855.  Die  Gültigkeit  dieses  Gesetzes  ist  etwa  von  dei' 
Art  derjenigen  des  Dulong-Petitschen  Gesetzes. 

')  Liebigs  Annalen,  Bd.  125,  p.  368. 

*)  Liebigs  Annalen,  Bd.  294,  p.  55. 

^)  Annalen  der  Physik,  Bd.  I,  p.  790. 


16  Elsa  Deuss. 

zienten  und  die  spezifische  Wärme  dieses  Metalles  zu  ermitteln  und 
verband  hiermit  wegen  der  soeben  erwähnten  Diskrepanz  der  Schmelz- 
i;emperatur  eine  Revision  des  Schmelzpunktes.  Die  Anregung  zu 
dieser  Arbeit  verdanke  ich  meinem  hochverehrten  Lehrer,  Hrn.  Prof. 
Dr.  A.  Kleiner. 

I.    Der  thermische  Ausdehnungskoeffizient  des  Rubidiums. 

Der  Weg,  den  ich  bei  der  Untersuchung  des  Rb.  einzuschlagen 
Chatte,  war  mir  zum  Teil  durch  die  chemischen  Eigenschaften  des 
Elementes  gegeben,  vor  allem  durch  die  ausserordentlich  ausgeprägte 
Neigung  des  Metalles  zur  Oxydation  und  zwar  nicht  nur  im  W^asser, 
■sondern  schon  in  Luft,  welche  das  Arbeiten  mit  diesem  Körper  wesent- 
lich erschwert.  Die  Ermittlung  des  linearen  Ausdehnungskoeffizienten 
war  infolge  dieser  Eigenschaft  von  vornherein  unmöglich.  Von  den 
Ijeiden  Methoden,  der  Dilatometer-  und  der  hydrostatischen  Methode, 
mittelst  welcher  der  kubische  Ausdehnungskoeffizient  bestimmt  wird, 
wählte  ich  die  erste,  als  die  für  meinen  Zweck  geeignetere.  Vor 
allen  Dingen  hatte  ich  das  Rb.  vor  Sauerstoff  aufs  Peinlichste  zu 
schützen.  Um  es  von  seiner  ursprünglichen  Grlashülle,  in  die  es  vom 
Lieferanten  eingeschmolzen  war,  zu  befreien,  musste  es  aus  derselben 
herausgeschnitten  und  direkt  in  das  Dilatometer  gebracht  werden, 
während  sich  alles,  auch  das  Dilatometer  unter  Paraffinöl  befand. 
Meine  Aufgabe  bestand  nun  darin,  den  Ausdehnungskoeffizienten  des 
in  Paraffinöl  befindlichen  Rb.  zu  bestimmen.  Um  dies  zu  ermöglichen, 
musste  ich  in  erster  Linie  denjenigen  des  Öls  kennen.  Bekanntlich 
kann  bei  dem  von  mir  angewandten  Verfahren  der  wahre  Ausdeh- 
nungskoeffizient einer  Flüssigkeit  nicht  direkt  ermittelt  werden;  viel- 
mehr haben  wir  für  ihn  die  Beziehung: 

<1)  a  =  ß-hr, 

worin  «  den  wahren,  ß  den  scheinbaren  Ausdehnungskoeffizienten  der 
Füllflüssigkeit,  y  den  Glasausdehnungskoeffizienten  bedeuten.  Zu- 
nächst hatte  ich  also  die  Glasausdehnung  zu  bestimmen. 

Das  mir  zur  Verfügung  stehende  Dilatometer  war  ein,  mit  Stopfen 
oben  verschliessbares  Glasgefäss  mit  daran  angesetzter,  nach  oben 
umgebogener  Kapillare').  Diese  Kapillare  war  in  35  Centimeter-Skalen- 
teile  eingeteilt,  diese  wieder  in  Millimeter,  so  dass  die  Hundertstel- 
skalenteile noch  ziemlich  genau  geschätzt  werden  konnten.  Vor  dem 
•Gebrauch  hatte  ich  das  Volumen  der  einzelnen  Dilatometerteile  durch 
Auswägen    mit   gut   ausgekochtem    Quecksilber   bestimmt.     Die   Be- 


^)  Viele  Dissertation  von  August  Thum,  1906,  pag.  65. 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    17 

Stimmung  der  Glasausdehnung  erfolgte,  indem  ich  das  Dilatometer 
bei  einer  bestimmten  Temperatur  bis  zu  einem  bestimmten  Skalenteil 
mit  Hg  angefüllt,  in  einem  Wasserbad  erhitzte  und  die  Niveauände- 
rung des  Hg-Fadens  bei  der  neu  erreichten  Temperatur  feststellte. 
Die  Temperaturen  wurden  an  einem  Hg-Thermometer  bestimmt,  das 
die  zehntel  Grade  genau  abzulesen,  die  hundertste!  Grade  noch  zu 
schätzen  gestattete.  Mittelst  eines  Rührers  sorgte  ich  dafür,  dass 
Thermometer-  und  Dilatometergefäss,  die  sich  dicht  neben  einander 
befanden,  von  Wasser  gleicher  Temperatur  umgeben  waren.  Die 
Berechnung  ergab  sich  nach  folgender  Formel: 

(2)  F,^  (l  +  a  {t,  -  tS)  =  (n^  +  z/  F)  (l  +  y  {t,  -  t,)). 

Dabei  bedeutet: 

Vf   das  Volumen  des  Hg  bei  der  Temperatur  fj. 
a  den  wahren  Ausdehnungskoeffizienten  des  Hg. 
to  • —  ^1  die  Temperaturdifferenz  des  Erhitzungsintervalls. 

J  V  die  scheinbare  Voluraenzunahme  des  Hg  im  Erhitzungsintervall. 
y  den  wahren  Glasausdehnungskoeffizienten. 

Die  numerische  Berechnung  ergab  sich  aus  dem  Mittel  zweier 
Versuche  zwischen  0°— 20,11^  und  0°— 40,83°  C;  die  hierfür  not- 
wendigen Daten  waren: 

Bei      0°      zeigte  der  Hg-Meniskus  auf  10,70 
„     20,11°       ,        „  „  „     14,95 

„     40,83°       „        „  „  „     19,37. 

a  setzte  ich  nach  Wüllner  0,00018140  0  von  0°— 20°,  0,00018166  von 
0° — 40°.  Das  Volumen  eines  Centimeter-Skalenteils  hatte  ich  zu 
0,0106  cm^,  das  Volumen  des-Dilatometers  bis  zum  Nullpunkt  der 
Teilung  zu  14,393  cm^  bei  zirka  18°  C.  bestimmt.  Ich  fand  für  y 
0,00002656. 

Zur  Bestimmung  des  wahren  Ausdehnungskoeffizienten  des  Paraffin- 
öls ging  ich  aus  von  der  Gleichung: 

(3)  (F,^H-  z/  F)  (1  +  y  {t,  -  t,))  =  V,^  (l  -^a{i,-  Q). 

Hier  haben  die  Grössen  dieselbe  Bedeutung,  wie  in  Gleichung  (2), 
nur  bezieht  sich  a  in  diesem  Falle  auf  Paraffinöl  als  Füllflüssigkeit 
Auch  Vorgehen,  Einrichtung  und  Berechnung  waren  bei  dieser  Unter- 
suchung genau  dieselben  wie  oben.  Für  den  Ausdehnungskoeffizienten 
des  Öls  erhielt  ich  0,000761. 


>)  Winkelmann:   Handbuch  der  Pliysik,  pag.  88,  1906. 

Vierteljahrsschrift   d.  Xaturf.  Ges.  Zürich.    .Tahrg.  56.     1911. 


18  Elsa  Deuss. 

Zur  Bestimmung  des  Ausdehnungskoeffizienten  des  in  Öl  befind- 
lichen Rb.  wurde  das  Dilatometer,  welches  das  Rb.  samt  der  Flüssig- 
keit enthielt,  in  einem  Paraffinölbad  einer  Temperaturänderung  aus- 
gesetzt. Bei  der  Berechnung  des  wahren  Ausdehnungskoeffizienten 
des  Rb.  hielt  ich  mich  an  die  Formel: 

wobei  bedeuten : 

F^j  das  Volumen  von  Rb.  +  Ol  bei  der  Temperatur  t^. 
^  V  die  scheinbare  Volumenzunahme  des  Rb.  +  Ol  im  Erhitzungs- 
intervall. 
y  den  Glasausdehnungskoeffizienten. 
VtiEb  das  Volumen  des  Rb.  bei  der  Temperatur  t^. 
a  den  wahren  Ausdehnungskoeffizienten  des  Rb. 
Vf  p  das  Volumen  des  Paraffinöls  bei  der  Temperatur  t^. 
ttp  den  wahren  Ausdehnungskoeffizienten  des  Öls. 

Die  Grössen  V^^,  /i  F,  ig  und  t^  wurden  an  Dilatometer  und  Thermo- 
meter direkt  abgelesen;  ap  und  y  hatte  ich  schon  bestimmt. 

Um  nun  V^^  py  und  damit  die  Masse  des  in  Paraffinöl  befindlichen 
Rb's,  deren  Kenntnis  mir  auch  für  meine  späteren  kalorimetrischen 
Untersuchungen  notwendig  war,  zu  erhalten,  ging  ich  auf  folgende 
Weise  vor :  Ich  wog  einmal  das  Dilatometer  bis  zu  einem  bestimmten 
Teilstrich  mit  Öl  (P),  ein  zweites  Mal  bei  derselben  Temperatur  bis 
zum  selben  Teilstrich  mit  Rb.  +  Öl  (P')  gefüllt.  Es  bestehen  dann 
im  vorliegenden  Fall  die  Beziehungen: 

(5)  y^m^  V,^p=  \\, 

(6)  ^\p,=      ^-^ 


dt  j?j,  —  dt 


HBh  —  '■HP 
In  Gleichung  (6)  bedeuten: 

P'  das  Gewicht  von  Öl  +  Rb. 

P     „  „  „       „    allein. 

clpi^  die  Dichte  des  Rb.  bei  ^°  C. 

^p     »  »  »     ^is     „      „     „ 

P  und  P'  hatte  ich  durch  Wägung  zu  12,862  gr  resp.  17,292  gr 
gefunden.  Die  Dichte  des  Öls  bestimmte  ich  nach  der  Auftriebs- 
methode, wobei  die  hierbei  nötigen  Reduktionen  auf  den  leeren  Raum 
und  auf  Wasser  von  4°  C.  angebracht  wurden.  Ich  fand  sie  zu 
0,878  bei  18°  C,  während  A.  Thum  i)  hierfür  0,875  fand.    Die  Dichte 


^)  Inaugural- Dissertation,  1906,  Zürich. 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    19 

■des  Rb.  wurde  von  Bunsen  zu  1,522  bei  15°  C.  gefunden.  Durch 
Einsetzung  des  Ausdehnungskoeffizienten  des  Rb.,  dessen  ungefähren 
Wert  ich  vorläufig  aus  den  Angaben  der  Arbeit  von  Eckardt  zu 
-0,0002837  berechnet  hatte,  fand  ich  die  Dichte  des  Rb.  bei  17,5°  C. 
zu  1,521  nach  der  Gleichung: 

Dabei  ist  die  Annahme  gemacht,  dass  es  sich  in  allen  Fällen  um 
•chemisch  reines  Rb.  handelt. 

Somit  waren  mir  alle  Grössen  für  (6)  gegeben ;  für  V^^  ^j  erhielt 
ich  6,930  cm^.  Dabei  hatte  ich  allerdings  den  Wert  der  Dichte  des 
Öls  bei  18°  C.  eingesetzt,  doch  liegt  der  Fehler  unterhalb  der  Beob- 
achtungsfehlergrenze. Vf^ßj,-  dt^^i  ergibt  für  die  Masse  des  Rb's  den 
Wert  10,480  gr,  welche  Grösse  ich  bei  meinen  späteren  kalorimetri- 
schen Untersuchungen  verwandte.  Aus  Gleichung  (5)  erhielt  ich  V^^p, 
womit  mir  alle  notwendigen  Grössen  zur  Berechnung  von  a  nach 
Gleichung  (4)  gegeben  waren.  Die  numerische  Berechnung  geschah 
beispielsweise  nach  folgenden  Angaben: 

Bei     1,62°  zeigt  der  Meniskus  des  Öls  auf    3,40 
n     17,5  »        »  »  »        »       »     14,30. 

F^,  =  14,545;      F^,^^,=  6,930;     Fp=  7,615;     z/ 7=  —  0,11554; 
^,  =  17,5°:     ^2=1>62;     t^— t^=  ~  Ih,^^;     «  =  0,000270. 

Als  Mittelwert  aus  vier  Versuchen,  deren  Resultate  die  maximale 
Differenz  von  4  ^jo  zeigten,  fand  ich  für  den  Ausdehnungskoeffizienten 
des  Rb.  0,0002686.  Dieses  Ergebnis  stimmt  angenähert  überein  mit 
demjenigen,  das  ich  für  die  Reduktion  der  Dichte  von  15°  auf  17,5° 
vorläufig  aus  der  schon  erwähnten  Arbeit  von  Eckardt  über  die  Be- 
stimmung des  Volumensprungs  bei  der  Schmelztemperatur  zu  0,0002837 
berechnete;  doch  ist  hierbei  die  Glasausdehnung  nicht  berücksichtigt. 

Mit  dem  von  mir  ermittelten  Wert  des  Ausdehnungskoeffizienten 
steht  das  Rb.  in  der  Reihe  der  Alkalimetalle  zwischen  Ka  und  Cs,  also 
an  dem  Platze,  der  den  im  Eingang  erwähnten  Beziehungen  entspricht. 

Im  Folgenden  stelle  ich  die  für  die  Glieder  der  Alkaligruppe 
bekannten  Grössen:  absolute  Schmelztemperatur  T,  Ausdehnungs- 
koeffizient ß,  spez.  Gewicht  s  und  Atomgewicht  a  zusammen: 

T 
180     -f  273  =  453 
97,6  +  273  =  370,6 
62,8  +  273  =  335,8 
38,5  +  273  =  311,5 
26,5  +  273  =  299,5 


a 

a 

6' 

Li 

0,0001801 

7,03 

0,59 

Na 

0,0002163 

23,05 

0,9735 

K 

0,0002498 

39,15 

0,875 

Rb 

0,0002686 

85,4 

1,522 

Cs 

0,0003948 

133,0 

2,4 

20  Elsa  Deuss. 

T-  et 
Die  Form,    in  die  R.  Pictet   sein  Gesetz    fasste,    ist:    —3—-  =  Cy 

n 

wobei  er  für  die  Konstante  c  den  Wert  3,5  erhielt.  Berechnet  man 
diese  Konstante  mittelst  den  in  obiger  Tabelle  angegebenen  Grössen, 
so  erhält  man  folgende  Reihe: 

c  für  Li  =  4,015 
c  „  Na  =  4,959 
c  „  K  =  6,416 
c  „  Rh  =  6,901 
c    „    Cs    =  9,712 

aus  welcher  sich  die  Gesetzmässigkeit  ergibt,  dass  der  Pictetsche 
Quotient  für  die  Alkaligruppe  mit  zunehmendem  Atomgewicht  zu- 
nimmt, also  keineswegs  eine  Konstante  ist. 

H.  F.  Wiebe  ^)  weist  darauf  hin,  dass  in  den  natürlichen  Gruppen 

oft  die  Werte  des  Quotienten ,    d.  i.  Ausdehnungskoeffizient  mal 

Atomvolumen  nahezu  einfache  Verhältnisse  zeigen.     Das  ist  auch  für 

die  Alkaligruppe  der  Fall :  Es  verhält  sich  — '-  für  Li :  Na  :  K  :  Rh  :  Cs 

wie  1  :  3  :  5  :  7  :  10  (9). 

II.   Bestimmung-  der  spezifischen  Wärme  und  der  Schmelzwärme 

des  Rubidiums. 

Die  ausserordentlich  leichte  Oxydierbarkeit  des  Rubidiums  lässt 
es  begreiflich  erscheinen,  dass  über  spezifische  Wärme  und  Schmelz- 
wärme dieses  Elementes  bisher  keine  Angaben  vorliegen.  Die  Stellung, 
welche  dem  Körper  im  periodischen  System  zukommt  (5^®^  Maximum 
des  Atomvolumens),  Hess  es  aber  wünschenswert  erscheinen,  diese 
Grössen  zu  ermitteln,  um  die  bekannten  Gesetze  betreffend  spezifische 
Wärme  und  Schmelzwärme  auf  ihre  Anwendbarkeit  auch  auf  das  Rb. 
zu  prüfen  und  dies  war  für  mich  der  Grund,  diese  etwas  schwierigen 
und  weitläufigen  Messungen  durchzuführen. 

Versuchsmethode. 
Für  alle  auszuführenden  kalorimetrischen  Messungen  kam  die 
Mischungsmethode  in  Anwendung,  wobei  mir  Paraffinöl  als  Kalori- 
meterflüssigkeit dienen  musste.  Das  Temperaturintervall  meiner  Unter- 
suchung musste  eingeschränkt  bleiben  zwischen  20° — 50°,  was  durch 
die  Eigenschaften  des  Paraffinöls  bedingt  ist,  in  welchem  die  Substanz 
stets  verbleiben  musste. 


^)  Bericht  der  ehem.  Gesellschaft,  Band  11,  pg.  610,  187S. 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    21 

Um  Schmelzwärmen  zu  messen,  wird  man  im  allgemeinen  von 
folgender  Gleichung  ausgehen  müssen : 

(1)        M-c,{T-  To)  ^  M '  Q  -h-  M Cy{To-  r)  =  U IV  {v  -  t^) . 

In  dieser  Gleichung  bedeutet: 

M  die  Masse  des  Körpers. 

Cg  „  spezifische  Wärme  des  liquiden  Körpers. 

T  „  Erhitzungstemperatur. 

Tq  „  Schmelztemperatur  (für  Rb.  38,5°). 

Q  „  Schmelzwärme. 

€f  „  spezifische  Wärme  des  festen  Körpers. 

T  „  korrigierte  Mischungstemperatur  im  Kalorimeter. 

2Jw  „  Summe  der  Wasserwerte  des  Kalorimeters. 

ti  ,,  Anfangstemperatur  im  Kalorimeter. 

Die  linke  Seite  der  Gleichung  (l)  gibt  erstens  die  von  dem  flüs- 
sigen Körper  bis  zur  Schmelztemperatur,  zweitens  die  während  des 
Erstarrens  und  zuletzt  die  vom  Schmelzpunkt  bis  zur  Mischungs- 
temperatur von  der  Substanz  abgegebene  Wärmemenge,  deren  Summe 
ja  gleich  der  vom  Kalorimeter  aufgenommenen  sein  muss.  Gleichung  (1) 
nach  Q  aufgelöst,  gibt  dann  die  Schmelzwärme. 

Unbekannte  Grössen  in  der  Gleichung  sind  aber  auch  c^  und  c^ 
und  im  Wasserwert  des  Kalorimeters  auf  der  rechten  Seite  der  Glei- 
chung steckt  als  weitere  zu  bestimmende  Grösse  die  spezifische  Wärme 
•des  Paraffinöls,  welches  als  Kalorimeterflüssigkeit  verwendet  werden 
musste;  dies  erforderte  des  Weiteren  die  Bestimmung  der  spezifischen 
Wärme  eines  Silberstücks  in  dem  verwendeten  Temperaturintervall. 
Da  das  untersuchte  Rubidium  beständig  in  einem  Gefäss  mit  Ol 
verbleiben  musste,  so  war  endlich  noch  durch  besondere  Versuche  die 
spezifische  Wärme  des  Gefässmaterials  —  es  war  Glas  —  zu  er- 
mitteln.    Es  waren  also  durch  Versuche  zu  messen: 

1.  Die  spezifische  Wärme  des  Öls        für  verschiedene  Temperaturen. 

2.  „  „  „  V     Silbers    „ 

o.     „       .      „  „  „     ijiases     ))  »  » 

Dann   erst   konnte   an    die   Versuche    mit    dem    Rubidium    gegangen 
werden. 

1.  Untersuchung  des  Öls. 

Die  Bestimmung  der  spezifischen  Wärme  dieses  Öles  ist  erschwert 
einmal  durch  seine  geringe  Wärmeleitungsfähigkeit,  sodann  durch 
seine  grosse  Zähigkeit;  bei  —  17^  ist  es  fest,  bei  15°  noch  dick- 
flüssig, erst  von  30°  ab  leichtflüssig.  Diese  beiden  Eigenschaften  er- 
schweren eine  rasche  Ausgleichung  der  Temperaturen  im  Kalorimeter, 


22  Elsa  Deuss, 

und  es  wurde  daher,  um  diesem  Umstand  Rechnung  zu  tragen,  fol- 
gendes Verfahren  eingeschlagen:  Das  zur  Aufnahme  des  Öls  ver- 
wendete Kalorimetergefäss  war  ein  zirka  2  cm  weites  Rohr  aus  dünn- 
wandigem Kupferblech  mit  seitlicher  Erweiterung  für  das  Thermo- 
meter. In  dasselbe  wurde  ein  Silberzylinder  von  bekannter  Masse 
und  Temperatur  eingesenkt  und  unter  ausgiebigem  Rühren  die  Misch- 
ungstemperatur ermittelt ;  dabei  diente  der  Vergleichskörper  aus  Silber 
selbst  als  Rührer,  indem  sein  Durchmesser  um  weniges  geringer  war,, 
als  derjenige  des  Kalorimeters ;  durch  ein  aufgesetztes  Blechscheibchen, 
das  den  Rand  des  Kalorimeterrohres  fast  berührte,  konnte  der  Effekt 
des  Rührens  noch  weiter  verstärkt  werden.  Bei  den  tieferen  Tem- 
peraturen musste  die  durch  die  Reibung  erzeugte  Wärme  durch  be- 
sondere Versuche  bestimmt  und  in  Rechnung  gezogen  werden;  bei 
Temperaturen  in  der  Nähe  von  30°  konnte  von  der  Berücksichtigung 
dieser  Korrektion  Umgang  genommen  werden. 

Zur  Bestimmung  der  spezifischen  Wärme  des  Öls  zwischen  15° 
bis  20°  wurde  der  Silberzylinder  in  doppel wandigem  Wasserdampf- 
Heizapparat  auf  die  momentane  Siedetemperatur  des  Wasserdampfs 
erhitzt  und  sodann  in  das  Kalorimeter  von  bekannter  Anfangstempe- 
ratur eingebracht,  und  darauf  die  Mischungstemperatur  und  die  zur 
Ermittlung  der  Strahlungs-Korrektion  nötigen  Abkühlungstemperaturen 
abgelesen. 

Für  die  Bestimmung  der  spezifischen  Wärme  zwischen  25°^ — ^30° 
wurde  das  Kalorimeter  im  Luftbad  auf  die  Anfangstemperatur  von 
30°  gebracht  und  das  mit  Eis  auf  0°  abgekühlte  Silber  eingeworfen, 
wobei  wieder  die  nötigen  Temperatur-  und  Massenbestimmungen  aus- 
zuführen waren. 

2.  Untersuchung  des  Silbers. 

Bei  den  soeben  beschriebenen  Bestimmungen  hatte  ich  einstweilen 
für  das  Ag  den  von  Bunsen  gefundenen  Wert  der  spezifischen  Wärme 
0,0559  eingesetzt.  Da  nun  in  der  Literatur  mehrere  von  einander 
abweichende  Angaben  (Pionchon  fand  0,0581,  Naccari  0,0556,  Byström 
0,0573  bei  50°  C.)  bestehen,  sah  ich  mich  veranlasst,  das  Ag  bei  den 
für  mich  in  Betracht  kommenden  Temperaturen  ebenfalls  auf  diese 
Grösse  hin  zu  untersuchen. 

Spezifische  Wärme  des  Silbers  zwischen  100  —  20°  C.  Der 
Silber-Zylinder,  der  mir  bei  obigen  Versuchen  als  Vergleichskörper 
diente,  wurde  im  Wasserdampf  erhitzt  und  in  ein  Wasserkalorimeter 
gebracht.  Bei  der  Berechnung  setzte  ich  als  Einheit  die  spezifische 
Wärme  des  Wassers  bei  15°  C. 

Spezifische  Wärme  des  Silbers  zwischen  +  20°  u.  —  20°  C. 
Bei  diesen  Versuchen  wurde  das  Silber  auf  — 20°  abgekühlt.    Diese 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    ä3 

Temperatur  wurde  mit  fein  geschabtem  Eis  und  Kochsalz  hergestellt. 
Ich  nahm  dabei  auf  drei  Gewichtsteile  Schnee  einen  Gewichtsteil  Salz, 
wobei  die  Temperatur  beliebig  lang  konstant  gehalten  werden  konnte. 
Um  das  Innere  der  Röhre,  welche  das  Silber  aufnahm,  vollkommen 
frei  von  Wasserdampf  zu  halten,  steckte  ich  durch  den  untern  Pfropfen 
eine  Kapillare,  die  sich  nach  oben  in  ein  becherartiges  Gefäss  er- 
weiterte. Dieses  füllte  ich  dann  mit  Ca  Clg  als  Trockenmittel.  Ein 
ebensolches  Gefäss  durchsetzte  den  oberen  Kork.  Durch  die  Kapillare 
desselben  führte  ich  einen  Draht,  der  unten  zu  einem  Haken  leicht 
umgebogen  war,  an  dem  der  Ag-Zylinder  angehängt  wurde.  Erteilte 
man  dem  Draht  einen  seitlichen  Ruck,  so  glitt  das  Ag  an  dem  Haken 
herunter  und  fiel  in  das  untergestellte  Kalorimeter.  Um  jeden  Luft- 
zutritt zur  Röhre  von  oben  zu  verhindern,  goss  ich  etwas  Quecksilber 
in  die  oben  befindliche,  becherförmige  Erweiterung  der  Kapillare. 
Ferner  musste  ich  darauf  achten,  dass  sich  während  des  Transportes 
durch  die  Luft  kein  Eisbeschlag  auf  dem  Ag  niedersetzte,  da  dieser 
dem  Kalorimeter  Wärme  entzogen  hätte,  die  Resultate  also  zu 
gross  ausgefallen  wären.  Diese  Fehlerquelle  vermied  ich  dadurch, 
dass  ich  für  den  Versuch  das  Kalorimeter  dicht  unter  die  Öffnung 
des  Apparates  brachte;  das  brachte  freilich  mit  sich,  dass  beim  Ein- 
werfen des  Körpers  das  Kalorimeterthermometer  für  einen  kurzen 
Moment  entfernt  werden  musste,  was  Anlass  zum  Anbringen  einer 
kleinen  Korrektion  gab ;  dieselbe  ist  in  der  Tabelle  mit  k  angegeben. 

3.  Untersuchung  des  Glases. 

Zur  Bestimmung  der  spezifischen  Wärme  des  Glases  wurden  zirka 
8  gr  Glassplitter  in  einem  Metallkörbchen  in  das  Wasserkalorimeter 
gebracht  nach  Herstellung  einer  Anfangstemperatur  einmal  von  zirka 
100°  durch  Heizen  im  Wasserdampf  und  ferner  einer  Anfangstempe- 
ratur von  zirka  140°  in  erhitztem  Ölbad;  es  konnte  so  die  Abhängig- 
keit der  spezifischen  Wärme  des  verwendeten  Glases  von  der  Tempe- 
ratur mit  genügender  Genauigkeit  festgelegt  werden. 

4.  Untersuchung  des  Rb. 

Während  aller  Untersuchungen,  die  ich  mit  dem  Rb.  ausführte, 
befand  sich  dasselbe  ganz  in  einer  schützenden  Schicht  Paraffinöl. 
Bei  den  Versuchen  für  die  Messung  der  spezifischen  Wärme  des  Rb. 
zwischen  15 — 35°  war  das  Metall  mit  einer  geringen  Menge  Öl  aus 
dem  Dilatometer,  das  ich  zur  Volumenbestimmung  des  Rb,  gebraucht 
hatte,  in  eine  Cu-Kapsel  gebracht  und  eingelötet  worden.  Ein  AI- 
Stiel  war  an  dem  vorstehenden  Rande  des  Deckels  befestigt.  Die 
Erhitzungstemperatur  35°  C.  wurde  in  einem  grossen  Cu-Gefäss  von 


24  Elsa  Deuss. 

30  cm  Höhe  und  18  cm  Durchmesser,  das  mit  Paraffinöl  gefüllt  war, 
genügend  lange  Zeit  konstant  gehalten. 

Bei  den  Versuchen  mit  der  Anfangstemperatur  41°  u.  51°  C. 
(über  der  Schmelztemperatur)  platzte  die  Kapsel,  in  die  das  ßb.  ein- 
gelötet war,  und  es  drang  etwas  von  dem  Metall  heraus ;  es  musste 
das  Metall  umgegossen,  gereinigt  und  von  neuem  im  Dilatometer  nach 
dem  üben  angegebenen  Verfahren  seine  Masse  bestimmt  werden.  In 
der  Folge  wurde  davon  abgesehen,  das  Metall  in  eine  Kupferkapsel 
einzuschliessen,  auch  u.  a.  aus  dem  Grunde,  weil  beim  Erhitzen  über 
den  Schmelzpunkt  in  geschlossener  Kapsel  infolge  der  starken  Aus- 
dehnung des  Öls  und  daheriger  Drucksteigerung  in  der  Kapsel  Schmelz- 
temperatur und  Schmelzwärme  geändert  worden  wären.  Das  Rubidium 
wurde,  nachdem  einmal  seine  Masse  bestimmt  war,  in  ein  offenes, 
dünnwandiges,  ebenfalls  gewogenes  Glasgefäss  mit  etwas  Paraffinöl 
gebracht  und  bei  jedem  Versuch  das  Gesamtgewicht  bestimmt;  variabel 
war  also  dabei  nur  das  bei  den  Versuchen  im  Glasgefäss  mitgenom- 
mene Ölgewicht.  Um  ein  Zerspringen  des  Glasgefässes  beim  Schmelzen 
des  Rubidiums  zu  vermeiden,  wurde  darauf  geachtet,  die  Erwärmung 
und  damit  das  Schmelzen  von  oben  beginnen  zu  lassen. 

Über  die,  bei  diesen  kalorimetrischen  Messungen  verwendeten 
Instrumente  sei  Folgendes  erwähnt: 

Die  Thermometer. 
Alle  Temperaturen  wurden  mit  Hg-Thermometern  bestimmt.  Für 
die  Anfangstemperaturen  des  Versuchskörpers  wurden  folgende  Thermo- 
meter benutzt:  Für  die  Temperaturen  35°,  41"^  und  51°  ein  bis  52° 
zeigendes  Baudin-Thermometer,  das  seit  dem  Jahre  1886  im  Gebrauch 
steht;  sein  Eispunkt  zeigte  sich  nach  meiner  eigenen  Aichung  fix. 
Für  die  Versuche  bei  41°  und  51°  musste  ich  eine  Korrektur  wegen 
des  herausragenden  Hg-Fadens  anbringen,  die  ich  nach  der  im  Bei- 
schein angegebenen  Formel  ausführte.  Es  war  in  zehntel  Grade  ein- 
geteilt, die  hundertstel  Grade  Hessen  sich  ziemlich  ^enau  schätzen. 
Für  140°  stand  mir  ein  bis  300°  gehendes  Thermometer  zur  Ver- 
fügung, das  nur  ganze  Grade  zeigte.  Zur  Messung  von  —  20°  ver- 
wendete ich  ein  Toluol-Thermometer,  das  ganze  Grade  zeigte.  Die 
zehntel  Grade  konnten  noch  genau  geschätzt  werden  und  Nullpunkt 
und  Nullmarke  stimmten  miteinander  überein.  Zur  Messung  der 
Kalorimetertemperatur  diente  ein  äusserst  feines  Hg-Thermometer 
von  Baudin.  Das  Kapillarrohr  hatte  einen  Durchmesser  von  3  mm. 
Das  Gefäss  war  zylindrisch  und  sehr  dünnwandig.  Die  Skala  reichte 
von  0  bis  31°  C.  Zwischen  0°  und  ]0°  C.  war  eine  Erweiterung 
der  Kapillare  angebracht,    wodurch    es   bedeutend  verkürzt  und  eine 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    25 

Korrektion  für  den  herausragenden  Hg-Faden  vermieden  wurde.  Es 
war  in  zehntel  Grade  geteilt;  die  hundertstel  Grade  konnten  mit  ge- 
nügender Genauigkeit  abgelesen  werden.  Das  Thermometer  zeigte 
eine  gegebene  Temperatur  schon  nach  5  Sekunden  an.  Sein  Null- 
punkt erwies  sich  im  Laufe  meiner  Untersuchungen  als  nicht  konstant. 
Er  sank  um  0,09^  C.  Zur  Messung  der  Aussentemperatur  verwendete 
ich  ein  weniger  feines  Thermometer,  das  nur  in  fünftel  Grade  einge- 
teilt war  und  bis  40"  zeigte. 

Das  Kalorimeter. 

Am  zweckmässigsten  ist  es,  bei  den  Versuchen  im  Kalorimeter 
eine  Temperaturdifferenz  von  nicht  unter  5°  und  nicht  über  10°  her- 
zustellen. Bei  kleineren  Temperaturdifferenzen  wird  deren  Messung 
zu  unsicher,  bei  grossen  machen  sich  die  unsicheren  Korrektionen 
wegen  des  herausragenden  Bg-Fadens  des  Thermometers  und  der 
Strahlungswärme  zu  stark  geltend. 

Ich  musste  zwei  Kalorimeter  von  verschiedenen  Volumina  ver- 
wenden: dasjenige  bei  den  Versuchen  bei  35 — 20°  für  Rb.  und  bei 
30 — 25°  für  das  Öl  war  von  bedeutend  kleinerem  Durchmesser,  als 
dasjenige  für  die  übrigen  Versuche,  da  ich  mit  dem  grösseren  Kalori- 
meter keine  genügende  Temperatursteigerung  erreicht  hätte.  Sie 
Avaren  aus  dünnem  Kupferblech  verfertigt  und  zylindrisch  geformt. 
Eine  seitliche  Ausbuchtung  mit  zwei  kleinen  Ösen  nahm  das  Thermo- 
meter auf.  Auf  diese  Weise  konnte  der  erhitzte  Körper  während 
des  Rührens  nicht  an  das  Thermometer  gelangen,  was  natürlich  un- 
richtige Temperaturangaben  zur  Folge  gehabt  hätte.  Der  Wasserwert 
des  Kalorimeters  wurde  bestimmt  als  die  Summe  der  Wasserwerte 
aus  verwendetem  Kupfer  und  Lötzinn. 

5.  Ausführung  der  Versuche  und  ihre  Berechnung. 

Für  die  spezifische  Wärme  eines  Körpers,  der  seinen  Agregat- 
zustand  nicht  ändert,  besteht  die  Beziehung: 

(2)  (c  •  m  +  2k)  (T  —  t)  =  {C-  M-hUiv)  (T—r). 

Hierin  bedeutet:  M  die  Masse  des  erhitzten  Körpers  (Silber, 
Glas  oder  Rb.),  C  die  mittlere  spezifische  Wärme  desselben  zwischen 
t°  und  r°,  c  die  mittlere  spezifische  Wärme  der  Mischungsflüssigkeit 
zwischen  t  und  r°,  Zk  den  Wasserwert  des  Kalorimeters  und  seiner 
Bestandteile;  derselbe  besteht  aus  dem  des  Kupfers  und  Zinns  des 
Kalorimeters  und  dem  des  Öls  und  des  Thermometers.  Letzteren 
bestimmte  ich  nach  der  Formel  0,46  •  v,  wo  ü  das  Volumen  des  ge- 
brauchten Teils  des  Thermometers  bedeutet ;  v  wird  aus  der  Zunahme 


26  Elsa  Deuss. 

des  Gewichtes  eines  Gläschens  mit  Wasser  bestimmt,  welches  so  auf 
eine  Wagschale  gesetzt  wird,  dass  sich  der  gebrauchte  Teil  des  Thermo- 
meters im  Wasser  befindet ;  m  bedeutet  das  Gewicht  der  Flüssigkeit 
im  Kalorimeter,  das  zweckmässig  nach  dem  Versuch  bestimmt  wird, 
um  einen  etwaigen  Fehler  infolge  Ausspritzens  der  Flüssigkeit  beim 
Fallen  des  Körpers  zu  vermeiden. 

T  ist  die  Erhitzungstemperatur  des  Versuchskörpers, 
Uiv  der  Wasserwert  der  Kapsel,  des  Öls  und  event.  des  Rühr- 
drahtes, wo  dieser  nicht  infolge  zu  geringen  Wasserwertes  vernach- 
lässigt werden  kann, 

t  die  Anfangstemperatur  im  Calorimeter.  Ich  fand  sie  durch  Be- 
obachtung des  Ganges  des  Thermometers  eine  Zeitlang  vor  dem 
Eintauchen  des  Körpers.  Es  ist  t  gleich  ^4-^',  wenn  sich  die  Tem- 
peratur pro  Ablesungsintervall  um  v  Grad  ändert,  wo  v  der  Mittel- 
wert der  einzelnen  Ablesungen  ist.  t^  ist  die  letzte  Ablesung  vor 
dem  Eintauchen. 

Hatte  ich  t  festgestellt,  so  wurde  der  Rührer  beiseite  gelegt, 
die  erhitzte  Substanz  aus  möglichst  geringer  Entfernung  rasch  durch 
die  Luft  ins  Kalorimeter  gebracht  und  nun  mit  dem  an  dem  Körper 
angebrachten  Draht  weiter  gerührt.  Die  Ablesungen  am  Kalorimeter- 
Thermometer  wurden  alle  15  Sekunden  gemacht. 

X  ist  die  korrigierte  Mischungstemperatur;  diese  bedurfte  zweier 
Korrekturen.  Erstens  strahlt  das  Kalorimeter  während  des  Versuches 
nach  aussen  Wärme  aus,  die  für  die  Mischung  verloren  geht.  Im 
allgemeinen  suchte  ich  durch  Anwendung  des  Rumfordschen  Kunst- 
griffes die  Strahlungskorrektur  möglichst  klein  zu  halten.  Ihre  Be- 
rechnung geschah  nach  der  im  Lehrbuch  der  Physik  von  Chwolson 
Bd.  III,  p.  202  angegebenen  Methode.  Ich  begnüge  mich  damit,  hier 
nur  die  Schlussformel  anzugeben: 

^  ^  -  [ 2 ^1  -^ 2 ^^2  4 2 r„  j  ^— ^  . 

Hier  bedeuten:  —^ — *- — r, ,  "'  "^  —  t^  den  mittleren  „Tempe- 
raturüberschuss"  der  Aussentemperatur  über  die  Temperatur  des 
Kalorimeters  für  die  einzelnen  Ablesungs-Intervalle  in  der  ersten 
Periode;  ^ _  die  Erniedrigung  der  Kalorimeter-Temperatur  in  der 
zweiten  Periode  für  einen  „Temperaturüberschuss"  von  1°  pro  Ab- 
lesungsintervall. Die  zweite  Korrektur  bestand  darin,  dass  ich  die 
Reibungswärme,  die  ich  infolge  des  Rührens  dem  Öle  zuführte,  wie- 
der zu  subtrahieren  hatte.  Bei  der  experimentellen  Bestimmung  dieser 
Reibungswärme  ging  ich  folgendermassen  vor:    Ich  Hess  das  Kalori- 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    27 

meter  mit  dem  Körper  und  der  beim  Versuch  gebrauchten  Ölmasse- 
viele  Stunden  ruhig  im  Wärmemantel  stehen  und  wartete  einen  Zeit- 
punkt ab,  bei  dem  die  Zimmertemperatur  mit  der  vom  Kalorimeter- 
angegebenen Temperatur  möglichst  genau  übereinstimmte.  Dann  rührte 
ich  mit  der  beim  Versuch  angewandten  Rührgeschwindigkeit  solange,. 
wie  der  Versuch  bis  zur  Erreichung  der  Mischungstemperatur  ge- 
dauert hatte.  Ich  erhielt  dann  beispielsweise  folgende  Ablesungsreihe  : 
18,74  Der   erste   rasche  Temperaturanstieg   ist   darauf  zurück- 

'yg      zuführen,  dass  die  Teilchen  einer  Flüssigkeit  sich  bei  völliger 

78  Ruhe  derselben  so  anordnen,  dass  sich  die  spezifischen  leichteren,. 

79  d.  h.  die  wärmeren  an  der  obersten  Schicht  ansammeln.    Durch 

79      Reibung  sind  also  nur  18,81  —  18,78°  =  0,03°  C.  erzeugt,  die- 

79  .  . 

gO      ich  von  der  Mischungstemperatur  zu  subtrahieren  hatte. 

^  Die  spezifische  Wärme   des   flüssigen  Rb.  berechnete   leb 

80  auf  folgende  Weise :     Die  Wärmemenge,    die   das  Metall  ab- 
^J  gibt  von  Ti  resp.  T^  bis  r,  wenn  2\  und  To   grösser   als  die- 

81  Schmelztemperatur  Tq,  ist : 

(3)  M-CXTi-T,)-hM'Q-hM'Cf(To-r)^2Jk(T,-v)  =  2Jw{T-t) 

Der  Sinn  der  einzelnen  Buchstaben  ergibt  sich  aus  Gleichung  (1), 
Durch  Subtraktion  der  Gleichung  (4)  von  (3)  erhielt  ich: 

M'  c,  (Ti  -  Tg)  +  £k  (r,  -  t)  —  2Jk'  (^2  -  r)  =  2Jiv  {t  —  t)  —  i:  w  (v-f). 

Wie  ersichtlich,  ergibt  sich  so  die  spezifische  Wärme  des  flüs- 
sigen Metalls  sowohl  unabhängig  von  der  Schmelzwärme,  als  auch 
von  der  spezifischen  Wärme  des  festen  Metalles.  Zur  numerischen 
Berechnung  verwendete  ich  die  Tabellen  VIII  und  IX,  indem  ich  die- 
Wärmemengen  von  Tabelle  IX  so  verschob,  dass  die  Mischungstempe- 
ratur mit  derjenigen  von  VIII  zusammenfiel.  Die  spezifische  Wärme 
des  flüssigen  Metalls  ergab  sich  zu  0,1240.  Die  Schmelzwärme  kana 
man  nach  Gleichung  (3)  aus  den  Angaben  der  Tabellen  VIII  oder  IX 
finden.  Ich  verwendete  zu  ihrer  Berechnung  die  Versuchsreihe  IX,. 
da  hier  T  der  Schmelztemperatur  näher  liegt,  als  bei  VIII  und  somit 
der  Einfluss  der  spezifischen  Wärme  des  flüssigen  Metalles  auf  die- 
Schmelzwärme  ein  geringerer  ist,  als  bei  VIII.  Für  j)  fand  ich  im 
Mittel  aus  vier  Versuchen  6,1  gr.  cal. 

Um  eine  Kontrolle  über  die  Übereinstimmung  der  einzelnen  Ver- 
suche innerhalb  einer  Gruppe  zu  haben,  setzte  ich  zunächst  in  den 
Tabellen  VIII  und  IX  c^  =  c^  und  berechnete  dann  die  Schmelzwärme  q. 
Da  diese  so  berechneten  Schmelzwärmen  nicht  den  endgültig  gefun- 
denen Wert  angeben,   setzte   ich   sie   in  den  Tabellen  in  Klammern. 


•28 


Elsa  Deuss. 


Versuchsreihe  der  spezifischen  Wärme  des  Paraffinöls  zwischen  15  und  22^  C. 
und  zwischen  25  und  30°  C. 


M 

C 

2 IV 

T 

T 

t 

r 

s 

w 

c 

I 

59,193 

0,05640 

•K 

1,626 

98,57 

r 

21,95 
21,53 
21,90 
21,91 

15,25 
14,76 
15,16 
15,21 

0,63  7o 
0,65  , 
0,64  , 
0,63  , 

1,20  «/o 
1,12  , 
1,20  , 
1,0     , 

78,955 
79,054 
78,971 
79,343 

0,4630 
0,4600 
0,4603 
0,4610 

0,4610 

II 

59,193 

11 

0,05590 

n 

V 

0,906 

0 

26,0 

25,57 

25,50 

23,91 

25,52 

30,94 
30,43 
30,30 
28,64 
30,30 

2,23  7o 
4,7     , 
0,6     , 
6,03  „ 
3,12  , 

33,338 
33,312 
33,585 
32,095 
33,569 

0,4952 
0,4954 
0,4964 
0,4921 
0,4959 

0,4950 

Versuchsreihe  für  die  spezifische  Wärme  des  Silbers  zwischen  100  und  20°  0. 
und  zwischen  +20  und  —  20°C. 


c-m 

T      j      r 

t 

T~T 

t  —  r 

2w 

s 

M 

C 

C 

III 

35,106 
35,478 
35,545 

98,50 

98,27 
98,27 

24,80 
24,52 

24,57 

18,01 

17,78 
17,84 

73,70 
73,75 
73,70 

6,79 

6,74 
6,73 

1,092 

0,3    «/o 
0,8     , 
0,25  , 

59,193 

0,05634 
0,05646 
0,05651 

0,05644 

IV 

34,314 
33,849 
34,199 

-21,0 

-20,8 
-20,8 

19,27 
19,25 
19,19 

23,09 
23,08 

22,98 

-  40,27 

-  40,05 

-  39,99 

-3,82 
-3,83 
-3,79 

1,092 

0,29  o/o 
0,52  „ 
0,27  , 

59,193 

0,317 
0,556 
0,553 

0,05600 
0,05584 
0,05589 

0,05591 

Versuchsreihe  für  die  spezifische  Wärme  des  Glases  zwischen  100  und  20°  0. 
und  zwischen  150  und  20°  C. 


Sw 

2Jc 

G-m 

T 

r 

t 

T-T 

T-t 

s 

M 

cf 

V 

0,972 

0,245 

33,171 

98,30 

20,84 

16,64 

77,46 

4,20 

1,52  > 

8,026 

0,2001 

ji 

„ 

33,150 

97,78 

20,71 

16,55 

77,07 

4,16 

1,20  , 

„ 

0,1990 

„ 

^ 

33,075 

98,88 

21,43 

17,25 

77,45 

4,18 

0,48  , 

I, 

0,1996 

n 

fl 

33,102 

98,88 

21,31 

17,14 

77,57 

4,17 

0,49  , 

" 

0.1989 

0,1994 

VI 

1,129 

0,246 

45,593 

150 

18,56 

13,13 

131,44 

5,43 

0,56  7o 

8,023 

0,2099 

» 

0,245 

46,608 

„ 

18,40 

13,13 

131,60 

5,27 

0,08  , 

ji 

0,2079 

„ 

fl 

46,745 

„ 

18,53 

13,25 

131,47 

5,28 

0,57  , 

„ 

0,2091 

„ 

T 

46,452 

^ 

18,73 

13,35 

131,27 

5,38 

0,56  , 

71 

0,2123 

r 

11 

46,641 

„ 

18,71 

13,40 

131,29 

5,31 

0,56  , 

„ 

0,2113 

" 

" 

46,561 

' 

18,51 

13,30 

131,49 

5,21 

0,56  , 

n 

0,2115 

0,2102 

Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    29 
Versuchsreihe  für  die  spezifische  Wärme  des  Rb.  zwischen  20—35°  C. 


Ziv       Sk 


t 


T  T-t 


c-m  \     M 


C 


vn 


1,059 


1,1896 


19,98 
19,95 
19,85 
19,83 
19,88 
19,89 


17,73 
17,71 
17,60 
17,54 
17,63 
17,61 


34,38 
34,41 
34,38 
34,38 
34,38 
34,38 


2,25 
2,24 
2,25 
2,29 
2,25 
2,28 


2,09  7o 
2,04  , 
2,42  „ 
2.00  , 
2,04  , 
2,36  , 


9,62  7o 

9.80  , 

7,77  , 
8,34  „ 

9.81  , 


11,943 
11,993 
11,957 
11,729 
11,963 
11,793 


10,480 


0,07993 
0,07945 
0,07881 
0,07854 
0.07928 
0,07942 


0,07923 


Versuchsreihe 

für  Rb. 

zwischen  41,5 

—  18,5 

«  C.  und 

zwischen 

51,56- 

20,5°  C 

1 

1 

Ztv 

Zk 

r 

t 

T-t 

T 

r 

s 

c  ■  m 

M 

Schmelz- 
wärme 

'\  VIII 

1,183   0,8894 

18,40 

13,18 

b,i'2 

41,52 

0,39 

0,39  7o 

17,962 

9,845 

[6,211] 

1 

18,60 

13,37 

5,23 

„ 

0,39 

0,19  , 

17,9.52 

„ 

[6,259] 

n                   71 

18,68 

13,41 

5,27 

71 

0,39 

0,20  , 

17,605 

r, 

[6,184] 

„                   „ 

18,74 

13,54 

5,20 

„ 

0,39 

1,76  , 

17,899 

„ 

[6,197] 

»1                   T 

18,65 

13,39 

5,26 

„ 

0,39 

0,98  , 

17,856 

„ 

[6,293] 

H                           7, 

18,52 

13,29 

5,23 

" 

0,38 

0,98  , 

17,902 

n 

[6,219] 

IX 

1,212 

0,904 

20,73 

15,41 

5,32 

51,56 

0,37  7o 

0,60  7o 

20,688 

9,845 

[6,501] 

„ 

„ 

20,65 

15,31 

5,34 

„ 

0,38  , 

0,57  , 

20,607 

[6,542] 

, 

„ 

20,64 

15,31 

5,33 

„ 

0,39  , 

0,08  , 

20,763 

, 

[6,608] 

" 

, 

21,04 

15,71 

5,33 

71 

0,39  „ 

0,75  , 

20,644 

„ 

[6,611] 

71 

20,57 

15,21 

.5,36 

11 

0,39  , 

0,19  , 

20,652 

" 

[6,-566] 

Für  die  Revision  des  Schmelzpunktes  wäre  es  das  Einfachste  ge- 
wesen, an  einem  auf  Temperatur  geaichten  Galvanometer  mittelstThermo- 
element  die  Temperatur  zu  bestimmen,  bei  welcher  unter  kontinuier- 
licher Wärmezuführung  keine  Temperatursteigerung  der  IVIetallmasse 
hervorgerufen  wird,  ehe  diese  nicht  völlig  flüssig  geworden  ist.  Doch 
hätte  ich  dabei  riskiert,  dass  das  Glasgefäss  infolge  des  Erhitzens  von 
unten  bei  der  starken  Volumenvergrösserung  beim  Schmelzpunkt  zer- 
brochen und  ein  Teil  des  Rb.  verloren  gegangen  wäre.  Ich  ging 
deshalb  auf  folgende  Weise  vor:  Ich  brachte  das  schon  in  flüssigem 
Zustand  befindliche  Rb.  in  ein  zweites  weiteres  Glasrohr  und  hielt 
dann  die  Temperatur  eine  Stunde  auf  38,5°  konstant,  wobei  ich  mich 
an  den  offen  stehenden  glänzenden  Rissen,  die  die  Aussenfläche  des 
Rb.  überzogen  und  durch  teilweises  Einstecken  des  Thermometers  in 
die  Metallmasse  von  dem  flüssigen  Zustand  derselben  überzeugte. 
Sodann  hielt  ich  die  Temperatur  eine  Stunde  auf  38,4°  C.  konstant 
und  fand,  dass  bei  dieser  Temperatur  das  Metall  äusserst  weich,  nicht 
aber   flüssig  war.     Die   genannten   Temperaturen   sind    an   einem   in 


30  Elsa  Deuss. 

fünftel  Grade  geteilten  Hg-Thermometer,  dessen  Gefäss  sich  ganz  in 
der  das  Metall  bedeckenden  Ölschicht  befand,  abgelesen  und  mit  einem 
liundertgradigen  Thermometer  verglichen.  Die  so  zu  88,5°  C.  be- 
stimmte Schmelztemperatur,  die  in  Übereinstimmung  mit  der  von 
Bunsen  und  von  Erdmann  und  Köthner  gefundenen  steht,  verwandte 
ich  bei  meinen  Rechnungen. 

Schlussfolgerung. 

Im  Jahre  1818  stellten  Dulong  und  Petit  ihr  Gesetz  der  Atom- 
wärmen auf,  wonach  dieselben  für  alle  Elemente  gleich  6,4  sein 
«ollen.  Seither  haben  Erfahrung  und  Überlegung  daran  gearbeitet, 
die  Unzulänglichkeit  desselben  nachzuweisen.  Die  Arbeiten  von  Reg- 
nault^),  Weber ^),  Pionchon^),  Yiolle'*)  u.v.a.  zeigten,  dass  ein  so 
■einfacher  Zusammenhang  zwischen  Atomgewicht  und  spezifischer  Wärme 
nicht  bestehen  kann,  dass  also  das  Gesetz  einer  Erweiterung  bedürfe. 
Das  Dulong-Petit-Gesetz,  wie  wir  es  heute  kennen,  lässt  sich  unge- 
fähr folgendermassen  formulieren:  Für  jedes  Element  existiert  ein 
Temperaturintervall,  innerhalb  dessen  seine  Atomwärme  angenähert 
den  Wert  6,4  annimmt.  Doch  bleibt  dennoch  die  Tatsache,  von 
welcher  Dulong-Petit  bei  der  Aufstellung  ihres  Gesetzes  ausgingen, 
bestehen,  nämlich  die  Tatsache,  dass  auftauend  viele  Elemente  gerade 
bei  gewöhnlicher  Temperatur,  d.  h.  zwischen  0  und  100°  für  das 
Produkt  aus  spez.  Wärme  und  Atomgewicht  ungefähr  diese  Konstante 
.aufweisen.  Seit  den  70  er  Jahren  beschäftigten  sich  unter  vielen 
.anderen  Boltzmann°)  und  F.  Richarz'')  mit  der  theoretischen  Begrün- 
dung des  Dulong-Petit-Gesetzes.  Auf  Grund  ganz  allgemeiner  An- 
Tiahmen  über  die  Art  der  Atombewegung  hat  F.  Richarz  das  Atom- 
wärmegesetz und  die  Abweichungen  interpretiert.  Nach  dieser  Richarz- 
schen  Theorie  müssen  die  Elemente  mit  kleinem  Atomgewicht  oder 
kleinem  Atomvolumen,  namentlich  aber  solche,  bei  denen  beides  zu- 
sammenfällt, erhebliche  Abweichungen  vom  Dulong-Petit-Gesetz  auf- 
weisen, die  spez.  Wärme  muss  um  so  abhängiger  von  der  Temperatur 
.sein,  je  kleiner  das  Atomgewicht  ist.  Die  Erfahrung  hat  diese  Theorie 
aufs  Schönste  bestätigt,  wobei  ich  ausser  auf  die  schon  erwähnten 
Elemente  B,  Be,  C  und  Si  auch  auf  die  Alkalimetalle  hinweisen 
möchte.     Bei  den  drei  ersten  Gliedern  dieser  Gruppe  Li,   Na  und  K 


1)  Annales  chim.  et  phys.,  Bd.  73,  pag.  35;  Bd.  26,  pag.  268. 
^)  Poggendorfs  Annalen,  Bd.  154,  pag.  367  im  Jahre  1875. 
3)  CR.  Bd.  115,  pag.  162. 

*)  G.  R.  Bd.  85,  pag.  543;  Bd.  87,  pag.  981;  Bd.  89,  pag.  702. 
^)  Sitzungsbericht  der  k.  Akademie  d.  Wissenschaft  zu  Wien,  Bd.  63,  p.  731.  1871. 
")  Wiedemann  Annalen,  Bd.  48,  pag.  708.    1893. 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.     31 

ist  von  A.  Thum  und  Bernini  eine  mit  der  Temperatur  stark  ver- 
änderliche spezifische  Wärme  nachgewiesen  worden.  Aus  der  Richarz- 
schen  Theorie  ergibt  sich  ferner,  dass  Elemente  mit  grossem  Atom- 
volumen dem  Dulong-Petit-Gesetz  folgen.  Mit  dem  von  mir  gefun- 
denen Wert  für  die  spez.  Wärme  0,07923  bei  27°,  dem  eine  Atom- 
wärme 6,7  entspricht,  bestätigt  das  Rb.,  das  ja  das  grösste  Atom- 
volumen aller  bis  jetzt  entdeckten  Elemente  zeigt,  aufs  Schönste  die 
Richarzsche  Theorie. 

Von  grösstem  Interesse  wäre  nun  noch  die  Vergleichung  des 
Verhaltens  der  Atomwärme  mit  den  Forderungen  der  Einsteinschen 
Theorie  der  spezifischen  Wärme.  ^)  Doch  ist  das  Temperaturintervall, 
über  welches  vorliegende  Untersuchung  sich  erstrecken  konnte,  zu 
eingeschränkt,  um  gerade  den  charakteristischen  Teil  der  Tempera- 
turkurve, nämlich  den  Anstieg  bei  ganz  tiefen  Temperaturen  zu  einer 
solchen  Vergleichung  herbeiziehen  zu  können. 

Für  die  Schmelzwärmen  der  Alkalimetalle  gilt  die  Regel,  dass 
dem  höheren  Schmelzpunkt  die  grössere  Schmelzwärme  entspricht. 
Es  ist  nämlich: 

Schmelzwärme :  Schmelztemperatur : 

Li  32,81  180° 

Na  17,75  97,6° 

K  13,61  62,8° 

Rb  6,1  38,5° 

Cs  —  26,5° 

Regnaulf-)  war  der  erste,  welcher  konstatierte,  dass  die  spezi- 
fische Wärme  einer  Substanz  im  flüssigen  Zustand  grösser  ist,  als 
im  festen.  Für  die  bis  jetzt  daraufhin  untersuchten  Substanzen  hat 
sich  dieses  Resultat  allgemein  bestätigt  gefunden.  Vergleicht  man 
die  spezifischen  Wärmen  im  festen  und  im  flüssigen  Zustand  der  drei 
bis  jetzt  daraufhin  untersuchten  Alkalimetalle  Na^),  K^)  Rb,  so 
findet  man  eine  mit  dem  Atomgewicht  steigende  Zunahme  in  der 
Differenz  der  beiden  spezifischen  Wärmen.  Für  Na  beträgt  die  pro- 
zentuale Zunahme  16,  für  K  28,  für  Rb  sogar  46  "/o- 

III.   Spezifische  Wärme  des  Gadmiums. 

Die  spezifische  Wärme  des  Cd.  wurde  schon  von  mehreren  For- 
schern bestimmt.     So  findet  sich  unter  den  kalorimetrischen  Arbeiten 


*)  Einstein:  „Die  Plancksche  Theorie  der  Strahlung  und  die  Theorie  der  spe- 
zifischen Wärme*.     Ann.  der  Physik  22,  pag.  180. 
2)  1.  c. 
^)  Bernini:  Phys.  Zeitschrift,  Bd.  7,  pag.  168.    1906. 


32  Elsa  Deuss. 

Regnaults  ^)  eine  Untersuchung  derselben  und  zwar  fand  er  für  diese 
nach  der  Mischungsmethode  zwischen  100  und  18°  den  Wert  0,05669. 

Aus  dem  Jahre  1887  datiert  eine  Untersuchung  über  die  Ab- 
hängigkeit der  spezifischen  Wärme  des  Cd.  von  der  Temperatur  von 
0  bis  300°  C.  von  A.  Naccari^).  Nach  ihm  ist  die  wahre  spezifische 
Wärme  c  des  Cd.  durch  die  Formel  gegeben :  c  =  a  +  &  (^  —  21),  wa 
a  =  0,055107,  h  =  23,78  •  10"«  bedeutet.  Auf  Tafel  I  befindet  sich 
die  graphische  Darstellung  von  c  als  Funktion  der  Temperatur  nach 
Naccari. 

L.  Schütz'^)  veröffentlichte  1892  eine  Arbeit  „Über  die  spezifische 
Wärme  von  leicht  schmelzbaren  Legierungen  und  Amalgamen",  in 
welcher  er  für  eine  Anzahl  Metalle,  darunter  auch  für  Cd.,  die  spezi- 
fische Wärme  von  100  bis  18°  und  18  bis  —  80°  bestimmt.  Er  findet 
für  die  von  ihm  untersuchten  Metalle  durchwegs  eine  Abnahme  der 
spezifischen  Wärme  mit  abnehmender  Temperatur  mit  Ausnahme  für 
Cd.  Für  dieses  sind  seine  Resultate  zwischen  —  80°  und  +20° 
grösser,  als  zwischen  100  und  20°.  Bei  Betrachtung  seiner  Werte 
der  spezifischen  Wärme  für  die  beiden  Versuchsreihen  ist  folgendes 
zu  bemerken:  Als  Mittel  aus  sechs  Versuchen,  deren  extremste  Werte 
um  2V2  Vo  auseinander  liegen,    findet   er   für   die  spezifische  Wärme 

zwischen  100  und  20°  0,05670.    Die  Werte  seiner  Versuchsreihe  bei 
(  0,05581 1 

—  80°  sind  {  0,05704  > ;  diese  stimmen  also  nur  auf  4  7»  i^it  einander 

1  0,05805  I 
überein.    Das  Mittel  ist  0,05677.    Er  findet  also  aus  Gruppen,  deren 

einzelne  Werte  um  2^2  "/<>  resp.  4  ^/o  differieren,  eine  Zunahme  der 
spezifischen  Wärme  im  untersuchten  Intervall  um  V^V«-  ^^-  Schüz 
sucht  dieses,  von  andern  Metallen  abweichende  Verhalten  durch  Auf- 
treten von  allotropen  Modifikationen  zu  erklären. 

Im  Jahre  1900  erschien  eine  Arbeit  von  U.  Behn^),  in  welcher 
die  spezifische  Wärme  einer  grösseren  Anzahl  von  Metallen  zwischen 

—  80  und  18°  und  zwischen  —  190  und  18°  angegeben  ist.  Und 
zwar  findet  er  für  Cd.  eine  starke  Abnahme  der  spezifischen  Wärme 
mit  abnehmender  Temperatur  in  diesem  Intervall. 

Ich  habe  mir  in  Anbetracht  des  Mangels  an  Übereinstimmung 
der  vorliegenden  Angaben  die  Aufgabe  gestellt,  die  spezifische  Wärme 
des  Cd.  im  Temperaturintervall  —  80  bis  300°  zu  untersuchen. 

Ich  will  hier  nicht  sämtliche  Einzelheiten  der  Versuchsaus- 
führungen   wiederholen,    sondern    möchte    in    dieser   Beziehung    auf 


»)  Annalen  der  Physik,  Bd.  138,  pag.  75. 

2)  Acc.  di  Torino  1887,  Bd.  23,  pg.  107. 

3)  Annalen  der  Physik,  Bd.  46,  pag.  177. 

*)  Annalen  der  Physik  1900,  Bd.  I,  pag.  257. 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    33 

die  vorhergehende  ausführliche  Schilderung  der  Bestimmung  der 
spezifischen  Wärme  des  Rubidiums  ver^A'eisen  und  hier  nur  die 
von  jener  Arbeit  abweichenden  oder  dort  nicht  in  Anwendung 
gebrachten  Anordnungen  wiedergeben.  Im  Ganzen  gestaltete  sich 
die  Untersuchung  des  Cd.  infolge  seiner  verhältnismässig  geringen 
Reaktionsfähigkeit  weitaus  einfacher.  Da  sich  das  Cd.  von  150°  an 
mit  einer  Oxydschicht  überzog,  hielt  ich  es  für  angebracht,  dasselbe 
in  eine  Kupferkapsel  einzuschliessen.  Und  zwar  geschah  dieses  auf 
folgende  Weise :  Durch  den  einen  Boden  der  Kapsel  führte  man  den 
Aufhängehaken  so  hindurch,  dass  er  zirka  2  cm  tief  in  das  Innere 
derselben  drang.  Dieser  Boden  war  ohne  weiteres  auflötbar.  Beim 
Auflöten  des  zweiten  Bodens  bestand  die  Schwierigkeit  darin,  dass 
das  Cd. -Stück  nicht  .zu  nahe  an  den  erhitzten  Lötkolben  kommen 
durfte.  Deshalb  kehrte  man  die  Kapsel  um,  so  dass  das  Metall  wäh- 
rend des  Lötens  mit  Sn  auf  die  Verlängerung  des  Aufhängehakens  zu 
liegen  kam,  also  eine  Distanz  von  zirka  2  cm  zwischen  der  zu  löten- 
den Fläche  und  dem  Metall  lag.  Auf  diese  Weise  war  es  vor  der 
Hitze  des  Lötkolbens  geschützt  und  seine  Oxydation  unmöglich.  Bei 
200°  aber  fiel  der  Boden  heraus,  wohl  infolge  des  auf  dem  weich- 
gewordenen Lötzinn  lastenden  Metallgewichtes.  Ich  stellte  nun  eine 
ebensolche,  aber  mit  Blei  gelötete  Kapsel  her,  dessen  Schmelzpunkt 
ja  bei  zirka  330°  liegt.  Der  Erfolg  war  derselbe,  der  Boden  fiel 
heraus.  Nun  verschaffte  ich  mir  eine  Kapsel,  bei  der  alles,  mit  Aus- 
nahme des  zweiten  Bodens,  mit  Silber  hart  gelötet  war.  Das  offene 
Ende  drückte  ich  in  der  Längsrichtung  flach,  bog  es  um  und  lötete 
es  mit  Zink  luftdicht  zu,  indem  ich  länglich  geschnittene,  oxydfreie 
Zinkstückchen,  die  ich  auf  die  Naht  legte,  mit  dem  Bunsen-Brenner 
schmolz.  Dabei  war  ich  nicht  einmal  genötigt,  die  Kupferkapsel 
länger  wie  bei  150°  zu  nehmen;  denn  ich  steckte  dieselbe  einige  Zeit 
vor  dem  Schmelzen  des  Zinks  bis  auf  die  zu  schliessende  Naht  in 
Schnee,  so  dass  die  Temperatur  des  Cd.  während  des  Schmelzens 
kaum  erhöht  gewesen  sein  dürfte.  Für  die  Versuche  bei  300°  musste 
ich  das  Metall  einige  Male  neu  einschliessen,  weil  die  Kapsel  undicht 

wurde. 

Kühl-  und  Heizapparate. 

Bei   den  Temperaturen    —  80  und  —  20°  C.  verwendete  ich  ein 

Zinkgefäss,   in   dessen  Boden   eine  Messingröhre   eingelötet  war.     In 

diese  wurde   ein  Glasrohr   mittelst  Gips   eingekittet,    da   ein   solches 

sich  leichter  trocken  halten  lässt  als  ein  Metallrohr.    Das  Metallrohr 

schützte   das  Glas   vor   dem  Zerspringen   bei  Einwirkung   der   tiefen 

Temperatur.     Im  Boden  des  Zinkgefässes  war  von  aussen  ein  kurzes 

Rohr  eingelötet,    das   mittelst   eines  Kautschukschlauches   verlängert 

Vierteljalirsschr.  d.  Naturforsch.  Ges.  Zürich.    Jahrg.  56.    1911.  3 


34  Elsa  Deuss. 

wurde  und   zum  Abfliessen    des   überflüssigen  Äthers,    resp.    der   ge- 
schmolzenen   Kochsalzmischung    diente.     Das    ganze    Gefäss    war    in 
eine  dicke  Schicht  Watte  gehüllt,  um  die  Wärmestrahlung  von  aussen 
möglichst  zu  verhindern.     Bei  diesen  Versuchen  war  es  von  grösster 
Wichtigkeit,    dafür   zu   sorgen,    dass    sich   auf  dem  Körper,    während 
des  Abkühlens  sowohl  als  auch  beim  Transport  ins  Kalorimeter,  kein 
Eisbeschlag  niedersetzte,    weil   die  Schmelzwärme   dieses  Eises   beim 
Kalorimetrieren  dem  Wasser   entzogen    wird,    was    die  Resultate  für 
die   spezifische  Wärme   zu    gross   werden   Hesse.     Um  dieses  zu  ver- 
hindern, verschluss  ich  das  Glasrohr  oben  und  unten  mit  feinporösen, 
gut   paraffinierten  Pfropfen.     Der   untere  Pfropfen   wurde  mit  einem 
Kapillarrohr  durchbohrt,    das   sich   nach    oben   kelchartig   erweiterte 
und   mit  CaClg    als  Trockenmittel   gefüllt  wurde.     Durch  den  oberen 
Pfropfen  steckte  ich  ein  ebensolches  Glasgefäss  und  das  Thermometer 
und  dichtete  dann  die  Berührungsflächen  zwischen  Pfropfen  und  Glas 
mittelst  Paraffin   ab.     Durch    das  obere  Kapillargefäss  zog  ich  einen 
Seidenfaden,  der  sich  seiner  Dicke  entsprechend  leicht  in  der  Kapillare 
verschieben   Hess   und    an   dessen  Ende    der  Körper  befestigt  wurde. 
In  das  Kapillargefäss  goss  ich  Hg,    um  das  Eindringen  von  feuchter 
Luft  unmöglich  zu  machen.     Etliche  Hg-Tropfen,    welche  der  Faden 
beim  Fallenlassen  des  Versuchskörpers  mitriss,    wurden    durch   einen 
kleinen    Becher    aus    Pappe    aufgefangen,    der    mittelst   Paraffin    am 
Thermometer    befestigt    wurde.     Um    den  Versuchskörper    aus    dem 
Kühlapparat  ins  Kalorimeter  zu   transportieren,    wurde   das  Thermo- 
meter des  letzteren  herausgenommen,    so  dass  das  Kalorimeter  dicht 
unter  den  Apparat  gebracht  werden  konnte  und  der  Körper  höchstens 
\U  Sekunde  mit  der  Zimmerluft  in  Berührung  war;  es  ist  nicht  an- 
zunehmen,   dass    in    dieser    kurzen    Zeit    ein    wesentlicher  Wärme- 
austausch   zwischen   Körper    und   Luft    oder    gar   Reifbildung    hätte 
stattfinden    können.      Durch    das    Herausnehmen    des    Thermometers 
entzog  ich  dem  Kalorimeter  Wärme,  welchen  Fehler  ich  durch  Addi- 
tion der  Wärmemenge  ?%  (t  —  tuj  auszugleichen  suchte.    Hierin  be- 
deutet: lüiji  den  Wasserwert  des  Thermometers,  /  die  Anfangstempe- 
ratur   im    Kalorimeter    vor    dem   Herausnehmen    des  Thermometers, 
t/],    die   Temperatur    desselben,    die    direkt    vor    dem  Einwerfen    des 
Körpers    abgelesen    wurde.      Diese   Korrektion    ist    in    den   Tabellen 
unter  C'  angegeben. 

Um  die  Temperaturen  —  80°  herzustellen,  füllte  ich  den  Apparat 
zunächst  mit  schneefester  COg  und  Äther  und  zwar  so,  dass  ich  auf 
jede  Schicht  COg  von  etwa  V2  cm  Höhe  eine  entsprechende  Menge 
Äther  goss.  Um  die  Temperatur  konstant  zu  erhalten,  füllte  ich 
den  Apparat   mit   dem   fei'tigen  Gemisch   bis   stets   zur   selben  Höhe 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    35 

nach.  Bei  — 20°  verwendete  ich  feingeschabtes  Eis  und  Kochsalz 
im  Verhältnis  3:1.  Gemessen  wurden  die  Temperaturen  mit  einem 
Toltiolthermometer,  das  in  ganze  Grade  eingeteilt  war,  und  an  dem  man 
die  Zehntelgrade  mit  der  Lupe  noch  mit  Sicherheit  schätzen  konnte. 

Von  150  bis  300*^  C.  verwendete  ich  einen  elektrischen  Ofen 
von  Heraus.  Das  Heizrohr  besteht  aus  Porzellan,  ist  60  cm  lang 
und  von  einem  inneren  Durchmesser  von  2  cm ;  es  ist  mit  Platin- 
band umwickelt  und  von  einer  ungefähr  6  cm  dicken  Asbestschicht 
als  Wärmeisolator  umgeben.  An  beiden  Enden  ragt  das  Rohr  zirka 
7  cm  aus  dem  Asbestmantel  hervor.  Der  Ofen  ist  auf  einem  Brett 
aufgeschraubt,  welches  mit  Hülfe  von  Scharnieren  so  an  einem 
schweren  Holzkasten  befestigt  ist,  dass  sich  der  Ofen  in  vertikaler 
Ebene  kippen  lässt. 

Die  Untersuchung  der  Temperaturverteilung  in  diesem  Ofen  ge- 
schah mittelst  Thermoelement.  Und  zwar  bediente  ich  mich  dabei 
der  Kombination  Constantan-Fe  in  der  Anordnung,  dass  die  Ver- 
bindungsstellen der  Constantan-  und  Eisendrähte  mit  den  Zulei- 
tungsdrähten  zum  Galvanometer  in  einem  etwa  20  1  HgO  fassen- 
den Gefäss  auf  gleicher  Temperatur  gehalten  würden.  Die  Poten- 
tialdifferenzen von  Constantan  und  Fe  gegen  Kupfer  an  diesen 
Stellen  eliminieren  sich,  so  dass  sich  nur  diejenige  von  Constantan 
gegen  Fe  geltend  macht.  Die  Drähte  waren  zur  besseren  Isola- 
tion teils  durch  Gummischläuche,  teils  durch  Glasröhren  gezogen. 
Die  zur  messenden  Lötstelle  führenden  Drähte  waren  zirka  40  cm 
weit  durch  Glasrohre  gezogen,  die  ich  durch  Ätzen  mit  Dia- 
manttinte in  halbe  Centimeter  einteilte  und  zum  Verschluss  des 
Heizrohres  durch  einen  Asbestpfropfen  steckte.  Zur  Untersuchung 
der  Temperaturverteilung  wartete  ich  einen  Zeitpunkt  ab,  in  dem 
die  Temperatur  des  Ofens  gut  konstant  war,  zog  dann  die  Röhre 
von  \2  cm  zu  \ 2  cm  heraus  und  las  am  Galvanometer  den  Ausschlag 
ab.  Zunächst  zeigte  es  sich,  dass  der  Ofen  so  nicht  für  meine 
Zwecke  brauchbar  sei,  denn  die  Kurve  der  Temperaturverteilung 
zeigte  einen  sehr  raschen  Temperaturfall  von  der  Mitte  des  Heiz- 
rohres gegen  die  Enden  hin.  Da  mein  Cd-Zylinder  zirka  2  cm  lang 
war,  wäre  es  erwünscht  gewesen,  diesen  an  eine  Stelle  zu  bringen, 
an  der  die  Temperatur  nicht  über  ^/io°  C.  differierte ;  eine  solche 
Hess  sich  aber  nicht  finden.  Ich  schob  deshalb  in  die  Mitte  der 
Porzellanröhre,  wo  die  Temperaturunterschiede  die  relativ  geringsten 
waren,  eine  20  cm  lange  und  1,7  cm  weite  Kupferröhre  von  1  mm 
Wandstärke,  die  wegen  ihres  guten  Wärmeleitungsvermögens  die 
bestmögliche  Temperaturverteilung  in  Aussicht  stellte.  Die  erneute 
Untersuchung  ergab  mir  das  folgende  Resultat: 


36 


Elsa  Deuss. 

J  T  mit  kurzem  Kupferrohr 

bei  150°  als 

bei  250°  als 

Mittentemper. 

Mittentemper. 

0,07° 

0,4°  bei  5  cm  Dist.  v.  d.  Ofenmitte 

0,35 

6,2       „  10    „        „        „ 

38,3 

42,6       „  15    „        „ 

53,9 

122,9       „  20    „        „        „ 

Die  Erhitzungstemperatur  wurde  mit  einem  Richter-Hg  Thermo- 
meter gemessen,  das  in  ganze  Grade  eingeteilt  war  und  die  Fünftel- 
grade mit  der  Lupe  mit  Sicherheit  schätzen  liess;  es  war  mit 
einem  Eichungsschein  der  P.  T.  Reichsanstalt  versehen  und  zeigte  bis 
360°  C.  Wegen  der  bestehenden  Temperaturdifferenzen  im  Heizrohr 
musste  eine  Korrektur  an  der  direkt  abgelesenen  Erhitzungstempera- 
tur angebracht  werden,  welche  nach  der  im  Prüfungsschein  ange- 
gebenen Formel  abschnittsweise  berechnet  und  als  Summe  der  ge- 
fundenen Korrekturen  zur  abgelesenen  Temperatur  addiert  wurde. 
Diese  Korrektur  überstieg  nicht  1,8%  des  vom  Versuchskörper 
durchgemachten  Temperatursprunges.  Das  kurze  Hg-Gefäss  des 
Thermometers  wurde  dicht  an  das  Metall  im  Heizrohr  gebracht. 
Die  Ablesestelle  fiel  bei  dieser  Anordnung  noch  ziemlich  weit  ins 
Innere  des  Ofens,  so  dass  ich  das  Thermometer  zur  Ablesung  heraus- 
ziehen musste.  Das  Hg-Gefäss  umwickelte  ich  mit  einer  dicken 
Schicht  Asbestpapier,  damit  es  sich  während  der  möglichst  rasch 
besorgten  Ablesung  nicht  abkühle. 

Da  ich  bei  dieser  Anordnung  keine  Kontrolle  über  die  Tempera- 
tur im  Innern  des  Ofens  hatte,  beobachtete  ich  mittelst  Thermo- 
elementes den  Gang  und  die  Konstanz  derselben.  Der  Ofen  wurde 
für  150  und  200°  mit  dem  Akkumulatorenstrom,  für  die  höheren 
Temperaturen  mit  dem  städtischen  Wechselstrom  geheizt.  Die  dabei 
angewandten  Stromstärken  betrugen  7  — 10  Amperes.  Das  Anheizen 
wurde  dadurch  beschleunigt,  dass  ich  mit  einem  relativ  starken 
Strom  anfing,  den  ich,  in  der  Nähe  der  gewünschten  Temperatur 
angelangt,  nach  und  nach  auf  die  nötige  Stärke  reduzierte.  Mittelst 
eines  Rheochords  konnte  ich  die  Temperatur  innerhalb  7^ — 7^°  kon- 
stant halten.  Der  Versuchskörper  war  an  einem  langen,  sehr 
dünnen  Metalldraht  befestigt.  Um  ihn  in  das  Kalorimeter  zu  be- 
fördern, fasste  ich  den  Draht  sehr  lang,  kippte  den  Ofen  um,  ent- 
fernte rasch  den  unteren  Pfropfen  des  Heizrohres,  liess  den  Körper 
in  einem  Zuge  in  das  Kalorimeter  gleiten  und  schnitt  dann  schnell 
den  Draht  mit  einer  Schere  entzwei.  Der  Wasserwert  des  Draht- 
endes war  so  gering,  dass  ich  ihn  vernachlässigen  konnte. 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    37 

Zusammenstellung  der  Versuchsdaten  und  ihre  Berechnung. 

In  den  folgenden  Tabellen  sind  die  bei  den  einzelnen  Tempera- 
turen erhaltenen  mittleren  spezifischen  Wärmen  angegeben.  Der  Sinn 
der  einzelnen  Rubriken  ergibt  sich  aus  der  vorhergehenden  Arbeit 
über  Rb. ;  ebenso  die  Berechnung  der  spezifischen  Wärme.  Um  diese 
in  einer  Gleichung  und  durch  eine  Kurve  wiedergeben  zu  können, 
müssen  die  Temperaturdifferenzen  auf  einen  gemeinsamen  Ausgangs- 
punkt reduziert  werden.  DurchUmrechnung  nach  Proportionalität  führte 
ich  sämtliche  Wärmemengen  auf  die  Anfangstemperatur  20°  zurück, 
da  die  Mischungstemperatur  aller  Versuchsreihen  in  ihrer  Nähe  liegt. 

Die  Wärmemenge  Q,  die  einem  Körper  zugeführt  werden  muss, 
um  seine  Temperatur  von  20  auf  T°  zu  erhöhen,  kann  man  durch 
folgende  Gleichung  wiedergeben: 

(1)     Q  =  a^  (r-20)  4-  «2  (T-  20)2+  ^^  (^j^_20Y-^  a^i^T-20y^ 


Versuchsreihe 

bei  — 

BO°C.  und  —  20°C. 

\     M     \     Zio 

T 

i 

T 

T  —  t 

C 

s 

T-T 

er    \ 

59,612 

41,274 
41,200 
41.211 
41,371 

-21,29 
-21,29 
-21,24 
-  21,29 

21,96 
21,97 
21,98 
21,96 

18,78 
18,77 
18,80 
18,80 

-3,18 
-3,20 
-3,18 
-3,16 

0,536 
0,680 
0,432 
0,602 

0,3  o/o 
0,9  „ 
1,5  , 
0,3  , 

40,07 
40,06 
40,04 
40,09 

0,05521 
0,05549 
0,05510 
0,05515 

-21,28 

0,05524 

35,350 

41,296 
41,196 
41,231 
41,230 

-  79,43 

-  79,43 

-79,18 

-  79,03 

23,14 
23,20 
23,29 
23,31 

18,54 
18,56 
18,68 
18,67 

-4,60 
-4,64 
-4,61 
-4,64 

0,772 
0,807 
0,828 
0,719 

1,3  7o 

1,3  r, 

0,9  , 
0,9  , 

97,97 
97,99 
97,86 
97,70 

0,05477 
0,05519 
0,05487 
0,05518 

-  79,28 

18,61 

0,05500 

Versuchsreihe  bei  100°  C.  und  bei  150°  C. 


31 

Sio 

T 

t 

T 

r-t 

s 

T-T 

Eh 

cf 

28,810 

1   - 

41,236 
41,305 
41,485 
41,335 

98,28 
98,28 
98,28 
98,65 
98,37 

17,51 
17,49 
17,51 
17,24 

20,56 
20,53 
20,53 
20,29 

3,05 
3,04 
3,02 
3,05 

1,3  7o 
1,9  „ 
1,3  „ 
-0,3  „ 

77,72 
77,75 
77,75 
78,36 

0,00152 

0,05606 
0,05571  , 
0,05577  1 
0.05579  1 

20,48 

0,05588  ■ 

28,810 

49,741 
49,820 
49,525 
49,573 

151,6 
152,7 
152,8 
152,5 

16,61 
16,57 
16,56 
16,59 

21,16 
21,16 
21,16 
21,19 
21,17 

4,55 
4,59 
4,60 
4,69 

3.8  o/o 

2.9  , 
2,9  „ 
2,9  „ 

130,14 
131,54 
131,64 
131,31 

0,1061 

0,05654 
0,05666 
0,05640 
0,05660  i 

152,5 

0,05655  i 

38 


Elsa  Deuss. 


Versuchsreihe  bei  200 ""  C.  und  bei  250°  C. 


M 

Zw 

T 

t 

T 

T-t 

s 

T-T 

Zk 

cf 

1 
28,780 

71 

)1 

60,104 
60,091 
60,090 
60,175 
60,184 

201,65 

201,8 

201,6 

201,65 

201,8 

16,56 
16,73 
16,44 
16,49 
16,46 

21,87 
22,04 
21,74 
21,79 
21,42 

21,77' 

5,31 
5,31 
5,30 
5,30 
4,96 

1.8  7o 
2,3  , 
2,1   , 
1,3  , 

1.9  , 

179,93 
179,76 
179,86 
179,86 
180,38 

0,1192 

n 

0,00152 

0,05749 
0,05754 
0,05738 
0,05747 
0,05743 

201,7 

0,05747 

28,379 

71,296 
71,297 
71,191 

252,3 
252,3 
252,3 
252,3 

16,49 
16,54 
16,41 

22,44 
22,47 
22,36 

5,95 
5,93 
5,95 

1,9  7o 
0,7  , 
0,8  „ 

229,86 
229,83 
229,94 

0,1542 

0,05854 
0,05833 
0,05841 

22,42 

0,05843 

Versuchsreihe  bei  280°  C.  und  bei  300°  C. 


M 

Ztv 

T 

t 

T 

T  —  t 

s 

T-T 

Sk 

CT 

28,379 

71,531 

70,857 
71,443 

279,7 
279,3 
279,5 
000,0 

16,23 
15,71 
15,44 

22,89 
22,41 
21,59 

6,66 
6,70 
6,15 

3,0  > 

2,4  , 
2,3  , 

256,81 
256,89 
257,91 

0,1542 
0,0016 

0,05966 

0,05968 
5,05986 

00,00 

0,05973 

28,379 

71,533 
71,549 
71,384 

300,2 
300,2 
300,2 

15,60 
15,62 
15,59 

23,0 

23,01 

22,99 

7,40 
7,39 
7,40 

1,0  7o 

1,2  , 
1,0  , 

277,2 

277,09 

277,21 

0,1542 

V 

0,06183 
0,06178 
0,06170 

300,2 

23,0 

0,06177 

Vergleich  der  berechneten  mit  den  beobachteten  Wärmemengen. 


T 

beokclitet 

ttiT   +     «2  T^ 

-  «3  T' 

+  a,  T*  = 

Q 

bcrcdiiict 

Q 

beobacliti't 

JQ 

AQ  ■  100 
Q 

300,2  ° 

15,5969  +  0,06920 

-  0.4342 

+  1,9664 

17,1985 

17,308-0,109 

-0,63 

279,5 

14,4447  +  0,05934 

-  0,3465 

+  1,4467 

15,6042 

15,500  +0,104 

+  0,66 

252,3 

12,9306  +  0,04756 

-  0,2474 

+  0,9290 

13,6598 

13,573  +0,077 

+  0,57 

201,7 

10,1140  +  0,02910 

-0,1184 

+  0,3477 

10,4790 

10,442+0,037 

+  0,35 

152,5 

7,3754  +  0,01547 

-  0,04592 

+  0,09833 

7,4433 

7,493 

-  0,050 

-  0,68 

98,37 

4,3624  +  0,005413 

-  0,009501 

+  0,01203 

4,3703 

4,356 

+  0,014 

+  0,30 

-21,28 

-2,2978  +  0,001502 

+  0,001389 

+  0,000926 

-  2,2940 

-  2,280 

-  0,014 

-0,61 

-  79,28 

-  5,5263  +  0,008687 

+  0,01932 

+  0,03099 

-  5,4673 

-  5,460 

-  0,007 

-0,13 

Dabei  erzielt  mau  hinreichende  Genauigkeit,  wenn  man  bei  der 
4.  Potenz  abbricht.  Durch  Einsetzung  meiner  beobachteten  Werte 
erhielt  ich  acht  Gleichungen,    aus   denen   ich   nach    der  Methode  der 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    39 

kleinsten    Quadrate    die    unbekannten   Koeffizienten   «j,    Og  •  •  •  •    be- 
stimmte.    Ich  fand  für: 

«1  =     0,05566 

«2=     0,0«  8813 

«3  =  -  0,0- 1974 

«4=     0,09  3190. 

Durch  Differentiation  der  Gleichung  (1)  nach  T  erhalten  wir  die 
Gleichung  der  wahren  spezifischen  Wärme  C^  - 

(2)    M  _  Ct=  ai  +  2a2  (7^-20)  +  3a3  (r-20)M-  4a,  (r-20)^ 

Die   Gleichung   für   die    wahre   spezifische   Wärme    des   Cd.    bei   der 
Temperatur  T  heisst  also : 

Cj,=  0,05566  +  0,05 17626  (T—  20)  —  0,06  5922  (T—  20)^ 
+  0,08 12760  (  T—  20)^ 

Die    zweimalige   Differentiation    der    Gleichung    (2)    ergab    mir    den 
Wendepunkt  bei  der  Temperatur  35,5°  C. 

In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  wahren  spezifischen  Wärmen 
und  die  Atomwärmen  für  verschiedene  Temperaturen  zusammen- 
gestellt. 

Temperatur  Atomwärme        Spezifische  Wärme 

—  273°C.      2,016        0,0179 

—  180  „       4,782        0,0427 

—  80  ,       5,992        0,0535 

—  50  „       6,093        0,0544 

0  „  6,194  0,0553 

50  „  6,216  0,0^55 

100  „  6,272  0,0560 

150  „  6,474  0,0578 

200  „  6,832  0,0617 

250  „  7,672  0,0685 

300  „  9,426  0,0842 

Schluss. 

Bei  Betrachten  der  Kurve  m  auf  Tafel  I  sehen  wir,  dass  die 
mittlere  spezifische  Wärme  im  tieferen  Beobachtungsintervall  eine 
geringe  Abnahme  aufweist,  im  Gegensatz  zu  den  Resultaten  des  im 
Anfang  dieser  Arbeit  erwähnten  L.  Schütz.  Die  Kurve  w  auf  Tafel  I 
zeigt,  dass  die  wahre  spezifische  Wärme  des  Cd.  von  den  unteren 
Temperaturen  an  zunächst  rasch  steigt,    zwischen  0  und  80°  nahezu 


40 


Elsa  Deuss. 


■>n\/,-iii\ij  jyj" 


*■ 

"^ 

x'l 

' 

- 

\ 

\ 

1 

1 
1 

\ 

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\, 

: 

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- 

l 

5 

i 

\ 

1 

\ 

■ 

■ 

\ 

^ 

i                     ■ 

\ 

\ 

^        -         ,           ■ 

^5. 

H^'    ■ 

l 

"^^^^ 

'^ 

"^ 

—  Im         tJ 


für  Q      § 


konstant  bleibt  und  von  da  an  gegen  die  Schmelztemperatur  hin 
immer  mehr  zunimmt.  Im  Ganzen  hat  die  Kurve  denselben  Charakter, 
wie  die  Kurven  für  Ca,  Mg,  AI,  Cr,  Sb,  Bi  etc. ;  es  scheint  dieses  die 
für  die  festen  Grundstoffe  typische  Kurvenform  zu  sein. 

Auch   in   bezug    auf  die    Lage   des   Wendepunktes    steht   meine 
Kurve  in  Übereinstimmung  mit  anderen.    Bis  jetzt  hat  man  bei  Ele- 


Bestimmung  des  Wärmeausdehnungskoeffizienten  der  spezifischen  Wärme  etc.    41 

menten,  die  bei  gewöhnlicher  Temperatur  dem  Dulong-Petit-Gesetz 
folgen,  gefunden,  dass  der  Wendepunkt  zwischen  0  und  100°  bei 
zirka  60°  liegt.  Der  Wendepunkt  für  meine  Cd.- Kurve  liegt  bei 
35,5°  C;  bei  dieser  Temperatur  ist  die  Atomwärme  6,24. 

U.  Behn  zog  aus  den  Resultaten  seiner  Arbeit  den  Schluss,  dass 
„für  die  festen  Elemente  die  spezifische  Wärme  bei  —  273°  den 
gleichen,  sehr  kleinen  (0?)  Wert  annehme".  Dass  sie  zu  0  werde, 
ist  nach  dem  Begriff  der  spezifischen  Wärme  nicht  möglich.  Die  bis 
jetzt  bei  — 273°  C.  bekannten  Atomwärmen  sind  tatsächlich  klein, 
so  wurde  interpoliert  für  AI  3,60,  für  Mg  2,69,  für  Ca  3,88,  für  Cr 
2,53,  für  Cd  erhält  man  2,0.  Da  diese  Werte  sämtlich  durch  weit- 
gehende Extrapolation  erhalten  worden  sind,  eine  solche  aber  nicht 
zulässig  ist,  steht  die  Beantwortung  dieser  Frage  im  Grunde  noch 
dem  Experiment  offen. 


über  Punktmengen  konstanter  Breite. 

Von 

Ernst  Meissner. 


Die  Herausgabe  einiger  Modelle  von  Flächen  konstanter  Breite 
durch  die  Firma  M.  Schilling  in  Leipzig  veranlasst  mich  zu  der 
nachstehenden  Note.  Sie  beschäftigt  sich  mit  derartigen  Gebilden 
und  gibt  Resultate,  die  bekannte  von  A.  Hurwitz^)  und  Minkowski^) 
herrührende  Sätze  als  Spezialfälle  enthalten.  Hervorzuheben  ist  die 
Definition  der  Fläche  konstanter  Breite  als  Begrenzung  einer  einfach 
definierten  Punktmenge.  Sie  gestattet  Verallgemeinerungen  nach 
zwei  Richtungen :  einmal  kann  man  einen  Raum  beliebiger  Dimensions- 
zahl zugrunde  legen,  und  dann  kann  an  Stelle  der  gewöhnlichen 
eine  beliebige  Minkowski'sche  Geometrie^)  treten,  d.  h.  eine  Mass- 
bestimmung  vermittelst    der   wechselseitig-einhelligen    Strahldistanz. 

Wenn  im  folgenden  nur  Gebilde  von  2  und  3  Dimensionen  be- 
trachtet werden,   so   geschieht   es   im  Interesse  der  Anschaulichkeit. 

Die  vollständige  Punktmenge  31^  vom  Durchmesser  D, 

In  einem  beliebigen  Raum  bedeute  S'(Pi  Pg)  die  wechselseitig- 
einhellige Strahldistanz  zweier  Punkte  Pj  P^  im  Sinne  Minkowski's*). 

Unter  dem  Durchmesser  D  einer  endlichen  oder  unend- 
lichen Punktmenge  soll  die  obere  Schranke  aller  Strahldistanzen 
zwischen  den  Punkten  der  Menge  verstanden  werden^). 

')  A.  Hurwitz:  Sur  quelques  applications  geometriques  des  series  de  Fourier. 
Ann.  de  l'^c.  norm.,  t.  XIX,  7. 

^)  H.  Minkowski:  Über  die  Körper  konstanter  Breite.    Werke.    Pag.  275. 

')  Diese  Bezeichnung  ist  eingeführt  bei  Harne  1:  Geometrien  etc.  Math.  Ann. 
Bd.  57.    Pag.  251. 

*)  H.  Minkowski:  Geometrie  der  Zahlen.    Pag.  2. 

*)  Vergl.  Höh.  W.  E.  Jung:  Über  den  kleinsten  Kreis,  der  eine  ebene  Figur 
einschliesst.  Grelle,  Journ.  f.  Math.  Bd.  137.  1909.  —  Die  dort  gelöste  Aufgabe 
lässt  sich  übrigens  ohne  weiteres  auf  den  Fall  der  Minkowski'schen  Geometrie 
übertragen. 


über  Puiiktmeng'en  konstanter  Breite.  4J 

Eine  Punktmenge  vom  Durchmesser  D  soll  vollständig  heissen 
(und  hier  mit  Md  bezeichnet  werden),  wenn  ihr  keine  neuen  Punkte 
zugefügt  werden  können,  ohne  dass  der  Durchmesser  wächst.  D  wird 
dabei  immer  als  endlich  vorausgesetzt. 

Die  Menge  Md  liegt  ganz  im  Endlichen.  Für  irgend  zwei  ihrer 
Punkte  Pi  Pa  gilt 

(1)  _    8{P,P,)<D. 

Da  die  Strahldistanz  stetig  ist,  so  folgt  aus  der  Vollständigkeit  der 
Menge  sofort  ihre  Abgeschlossenheit.  Die  Punktmenge  Md  ist  sogar 
konvex,  enthält  also  mit  zwei  Punkten  P,  P^  stets  auch  jeden  Punkt 
Q  der  Verbindungsstrecke  Pj  P.^.  Denn  ist  Pq  ein  beliebiger  Punkt 
von  Md,  so  ist  wegen  der  Einhelligkeit  der  Strahldistanz  >S'(Po  Q) 
nicht  grösser  als  die  grössere  der  Distanzen  *S'(PoPi),  S{PqP<^,  also 
auch  nicht  grösser  als  D;  wegen  der  Vollständigkeit  von  Md  gehört 
also  Q  zur  Menge. 

Die  Randpunkte  von  Md  bilden  eine  stetige,  konvexe,  geschlossene 
Fläche  P,  der  die  Eigenschaft  konstanter  Breite  zukommt.  Es  gilt 
nämlich  allgemein  der  Satz: 

Jede  Oberfläche  P  einer  vollständigen  Punktmenge  vom 
Durchmesser  D  hat  die  konstante  Breite  D. 

Dies  wird  im  Falle  eines  Raumes  von  2  resp.  3  Dimensionen- 
im  folgenden  näher  ausgeführt. 

Kurven  konstanter  Breite. 

Die  Punktmenge  Md  liege  in  einer  gewöhnlichen,  zweidimensio- 
nalen Ebene.  Die  Massbestimmung  vermittelt  eine  konvexe  Eich- 
kurve 51  mit  Mittelpunkt.  Der  Kürze  wegen  wird  angenommen,  sie 
sei  ohne  Ecken  und  geradlinige  Randteile.  Sind  P,  Q  irgend  zwei 
Punkte,  und  ist  0  E  die  Länge  des  zu  P  Q  parallelen  Halbmessers 
von  31,  so  ist  unter  der  Strahldistanz  S{PQ)  von  P  zu  Q  das  Ver- 
hältnis 

S{PQ)        ^ 


OE 

zu  verstehen.  Es  ist  dann  S{PQ)>0,  wenn  P+Q,  S{P,P)  =  0; 
S(PQ)  =  S{QP)  und  S{P'  Q')  =  t-S{PQ),  wenn  P'  Q' \\  P Q  und 
{P' Q')  :  {P  Q)  =  t  Endlich  gilt  wegen  der  Konvexität  von  91^)  die 
Ungleichung 

(2)  SiPQ)<SiPR)-^S{RQ) 

für  irgend  3  Punkte  PQB  der  Ebene. 

Jeder  Richtung  u  einer  Tangente  ordnet  9t  die  Richtung  ü  des 
nach   dem  Berührungspunkt   gehenden  Halbmessers   zu.     Es  heisse 

')  H.  Minkowski:  Geometrie  d.  Zahlen.     Pag.  37. 


44  Ernst  Meissner. 

ü  radial  zu  ?r,  ?/  tangential  zu  ü  gerichtet.  Nach  den  über  91 
getroffenen  Voraussetzungen  gehört  zu  jeder  Richtung  je  eine  Radial- 
und  eine  Tangential-Richtung;  doch  ist  die  radiale  zu  einer  Radial- 
richtung von  der  ursprünglichen  im  allgemeinen  verschieden.^)  (tl)4=«. 

Die  Begrenzung  der  Punktmenge  Md  ist  eine  geschlossene  kon- 
vexe Kurve  C.  Eine  solche  Kurve  besitzt  in  jedem  Punkte  eine 
Tangente  nach  vorn  und  eine  nach  rückwärts,-)  Im  allgemeinen 
fallen  diese  zwei  Tangenten  zusammen;  sie  sind  verschieden  für  eine 
Menge  von  Kurvenpunkten  E^  die  stets  abzählbar  ist,  aber  ganz  wohl 
aus  unendlich  vielen  Punkten  bestehen  kann.^)  In  den  Punkten  E 
hat  die  Kurve  C  Ecken  und  ein  ganzes  Büschel  von  Stützlinien, 
während  in  den  übrigen,  den  „regulären"  Randpunkten  B  stets  nur 
eine  Stützlinie,  die  Tangente  existiert.  Von  jedem  Punkte  ausser- 
halb gehen  an  C  zwei  Stützlinien;  insbesondere  gibt  es  stets  zwei 
und  nur  zwei  Stützlinien  von  gegebener  Richtung  u. 

Sei  nun  Pq  ein  fester  Aufpunkt  auf  C,  P  ein  variabler  Kurven- 
punkt. Es  heisse  S  (Pq  P)  die  Randstrahlfunktion  von  Pq.  Sie 
ist  stetig  und  besitzt  ein  Maximum,  das  wenigstens  für  einen  Punkt 
p=  P*^  angenommen  wird.  Jeder  Punkt  Po  dieser  Art  heisse  Gegen- 
punkt von  Po- 

Satz  1:  Für  jeden  Kurvenjmnkt  Pq  von  C  ist  das  Randstrahl- 
maxinium  gleich  dem  Durchmesser  D. 

Grösser  als  D  kann  es  wegen  (1)  nicht  sein.  Angenommen,  es 
wäre  im  Gegenteil  stets 

SiPoP)<D-E  (£>o). 

Man  beschreibe  um  Pq  eine  zur  Eichkurve  2t  ähnliche  und  ähnlich 
gelegene  Kurve  mit  dem  Ähnlichkeitsverhältnis  £  :  1.  (Sie  wird  be- 
zeichnet mit  ST  (Po  ;  e).)  Da  £  >  0  ist,  kann  dann  stets  ein  innerer 
Punkt  Q  derselben  angegeben  werden,  der  nicht  zu  Mo  gehört.  Ist 
jetzt  P'   ein  beliebiger  Punkt  von  C,  so  hat  man 

S{P,P')<b-B  S{PoQ)<B 

und  wegen  (2) 

8 (Q  P')  <S{QPo)-\-S{PoP')<s^ib-B)  =  B. 

Man  schliesst,  dass  die  um  Q  erweiterte  Menge  {Mo  -\-  Q)  immer 
noch  den  Durchmesser  D  haben  würde,  was  der  Vollständigkeit  wider- 


1)  Die  einzige  Ausnahme  tritt  für  elliptische  Eichkm-ven  ein. 

2)  Jensen.  Acta  math.  T.  30,  pag.  190. 

3)  F.  Bernstein.     Über  das  Gauss'sche  Fehlergesetz.  Math.  Ann.  Bd.  64. 


über  Punktmengeu  konstanter  Breite.  45 

spricht.     Also  ist  f  =  0,  und  wenn  P*,  P*  *>  *  '  die  Gegenpunkte  von 
Pq  sind : 

(3)  5(PoP:)==i>,  S'(PoP**)  =  D,.. 

Jeder  Punkt  Pq  von  C  hat  wenigstens  einen  Gegenpunkt. 

Satz  2:  Ist  P*  ein  Gegenputikt  von  P^,  so  ist  die  Gerade  1^2  durch 

[p%,  deren  Richtung  zu  P^  Pt  tangential  geht,  eine  Stützlinie  von  C. 
Denn    die  Menge  2In   liegt  wegen  (1)    ganz   im  Innern   und  auf 
dem    Rande   der   Kurve  {|(p^:^).     Aber  {|(pj:^/  geht  wegen   (3) 
durch  |p*  und  hat   dort   die    Stützlinie  |^*. 

Satz  3:  Jeder  reguläre  PunM  Pq  von  C  hat  nur  einen  einzigen 
Gegenpunkt. 

Sind  nämlich  mehrere  Gegenpunkte  P*,  P*  *,  •  •  vorhanden,  so 
sind  die  Strahlen  durch  Pq,  die  tangential  zu  P^  P*,  P^  P*  *,  •  •  gehen, 
nach  Satz  2  Stützlinien  von  C  in  Pq.  Da  sie  verschieden  sind,  so  ist 
Pq  eine  Ecke. 

Satz  4:  Sind  PI,  P**  Gegenpunhte  von  P^,  so  sind  auch  alle 
Punkte  des  Bogens  P*  P**  der  Kurve  C  Gegenpunkte  von  Pq. 

Ist  R  ein  regulärer  Punkt  jenes  Bogens,  so  ist  die  in  Pq  tan- 
gential zu  Po  R  gezogene  Gerade  Stützlinie  von  0,  also  Po  der 
Gegenpunkt  von  P,  und  mithin  S{Pq  R)  ^  D.  Da  aber  die  Punkte 
R  den  Bogen  P*  P**  überall  dicht  bedecken^),  so  folgt  aus  der 
Stetigkeit  der  Randstrahlfunktion 

S{PqQ)==D 

für  jeden  Punkt  Q  des  Bogens  P*  P*  * 

Satz  4':  Die  Gegenpunkte  einer  Ecke  Pq  von  C  erfüllen  also  voll- 
ständig ein  Stück  der  Kurve  9t  (Po;  D) 

Satz  5:  Die  Kurve  C  hat  keine  geradlinigen  Randteile. 

Denn  wäre  von  den  drei  Kurvenpunkten  Pq  Py  P^  etwa  Pq  auf 
der  Strecke  P^  P^  gelegen,  so  lege  man  um  den  Gegenpunkt  P*  von 
Po  die  Kurve  51  (P*,  P),  die  durch  P^  geht.  Diese  muss  einen  der 
Punkte  Pi  Po  ausschliessen,  was  mit  (1)  im  Widerspruch  ist. 

Es  sollen  jetzt  die  zwei  neuen  Begriffe  der  Kurvenradialen 
und  der  Breite  eingeführt  werden.  Radiale  in  einem  Punkt  einer 
konvexen  Kurve  ist  jede  zu  einer  Stützlinie  jenes  Punktes  radial  ge- 
richtete Gerade. 


')  Dies  folgt  daraus,  dass  die  irregulären  Eckpunkte  bloss  eine  abzählbare  Menge 
bilden. 


46  Ernst  Meissner. 

In  einem  regulären  Punkte  gibt  es  nur  eine  Radiale.  Ist  die 
Eiclikurve  ein  Kreis,  so  ist  die  Radiale  mit  der  Kurvennormalen 
identisch. 

Wenn  ein  paralleles  Stützlinienpaar  von  der  Richtung  ?(  den 
Abstand  a,  das  parallele  Tangentenpaar  der  Eichkurve  den  Abstand 
2  a  besitzt,  so  soll  das  Verhältnis 

B  («)  = 

die  Breite  der  Kurve  in  der  Richtung  n  heissen.  Nach  dieser 
Definition  ist  B  {u)  eine  eindeutige,  stetige  Funktion  des  Richtungs- 
winkels ?/,  und 

B{u  +  7i)  =  B  (w). 

Man  lege  jetzt  au  die  Kurve  C  zwei  parallele  Stützlinien.  Nach 
Satz  5  existiert  eine  eindeutige  Berührungssehne.  Ist  einer  ihrer 
Endpunkte  Pj  Po  regulär,  so  zeigt  der  Satz  2,  im  andern  Fall  der 
Satz  4',  dass  die  zwei  Endpunkte  Gegenpunkte  zu  einander  sind,  dass 
somit  Pi  Pg  radial  zu  den  Tangenten  verläuft,  und  man  hat  ferner 
nach  Satz  1 : 

Dies  Resultat  führt  zu  folgenden  Theoremen : 

Satz  6.  Jede  Radiale  von  C  ist  Biradiale,  d.  h.  tritt  eine  Gerade 
radial  in  C  ein,  so  tritt  sie  auch  radial  aus  C  aus. 

iSatz  7.  Die  Kurve  C  hat  in  allen  Richtungen  dieselbe  Breite,  und 
zivar  ist  sie  gleich  dem  Durchmesser  D. 

B  {u)  =  Z)  =^  konstant. 

Wählt  man  einen  Kreis  als  Eichkurve,  so  geht  C  über  in  eine  ge- 
wöhnliche Kurve  konstanter  Breite.  Satz  6  sagt  aus,  dass  jede  ihrer 
Normalen  Binormale  ist.^) 

Die  angewandte  allgemeine  Massbestimmung  setzt  nun  jede  kon- 
vexe Kurve  zu  einer  zweiten,  (der  Eichkurve)  in  eine  analoge  Be- 
ziehung, wie  die  zwischen  gewöhnlichen  Kurven  konstanter  Breite 
und  dem  Kreis.  Man  kann  nämlich  jedes  konvexe  Oval  ohne  Ecken 
als  Kurve  konstanter  Breite  auffassen,  und  nachträglich  eindeutig 
■die  Eichkurve  der  entsprechenden  Massbestimmung  feststellen. 

Lautet  in  gew'öhnlichen  Koordinaten  die  Gleichung  der  Stütz- 
iinie  des  Ovals  von  der  Richtung  u 

(4)  X  cos  II  +^>  sin  u  —  p  {ii)  =  o 


')  A.  Hurwitz  a.  a.  0. 


Übel-  Punktmengen  konstanter  Breite.  47 

SO  ist  dasselbe  durch  die  Stützgeradenfunktionj>(n)charakterisiert,^) 
wobei  natürlich 

2J  (u -\- 2  7i)  =^  2)  (?f) 

ist.     Die  Kurve  mit  der  Stützgeradenfunktion 

hat  wegen 

P(u  +  ;r) -=P(n) 

einen  Mittelpunkt,    und   ist   ebenfalls   konvex.-)    Macht   man    sie  zur 
Eichkurve,  so  wird  die  Breite  B  (n)  des  -ursprünglichen  Ovals 

B  in)  =  2  t,X  I   -Dl — ^ — 7  =    ,-,  r)/\    =  D  =  konstant. 

Das  Oval  hat  konstante  Breite   D. 
Der  Umfang  L  desselben  wird 

L  =  fj;  («)  du=  Up  («)  +i^  (?t  +  3r)]  fZ «,=  -|-  D  ^P{u)  d u. 

0  0  0 

Hieraus  folgt 

Satz  8.  Kurven  konstanter  Breite  D  haben  alle  denselben  Umfang. 

Er  beträgt  das  -^-faclie  des  TJmfangs  der  Eichkurve. 

Die  im  Masstab  D  :  2  vergrösserte  Eichkurve  ist  die  einzige 
Kurve  konstanter  Breite  D  mit  Mittelpunkt. 

Flächen  konstanter  Breite. 

Die  Punktmenge  2Id  liege  im  dreidimensionalen  Raum.  Ihre 
Begrenzung  ist  eine  geschlossene,  konvexe  Oberfläche  F,  eine  Eifläche, 
Die  Punkte  einer  Eifläche  lassen  sich  nach  ihren  Singularitäten  in 
drei  Gruppen  ordnen : 

1.  Punkte,    in    denen   nur    eine    Stützebene    existiert,    reguläre 
Punkte  R. 

2.  Punkte  mit  einem  Büschel  von  Stützebenen,  Kantenpunkte  K^ 
die  Axe  des  Büschels  heisse  Kantenrichtung. 

3.  Punkte  mit  einem  Bündel  von  Stützebenen,  Eckpunkte  E. 

')  Vergl.  für  das  Folgende:  E.  Meissner:  Anwendung  von  Fourier-Reihen 
auf  einige  Aufgaben  der  Geometrie  und  Kinematik.     Diese  Zeitschrift,  Bd.  54,  1909. 

*)  Ist^  (»)  zweimal  differenzierbar,  so  ist  q  [u)  =  jj  {«•)  +  '  f  J  der  Krümmungs- 
radius  des  Ovals   im   Berührungspunkt   der  Stützhnie  (4),   sonach  It{ii)  —  P{u)  + 

-\ ^ji~  "=  — — 2D "  ^^^  Krümmungsradius   der  Eichkurve ;  daher  folgt  aus 

Q  {u)  >  0  sofort  R  (u)  >  0. 


48  Ernst  Meissner. 

Eckpunkte  sind  nur  in  abzählbarer  Menge  vorhanden.  Die  Menge 
der  Kantenpunkte  kann  die  Mächtigkeit  des  Kontinuums  besitzen. 
Jedenfalls  aber  liegen  die  regulären  Punkte  auf  der  ganzen  Fläche 
überall  dicht. 

An  Stelle  der  Eichkurve  tritt  nun  eine  eigentlich  konvexe  Eich- 
fläche mit  Mittelpunkt.  Wieder  sei  vorausgesetzt,  ihre  sämtlichen 
Punkte  seien  regulär.  Der  Stellung  u  jeder  Stützebene  ordnet  sie 
die  radiale  Richtung  ü  des  Halbmessers  nach  dem  Berührungs- 
punkt zu,  und  umgekehrt  gehört  zu  jeder  Richtung  ü  die  tangen- 
tiale Stellung  u  der  Stützebene  im  Endpunkt  des  zu  u  parallelen 
Eichflächen-Halbmessers. 

Die  Randstrahlfunktion  wird  wie  früher  eingeführt.  Wieder  ist 
ihr  Maximum  gleich  dem  Durchmesser  D.  (Satz  1).  Jeder  Punkt 
P  von  F  hat  wenigstens  einen  Gegenpunkt  P*.  Das  Analogon  zu 
Satz  2  ist 

Satz  IL  Ist  F*  ein  Gegenpunkt  von  P^,  so  ist  die  Ebene  Ij^  durch 
lp%,   deren  SteUimg   zu  P^Pt  tangential  geht,   eine  Stützebene   von  F. 

Satz  3  gilt  unverändert.  Man  hat  ferner 

Satz  IV':  Die  Gegenpunkte  einer  Ecke  Pq  von  F  erfiüleu  voll- 
ständig  ein   einfach   zusammenhängendes   Stück   der  Fläche  ^{Pq;D). 

Beim  Beweis  dieses  Satzes,  der  für  reguläre  Gegenpunkte  P  aus 
Satz  n  folgt,  wird  davon  Gebrauch  gemacht,  dass  die  Punkte  B 
überall  dicht  liegen,  und  die  Randstrahlfunktion  stetig  ist.  Es  lautet 
ferner 

Satz  V:  Die  Fläche  F  hat  keine  drei  Punkte,  die  in  gerader  Linie 
liegen.  (Beweis  wie  früher.) 

Die  Begriffe  der  Flächenradialen  und  der  Flächenbreite 
B(u)  für  eine  gegebene  Stellung  u  ergeben  sich  durch  einfache 
Analogie  zum  frühern.  Wieder  ist  die  Berührungssehne  zweier 
parallelen  Stützebenen  radial  zu  deren  Stellung,  und  hat  die  Strahl- 
distanz D.  Dies  folgt  aus  Satz  H,  zunächst  für  reguläre  Berührungs- 
punkte, und  gilt  allgemein,  weil  diese  überall  dicht  auf  F  liegen. 
Somit  gilt 

Satz   VI:  Jede  Radiale  der  Fläche  F  ist  Biradiale. 

Satz   VII:  Die  Fläche  F  hat  konstante  Breite  D. 

Man  kann  jetzt  Satz  IV'  folgendermassen  vervollständigen : 

Satz  IV":  Zu  einem  Flächenpunkte  P  findet  man  alle  Gegen- 
punkte P*,  indem  man  auf  allen  Flächenradialen  in  P  die  Strahldistanz 
D  =  S  {P  P*)  nach  dem  Flächeninnern  abträgt. 

Die  Gegenpunkte  eines  Kantenpunktes  erfüllen  also  im  allge- 
meinen ein  Stück  einer  räumlich  gekrümmten  Kurve.  Diese  ist  ähnlich 


über  Punktmengen  konstanter  Breite.  49 

und  ähnlich  gelegen  zur  Berührungslinie  der  Eichfläche  mit  einem 
ihr  in  der  Kantenrichtung  umschriebenen  Zylinder. 

Im  Fall  eines  Ellipsoides  als  Eichfläche  wird  die  Raumkurve 
eben,  eine  Ellipse. 0 

Profil  77,,  einer  Eifläche  in  der  Richtung  n  soll  die  Um- 
risskurve der  orthogonalen  Projektion  der  Eifläche  aus  der  gegebenen 
Richtung  u  heissen.     Sie  ist  sonach  eine  konvexe  ebene  Kurve. 

Nun  gilt  folgender,  leicht  einzusehender  Satz: 

Satz  IX:  Daii  Profil  der  Fläche  F  in  irgend  einer  Eichiung  ist 
eine  Kurve  konstanter  Breite  D,  wenn  man  als  Eichkurve  das  Profil 
der  EicJifiäche  in  derselben  Richtung  ivählt. 

Dann  folgt  aber  nach  Satz  8 : 

Satz  X:  Zwei  beliebige  Flächen  konstanter  Breite  D  haben  in 
gleicher  Richtung  gleiche  Profillänge.  Sie  beträgt  das  -^-fache  der  ent- 
sprechenden Profillänge  der  Eichfiäche. 

Für  die  Kugel  als  Eichfläche,  also  die  gewöhnliche  Massbestimmung 
ergibt  sich: 

Die  vollständige  Punktmenge  vom  Durchmesser  D  bildet 
einen  Körper  konstanter  Breite  D.  Jede  Gerade,  die  normal 
in  ihn  eintritt,  verlässt  ihn  auch  normal  zur  Oberfläche. 
Die  Profillänge  des  Körpers  ist  in  jeder  Richtung  dieselbe. 
(Gleich  Dn). 

Wiederum  liefert  die  allgemeine  Massbestimmung  Beziehungen 
zwischen  mehreren  Flächen. 

Es  kann  eine  ganz  beliebige  Eifläche  F  durch  ihre  Stütz- 
ebenenfunktion p  bestimmt  werden.  Man  versteht  darunter  den 
Abstand  einer  Stützebene  von  einem  Fixpunkt  im  Innern  von  F, 
aufgefasst  als  Funktion  der  Stellung  der  Stützebene.  Sind  («,  ß,  y) 
die  Richtungswinkel  der  Stützebenen-Normalen,  und  führt  man  durch 
die  Gleichungen 

cos  a  =  sin  •9"  cos  i^ ;     cos  ß  =  sin  ^9  sin  ip  ;     cos  y  =  cos  9" 

Länge    t^   und  Poldistanz  &  ein,    so   kann  ^>  als  eindeutige  Funktion 
dieser  Winkel  t,  d^  aufgefasst  werden. 

p=p{&,^}^). 


')  Hieraus  folgt  z.  B.,  dass  in  der  gewöhnlichen  Geometrie  (Kugel  als  Eich- 
fläche) es  ausser  der  Kugel  selber  keine  aus  lauter  Kugelflächen  zusammengesetzte 
Fläche  konstanter  Breite  gibt.  Denn  den  alsdann  notwendig  auftretenden  kreis- 
förmigen Kanten  würde  eine  Gesamtheit  von  Gegenpunkten  entsprechen,  die  ein 
Stück  einer  Ringfläche  erfüllen.  Man  vergleiche  die  anfangs  erwähnten  Modelle 
der  Firma  Schilling. 

Vierteljahrsscbrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.  Jahrg.  55.  1910.  4 


50  Ernst  Meissner. 

Die  Funktion 

(5)  P(u)  =  ^  [p  (^,  t/;)  +  p  (;r  -  ^,  t/^  +  7t)] 

genügt  der  Relation 

P(^,  1/;)  =  P(n  —  a-,  t/;  +  n). 

und  ist  Stützebenenfunktion  einer  konvexen  Fläche  mit  Mittelpunkt, 
die,  wenn  F  genügend  stetig  ist,  lauter  reguläre  Punkte  besitzt.  Unter 
dieser  Voraussetzung  kann  sie  als  Eichfläche  verwendet  werden.  Dann 
wird  die  Breite  B  {&,  i>)  der  Fläche  F  für  die  Stellung  (•9-,  ip) 

5  (^.  ^) = 2  fi:::')tp;-'..u:) = ^ = ''°-*-'- 

Somit   kann  mit  der  oben  angegebenen  Einschränkung  jede 
beliebige  Fläche  F  als  Fläche  konstanter  Breite  aufgefasst 
werden.      Die    Grleiclmng   (5)   bestimmt   die   zugehörige    Eichfläche. 
Entwickelt  man  p(&,tl))  nach  Kugelflächenfunktionen, 

p  {&,  ^)  =  Xo  +  Zi  +  Z,  -i^X,^ 

so  wird 

P  (a,  t/;)  = -^  (Zo  +  Z2  +  Z,  +  . .  •) 

Zwei  Flächen,   die   in   derselben  Geometrie   konstante  Breite  haben, 
stimmen  sonach  in   den  Funktionen  X^k  mit  geradem  Index  überein. 
Nach  Minkowski^)  ist  nun  die  Profillänge  von  Pin  die  Richtung 
(&,  t)  gegeben  durch 

n(&,t)  =  2  7i  Zo  +  W2  Z2  +  CO,  Z,  H 

wo  die  tÖ2fc  gewisse  numerische  Konstante  bedeuten.  Sonach  bestimmen 
sich  aber  die  Funktionen  P  (0-,  t/;)  und  11  (%•,  t/;)  gegenseitig.  (Denn 
die  Entwicklung  nach  Kugelfunktionen  ist  eindeutig.) 

Aus  P(ö-,  ^)  folgt  n(^,ip).  Dies  gibt  einen  neuen  Beweis  des 
Satzes  X. 

Aber  bei  gegebenem  77  (■§•,  ip)  ist  auch  P  (O',  ip)  bestimmt.  Es  gilt 
also  auch  als  Umkehrung  des  Satzes  X, 

Satz  XI:  Haben  zwei  EifläcJisH  in  gleicher  Richtung  gleiche  Profil- 
längen, so  sind  sie  in  ein-  und  derselben  Minliowslu  sehen  Geometrie 
Flächen  konstanter  (und  gleicher)  Breite,  und  begrenzen  vollständige 
Punktmengen  vom  selben  Durchmesser. 


')  H.  Minkoivski:  Über  Flächen  konstanter  Breite.  Werke  pag.  275. 


Mitteilungen  aus  dem  botanischen  Museum  der  Universität  Zürich. 

(LV.) 

Deutsch-Südwest-Afrika 

(mit  Einschluss  der  Grenzgebiete) 

in  botanischer  Beziehung. 

Von 

Hans  Schinz  (Zürich). 


1. 

In  den  Jahren  1896 — 1900  habe  ich  unter  dem  Titel  „Die 
Pflanzenwelt  Deutsch-Südwest- Afrikas"  (mit  Einschluss  der  westlichen 
Kalachari)  im  damals  noch  existierenden  Bulletin  de  THerbier  Boissier^) 
mit  der  Publikation  einer  Liste  der  bis  damals  bekannt  gewordenen 
Pflanzen  aus  Deutsch-Südwest-Afrika  begonnen,  die  bis  zu  den 
Papilionatae  gedieh,  die  ich  aber  dann  gezwungenerweise  abbrechen 
musste,  da  sich  neben  meiner  Dozententätigkeit  eine  Reihe  weiterer  Ver- 
pflichtungen einstellten,  die  es  mir  verunmöglichten,  mich  anhaltend 
der  Aufarbeitung  unserer  Sammlungen  zu  widmen.  Inzwischen  ist 
bei  uns  wie  anderswo  so  reichlich  Material  aus  jenen  Gebieten  ein- 
gelaufen und  publiziert  worden,  dass  ich  mich  nicht  dazu  verstehen 
konnte,  einfach  die  damals  unterbrochene  Liste  fortzusetzen,  sondern 
es  vielmehr  vorziehe,  um  ein  möglichst  getreues  Bild  der  Verbreitung 
der  alten  und  neuen  Arten  zu  liefern,  mit  dieser  zweiten  Aufzählung 
nochmals  mit  den  Thallophyten  einzusetzen,  unter  einem  andern 
Titel,  um  einer  Verwechslung  mit  der  Liste  1896/1900  von  vornherein 
vorzubeugen.  Die  in  jenen  ersten  Aufzählungen  als  Fundorte  erwähnten 
Lokalitäten  berücksichtige  ich  nur,  wenn  dieselbe  Art  am  selben 
Orte  von  einem  damals  noch  nicht  genannten  Sammler  neuerdings 
gefunden  worden  ist  und  gleicherweise  bleiben  an  dieser  Stelle  die 
damals  erwähnten  Sammlernummern  ausser  Betracht.  Ich  muss  also 
den  Interessenten  bitten,  neben  dieser  vorliegenden  Publikation  gleich- 
zeitig auch  die  unter  dem  Titel  „Die  Pflanzenwelt  Deutsch-Südwest- 
Afrikas"  erschienene  zu  Rate  zu  ziehen. 


')   Bull.  Herb.  Boissier  IV   (1S96)    App.  III;   V  (1897)   App.  III;    Memoires   de 
l'Herb.  Boissier,  No.  1  (1900). 


52  Hans  Schinz. 

Um  sofort  ersichtlich  zu  machen,  dass  eine  Pflanzenart  bereits 
in  jener  Aufzählung  von  derselben  Lokalität  erwähnt  (von  einem 
andern  Sammler  gefunden)  ist,  sind  die  betreffenden  Ortsbezeichnungen 
kursiv  gedruckt  und  gleicherweise  halte  ich  es  mit  der  Zitierung 
der  geogr.  Gebiete  Gross-Namaland,  Hereroland,  Amboland,  Kala- 
chari:  erscheinen  diese  kursiv,  so  soll  dies  andeuten,  dass  die  be- 
zügliche Art  für  das  betreffende  Gebiet  bereits  aufgezählt  worden 
ist,  entweder  von  einer  andern  Lokalität  oder  unter  einer  andern 
Sammlernummer  und  es  ist  dann  überdies  auch  der  betr.  Pflanzenname 
kursiv  gedruckt. 

Meine  eigenen  Sammlungen,  sowie  die  mir  von  anderer  Seite 
geschenkten  oder  anvertrauten  Kollektionen  sind  nun  so  weit  aufge- 
arbeitet, dass  die  Fortsetzungen  dieser  Publikation  voraussichtlich 
rasch  aufeinander  folgen  können ;  die  einschlägige  Literatur  ist  sorg- 
fältig ausgezogen  und  verwertet  worden. 

Sind  auch  im  letzten  und  vorletzten  Jahre  beträchtliche  Samm- 
lungen aus  meinem  Gebiete  (von  Dinter,  Range,  Seiner,  Pearson) 
teils  nach  Berlin,  teils  nach  Kew  gelangt,  so  dürfte  doch  die  vor- 
liegende Publikation  ein  annähernd  richtiges  Bild  der  südwestafri- 
kanischen Pflanzenwelt,  soweit  Deutsch-Südwest-Afrika  in  Betracht 
kommt,  geben. 

Ich  habe  diesmal  die  Grenzgebiete  mitberücksichtigt,  immerhin 
nur  soweit  solche  wirklich  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der 
deutschen  Kolonie  liegen,  in  der  Meinung,  dass  diese  Mitberück- 
sichtigung die  Aufarbeitung  einlaufender  Materialien  nicht  unwesentlich 
erleichtern  dürfte. 


Erklärnng  der  Abkürzungen. 

KAP-KOL.  =  Kapkolonie.  KAL.  =  Kalachari. 

OR.  NAM.  =  Gross-Namaland.  MOSS.  =  Mossamedes. 

HER.  =  Hereroland.  NAM.  =  Nama-Idiom. 

AMB.  =  Amboland.  Otji.  =  Otjiherero  (Idiom  der  Ovaherero). 

Osh.     =  Oshindonga   (Idiom  der  Aandonga). 

*  =  ausserhalb  von  Deutsch-Südwest- Afrika;  für  die  Kap-Kol.,  weil  selbstverständlich, 

nicht  verwendet. 
((„Dinter")   bezieht  sich    auf  die   nicht  weiter  kontrollierbaren  Angaben  in  Dinter, 

Deutsch-Südwest-Afrika;  Th.  0.  Weigel,  Leipzig  1909. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  53 

Schizophyta. 

Nostoc   commune   Taucher    Hist.  d.  Conf.  d'eau  douce    (1803),    222, 
t.  16,   fig.  1. 
HER.:  Grootfontein,  Dintor  702. 

Schizothrix    cf.   vaginata    Gomont   in   Ann.  Sc.  nat.   ser.  VII,  XV 
(1892),  302.  t.  VII,  fig.  1—4. 
HER.:  Okahakana,  Dinter  750. 

BacillarialesO. 

Zum  Teil  bestimmt  von  Prof.  Jacques  Brun  (Genf)  f. 

Synedra  ülna  (Nitzsch)  Ehrenb.  Infus.  (1838),  211. 

var.  amphirhynchus  (Ehrenb.)  Grün,  in  Wien.  Verhandl.  (1862),  897. 

Achnanthes  exigna  Grün,  in  Cleve  et  Grün.  Arct.  Diatom.  (1880),  21. 
A.  lanceolata    (Breb.)    Grün,  in  Cleve    et    Grün.    1.  c,    23   f.   dubia 

Grün.  1.  c,  23. 
Gomphonitzschia  Ungeri  Grun.  I.  c.  var.  obliqua  Grün.  I.  c,  102. 
Navicula  ambigua  Ehrenb.  Beobacht.  über  die  Verbr.  (1843),  129. 
N.  atomoides  Grun.  in  Van  Heurck  Synops.  (1885),  107. 
N.  cryptocephala  Kützg.  Bacill.  (1844),  98. 
N.  mesolepta  Ehrenb.  Amer.  (1841),  t.  4, 
N.  polygonea  Breb.  in  Kützg.  Spec.  (1849),  85. 
N.  Pupula  Kützg.  Bacill.  (1844),  93. 

N.  Reinhardtii  Grun.  in  Cleve  et  Grun.  Arct.  Diatom.  (1880),  32. 
N.  rhynchocephala  Kützg.  Bacill.  (1844)  T.  30,  fig.  35. 
—  —  var.  amphiceros  (Kützg.)  Grun.  in  Cleve  et  Grun.  Arct.  Diatom. 

(1880),  33. 
N.  rostrata  Ehrenb.  in  Ber.  (1840),  18. 

N.  Stauroptera  Grun.  in  Wien.  Verhandl.  (1860),  516,  t.  2,  fig.  18. 
N.  Tabellaria  (Ehrenb.)  Kützg.  Bacill.  (1844),  98. 
N.  viridis  Ehrenb.  Infus.  (1838),  182,  t.  XIH,  fig.  16. 
Pinnularia  episcopalis  Cleve  Synopsis  (1895). 
Diadesmis  confervacea  Kützg.  Bacill.  (1844),  109. 
Gomphonema  Bruni  Fricke  Atlas  der  Diatora.  Kunde  (1902),   t.  238, 

fig.  12—13. 
G.  gracilis  Ehrenb.  Infus.  (1838),  217. 
G.  parvulum  Kützg.  Bacill.  (1844),  83. 
G.  Puiggarianum  Grun.  in  Van  Heurck  Synops.  (1885),  t.  25,  fig.  18. 

')  Die  Kieselalgen  entstammen  der  atlantischen  Küste  und  zwar  fast  aus- 
schliesslich der  unmittelbaren  Nachbarschaft  der  Walfischbai. 

Eine  Liste  fossiler  Bacillariaceen  aus  dem  Kalkfuff  von  Witicop  an  der  Grenze 
des  südlichen  Gross-Namalandes  und  der  Kalachari  in  „Schultze,  Aus  Namaland  und 
Kalahari  (1907),  706\ 


54  Hans  Schinz. 

G.  SUbclavatum  Grün.  Diät.  Fr.  Jos.  Land  (1884),  46. 

Cystopleura  argus  (Ehrenb.)  0.  Kuntze  Rev.  Gen.  pl.  II  (1891),  891. 

Rhopalodia  asymetrica  0.  Müller  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXII  (1895),  68. 

R.  gracilis  0.  Müller  1.  c,  63. 

R.  hirudiniformis  0.  Müller  1.  c,  67. 

R.  uncinata  0.  Müll.  1.  c,  63. 

R.  vermicularis  0.  Müller  1.  c,  67. 

Stauroneis  Schinzii  Brun  in  Mem.  soc.  phys.  et  d'hist.  nat.  Geneve 

XXXII  (1891),  38,  t.  XVI,  fig.  1. 
Nitzschia  recta  Hantzsch  in  Van  Heurck  Synops.  (1885),  182,  t.  67, 

fig.  17 — 18  als  var.  von  N.  vitrea  Norm. 
N.  thermalis  Grün.  Verhandl.  Wien  (1862),  562. 
N.  vivax  Hantzsch  in  Cleve  et  Moell.  Diatom.  (1878),  172. 

Confervales. 

Bestimmt  von  Prof.  Dr.  P.  Magnus  (Berlin). 

ülva  uncialis  Suhr  in  Kützg.  Spec.  alg.  (1849),  475. 
GR.  NAM. :  Lüderitzbucht,  Scholz. 

Oedogonium  Kjellmanni  Wittr.  in  Wittr.  et  Nordst.  Alg.  Aqu.  dulc. 
ex  sicc.  No.  306  et  in  Bot.  Notiser  (1880),  115. 
AMB. :  Oshando,  Schinz. 

Cladophora  hospita  (Mert.)  Kützg.  Phyc.  gen.  (1843),  271. 

HER.:  Walfischbai,  Dinter  4. 
Sphaeroplea  annulina  (Roth)  Ag.  Syst.  (1824),  76. 

HEB. 

Charales. 

Bestimmt  von  Prof.  Dr.  C.  F.  Otto  Nordstedt  (Lund). 

Chara  coronata  Ziz  in  Ann.  sc.  nat.  (1834),  353  var.  Braunü  (Gmel.) 
A.  Braun  in  Flora  (1835),  59  f.  microcarpa  Nordst.  in  Hedwigia 
(1888),  195. 
GR.  NAM. :  Kleiner  Fischfluss,  Schinz. 
C.  foetida  A.  Braun   in  Flora  (1835),  63   var.    oligospira   A.  Braun 
Char.  afr.  (1867),  845  0. 
GR.  NAM. :  Kuibes,  in  stehendem  Wasser,  Schinz ;  Slangkop,  Schinz. 
HER. :  I  Ai  II  gams  (Windhoek),  warme  Quellen,  Schinz ;  Scheppmanns- 
dorf,  in  fliessendem  Wasser  des  !  Kuisib-Flusses,  Belck  58. 

f.  SUbinermis  Nordst.  in  Memoires  Herb.  Boiss.  No.  20  (1909),  3. 

HER.:  Grootfontein,  Dinter  677a. 

')  Chara  foetida  A.  Braun  wird  unter  dem  Namen  C.  capensis  von  E.  Mey. 
(in  Drege,  Zwei  pflanzengeogr.  Dokumente)  für  Verleptpram  am  Unterlauf  des  Oranje- 
tlusses  angegeben. 


Mitteilungen  aus  dem  hotan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  55 

C.  hereroensis  Nordst.   in  Memoires  Herb.  Boiss.    No.  20   (1909),   2. 

HER.:    Grootfontein,  Dinter  677;  Okaukuejo,  Dinter  741. 
C.  fragilis  Desv.  in  Lois.  Not.  (1810),  137  f.  brevibracteata  Nordst. 
in  Hedwigia  (1888),  195. 

HER. :    Otjikango  okatiti,  Schinz ;  Otjovazandu,  Schinz. 

KAL. :  I  Oas,  Schinz. 
—  —    var.  basilaris  Nordst.  in  Hedwigia  (1888),  195. 

AMB. :  Oshando,  Schinz;  Olukonda,  Schinz. 
Nitella  hyalina  (DC.)  Ag.  Syst.  Alg.  (1824),  126. 

HER.:    Amutoni,  Dinter  734. 

Phaeophyceae. 

Bestimmt  z.  Teil  von  Th.  Reiubold  (Itzehoe). 

PhylUtis  fascia  (Müll.)  Kützg.  Phyc.  gen.  (1843),  342. 

HER.:  Walfischbai,  Dinter  16. 
Chordaria  flagelliformis  (Müll.)  Ag.  Spec.  I  (1817),  164. 
HER.:  Walfischbai,  Dinter. 

Unsere  Exemplare  scheinen  mit  der  f.  capeüsis  Kützg.    Tab. 
phyc.  VIH,  t.  II  übereinzustimmen. 
Ecklonia  bnccinalis  (L.)  Hörnern,  in  Act.  Hafn.  III  (1828),  370. 

Nach  Schnitze  (Aus  Namaland  und  Kalahari)    häufig    an    der 
Küste. 

11  ha  (Nam.). 
Zarninaria  (Ugitata  (L.)  Lamour.  Ess.  (1813),  22  f.  ensifolia 
(Kützg.)  Foslie  in  Bull.  Herb.  Boiss.  I  (1893),  91. 
HER. 
Latninaria  Schinzii  Foslie  in  Bull.  Herb.  Boiss.  I  (1893),  91. 
HER. 
GR.  NAM. :    Lüderitzbucht,  Scholz. 

Rhodophyceae.  0 

Bangiaceae. 

Porphyra  capensis  Kützg.  Phyc.  gen.  (1843),  383. 
GR.  NAM. :  Lüderitzbucht,  Scholz. 
HER.:  Walfischbai,  Dinter. 

')  Meine  eigene  Rhodophyceen-Ausbeute,  vornehmlich  aus  der  Lüderitzbucht 
stammend  und  zirka  20  Flaschen  umfassend,  habe  ich  kurz  nach  meiner  Rückkehr 
aus  Afrika  einem  Algologen  übergeben,  der  leider,  bevor  ich  in  den  Besitz  der 
Bestimmungen  gelangte,  starb. 

Die  nachfolgenden  Bestimmungen  verdanke  ich  fast  ausschliesslich  der 
Freundlichkeit  des  vorzüghchen  Rhodophyceen-Kenners  Theodor  Reinbold-Itzehoe. 


56  Hans  Schinz. 

Chaetangiaceae. 

Chaetangium  ornatum  (L.)  Kützg.  Phyc.  gen.  (1843),  392. 

GR.  NAM. :  Lüderitzbucht,  Scholz. 

HER.:  Walfischbai,  Dinter. 
Chaetangium  magnificum  Pilger  in  Hedwigia  XLVIII  (1908),  181. 

HER.:  Tsoachaub,  Borchmann. 
Suhria  vittata  (L.)  J.  Ag.  Alg.  med.  (1842),  67. 

GrR.  NAM. :  Lüderitzbucht,  Scholz. 

HER.:  Walfischbai,  Hinter  19,  23. 

Gigartinaceae. 

Actinococcus  latior  Schmitz  in  Flora  (1893),  387. 

GR.  NAM.:  Lüderitzbucht,  Scholz  (auf  Gymnogongrus  dilatatus). 

HER.:  Walfischbai,  Dinter  29,  auf  Gymnogongrus  glomeratus. 
Euhymenia  schizophylla  Kützg.  Spec.  alg.  (1849),  742. 

GR.  NAM. :  Lüderitzbucht,  Scholz. 
Gigartina  Radula  (Esp.)  J.  Ag.  Alg.  Liebm.  (1847),  278. 

HER.:  Walfischbai,  Dinter  33. 
G.  Teedii  (Roth)  Lamour.  Essai  (1813),  49. 

HER.:  Walfischbai,  Dinter  25. 

Gymnogongrus  dilatatus  (Tum.)  J.  Ag.  Spec.  II  (1851  —  1863),  326. 

GR.  NAM.:  Lüderitzbucht,  Scholz. 

HER.:  Walfischbai,  Dinter  17. 
G.  glomeratus  J.  Ag.  in  Act.  Holm.  Oefvers.  (1849),  88. 

HER.:  Walfischbai,  Dinter  9,  29. 

Sphaerococcaceae. 

Heringia  mirabilis  (Ag.)  J.  Ag.  Alg.  med.  (1842),  68. 

HER.:  Walfischbai,  Dinter  4. 
Hypnea  Eckloni  Suhr  in  Flora  (1836),  342. 
^    HER.:  Walfischbai,  Dinter  15,  27. 
Gracilaria  confervoides  (L.)  Grev.  Alg.  brit.  (1830),  123. 

HER.:  Walfischbai,  Dinter  32. 

Rhodymeniaceae. 

Epymenia  obtusa  (Grev.)  Kützg.  Spec.  (1849),  787. 
GR.  NAM. :  Lüderitzbucht,  Scholz. 
HER. :  Walfischbai,  Dinter  30,  Cleverly.  ^ 

')  Die  Angaben  Cleverly  entnehme  ich  der  Aufzählung  im  Journ.  of  Bot.  XXXIV 
(1896),  193,  ebenso  diejenigen  aus  dem  Herb.  Tyson. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  57 

Plocamium  cornutum  (Turn.)  Harv.  Ner.  austr.  (1847—49),  123. 
GR.  NAM. :  Lüderitzbucht,  Scholz. 

P.  Suhrii  Kützg.  Tab.  Phyc.  XVI  (1866),  t.  54.  (1849),  886. 
HER.:  Walfischbai,  Dinter  5. 

Rhodymenia  capensis  J.  Ag.  Anal.  alg.  II  (1894),  58. 
HER.:  Walfischbai,  Dinter  22,  Clerverly. 

Delesseriaceae. 

Nitophyllum  fissum  (Grev.)  J.  Ag.  spec.  II  (1851—63),  674. 
GR.  NAM.:  Lüderitzbucht,  Scholz. 

N.  venosum  Harv.  Ner.  austr.  (1847—49),  118. 

HER.:  Walfischbai,  Cleverly. 
N.  spec. 

HER.:  Walfischbai,  Dinter  8. 

Rhodomelaceae. 

Chondria  capensis  (Harv.)  J.  Ag.  Spec.  II  (1851—1863),  802. 
HER.:  Walfischbai,  Dinter  18,  Cleverly. 

Polysiphonia  corymbifera  (J.  Ag.)  Harv.  Ner.  austr.  (1847—49),  54. 
HER.:  Walfischbai,  Dinter  6,  9,  20,  Cleverly. 

P.  Virgata  (J.  Ag.)  Spreng.  Syst.  veget.  (1825—28),  350. 
HEK.:  Walfischbai,  Dinter  7,  14. 

Ceramiaceae. 

Aristothamnion  purpuriferum  J.  Ag.  Anal.  alg.  (1892),  45. 
HER.:  Walfischbai,  Dinter  2. 

Carpoblepharis  minima  Barton  Journ.  of  Bot.  XXXI  (1893),  114. 
HER.:  Walfischbai,  Dinter  12. 

C.  flaccida  (Turn.)  Kützg.  Spec.  (1849),  690. 
GR.  NAM. :  Lüderitzbucht,  Scholz. 
HER.:  Walfischbai,  Cleverly. 

Ceramium  clavulatum  (Mont.)  J.  Ag.  Spec.  II  (1851—68),  152. 
GR.  NAM. :  Lüderitzbucht,  Scholz. 
HER.:  Walfischbai,  Dinter  3. 

C.  diaphanum  (Lightf.)  Roth  Cat.  Bot.  III  (1806),  154. 
HER.:  Walfischbai,  Herb.  Tyson. 

C.  Obsoletum  J.  A.  Ag.  Spec.  II  (1828),  145. 
HER.:  Walfischbai,  Cleverly. 


58  Hans  Schinz. 

Cyrtymenia  hieraglyphica  (J.  Ag.)  Schmitz  in  Engl.  u.  Prantl  Natürl. 
Pflanzenfam.  I,  2  (1896),  511. 

HER.:  Walfischbai,  Schinz. 
Pachymenia  carnosa  J.  Ag.  Epic.  (1876),  145. 

HER.:  Walfischbai,  Dinter  34. 

Corallinaceae. 

€orallina  carinata  Kützg.  Tab.  Phyc.  VHI  (1858),  30  t.  61. 
GR.  NAM. :  Lüderitzbucht,  Scholz. 

Eumycetes. 

Bestimmt  z.  Teil  von  Dr.  Victor  Fayod  (Paris)  t,   z-  Teil  von  Prof.  Dr.  Ed.  Fischer 
(Bern),   z.  Teil  von  Prof.  P.  Hennings  (Berlin)  f. 

Mucedinaceae. 

Aspergillus  Welwitschiae  (Bres.)  Hennings  in  Baum  Kunene-Sambesi 
Exped.  (1903),  168. 
HER. :    !  Hai  ||  guinchab,  auf  trockenen  weiblichen  Blütenteilen  der 
Welwitschia,  Schinz.    Vergl.  Hennings  1.  c. 
Sphaerulina  Worsdellii  Massee  in  Kew  Bull.  (1910),  252. 

HER. :    bei  Welwitsch,  an  den  abgestorbenen  Blattenden  der  Wel- 
witschia, Worsdell. 

Uredinaceae. 

TJromyces    Aloes    (Cooke)    Magnus    in    Ber.    Deutsche    Bot.   Ges.   X 

(1892),  48. 
AMBOELLA:  *am  Habungu,  1100  m,  auf  Blättern  von  Aloe  Baumii, 

Baum  476. 
Uromyces  comptus  Sydow  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  259. 
HER. :     Wilhelmstal    bei    Okahandja,    an    den    Laubblättern    von 

Ipomoea  bipinnatipartita,  Dinter. 
Paccifiia  desertorum  Sydow  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  259. 
HER.:    Okahandya,    an  Laubblättern  und  Stengeln  von  Evolvulus 

alsinoides,  Dinter. 
J*.  heterospora  Berk.  et  Curt.  in  Journ.  Lim.  Soc.  X  (1868),  356. 
AMBOELLA:  *am  Habungu,  1100  m,  auf  Blättern  von  Sida  Höpfneri, 

Baum  485. 
JP,  Mesenihricmthenii  Mac  Owan  ap.  Cooke  in  Grev.XX  (1892),  109. 
HER. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  59 

Ravenelia  Banmiana    Hennings    in    Baum    Kunene- Sambesi   Exped. 
(1903),  157. 

MOSS. :    *  Humbe,     1150    m,     auf    lebenden    Blättern    von    Cassia 
goratensis,  Baum  965. 

Aecidiom   ancylanthi    Hennings    in    Baum    Kunene -Sambesi    Exped. 
(;i903),  161. 

AMBOELLA:  *am  Habungu,  1100  m,  auf  Sandboden  auf  Ancylanthus 
fulgidus,  Baum  492. 

A.  Baumianum  Hennings  in  Baum  Kunene-Sambesi  Exped.  (1903),  163. 
AMBOELLA:   *am  Habungu,    1100  m,    auf  Blättern   von   Plectronia 
abbreviata,  Baum  486. 

A.  habunguensis  Hennings  in  Baum  Kunene-Sambesi  Exped.  (1903),  160. 
AMBOELLA:   *am  Habungu,   1100  m,  im  Walde,   auf  Blättern  von 

Solanum  Baumii,  Baum  470. 
A.  Mac-Owanianum  Thüm.  in  Flora  (1875),  380. 
AMBOELLA:  *Maramba  bei  Kalolo,  1100  m,  auf  sumpfigem  Boden, 

auf  grünen  Blättern  von  Conyza  limosa,  Baum  434  a. 
A.  ornamentale  Kalchbr.  in  Flora  (1876),  362. 

HER. :   auf  Früchten  und  Zweigen  von  Acacia  horrida,  Windhoek, 

Hinter. 

Uredo  spec. 

GR.  NAM. :    Südabhang  der  östlichen  Auasberge,  Hinter  815. 

Polyporaceae. 

Fontes  nigro-laccatiis  Cooke  in  Grev.  IX  (1880—81),  97. 

AMB. 
Polyjyorus  cingulatus  Fr.  Epicr.  (1836—38),  467. 

AMB. 
J*.  detuissus  Berk.  in  Hook.  Lond.  Journ.  IV  (1845),  52, 

AMB. 
JPoUjstictns  funalis  Fr.  Epicr.  (1836—38),  459. 

AMB. 
JP.  OCCidentalis  Klotzsch  in  Linnaea  VIII  (1833),  486  sub  Polyporus. 

HER.:  Amutoni,  Hinter. 

Agaricaceae. 

CollyMa  ratticauda  Fayod  in  Abh.   Bot.  Ver.    Prov.  Brandenb. 
XXXI  (1889),  228. 
AMB. 


60  Hans  Schinz. 

Dermocyhe  spec. 

AMB. 
Schinzinia  pustulosa  Fayod  in  Abh.  Bot.  Ver.  Prov.  BrandenJb. 
XXXI  (1889),  227,  t.  III. 

AMB. 
Schizojyhyllum  commune  Fr.  Syst.  Myc.  I  (1821),  333. 

AMB. 
31arasmius  spec. 

AMB. 
I*salliota  africana  Fayod    in  Abh.    Bot.   Ver.    Prov.  Brandenb. 
XXXI  (1889),  225. 

AMB. 
JP.  amboensis   Fayod   in   Abh.   Bot.  Ver.    Prov.  Brandenb.   XXXI 
(1889),  224. 

AMB. 
JSfaucoriaxye  diadesFr.  Syst.  Myc.  I  (1821),  290  var.  obscurijyes 
Fayod    in  Abh.   Bot.  Ver.    Prov.  Brandenb.  XXXI  (1889),    226. 

AMB. 
JV.  seniiorbicularis  Bull.  Champ.  de  la  France  (1791—1812),  t.  422. 

AMB. 

Lycoperdaceae. 

Lycojyerdon  cf.  capense  Cooke  et  Mass.  in  Journ.  Microsc.   Soc. 
(1887),  714. 
AMB. 
Catastoma  cf,  pedicellatum   Morg.  in  Journ.   Cinc.  Soc.  Nat.  Hist. 
XIV  (1892),  143. 
HEPt.:  Orumbo,  Dinter. 
Geastei*  cf.  ambiguus  Mont.  Flor,  boliv.  (1839),  47. 
AMB. 

G,  cf.  ßmbriatus  Fr.  Syst.  Myc.  III  (1829),  16. 
AJIB. 

G.  Mac  Owani  Kalchbr.  in  Grev.  X  (1882),  108. 

HER.:  Orumbo,  Humusboden  in  Acacia  horrida  Beständen,  Dinter 
1323. 

?  G,  Schweinfurthii  Hennings  in  Eng].  Bot.  Jahrb.  XIV  (1891),  361. 

HER.:  Orumbo,  Dinter  1323a. 
G.  Striatus  DC.  Fl.  Fran?.  II  (1815). 

HER.:  Orumbo,  Dinter  1323b. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  61 

Podaxaceae. 

Podaxon  aegytiacus  Mont.  Syll.  Crypt.  (1856),  n.  1044. 

AMB.  Möglicherweise  gehört  dieses  Exemplar  doch  eher  zu  Geaster 
Schweinfurthii  Hennings. 

P.  carcinomalis  (L.)  Fr.  Syst.  Myc.  III  (1829),  62. 
GR.NAM.:  im  Süden,  Schultze. 
AMB. 

Dinter  (Deutsch-Südwest- Afrika  1909),  36  nennt  von  Pilzen 
auch  Broomeia  capensis.  Nun  kommt  in  der  Kapkolonie,  im 
Distrikt  Albany  und  wohl  auch  noch  anderwärts  eine  Broomeia 
congregata  Berkeley  (in  Hook.  London  Journal  III  (1844),  93) 
vor.  eine  zweite  afrikanische  Art  dieser  Gattung  ist  mir  dagegen 
nicht  bekannt. 

Tulostomataceae. 

Tulostoma  cf.  Meyenianum  Klotzsch  in  Nov.  Act.  Leop.  XIX  suppl., 
243. 
HER.:  Gam  Koichas,  Dinter  475. 

Phoma  Welwitschiae  Massee  in  Kew  Bull.  (1910),  253. 
HER.:    bei    Welwitsch,     an     den    abgestorbenen    Blattenden    der 
Welwitschia,  Worsdell. 

Hymenogastrineae. 

Polyplocium  inquinans  Berk.  in  Lond.  Journ.  of  Bot.  II  (1843),  203. 
HER. :  Brakwaterstation,  Dinter. 

Lichenes. 

Bestimmt  von  Prof.  Dr.  Jean  Müller-ArgOT.  (Genf)  f. 

Ainphilotna  elegans  Körb.  Syst.  (1855),  110. 

GR.  XAM.:  |  Obib,  nördlich  vom  Oranjefluss,  auf  Quartz,  Schenck. 

A.  elegantissinia   (Nyl.)   Müll.   Arg.   Lieh.  Beitr.   in  Flora  LXXI 
(1888),  529. 
GR.  XAM.:  |  Obib,  nördlich  vom  Oranjefluss,  auf  Quartz,  Schenck. 

A.  eudoxHni  Müll.  Arg.  1.  c,  44. 
GR.  XAM. 

A.  leucoxanthum  Müll.  Arg.  1.  c,  139. 

GR.  NAM.:   Lüderitzbucht,   der  Rinde  von  Sarcocaulon- Arten  auf- 
sitzend, Schinz. 


62  Hans  Schinz. 

A,  sanguineuni  Müll.  Arg,  1.  c,  530. 

GB,  RAM. 
Blastenia  confliiens  Müll.  Arg.  1.  c,  46. 

GR.  RAM. 
JB.  punicea  Müll.  Arg.  1.  c.  45. 

GR.  NAM. 
Biiellia  Scliin&iana  Müll.  Arg.  1.  c,  46. 

GR.  NAM. 
Combea  moUusca  (Ach.)  Nyland.  Syn.  meth.  Lieh.  I   (1858—1860), 
257. 

GR.  NAM.:  *Insel  Possession,  Schnitze  21. 
Lecidea  decipiens  (Ehrh.)  Ach.  Method.  Lieh.  (1803),  80. 

HER,:  Brakwater,  Dinter. 

Gasparrinia  spee. 

GR.  NAM. :  Lüderitzbueht,  Schnitze  52. 
Parnielia  cowturhata  Müll.  Arg.  1.  c,  44. 

GR.  NAM. 

J».  hottentotta  (Thnnb.)  Ach.  Method.  Lieh.  (1803),  219. 

HER.:  Kap  Gross,  Schnitze  28,  29,  53b. 
J*.  lecanoracea  Müll.  Arg.  1.  c,  529. 

GR.  NAM. 
jP.  SchencMana  Müll.  Arg.  1.  c,  529. 

GR.  NAM. 
Physcia  flammula  (Ach.)  Nyl,  Syn,  meth.  Lieh,  I  (1858—1860),  412. 

GR,  NAM, :  *Insel  Possession,  Schnitze  22. 

Pysona  spec 

HER.:  Amntoni,  Dinter  755. 

Mamalina  nielanothrix  Nyl.  Syn.  meth.  Lieh.  (1858  —  60),  290. 
GR.  NAM. 

Roccella  hereroensis  Wainio  in  Mem.  Herb.  Boiss.  N*^  20  (1900),  4. 

HER.:  Tsoachanb,  Dinter  93. 
TJieloschistes  chrysocarpoides  Wainio  in  Me'm.  Herb.  Boiss.  N*'  20 
(1900),  4. 

HER,:  Tsoachanb,  Dinter  50. 
T.  capensis   (Ach.)  Wainio  ined. 

HER.:  Tsoachanb,  Dinter  51. 
T,  ßavicans  Norm.   Conat.  Gen.  Liehen.  (1852),  17  var.  piibera 
(Ach,)  Müll.  Arg.  in  Flora  LXXI  (1888),  529. 

GR.  NAM. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  63 

T.  spec. 

HER. :  Kap  Gross,  Schultze  53  a. 
Xanthoria  turbinata  Wainio  in  Mem.  Herb.  Boiss.  W  20  (1900),  4. 

HER.:  Tsoachaub,  Dinter  49. 

Hepaticae. 

Bestimmt  von  Franz  Stephan!  (Leipzig). 

Ricciaceae. 

Ricciella  Mautanenii  Steph.  in  Bull.  Herb.  Boiss.  HI  (1895),  374. 
HEB.:  Tsoachaub-Bett  bei  Nonadas,  Dinter  92. 

Marchantiaceae. 

Exormotheca  Holstii  Steph.  in  Bull.  Herb.  Boiss.  VH  (1899),  219. 

HER. :  Ebene  des  Waterberges,  an  einer  Wasserbank,  Dinter  569. 
Plagiochasma  Dinteri  Steph.  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2«  se'r.  I  (1901), 
762. 

HER.:  Kranzfontein,  Dinter  709. 

Anthocerotaceae. 

Anthoceros  communis  Steph.  in  Bull.  Herb.  Boiss.  V  (1897),  86. 
HER.:  Waterberg,  Dinter  428. 

Musci. 

Bestimmt  von  Ad  albert  Geheeb  (Freiburg  i./Br.)  f. 

Barbula  torquatifolia  Geheeb  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  410. 
AMB.:  Oshando,  Schinz. 

Entosthodon  rivalis  Geheeb  1.  c.  411. 

GR.  NAM. :    bei  |  Aus,    unter   Felsen   am   Flussbett,    Schinz.     Viel 
häufiger  als  die  folgende  Art. 
E.  Schinzii  Geheeb  1.  c.  411. 

GR.  NAM. :  Comagas,  an  feuchten  Granitfelsen,  Schinz. 

Filicales. 

Bestimmt  zum  Teil  von  Dr.  Herrn.  Christ  (Basel). 

Polypodiaceae. 
nryoptevis   Thelypteris   (L.)  A.  Gray  Man.   ed.  I   (1848),    680. 
Aspidimn  Thelypteris  (L.)  Sw.  in  Schrad.  Journ.  II  (1800),   40. 


64  Hans  Schinz. 

D.  Thelypteris  (L.)  A.  Gray  var.  squamuligeruni  Schlechtend. 
Adumbrat.  (1825),  23. 
JSfephrodimn  squamulosum  Hook.  Fl.  N.  Zeal.  II  (1854),   39. 
HER. 
AMBOELLA :  *am  Habungu,  auf  sumpfigem  Moorboden,  vom  Kuebe  ab 

ostwärts  überall  in  Sümpfen  verbreitet,  Baum  481. 
Microlepia  spelnncae  (L.)  Moore  Ind.  (1857),  XCIII. 
HER.:  Waterberg.  feuchte  Waldstellen,  Dinter  403. 

Cetefach    cordatnni    (Tliunb.)    Desv.    Prodr.    (1827),    223,    var. 
natuaquense  Pappe  et  Raws.  Syn.  (1858),  42. 
GR.  NAM. 
HER.:  Kranzfontein,  an  schattigen  Kalkfelsen,  Dinter  711. 

Pellaea  hastata  (Thunb.)  Prantl  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  III  (1882),  418. 
Pellaea  calomelanos  Link  Fil.  Sp.  (1841),  61. 
GR.  NAM.:  !Gubub,  Dinter  985;  Geitse  Igubib  beiBersaba,  Dinter. 
HER.:  Windhoek,  Dinter  224;  Sperlingslust  (, Dinter")  in  schattigen 

Schluchten,  Okahandja,  Dinter  II  59. 
KAL. :  *Kwebe  Hügel  beim  Ngami  See,  Lugard  226  A. 

Dovfjopteris  deltoidea   (Kze.)   Diels   in   Engl,  u.   Prantl  Natürl. 
Pfl.  Fam.  I  (1899),  269. 
PeUaea  deltoidea  (Kze.)  Baker  Syn.  Fil.  (1868),  .146. 
GR.  NAM.:  !  Gubub,  Dinter  987 ;  Graaspoort,  Dinter. 

N^otliolaena  JEckloniana  Kze.  in  Linnaea  X  (1836),  501. 

GR.  NAM.:  Geitse  Igubib  bei  Bersaba  („Dinter"). 

HER.:  ITjams,  Dinter  235. 
N.  Marlothii  Hieronymus  ined. 

HER.:  Okahandja,  Dinter  386. 

N.  Hawsoni  Pappe  in  Pappe  et  Raws.  Syn.  (1858),  42. 
GR.  NAM.:  \Aus,  Dinter  990. 
HER. 

Adiantopsis  capensis  (Thunb.)  Fee  Gen.  (1850—52),  145. 
KAP-KOL.:  zwischen  Natvoet  und  dem  Oranjefluss,  Drege. 

CheilantJies  hivta   Sw.   Syn.   (1806),    128,   329   var.  jyarviloha 

(Sw.)  Kze.  in  Linnaea  X  (1836),  541. 
GR.  NAM.:  östliche  Auasberge,  Dinter  875. 
HER.:  Ujams,  Dinter  237;    Eros,    Dinter  1345;    schattige   Felsen, 

Okahandja,  Dinter  II  392. 

C.  multifida  Sw.  Syn.  (1806),  129  u.  334. 

HER.:  Windhoek,  Dinter  237;  Ujams,  Dinter  237a. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  65 

Adlantwii  CaiHllus  Venevis  L.  Spec.  PL  ed.  I  (1753),  1096. 

GR.  KAM.: 

HER.:  häufig  in  Grootfontein,  Dinter  707,  und    an   vielen  Quellen 
der  Umgegend,  so  auch  in  Kranzfontein  („Dinter"). 
Actiniopteris  atistralis  (L.)  Link  Fil.  Spec.  (1841),  80. 

Actiuiopteris  dichotoma  (Foisk.)  Mett.  ex  Engl.  Bot.  Jahrb.  XIX 
(1895)  129. 

HER.:  Otavi,  Dinter  653;  Usakos,  Kranzfontein  („Dinter"). 

KAL. :  *Kwebe-Hügel  beim  Ngami  See,  Lugard  167,  225. 
Pteris  longifolja  L.  Spec.  PL  ed.  1  (1753),  1074. 

HER.:  Grootfontein,  an  der  Kalksteinquelle,  Dinter  675. 

Schizaeaceae. 

Mohria  caffrorum  (L.)  Desv.  Prodr.  (1827)  198. 
GR.  NAM. :  !  Gubub,  Dinter  988.  989. 

Marsiliacae. 

31arsilia  biloba  Willd.  Spec.  Plant.  V.  (1810),  540. 

KAP-KOL. :  Verleptpram,  Drege. 
31.  cf  crenulata  Desv.  Prodr.  (1827),  179. 

HER. :  Okaruse,  Tümpelrand,  Dinter  610,  fr.  IV. ;  Seeis,  im  trockenen 
Flussand,  Dinter  1388,  fr.  XII. 
31.  diffusa  Lepr.  ex.  A.  Braun  in  Flora  (1839),  300. 

HER. :  Ondorangombe,  Dinter  594. 
31.  pygmaea  A.  Brongn.  Dict.  class.  X  (1826),  199. 

AMB.:  Olukonda,  mit  Nesaea  und  Scirpus  zusammen,  Rautanen  217. 
'31,  spec.     (?  =  M.  Fischer l  Hieronymus  in  EngL  Deutsch-Ost- Afrika,  V,  C 
(1895),  90). 
HER. 

Salviniaceae. 

Azolla  pinnata  R.  Br.  Prodr.  (1810),  167  var.  africana  Desv.  Prodr. 

(1827),  178  p.  sp. 
AMB.:  *  linkes  Kuneneufer,  oberhalb  Onkumbi,  Baum  105. 

Ophioglossacae. 

Ophioglossuni  fibrosum  Schum.  Dansk.  Vid.  Selsk.  Afh.  IV  (1827), 
226. 
GR.  NAM.:  Inachab,  Dinter  992,  fr.  XII. 

HER.:  östlich  von  Windhoek,  auf  Sandboden,  Dinter  339,  fr.  IL 
0.  aphrodisidiacum  Welw.  ap.  Eichler  im  Jahrb.  K.  Bot.  Garten 
Berlin  III  (1884),  326. 

Vierteljahrsschrift  d.  Naturf.  Ges  Zürich.     Jahrg.  56.     1911.  " 


66  Hans  Schinz. 

O.vulfjattim  L.  Spec.  PI.  ed.  I  (1753),  1062. 

GR.  NAM. :  |  Aus,  Pearson. 

HER. :  Osona.  Buschsteppe,  Dinter  II  364,  fr.  I. 

AMB. 
„Omundove'''  (Otji.);   wird  von  den  Ovaherero  wie  Spinat  gegessen. 

Equisetaceae. 

Equisetum  ramosissimum  Desf.  Fl.  Atl.  II  (1800),  398. 

KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege  (sub  E.  elongatum). 

Gnetaceae. 

Welwitschia  Bainesii  Carr.  Tr.  des  Conif.  ed    2  (1867),  783.  ^ 

Tumboa   Welw.  in  Gard.  Chron.  (1851),  75. 

Turnboa  Bamesii  Hooker  in  Gard.  Chron.  (1861),  1008. 

Weluntschia  Hooker  in  Gard.  Chron.  (1862),  71  et  in  Trans. 
Linn.  Soc.  XXIV  (1863),  6. 

Welwitschia  niirahilis  Hooker  in  Gard.  Chron.  (1862),  71  et  in 
Trans.  Linn.  Soc.  XXIV  (1863),  6,  t.   1—14. 

GR.  NAM. :  H.  H.  W.  Pearson,  dem  wir  eine  Reihe  vorzüglicher 
Untersuchungen  über  die  Entwicklung  der  männlichen  und  weib- 
lichen Blüten  vor  und  nach  der  Befruchtung  von  W.  Bainesii 
verdanken,  erwähnt  (in  The  Geographical  Journal  XXXV  [1910]^ 
481),  gestützt  auf  Mitteilungen  des  Landesgeologen  Dr.  Range, 
das  Vorkommen  dieser  seltsamen  Pflanze  im  südlichen  Teile  von 
Gross-Namaland,  nämlich  31  km  südlich  von  Gorup. 

Nachdem  Pearson  (Phil.  Trans.  R.  Soc.  London  Ser.  B  198 
(1906),  275)  die  Richtigkeit  meiner  Angabe,  dass  die  sich  stets 
auf  den  Infloi:escenzen  der  Welwitschien  vorfindende  Milbe 
Odontopus  sexpunctatus  Laporte  in  einer  gewissen  Beziehung 
zur  Welwitschia  stehen  dürfte  [ich  dachte  an  eine  Beteiligung 
bei  der  Bestäubung  (in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  App.  III  (1896), 
8)],  bezweifelt  hatte,  hebt  derselbe  Autor  nunmehr  auf  Grund 
erneuter  Untersuchungen  (1.  c.  vol.  200  [1910],  343)  nun  selbst 
hervor,  dass  die  von  mir  angenommene  Rolle  der  genannten 
Milbe  offenbar  zukomme. 

HER. 


')  Anlässlich  des  1910  in  Brüssel  stattgehabten  internationalen  Botaniker- 
Kongresses  wurde  in  der  letzten  Sitzung  der  Nomenklatur-Kommission  auf  Antrag 
von  Dr.  Remlle  (London)  beschlossen,  Tumboa  wiederum  durch  die  üblichere  Be- 
zeichnung Welwitschia  zu  ersetzen;  dieser  Beschluss  berechtigt  nun  allerdings  noch 
nicht,  auch  wiederum  den  Speziesnamen  mirabilis  einzuführen. 


Mitteilungen  aus  dem  bolan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  67 

Monocotyledones. 
Typhaceae. 

Typiut  angustifolia  L.  Spec.  pl.  ed.  I  (1753),  971  ssp.  australis 
(Schum.  et  Thonn.)  Gräbuer  in  Engl.  Pflanzenr.  IV  8  (1900),  13. 
GR.  NAM. 
HER. 
AMB. :  Amutoni,  Dinier  752. 

T.  latifolia  L.  Spec.  pl.  ed.  I  (1753),  971   ssp.  capensis  Rohrb.   in 
Verh.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenbg.  XI  (1869),  9(5. 
HER.:  Tsaobis,  Dinter  188;  Okahandja?,  Otjiunukojo  („Dinter"). 

Potamogetonaceae. 

JPotamogeton  javanicus    Hassk.   in    Act.    Soc.    sc.    Indo-Neerl. 

(1854),  26. 
MOSS.:  *Onkumbi,  Baum  96. 
F,  lyectinatus  L.  Spec.  pl.  ed.  I  (1753),  127. 
HER. 
AMB. 
Zannichellia  palustris  L.  Spec.  pl.  ed.  I  (1753),  969. 

GR.    NAM.:    Oranjeflussmündung,    Drege    8801;    Inachab,    Dinter 

924,  fr.  XL 
HER.:  Okaukuejo,  Dinter  740,  fr.  VII;  Aukas,  Grootfontein,  Gross- 

barmen,  Okandu,  Windhoek  („Dinter"). 

Aponogetonaceae. 

Jjyonogefon  Dinteri  Engl,  et  Krause  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXXVIII 

(1905),  92. 
HER.:  Waterbergplateau,  Dinter,  pl.  IV;  Otjimbingue,  Fischer  165; 

Kubas,  Otavi,  Neudamm  („Dinter"). 
„Ondapa''  (Osh.). 
A.  Kraussiamis  Höchst,  in  Flora  (1845),  343. 

Aponogeton  leptostachyus  E.  Mey.  ex  Baker  in  Trans.  Linn.  Soc. 

XXIX  (1875),  158  nom.  nudum  ! 
Aponoffefofi  abijssi/ticus   Schinz   in    Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896), 

App.  III,  9  non  Höchst. 
GR.  NAM.:  Garris,  Schinz  779;  Daberas,  Fleck  250a. 
HER.:   Omboatjipiro,    sparsam   in   einem   grossen  Tümpel,   Dinter 

514,  bl.  III. 
Ä.  sj)t(thaceus  E.  Mey.  in  Linnaea  XX  (1847),  215  var.  Junceus 

Hook,  in  Bot.  Mag.  (1878),  t.  6399. 
AMB.:    Olukonda,    Rautanen,    bl.  III;    Ombalambuenge,    Rautanen 

168,  bl.  III;  *Omupanda  in  Uukuanyama,  Wulfhorst  34,  35. 


68  Hans  Schinz. 

A.  Rehmannii  Oliv,  in  Hook.  Icon.  pl.  (1884),  t.  1471  var.  hereroensis 

(Schinz)  Engl,  et  Krause  in  Engl.  Pflanzenreich  IV,  13  (1906),  16. 
A.  hereroensis  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2.  ser.  I  (1901),  764. 
HER. :  östlich  von  Windhoek  in  Tümpeln,  Hinter  828.  589,  bl.  H. ; 

Ebene   nördlich   vom  Waterberg,    Hinter   589  a,    bl.  IV;    Spitz- 

koppjes,  Farm  Hoffnung,  Otavi  („Hinter"). 

„Ondate"  (Otji). 

Hydrocharitaceae. 

Bestimmt,   von  Prof.  Dr.  P.  Ascherson  (Berlin)  und  Prof.  Dr.  M.  Gurke  (Berlin)  f. 

Lagarosiphon  muscoides  Harv.  in  Hook.  Journ.  Bot.  IV  (1842), 
230,  t.  22. 
HEB.:  Omboatjipiro,  sparsam  in  einem  grossen  Tümpel,  Hinter  513, 

steril. 
AMB.:  Ondonga,  Rautanen  141,  bl.  I— II. 
KAL.:  Xocana  (nicht  Nukain). 
X.  Schiveii}furt1iii  Casp.  in  Bot.  Zeitung  (1870),  80. 

AMB. 
ßoottia  exserta  Ridley  in  Journ.  Linn.  Soc.  XXII  (1886),  240. 

AMB.:  Ondonga,  Kestila  124,  bl.  III. 
J5.  knuenensis  Gurke  in  Baum  Kunene-Sambesi  Exped.  (1903),  172. 
MOSS. :    *  in  Tümpeln   am  Kunene  zwischen  Kiteve  und  Onkumbi, 
Baum  962,  fl.  VI. 

B.  mnricata    C.  H.  Wright    in    Thiselton   Hyer   Fl.    trop.    Afr.    VII 

(1899),  569. 
KAL.:  *  Ngamibassin,  Lugard  13,  279. 

J?.    ScJiinsiana    Aschers,    und    Gurke    in    Bull.    Herb.    Boiss.  III 
(1895),  376. 

AMB.:  *Omupanda  in  Uukuanyama,  Wulf  hörst  32. 
Ottelia  lancifoUa  Rieh.  Tent.  Fl.  Abyss.  II  (1851),  280,  t.  95. 

AMB. 

Alismataceae. 

Bestimmt  von  Prof.  Dr.  Fr.  Buchenau  (Bremen)  f- 

JRaiitaneniaSchin^ii  Fr.  Buchenau  in  Bull.  Herb.  Boiss.  V  (1897), 

854. 
Echinodorus    Schinzii    Fr.    Buchenau   in   Bull.    Herb.    Boiss.  IV 

(1896),  413. 
AMB.:  Ombalambuenge,  Rautanen  159;   Olukonda,  Rautanen  222. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  69 

Limnophyton  obtusifolium  (L.)  Miq.  Fl.  Ind.  Bat.  III  (1855),  242. 
KAL.:  =*=Botletletal,  Lugard  206. 

Da  diese  Art  auch  von  Baum  und  zwar  auf  dem  rechten 
Kubangoufer,  oberhalb  der  Kueio-Mündung  gefunden  worden  ist, 
dürfen  wir  sie  höchst  wahrscheinlich  auch  im  Caprivizipfel 
erwarten. 

Gramineae. 

Bestimmt  von  Prof.  Dr.  E.  Hackel  (Attersee). 

Zea  Mays  L.  Spec.  PI.  ed.  I  (1753),  1378. 

Überall  in  Kultur. 
Imperata    cylindrica    (L.)   Pal.    var.    Thunbergii  Hackel   in 
DC.  Monogr.  Phan.  VI  (1889),  94. 
KAL.:  *  Mutschumi  (anstatt  Mutsehama). 
Cladoraphis  Duparqueti  Franch.  in  Bull.  Soc.  Linn.  Paris  (1887),  673. 

HER. :  Walfischbai,  Duparquet. 
Andropogon  appendiculatus   Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),   105 
xsiT.  polycladus  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III. 
HER. 
A.  comniutatiis  Steud.  Syn.  pl.  glum.  I  (1885),  387. 

GE.  XA2I.:  (anstatt  HER.). 
A.  co7itortus  L.  Spec.  PI.  ed.  I  (1753),  1045  var.  yenuinus  Hackel 
in  DC.  Monogr.  Phan.  VI  (1889),  586  subvar.  typicus  Hackel  1.  c. 
GR.  NAM. :   Veldschoenhorn,  Dinter  1099,  fl.  IL 
AMB. 
A.  eucomus  Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  104.  fide  Pilger  in  Notizbl. 
Bot.  Gart.  Berlin  (1910),  135. 
Standort  ? 

A.  Gayanus  Kunth  Rev.  Gram.  I  (1829),  163  var.  cordofanus  (Höchst.) 
Hackel  in  DC.  Monogr.  Phan.  VI  (1889),  448. 
AMB. :  zwischen  Ondonga  und  üukuanyama,  Rautanen. 
A,  hivtus  L.  Spec.  PI.  ed.  I  (1753),  1046. 

HER. 
A.  Ischaeniuni   L.   Spec.  PI.   ed.  1    (1753),    1047  var.  radicans 
Hackel  in  DC.  Monogr.  Phan.  IV  (1889),  476. 
HER. 

A.  macrolejns  Hackel  in  Flora  (1885),  125. 
KAL. 

A,  melanocarpus  Ell.  Sketch.  Bot.  S.  Carol.  I  (1821),  146. 
AMB. 


70  Hans  Schinz. 

A.  Km'äus   L.    Spec.   PI.   ed.  1    (1753),   1046   var.   tnarginatiis 

Hackel  in  DC.  Monogr.  Phan.  IV  (1889),  607. 
HER. 
A.  Schinzii  Hackel  in  DC.  Monogr.  Phan.  IV  (1889),  458. 
HER. 
AMB. 

A,  SeJioenantJms  L.  Spec.  PI.  ed.  I  (1753),  1045. 
GR.  NAM. 
HER. 

A.  Sorghum  Brot.  Fl.  Lusit.  I  (1804),  88. 
Reichlich  kultiviert  bei  den  Aajaroba. 

Anthephora  HocJistetteri  Nees  in  Flora  (1844),  249. 

AMB. 
A,  piihescens  (Lichtenst.)  Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  74. 

HER. 

A,  xytibescens  (Lichtenst.)   Nees  1.  c.  74  var.  cinerascens  Hackel 
nov.  var. 
Differt    a    typo    foliis    molliter    pubescentibus,    emortius    cineras- 

centibus. 
KAP-KOL.:  Blydeverwacht,  Fleck  294  a. 
Ä.  j^ubescens  ist  ein  vorzügliches  Futtergras. 

A.   Schinzii  Hackel    in    Abb.    Bot.   Ver.   Prov.    Brandenbg.    XXX 
(1888),  189. 
A31B.:  Olukonda,  Rautanen. 

A.  tindulatifoUa  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  App.  III  (1896). 
GR.  RAM. 

Perotis  latifolia  Ait.  Hort.  Kew.  I  (1789),  85. 
HER.:  Waterbergplateau,  Dinter  584. 
AMB.:  Rautanen;  Ondonga,  Kestila  78. 

P.  vaginata  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2°'«  ser.  VI  (1906),  704. 
AMB. :  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen. 
Bestes   Viehfutter. 

Monelytrum  Lüdevitziaruiin  Hackel  in  Abb.  Bot.  Ver.  Brandenb. 
XXX  (1888),  140. 
HER. 

Tragus  Berteroanus  Schult.  Mant.  pl.  II  (1824),  205. 
GR.  NAM.:  Inachab,  Dinter  1101. 
AMB.:  Olukonda,  Rautanen;  *  Uukuanyama,  Kestila  101. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Züricli  (LV).  71 

Anthaenantia  glauca  Hackel  in  Abb.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb. 
XXX  (1888),  237. 
GR.  KAM. 

I*anicuni  hrachyuviini  Hackel  in  Abh.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb, 
XXX  (1888),  142. 
AMB.:  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen  592. 

JP.  Chromatostigma  Pilger  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXXIII   (1902),   48. 
HER. :  Otjimbingue,  Fischer. 

I*.  Colonum  L.  Syst.  Veg.  ed.  10  (1759),  870. 

AMB. :  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautannen  740. 

—  —  var.  atroviolaceum  Hackel  nov.  var. 
Differt  a  typo  spiculis  atroviolaceis  parce  viridi  variegatis. 
AMB.:  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen  741. 

JP,  gefninatvni  Forsk.  Fl.  Aegypto-Arab.  (1775),  18. 
HER. 

I*.  glotneraturti  Hackel  in  Abh.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb.  XXX 
(1888),  141. 
GR.  KAM. :  Inachab,  im  Sande,  Dinter  1093,  fl.  XII. 
HER. 

P.  Isachne  Roth  Nov.  PI.  Spec.  (1821),  54. 
HER.:  Otjiuka,  Dinter  637. 

_P.  laevifoliimi  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  III  (1895),  378   var. 
amboense  Hackel  nov.  var. 
Differt  a  typo  spiculis  brevis,  pedicellatis  subterminalibus   spicula 

vix  V.  paullo  longioribus  apice  haud  clavatis  culmo  elatiore. 
AMB. :  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen  593. 

_P.  lycopoclioicles  Bory  mss.  ex  Nees  in  Mart.  Fl.  Bras.  ed.  I,  II 
(1829),  236. 
HER. 

jP.  madagascariense  Spreng.  Syst.  veget.  I  (1825),  317. 

var.  minus  Hackel  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XI  (1887). 

HER.:  Quaaipits.  Dinter  184. 

JP.  mesocomum  Nees.  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  34. 
KAP-KOL.:  Verleptpram,  Drege. 

J».  minus  Stapf  in  Thiselton  Dyer  Fl.  Cap,  VII  (1899),  410. 

KAP-KOL. :  Verleptpram,  Drege  (sub  P.  coloratum  L.  var.  a  Nees). 


72  Hans  Schinz. 

-P.  nigropedatnm   Munro  ex  Ficalho    et   Hiern  in    Trans.  Linn.  Soc. 
Ser.  2,  II  (1881),  29. 
AMB. :  Olukonda,  Rautanen. 

JP,  nuniidianum  Lam.  Encycl.  I  (1791),  172. 
GR.  NAM. 
HER. 

-P.  Rautanenii  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2«  ser.  II  (1902),  935. 
AMB. :  Olukonda,  Rautanen. 

jP.  sagittaefoliuni  Höchst,   ex   Steud.  Syn.  PI.  Gram.  (1855),  54, 
AMB. 

-P.  Schinzii  Hackel  in  Abh.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb.  XXX  (1888), 
142. 
AMB.:  Olukonda  Rautanen. 

JP.  trichopus  Höchst,  in  Flora  XXVII  (1844),  254. 
KAL.:  *Kwebehügel  beim  Ngami  See,  Lugard  163. 

P,  xantlioleucum    Hackel    in    Abh.    Bot.   Ver.   Prov.    Brandenb. 
XXX  (1888),  141. 
HER.:  Onjoajahere,  Dinter  474. 
AMB. 

-P.  spec. 

GR.  NAM. 

JP.  spec. 

HER.    ■ 

JP.  spec. 
HER. 

JP.  spec.  äff.  colorato  L. 

GR.  NAM. 

JDifjitaria  eriantha  Steud.  in  Flora  (1829),  468. 

Panicum  commutatu7n  Nees  var.  genuinum  Hackel  in  Durand  et 

Schinz  Consp.  Fl.  Afr.  V  (1894),  744. 
GR.  JSfAM.  (Kudis  ist  auch  in  GR.-NAM.  gelegen,  KAL.  daher  zu 
streichen). 

JKelinis    areruiria    (Nees)    Hackel    in    Oest.    Bot.    Zeitschr.    LI 
(1901),  464  var.  glauca  (Stapf)  Schinz  nov.  comb. 
Tricholaena  arenaria  Nees   Ind.   Sem.  hört.  Vratisl.   (1835)   ex 
Nees  Fl.  Afr.  Austr.  (1841),  20  var.  glauca  Stapf  in  Thiselton 
Dyer  Fl.  Cap.  VII  (1900),  446. 
GR.  J^AM.:  +  Kuias,  Schenck  80. 


Mitteilungen  aus  dem  hotan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  73 

M.  lyrevipila  (Hackel)  Hackel  in  Oest.  Bot.  Zeitschr.  (1901),  464. 
Tricholaena  brevipiUi  Hackel  in  Abh.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb. 
XXX  (1888),  143. 

GE.  NAM. 

HER. :  Spitzkoppjes,  auf  feuchtem  Boden,    Dinter  76    (forma    pilis 
glumarum  longioribus  quam  in  typo). 

31.  gfandiflora  (Höchst.)   Hackel   in    Oest.  Bot.  Zeitschr.   (1901), 
464. 
Tricholaena  grandiflora   Höchst,   ex   Rieh.   Tent.  Fl.    Abyss.    H 

(1851),  445. 
HER. 

M,  rosea  (Nees)  Hackel  in  Oest.  Bot.  Zeitschr.  (1901),  464. 

Tricholaena  Dregeana  (Nees)  Durand  et  Schinz  Consp.  Fl.  Afr.  Y 

(1894),  769. 
Tricholaena  rosea  Nees  Cat.  Sem.  Hort.  Vratisl.  (1835)  ex  Nee& 

Fl.  Afr.  Austr.  (1841),  16. 
Tricholaena  ruficoma  (Höchst.)  Durand  et  Schinz  Consp.  Fl.  Afr.  V 

(1894),  770. 
Tricholaena  sphacelata  Benth.  in  Hook.  Niger  Flora  (1849),  559. 
GR.  NAM:  Kiiddis  (liegt  nicht  in  der  Kalachari). 
AMB. :    *Omupanda    in    Uukuanyama,    Wulfhorst    10;     zwischen 

Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen  594. 
KAL. :  *Kwebe  Hügel  beim  Ngami  See,  Lugard  162. 

JZ.  spec, 

GR.  NAM. 

Setaria  ambigua  Guss.  Syn.  fl.  Sicul.  I  (1842),  114. 
HER. 

S.   appendiciilata    (Hackel)    Stapf    in    Thiselton    Dyer   FI.    Cap. 
VH  (1900),  422. 
Panicum  appendiculaturn  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896), 

App.  HI,  13. 
GR.  NAM. 

HER.:  Omaruru,  in  Felsen,  Dinter  1430. 
AMB.:  *Omupanda  in  Uukuanyama,  Wulf  hörst  11. 

S,  glauca  (L.)  Falisot  Essai  Agrostogr.  (1812),  51. 

KAP-KOL.:  Verleptpram,  Drege  (sub  Panicum  Rottleri). 
GR.  NAM. 


74  Hans  Schinz. 

ß,  hereroensis  Herrm.  in  Cohn,  Beiträge  zur  Biologie  der  Pflanzen, 
X  (1909),  43. 
HER.:  bei  Omaruru  an  Felsen,  Dinter  1430. 

S,  verticillata  (L.)  Palisot  Essai  Agrostogr.  (1812),  51. 
KAP-KOL. :  Verleptpram,  Drege. 
HEB.:  Tsoachaubmund,   Dinter  84;    Okahandja,    im  Schatten  von 

Akazien,  Lindner;  Otjimbingue,  Fischer  63. 
AMB.:  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen  591. 
„Omramata"  (Otji). 

I^enniseUiJti  hreviflorum  Steud.  Syn.  PI.  Gram  (1855),  107. 
GB.  NAM. 

JP.  ciliara  (L.)  Link  Hort.  bot.  Berol.  I  (1827),  213. 
HEB, 

J».  Myiivus  Pari,  ex  Webb  in  Hook.  Niger  Fl.  (1849),  183. 
AMB. 

JP.  cenchroides  A.  Rieh,  in  Pers.  Syn.  I  (1805),  72. 
KAP-KOL. :  Verleptpram,  Drege. 
HER.:  Salem,  Dinter  166. 

J*.  pentastachyurn  Höchst,  ex  A.  Rieh.  Tent.  Fl.  Abyss.  II  (1851), 
387. 
GB.  NAM. 

J*.  purxntrascens  (Schrad.)  Anderss.  in  Peters  Mossamb.  II  (1864), 
522. 
HEB. 

P.  spicattini  (L.)  Kcke.  in   Kcke.  et  Wern.    Handb.  des  Getreide- 
baues, I  (1885),  284. 
HER.:  Otavi,  Dinter  644  (kult.). 
AWIB.:  überall  in  Kultur. 
KAL.:  ^Ngamihassm,  kultiviert. 

jP.  Thimhergii  Kunth  in  Rev.  Gram.  I  (1829),  50. 
GB.  NAM. 
HEB. 

-P.  sjyec.  (äff.  spicato). 
AMB, 

Aristida  adscensionis  L.  Spec.  pl.  ed.  1  (1753),  82  var.  breviseta 
(Hackel)  Schinz  nov.  comb. 
HEB, 

Der  Typus  zwischen  *Natvoet  in  der  KAP-KOL.  und  dem  Oranjefluss. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  75 

A.  alo2)ecuroides  Hackel  in  Abb.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb.  XXX 
(1888),  144. 

A2IB. 
A.  hrevifoUa  Steud.  Nomencl.  bot.  ed.  2,  I  (1840),  130. 

GR.  KAM. 
A.  ciliata  Desf.  in  Schrad.  N.  Journal  f.  Bot.  III  (1809),  255. 

KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege. 

GB.yA2I.:  Inachab,  Dinter  1104. 

HEB. 

Mawohib"  (Nam.). 
—  —   var.   tricholaena   Hackel    in   Bull.  Herb.  Boiss.   IV   (1896) 
App.  III,  18. 

GB.  XAM. 
var.  villosa  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  18. 

GB.  XAM.:  bei  Lüderitzbucht,  Schultze  140  a  und  b. 
A,  congestd  Roem.  et. Schult.    Syst.  veget.  II  (1817),  401. 

GB.  KAM. 

HEB.:  Nord-Anias,  Brauer. 
A,  Dregeana  (Nees)  Trin.  et  Rupr.  in  Mem.  Acad.  Petersb.,  ser.  6, 
V  (1842),  169. 

KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege. 

GB.  XAM. 

HER. 
A.  Dinteri  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.    2"^«  ser.  I  (1901),  767. 

HER. :  im  Bett  des  4=  Kan-Flusses,  Dinter  1485. 
A.  fastigiata  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.    2"^«  ser.  I  (1901),  768. 

GR.  NAM.:  Inachab,  Dinter  1102. 
A.  geminifolia  Trin.  et  Rupr.  in  Mem.  Accad.  Petersb.,  ser.  6,  V. 

KAP-KOL. :  Oranjefluss-Mündung,  Drege. 
A,  (jvncilli^na  Oliv,  in  Trans.  Linn.  Soc.  XXIX  (1875),  173. 

A2IB. 
A.  hirtigluma  Steud.  Nomencl.  bot.  ed.  2,  I  (1840),  131. 

GB.  XAM. 
A,  Hochstetteriana  Beck  mss.  ex  Hackel  in  Abh.  Bot.  Ver.  Prov. 
Brandenb.  XXX  (1888),  144. 

GR.  NAM.:  Inachab,  Dinter  1103. 

HEB. 
A.  Intescens  (Nees)  Steud.  Syn.  pl.  glum.  I  (1855),  145. 

KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege. 

HEB.:  Dünen  der  Rooibank  hinter  der  Walfischbai,  Schultze. 


76  Hans  Schinz. 

A.  luieseens  (Nees)  Steud.  1.  c.  var.  Marlothii  (Hackel)  Stapf  in 
Thiselton  Dyer  FL  Cap.  VIT  (1900),  567. 

A.  Marlothii  Hackel  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XI  (1890),  400. 

HER. 
A.  naniaqiiensis   (Nees)   Trin.   et  Rupr.   in  Mem.  Acad.  Petersb., 
ser.  6,  V  (1842),  74. 

GB.NAM.:   Inachab,   Dinter   1108;    Riviersohle   des  Koankip  bei 
Chamis,  Schnitze  471. 
A,  obtusa  Del.  Fl.  d'Egypte  (1813),  13,  t.  XIII,  f.  2. 

GR.  NAM.:  Inachab,  Dinter  1109. 

HER. 
A.  prodigiosa  Welw.  in  Trans.  Linn.  Soc.  XXVII  (1869),  80. 

GR.  NAM. 

AMB. 
A.pungens  Desf.  Fl.  Atlant.  I  (1798),  t.  XXXV,  109. 

GR.  NAM. 

A,  stijntata  (Hackel)  in  Abh.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb.  XXX  (1888)  248. 
AMB.:  Namakunde  in  Uukuanyama,  Rautanen. 

A.  stipoides  Lam.  Illustr.  Grenr.  Encycl.  I  (1791),  157  var.  meridionalis 

Stapf  in  Thiselton  Dyer  Fl.  Cap.  VH  (1899),  562. 
AMB. :  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen  588. 

Beinahe  alle  Autoren,  mit  Ausnahme  von  Stapf  in  Thiselton 
Dyer  Fl.  Cap.  VII  (1899),  562  schreiben  stipifonnis  Lam.,  eine 
Bezeichnung,  die  falsch  ist  und  davon  herrührt,  dass  unbeachtet 
geblieben  ist,  dass  Lamarck  wohl  im  französischen  Text  1.  c. 
die  Pflanze  Aristide  stipiforme  nennt,  links  davon  auf  derselben 
Buchseite  aber  der  Art   den  Namen  Aristida  stipoides  beilegt. 

A.  siihacanlis  (Nees)  Steud.  Nomencl.  bot.  ed.  2,  I  (1840),  132. 
KAP-KOL. :  Verleptpram,  Drege. 
GR.  NAM. 
HER. 

A.  sabulicola  Pilger  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XL  (1907),  81. 

HER.:    Dünen    bei    Rooibank    hinter  Walfischbai,    Schnitze    379; 
Dünen  am  !  Kuisib,  Gürich  119,  122. 

A,  unijMuniis    Lichtenst.    in    Roem.    et    Schult.    Syst.    veget.    II 

(1817),  404. 
GR.  NAM.:  Lüderitzbucht,  Schnitze;  Inachab,  Dinter  1089. 
HER.:   Dabib,    comm.  Herb.  Hamburg;    var.?   Otjitambi,   Schlett- 

wein;  Voigtsgrund,  Voigts  („Dinter"). 
AMB. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  77 

A.  uniplumis  Lichtenst.   1.  c.   var.  Keesii  Walp.  Annal.  bot.  III 
(1852),  750. 
GE.  NAM. 
AMB. 

A.  vestita  Thunb.  Prodr.  Cap.  (1794),  19  var.  diffusa  (Trin.)  Walp. 
Annal.  bot.  III  (1852),  747. 
HER. 

A,  si)ec, 

HER. 

A,  spec, 

HER. 

A.  .spec. 

HER. 

Stipa  parviila  Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  169. 
KAP-KOL,:  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege. 
HER. 

S,  spec, 
GR.  XAM. 

Sporobohis  densissimus  Pilger  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLIII  (1909),  91. 
HER. :    Okahandja,    auf   feinem    Quarzsand,    sowie    in   Ritzen    des 
Grlimmersehiefers,  Dinter  546,  bl.  V. 

S,  nehulosns  Hackel  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XI  (1890),  402. 
GR.  NAM. :  Inachab,  Dinter  1090. 
HER. 

—  —  var.  perennis  Hackel  ined. 
HER.:  Tsoachaub  bei  Salem,  Dinter  159. 

S.  panicoides  A.  Rieh.  Tent.  Fl.  Abyss.  II  (1851),  399. 
HER.:  Otavi,  Dinter  618. 

Ä.  Rangei  Pilger  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLHI  (1909),  385. 
GR.  XAM. :  Chamis,  am  brakigen  Quellensumpf,  Range  470. 

S,  pungens  (L.)  Kunth  Rev.  Gram.  I  (1829),  68. 
KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege. 
GR.  NAM. :  Ebbe-Flutgrenze  von  Lüderitzbucht,  Schnitze  32. 

S.  robustus  Kunth  Rev.  Gram.  II  (1829?),  425,  t.  126. 
HER.:  Alluvium  des  Tsoachaub  bei  Salem,  Dinter  164. 

S,  virginicus  (L.)  Kunth  Rev.  Gram.  I  (1829),  17. 
HER. 


78  Hans  Schinz. 

Polypogon  tno^isxy eilen sis  (L.)  Desf.  Fl.  Atlant.  I  (1798),  69. 
KAP-KOL. :  Verleptpram,  Drege. 
GR.  XAM. 
HER. :  Tsoachaubmund,  Dinter  65. 

DantJionia  curva  Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  328. 

KAP-KOL.:  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege. 
1>.  glauca  Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  327. 

KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege. 
jy.iymnila  Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  323. 

KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege. 

HER. 
D.  Rangei  Pilger  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLIII  (1909),  386. 

GR.  NAM. :  |  Aus,  auf  Sandflächen,  in  Büscheln  wachsend,  Range  89. 
Cynodon  Dactylon  (L.)  Pers.  Syn.  I  (1805),  85. 

KAP-KOL.:  Verleptpram,  Drege. 

GR.  KAM. 

HER.:  Tsoachaubmund,  Dinter  71  (var. ?). 

AMB.:  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen  590. 

„Onguena''  (Osh.) ;  gutes  Futter. 
C.  incompletus  Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  243. 

KAP-KOL. :  Oranjefluss-Ufer,  Drege. 
Willkonimia  annua  Hackel   in   Abb.  Bot.  Ver.   Prov.  Brandenb. 
XXX  (1888),  146. 

AMB.:  Olukonda,  Rautanen. 
TF.  scirineiitosa  Hackel    in   Abh.  Bot.  Ver.   Prov.  Brandenb.  XXX 
(1888). 

AMB. 
Chloris  harhata  (L.)  Sw.  Fl.  Ind.  occ.  I  (1797),  200. 

GR.  KAM. 

AMB. 

C.  virgata  Sw.  Fl.  Ind.  Occ.  I  (1797),  203. 

C.  compres.sa  DG.  Cat.  Hort.  Monspel.  (1813),  94. 

GR.  NAM.:  Inachab,  Dinter  1096;  Awichab,  Dinter  1096  a. 

HER. 
Entoplocamia  aristulata  (Hackel  et  Rendle)  Stapf  in  Thiselton  Dyer 
Fl.  Cap.  VII  (1900),  74. 

Tetrachne  aristulata  Hackel  et  Rendle   in  Journ.   of  Bot.  XXIX 
(1891),  72. 

GR.  XAM. :  Veldschoenhorn,  Dinter  1098. 

HER.:  Dinter  10. 


Mitteilungen  aus  dem  bolan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  79 

Dactylocteniuiii    aegyptiacuni    (L.)    Willd.    Enum.    pl.    Hort. 
Berol.    (1809),    1029    var.    niucronatuin    Schweinf.    in    Bull. 
Herb.  Boiss.  H  (1894)  App.  HI,  34. 
AMB.:  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyaraa,  Rautanen  589. 
I*ogonarthria   squarrosa    (Lichtenst.)  Pilger    in    Notizbl.  Bot 
Garten  Berlin  N*^  46  (1910),  149. 
Eragrostis  Marlothii  Hackel  in  Engl.  Bot.  .Jahrb.  XI  (1889),  404. 
Leptochloa  falcata  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  III  (1898),  386. 
Pogouarthria  falcata  Rendle  ap.  Stapf  in  Hook.  Ic.  PI.    (1899),. 

t.  2610. 
K.\L. 

AMB.:  *linkes  Kuneneufer,  oberhalb  Onkumbi,    1100  m,    auf  san- 
digem Boden  in  lichtem  Wald,  Baum   101. 
JP.  tuberculata  Pilger  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLIII  (1909),  92. 

HER.:  Rivier  bei  Station  Teufelsbach,  Hinter  II  112;  Nord-Anias, 
Brauer  (comm.  Herb.  Hamburg). 
I^appophoruni  cenchvoides  Lichtenst.  in  Roem.  et  Schult.  Syst. 
veg.  H  (1817),  616. 
GR.  KAM.:  Riviersohle  des  Koankip  bei  Chamis,  Schnitze  478. 
HER. :  Dabib  (comm.  Herb.  Hamburg). 
JP,  molle  (Lehm.)  Kunth  Enum.  pl.  I  (1833),  255. 

GR.  KAM.:  Inachab,  Hinter  1097. 
JP.  scabruni  (Lehm.)  Kunth  Enum.  pl.  I  (1833),  255. 

GR.  KAM. :  Inachab,    Schluchten  in    den  Sandsteinbergen,    Hinter 
1091,  fl.  XL 
P.  spec, 

GR.  KAM. 
JP,  sjjec, 

GR.  KAM. 
SchitiUltia  pappophoroides   Steud.  in   Schmidt   Beitr.  Fl.  Cap- 
Verd.  Inseln  (1852),  144. 
GR.  KAM. 
HER.:    Tsoachaub,  Hinter  59;  Chelab,  Hinter  1100;    Nord-Anias^ 

Brauer. 
AMB. :  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen. 
Vergl.  Stapf  in  Thiselton  Dyer,   Fl.  Cap.  VII,   658. 
S.  quinqueseta   Benth.  mss.  ex  Ficalho    et   Hiern   in  Trans.  Linn. 
Soc.  ser.  2,  H  (1881),  31. 
GR.  KAM. 

HER.:  Ujams  Hinter  234,  fl.  1. 
AMB. 
KAL. 


80  Hans  Schinz. 

Oryza  sativa  L.  Spec.  PL  ed.  I  (1753),  333. 
AMB. :  Olukonda,  verwildert,  Rautanen. 

Chaetobromus  involucratus  Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  344. 

KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege. 
THraphis  Elliotii  Rendle  in  Journ.  Linn.  Soc.  XXIX  (1891),  73. 

GR.  NAM. 

T.  Meckii  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  23. 
GB.  NAM. 

HER.:  Nonikam  (coram.  Herb.  Hamburg). 

AMB. :    Namakunde    in   Uukuanyama,    Rautanen    (Form    mit   auf- 
fallend grossen  Infloreszenzen). 

T.  nana  (Nees)  Hackel  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XI  (1890)  403  var.  con- 
spicua  Hackel,    differt   a  typo    culmo  elatiore  usque    ad    10  cm 
longo,  punic.  majore  (2  cm),  glumis  fertilibus  fere  3  mm  longis. 
KAP-KOL. :  Verleptpram,  Drege. 
HER. :  Tsoacliaub  bei  Salem,  Dinter  141. 
T.  jyurpurea  Hackel  in  Abb.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb.  XXX  (1888), 
146. 
GR.  NAM. :  südlich  von  |  Aus,  Pohle. 
T.  ramosissinia  Hackel  in  Abb.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb.  XXX 
(1888). 
GR.  NAM. 

T.  Schin^ii  Hackel  in  Abb.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb.  XXX  (1888). 
AMB. 

T.  spec. 

GR.  NAM. 

Elytrophorus  articulatus  Palisot  Essai  Agrost.  (1812),  67,  t.  14,  f.  2. 
HER.:  Okaruse,  Dinter  605. 

E.  globularis  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2«  ser.  II  (1902),  935. 
E.  interruptus  Pilger  in  Baum  Kunene-Sambesi  Expedit.  (1903),  1 76. 
AMB. :  Olukonda,  Rautanen ;  gefunden  von  Baum  am  linken  Kunene- 
Ufer  in  der  Nähe  von  Soba  Gongo  (?). 

Microchloa  caffra  Nees  Flor.  Af.  austr.  (1884),  246. 

AMB. :  Olukonda,  Rautanen. 
Ehrharta  brevifolia  Schrad.  in  Goett.   Gel.  Anz.  III  (1821),  2077 
var.  cuspidata  Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  204. 

KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege  2563. 

E.  pusilla  Nees  ex  Trin.  Phalar.  1839),  22. 

KAP-KOL.:  Mündung  des  Oranjeflusses,  Eckion. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  81 

E.  barbinodis  Nees  ex  Trin.  Phalar.  (1839),  20. 
KAP-KOL.:  Mündung  des  Oranjeflusses,  Eckion. 

Arundo  Donax  L.  Spec.  PI.  ed.  1  (1753),  81. 

Ausschliesslich  kultiviert  und  zwar  namentlich  auf  Missionsstationen, 
auf  verlassenen  Missionsstationen  wohl  auch  verwildert ;  Otjisazu, 
Barmen,  Horehis,  Nabas,  Gobabis  etc.  („Dinter"). 

Triclioon  JPhragniites  (L.)  Schinz  et  Thellung  in  Vierteljahrs- 
schr.  zürch.  naturf.  Ges.  LIII  (1908),  587  var.  isiacus  (Coss.) 
Schinz  nov.  comb. 

Phragmites  vulgaris  (Lam.^  Crep.  Man.  Fl.  Belg.  ed.  2  (1866), 
345  var.  isiacus  Coss.  in  Coss.  et  Dur.  Expl.  scient.  Alger.  IT 
(1854,  67),  125. 

GB.  Ä\L¥. 

HEB. 

KAL. 
Fingerliiithia  africana  Lehm.  Cat.  sem.  hört.  Hamb.  (1834.) 

HEB. 
Oropetium  capense  Stapf  in  Thiselton  Dyer  Fl.  Cap.  VH  (1900),  742. 

HER.:  Otjiseva,  Dinter  491. 
Diplacliue  cinerea  Hackel  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XI  (1890),  403. 

HEB. 
n.  MeeJHl  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  lY  (1896)  App.  III,  25. 

GB.  XAM. 
D.fu.sca  (L.)  Palisot  Essai  Agrost.  (1812),  163. 

HER. :  Tsoachaubmund,  Dinter  13. 

AMB. :  Kuukuejo.  Rautanen. 
D.  mucronata  (Forsk.)  Hackel  nov.  comb. 

Festuca  mucronata  Forsk.  Fl.  Aegypt.  Arab.  (1775),  22. 

HER.:  Tsoachaubmund,  Dinter  31. 
D,  jfi^ucinervls  (Nees)  Stapf  et  Rendle  in  Cat.  Afr.  PI.  Welw.  II 
(1899),  227. 

HEB. :  Tsoachaubmund  Dinter  13 ;  auf  salzigem,  sandigem  Boden 
nahe  bei  Okahandja.  Linden. 

KAL.:  *Botletle  Ebene,  nahe  Macharachara,  Lugard  218. 
n.jmngens  Hackel   in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)   App.  IlL  25. 

HEB.:  8alem.  Dinter  169. 
Bpagvostis  angusta  Hack,  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2""^  ser.  1(1901),  772, 

HER. :  Tsoachaub,  Dinter  98. 
B.  auriculata  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.    2"  ser.  I  (1901),  773. 

GR.  NAM.:  Inachab,  Dinter  1905. 

HER.:  Tsochaub  bei  Salem,  Dinter  157. 

Vierteljahr-s-schrift  d.  Xaturf.  Ges.  Zürich.     Jahrg.  5G.     1911.  " 


82  Hans  Schinz. 

B,  Uflora  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  III  (1895),  391. 

GR.  KAM. 
E,  bri^oides  (L.)  Nees  in  Linnaea  VII  (1832),  328. 

HER. 
E,  brii^antha  Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  411. 

KAP-KOL. :  Verleptpram,  Drege. 

GR.  KAM.:  Inachab,  Dinter  1094,  fl.  XI. 

HER. :  Tsoachaubmund,  Dinter  75. 
—  —  pnsilla    Hackel    differt    a    typo    panicula    depauperata,    foliis 
brevissimis,  spiculis  violescentibus. 

GR.  NAM.:  Awicliab,  Dinter  1105,  fl.  IX. 
E,  cyperoides  (Thunb.)  Palisot  Essai  Agrost.  (1812),  71. 

KAP-KOL. :  Oranjeflussmündung,  Drege. 

GR.  NAM.:   Lüderitzbncht,   Dinter  920;   Sandstrand  bei  Gross- 
Awichab,  Schnitze  47. 

HER. 
E.  denudata  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  HI  (1895),  392. 

Vergl.  Pilger  in  Notizbl.  Bot.  Garten  Berlin  (1910),  154. 
E.  Dinteri  Stapf  in  Kew  Bull.  (1906),  29. 

HER.:  Ossire,  Dinter  484. 

AMB. :  Namakunde  in  Uukuanyama,  im  Sande,  Rautanen. 
E,  hereroensis  Hackel  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2"''  ser.  I  (1901),  775. 

HER.:  Tsoacliaub,  bei  Salem,  Dinter  156,  fl.  3.  VIII. 
E,  lappula  Nees  Fl.   Afr.  Austr.  (1841),  412   var.  divaricata   Stapf 
in  Thiselton  Dyer  Fl.  Cap.  VII  (1900),  628. 

AMB. :  Olukonda,  Rautanen. 
E.  leptocalymma  Pilger  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XL  (1907),  84. 

AMB.:  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen  3a,  585. 

KAL. :    *Kokong    (?),  Schultze    356  b ;  ^zwischen    Sekuma   (?)    und 
Kooa  (?),  Schultze  342  m. 
E,  lomjifolia  Höchst,  in  Flora  (1841),  23. 

GR.  NAM. 
E.  inenibranacea  Hackel  in  Abb.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb.  XXX 
(1888),  148. 

AMB. :  zwischen  Olukonda  und  Uukuanyama,  Rautanen  586. 
E,  multißora    (Forsk.)    Aschers,   et  Schweinfurth   Beitr.  Fl.  Aeth. 
(1867),  297  und  310. 

GR.  NAM. 
nana  contracta  Stapf  in  herb. 

HER. :  Spitzkoppjes,  Dinter  54. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  83 

JE,  namaqnensis  Nees  Ind.  Sem.  hört.  Vratisl.  (1835). 
HER,:  Tsoachaubmund,  Dinier  85. 
KAP-KOL. :  Verleptpram. 

J^.  namaquensis  Nees  1.  c.  var.  uninodis  Hacke! ,  differt  a  typo  culmo 
uninodi,  nodo  in  basi  culmi  seto  inter  folia  acculto. 
HER. :  Tsoachaub,  bei  Salem,  Hinter  140. 

JE',  jyilosa  (L.)  Palisot  Essai  Agrost.  (1812),  71. 

HEB. 

KAL.:  *Kwebe,  Lugard  165. 
JE,  poaeoides  Palisot  Essai  Agrost.  (1812),  71. 

GR.  KAM. 
JE,  porosa  Nees  Fl.  Afr.  austr.  (1841),  401. 

E.  emarginata  Hack,   in   Abb.   Bot.  Ver.    Prov.  Brandenb.  XXX 
(1888),  238. 

GR.  NAM. :    zwischen   ^  Ausis  und  =|=  Kuias,    Schenck    82 ;    Keet- 
raanshoop,  Schinz. 
JE.  pusilla  Hack,  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  27. 

HER.:  Tsoachaubmund,  Hinter  81. 

KAL.:  Uqua  (anstatt  Uuqua). 
E.  ramosa  Hack,  in  Bull.  Herb.  Boiss.    2"^<'  ser.  (1901),  776. 

GR.  NAM. :  Riviersohle  des  Koankip  bei  Chamis,  Schultze. 

HER.:  Tsoachaub,  bei  Salem,  Hinter  134. 
JE,  retinorrhoea  Steud.  Syn.  PL  glum.   (1855),   268. 

Vergl.  Pilger  in  Notizbl.  Bot.  Garten  Berlin  (1910),  152. 

JE,  spinosa  (L.)  Trin.  in  Mem.  Acad.  Petersb.  ser.  VI,  1  (1831),  416. 
KAP-KOL.:  Dünen  am  untern  Oranjefluss,  Drege. 
GR.  KAJM.    . 
HER.:  Tsoachaubmund,  Dinter  14;  trockenrissiger  Schlammboden 

des    Kuisib-Unterlaufes    bei    Rooibank,    Schultze    374 ;    Pechuel- 

Loesche. 

JJJ.  superha   Wawra   et   Peyr.    in    Sitzber.    Acad.    Wien    XXXVIII 

(1860),  584. 

GR.  NAM. :  Kuddis  (nicht  in  der  Kalachari  gelegen). 

HER. 

AMB. :  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen  587. 

KAL.:  *Kwebe,  Lugard  178. 

Rautanen  587  ist  eine  Form  mit  besonders  grossen  und 
breiten,  sehr  stark  abstehenden  Rispen.  Peyritsch  sagt  auch  in 
der  Diagnose:  ramis  patentibus  vel  patentissimis,  während  Stapf 
schreibt:  branches  erect  or  suberect.    (Hackel.) 


84  Hans  Schinz. 

B,  tvicJiox>hora  Coss.  et  Durieu  in  Bull.  Soc.  Bot.  Fr.  11  (1855),  31. 
HER.:  Otjitambi,  Schlettwein  (comm.  Herb.  Hamburg). 

B,  viscosa  Trin.  in  Mem.  Acad.  Petersb.  ser.  6,  I  (1831),  397. 

AMB.:  Olukonda,  Rautanen. 

KAL. 
B.  spec, 

AMB. 
B.  spec. 

KAL. 
B.  siJec, 

HER. 
Schisnius  calycinns  (Loefl.)  Coss.  in  Coss.  et  Durieu  Expl.  scient. 
Alger.  II  (1854-67),  138. 

GR.  NAM.:  Inachab,  im  Sand,  Dinter  1107. 

—  —    var.   tennis   (Steud.)    Durand    et   Schinz    Consp.    Fl.   Afr.   V 

(1894),  907. 
KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege. 
Bainhusae, 

HER. 
Brachypodium  crispatum  Drege  zwei  pflanzengeogr.  Dokumente  (1843), 
92  (Nom.  nudum). 
KAP-KOL. :  zwischen  Natvoet  und  dem  Oranjefluss,  Drege. 

Die  Pflanze  ist  mir   nicht  bekannt  und   ich  bin  ausser  Stande  festzu- 
stellen, was  darunter  eigentlich  zu  verstehen  ist. 

Cypepaceae. 

Bestimmt  z.  T.  von  0.  Boeckeler  (Varel)  f,  z.  T.  von  C.  B.  Glarke  (Kew)  f. 

Kyllinga  alba  Nees  in  Linnaea  X  (1835—36),  140. 
GR.  NAM. 

HER.:  Otjiseva,  Dinter  487. 

AMB.:  Olukonda,  Rautanen;  Ondonga,  Liljeblad  189,  Kestila42b. 
KAL.:  *Kwebe-Hügel,  an  trockenen  Stellen  zwischen  Felsen,  Lugard 
67,  139. 

—  —  var.  alata  Nees  in  Linnaea  IX  (1834),  286. 
HEß.:  Otjovazandu,  Rautanen  627. 

AMB. 

KAL. :  *  üqim  (nicht   Uuqua). 
K.  triceps  Rottb.  Descr.  et  Icon.  pl.  (1773),  14. 
AMB.:  Olukonda,  Rautanen;  Kestila  42c. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  85 

Jtincelliis  alojjecui'oides  (Rottb.)  C.  B.  Clarke  in  Durand  et  Schinz 
Consp.  Fl.  Afr.  V.  (1894),  543. 
?HEE. 
JT.  laevUjatus  (L.)  C.  B.  Clarke  in  Durand  et  Schinz  Consp.  Fl.  Afr. 

V  (1894),  544.' 
GR.  NAM. 

HER.:  Tsoachaubmund,  Dinter  36, 

-    -    var.  major  (Bcklr.)   Schinz   in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896) 
App.  III,  28. 

HER. 
Pycreus  angulatus  Nees  in  Linnaea  IX  (1834),  283. 

AMB. :  *Omupanda  in  Uukuanyama,  Wulfhorst  13. 

P.  chorisanthos  C.  B.  Clarke   in    Thiselton  Dyer  Fl.   trop.    Afr.  VIII 
(1902),  526. 
HER.:  Dinter  1872. 
F.  chrysanthns  (Bcklr.)  C.  B.  Clarke  in  Durand  et  Schinz  Consp.  Fl. 
Afr.  V  a89-i).  535. 
AMB.:  *Omupanda  in  Uukuanyama,  Wulfhorst  17. 

P.  pelophilns  (Ridley)  C.  B.  Clarke  in  Durand  et  Schinz  Consp.  Fl.  Afr. 

V  (1894),^  540. 

HER. :  Spitzkoppjes,  Dinter  50. 
F.  polystachyus  Palisot  Fl.  d'Owar.  II  (1807),  48. 

HER.:  Waterberg,  Dinter  399. 
Cyperus  amabilis  Vahl  Enum.  pl.  II  (1806),  318. 

HER. 
C.  auffolensis  (Bcklr.)  in  Flora  (1880),  435. 

AMBOELLA:  *am  linken  Kubango-Ufer  oberhalb  Kuimarva,  1100  m, 
Baum  455. 
C.  apricus  Ridley  in  Trans.  Linn.  Soc.  ser.  2,  II  (1884),  141. 

AMB.:  *Omupanda  in  Uukuanyama,  Wulfhorst  14. 
C  aristaUis  Rottb.  Descr.  et  Icon.  pl.  (1773),  23,  t.  VI,  f.  I. 

GR.  NAM. 

HER.:  Spitzkoppjes,  Dinter  31,  48. 
C.  articulatus  L.  Spec.  pl.  ed.  I  (1753)  66. 

AMB. 

KAL.:  *am  Ngami-See,  Lugard  12. 
C.  bulbosus  Vahl  Enum.  pl.  II  (1806),  342. 

AMB. 
C.  compressus  L.  Spec.  pl.  ed.  I  (1753),  68. 

HER. :  Tsochaubmund,  Dinter  95. 

AMB,:  Olukonda,  Rautanen. 


86  Hans  Schinz. 

Cyperus  co^npuctus  Lam.  Tabl.  Encycl.  I  (1791),  U4. 

KAL.:  *K\vebe-Hügel,  an  trockenen,  felsigen  Stellen,  nicht  häufig, 
Lugard  143, 
e.  demidatus  L.  Suppl.  (1781),  102. 
AMB. 

JVIOSS. :    *  Überschwemmungsgebiet   des   rechten  Kunene-Ufers   bei 
Onkumbi,  Baum  90,  bl.  II,  X. 
C,  difforniis  L.  Amoen.  acad.  IV  (1759)  302. 

GR.  NAH. 
C,  esculentus  L.  Spec.  pl.  ed.  I  (1753),  67. 

Durch  ganz  Südwest- Afrika  verbreitet  mit  Ausschluss  der  Litoral- 
zone  und  des  mittlem  wie  südlichen  Teiles  von  GR.  NAM. 

C.  HasiJmi  L.  Spec.  PI.  ed.  1  (1753),  45. 

KAL.:  *am  Ngami-See,  Lugard  10. 
C,  Jimcellus  Dinter  Deutsch-Südwest- Afrika  (1909),  41. 

HEB.:  bildet  um  heisse  Quellen    ganze  Wiesen,   so   in    Windhoek 
und  Grossbarmen  („Dinter"), 

C  fulgens  C.  B.  Clarke  in  Durand  et  Schinz  Consp.  Fl.  Afr.  V  (1894), 
563. 

OB.  NAM. 

HER.:  Otjimbingue,  Fischer  159. 

KAL.:  *Kwebe-Hügel,  fehlt  an  sumpfigen  Stellen,  Lugard  104. 
C.  longtis  L.  Spec.  pl.  ed.  1  (1753),    45   var.    tenuiflorus   Bcklr. 
in  Linnaea  XXXVI  (1869-70)  281. 

HEB.:  Otjimbingue,  Fischer  155. 
C,  niargaritaceus  Vahl  Enum.  pl.  II  (1806),  307. 

AMB.:  *Omupanda  in  Uukuanyama,   Wulf  borst  15. 
C,  marginatus  Thunb.  Prodr.  pl.  cap.  (1794),  18. 

OB.  NAM. 

HEB.:  Salem,  Dinter  163;  Pechuel-Loesche, 
C.  JPajnjriis  L.  Spec.  PI.  ed.  1  (1753),  47  pr.  p. 

KAL. 
C.  rotundus  L.  Spec.  PI.  ed.  1  (1753),  45. 

KAP-KOL.:  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege  2468. 
C,  sexangulaiHs  Nees  in  Linnaea  IX  (1834),  284. 

GB.  NAM. 

C.  sphaerospermus  Schrad.  Anal.  Fl.  Cap.  (1832),  8. 

AMB.:  Olukonda,  Rautanen;  Ondonga,  Liljeblad  178,  Kestila  132. 

C,  uncinatus  Poir.  Encycl.  meth.  Bot.  VII  (1806),  247. 
HER. :  Tsoachaubmund,  Dinter  67. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  S7 

C.  nsltatus  Burch.  Trav.  inter.  South  Afr.  1  (1822),  417. 
HER. 
ÄMB. 
Courtoisia  cyperoides   (Roxb.)   Nees   ab   Esenb.   in   Linnaea   IX 
(1835),  286    var.    africana  C.  B.  Clarke   in   Durand    et   Schinz 
Consp.  Fl.  Afr.  V  (1894),  596. 
HER. 
KAL. 

Fiinhristylis  exllis    (Willd.)    Roem.   et    Schult.    Syst.    veget.   II 

(1817)  98. 
GR.  I^AM. 

HER. :  Spitzkoppjes,  Dinter  49 ;  Okumuha,  Dinter  50. 
AMB.:  *Omupanda  in  üukuanyama,  Wulfhorst  15;  Ondonga,  Lilje- 

bJad  185,  Kestila  100. 
KAL.:  *Kwebe-Hügel,  sehr  häufig  auf  trockenem  Ödland,  Lugard 

144,  164. 

F,  fert'uginea  (L.)  Vahl  Enum.  pl.  II  (1806),  291. 
HER. 

Fiiirena  calolepis  K,  Schum.  in  Engl.  Pflanzenwelt  Deutsch-Ostafrika 
(1895),  125  XXIV  (1897),  339. 
AMBOELLA :  *Habungu,  1100  m  ü.  M.,  Moorboden  in  einer  Maramba, 
Baum  472,  fl.  28,  XI,  t.  5. 

£\   ciliaris    (L.)    K.    Schum.    in    Engl.    Pflanzenwelt    Ost-Afr.    C 
(1895),  126  var.  angolensis  C.  B.  Clarke  in  Durand  et  Schinz 
Consp.  Fl.  Afr.  V  (1894),  645. 
A^IB. 

F.  pubescens  (Poir.)  Kunth  Enum.  pl.  II  (1837),  182. 
HEli.:  Waterberg,  Dinter  425. 

Mariscus  albomarginatus  C,  B.  Clarke  in  Durand  et  Schinz  Consp.  Fl. 
Afr.  V  (1894),  584. 
GR.  NAM. :  zwischen  Inachab  und  Lüderitzhafen,  Dinter  13. 

M.  Sieberianus  Nees  in  Linnaea  IX  (1834),  286. 

KAL.:  *  Kwebe-Hügel,  an  trockenen  Stellen  zwischen  Felsen,  nicht 
häufig,  Lugard  142. 

Ascolepis    capensis    (Kunth)   Bentli.    mss.    ex   Ridley   in    Trans. 
Linn.  Soc.  ser.  2,  II  (1884),  164: 
AMB. 

A.  sxyeciosa  W^elw.  in  Trans.  Linn.  Soc.  XXVI  (1871),  78. 
AMB. 


88  Hans  Schinz. 

Bulbosiylis  niucronata  Clarke   in   Engl.    Bot.    Jahrb.  XXXVIII 

(1906),  135. 

HER.:  Otjimbingue,  Fischer  156. 
Scivpus  articulatiis  L.  Spec.  PI.  ed.  I  (1753),  47. 

OB.  NAM. 
ß,  corymbosus  Heyne  in  Roth  Nov.  PI.  Spec.  (1821),  28. 

KAL.:  *am  Ngami-See,  Lugard   11. 
S,  eubensis  Poepp.  et  Kunth  mss.  ex  Kunth  Enuni.    pl.  II   (1837), 
172. 

MOSS. 
S.  dioecus  (Kunth)  Bcklr.  in  Linnaea  XXXVI  (1869—70),  719. 

KAP-KOL. :  Oranjefluss-Mündung,  Drege. 

QR.  NAM. 

HER. 
var.  niacrocephala  Bcklr.  in  Linnaea  XXXVI  (1869 — 70),  720. 

GR.  NAM. 
S,  Isolepis  (Nees)  Bcklr.  in  Linnaea  XXXVI  (1869-70),  499. 

AMB.:  Olukonda,  Rautanen  219. 
>S*.   karroicns   C.  B.  Clarke   in    Durand    et   Schinz    Consp.  Fl.  Afr.  V 
(189-1),  221. 

GR.  NAM.:  Inachab,  Dinter  1106. 
8.  littoralis  Schrad.  Fl.  Germ.  I  (1806),  142,  t.  5. 

KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege  2465. 
S.  loeteflorens  C.  B.  Clarke  in  Durand  et  Schinz  Consp.  Fl.  Afr.  V 
(1894),  625. 

HER. 
S,  niaritinuis  L.  Spec.  PI.  ed.  I  (1753),  51. 

HEB. 
S,  JuicrantJius  Vahl  Enum.  PI.  II  (1806),  254. 

AMB. 
S,  setaceus  L.  Spec.  pl.  ed.  I  (1753),  49. 

HER. :  Tsoachaubmund,  Dinter  88. 

AMB. 
S.  sororius  (Kunth)  C.  B.  Clarke  in  Durand  et  Schinz  Consp.  Fl.  Afr. 
V  (1894),  630. 

KAL. 
S,  supinus  L.  Spec.  pl.  ed.  I  (1753),  49. 

GB.  NAM. 
Illiytiehosporacyperoides  Mart.  in  Denkschr.  Acad.  Wiss.  Münch. 
Math.  Phys.  IV  (1816-17),  149. 
AMB.:  *Omupanda  in  Uukuanyama,  Wulfhorst  12. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV). 


89 


Palmae. 

Phoenix  dactylifera  L.  Spec.  PL  ed.  1  (1753),  1188. 
GR.  NAM. :  Rehobotb  im  Missionsgarten. 
HER. :  auf  Missionsstationen  in  Kultur. 

B.  reelinata  Jacq.  Fragm.  bot.  I  (1801),  t.  XXIV,  27. 
KAL.:  häufig  im  Nordosten,  besonders  im  Caprivizipfel. 

Hyphciene  ventricosa  Kirk  in  Journ.  Linn.  Soc.  IX  (1867),  235. 
HER.:  „Ot7iukuJu7nbwa'^  (Otji.  nach  Dinter). 
AMB. 

Mein  Freund  M.  Rautanen,  Missionar  in  Olukonda,  ist  kürzlich 
(28.  XL  1907)  in  der  Lage  gewesen,  einen  gefällten  Hyphaene-Stamm 
messen  zu  können  und  hat  mir  nachfolgende  Masszahlen  zur  Verfügung 
gestellt : 

Länge  des  Stammes,  vom  Boden  bis  zum  Ansatz  des  Wedel- 
schopfes 13,47  m. 

Grösse  des  Stammumfansres : 


in  der  Höhe  von    1       m 

1,3     m 

2 

1,15    „ 

2,75  „ 

1,2      . 

3,15  , 

1,11    „ 

4,0     „ 

1,7      „ 

5,0     „ 

1,12    „ 

6,20  „ 

1,16    „ 

8,0     „ 

1,25    „ 

9,25  „ 

1,35    „ 

10,0     „ 

1,37    „ 

11,0     „ 

1,31    „ 

12,0     „ 

1,7      „ 

13,47  „ 

1,15    „ 

Xyridaceae. 

Xyria  cf.  ßeJiniannii  Alb.  Nilss.  in  Kongl.  Sv.  Vet.  Akad.  Handl. 
XXIV  (1892),  20. 
AMB. 

Dinter  (Deutsch -Südwest- Afrika)   (1909),   43   stellt   noch   eine 
X.  bopartioides  Dinter   (Her.:  Waterberg)   auf;   die  aus  kaum  zwei 
Zeilen  bestehende  Beschreibung  ist  indessen  zu  ungenügend  als 
dass  eine  Identifikation  möglich  wäre. 


90  Hans  öchiiiz. 

Eriocaulonaceae. 

JEriocauIon  aniboense  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV,   app.  III 
(1894),  35. 
AMB. 

E.  tofieldifolium  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2"^'^  Ser.  I  (1901),  779. 
HER. :  sumpfige  Stellen  am  Waterberg,  Hinter. 

Commelinaceae. 

Bestimmt  von  €.  B.  Clarke  (Kew)  f- 

Coninielina  africana  L.  Spec.  pl.  ed.  I  (1753),  41. 

GR.  NAM. 

HER.:  Windhoek,  Hinter  261,  fl.  30,  I. 

KAL.:  '^Udschi  (anstatt  Uudschi). 

—    —   var.  Krebsiana    C.  B.   Clarke    in    DC.    Monogr.   Phan.   III 
(1881),  164. 
HEB.:  Waterberg,  auf  dem  Plateau,  Hinter  382. 

C.  Bainesii  C.  B.  CJarke  in  HC.  Monogr.  Phan.  HI  (1881),  184. 
AMB.:  Olukonda,  Rautanen  301. 

C.  benghalensis  L.  Spec.  pl.  ed.  I  (1753),  41. 

GR.  NAM. :  Daheras  (liegt  nicht  in  Her.). 

HER.:  Spitzkoppjes,  Hinter  47. 

AMB.:  OivCT/rOA^DJ./ Rautanen  301a;  Uukuanyama,  Kestila  84, 

bl.  IL 
KAL.:  *Kwebe-Hügel,  Lugard  148,  243;  ""Udschi  (anstatt Uudschi). 

C.  Forskalaei  Vahl  Enum.  pl.  II  (1806),  172. 
HEPt.:  Okabumbi,  Hinter  460. 

AMB.:    Olukonda,    Rautanen    129;    Omupanda    in   Uukuanyama, 
Wulfhorst  23;  Ondonga,  Liljeblad  198,  W.  I,  Kestila  51,  bl.  XIL 
KAL.:  *Kwebe-Hügel,  Lugard  136,  147. 

C  Gerrardi  C.  B.  Clarke  in  HC.  Monogr.  Phan.  HI  (1881),  146. 
HER. 

?C.  imberbis  Hassk.  in  Schweinf.  Beitr.  Fl.  Aeth.  (1867),  209,   295. 
KAL.:  "Kwebe-Hügel  beim  Ngami-See,  Lugard  146,  244. 

a  Kirkii  C.  B.  Clarke  in  HC.  Monogr.  Phan.  III  (1881),  167. 
HER.:  Waterberg,  Dinter  383. 

C,  Livingstoni  C.  B.  Clarke  in  HC.  Monogr.  Phan.  HI  (1881),  190. 
HER.:  Otavi,  Dove. 
KAL. :  *  Udschi  (anstatt  Uudschi). 


Milleiluiiueii  aus  dem  botaii.  Museum  der  Uuiversitüt  Zürich  (LV).  91 

C,  suhnlata  Roth  Nov.  plant,  spec.  (1821),  23. 
HER. :  Ondekeremba,  Dinter  455. 
AMB. 

a  violacea    C.  B.  Clarke    in    Thiselton    Dyer   Fl.    Trop.    Afr.    VIII 
(1901),  39. 
AMB.:    Olukonda,    Sclünz   21,    33;    zwischen   Ondonga  und  Uuku- 
anyama,  Rautanen  580,  bl.  III;  Ondonga,  Liljeblad  187,  bl.  27,  I. 

Aneiletna  aequinoctialis  (Pal.)  Kunth  Enum.  pl.  IV  (1843),  72. 
AMB.:  Olukonda,  Rautanen  292;  *Uukuanyama,  Kestila  96. 

Cyanotis  lanata  Benth.  in  Hook.  Niger  Fl.  (1849),  542. 

AMBOELLA:    *am    linken  Kubango-Ufer  oberhalb  Kuimarva,    auf 
sandigem  Boden,  im  Schatten  grosser  Bäume,  Baum  456,  bl.  23,  XI. 

Juncaceae. 

Bestimmt  von  Prof.  Dr.  F.  Bucheiiau  (Bremen)  f- 

Juncus  acutus  L.  Spec.  PI.  ed  1  (1753),  325  var.  Leopoldü  Buchenau 
in  Abh.  Nat.  Ver.  Bremen  IV  (1875),  421. 
KAP-KOL.:  Mündung  des  Oranjeflusses,  Eckion  73. 

«7.  mciritimiis  Lam.  Encycl.  meth.  III  (1789),  264  var.  arahicus 
Aschers,  et  Buchenau  in  Boiss.  Fl.  or.  V  (1882),  354. 
HER. 

Liliaceae. 

Gloriosa  Carsoni  Baker  in  Kew  Bull.  (1895),  74. 
KAL.:  *Botletle-Tal,  Lugard  213. 

G,  virescens  Lindl.  in  Bot.  Mag.  (1825),  t.  2539. 

HER.:  zwischen  Okahandja  und  Grootfontein  („Dinter"). 
AMB.:  Olukonda,  Rautanen  213,  304. 
KAL.:  *Botletle-Tal,  Lugard  213,  287. 

Walleria  Mackenzii   Kirk   in   Trans.   Linn.   Soc.  XXIV    (1864),    497, 
t.  52.  fig.  2. 
AMBOELLA:  *am  linken  Kubango-Ufer  unterhalb  Kalolo,  1100  m 
und  am  Habungu,  Baum  448,  bl.  XL 

W.  nutans  Kirk  in  Trans.  Linn.  Soc.  XXIV  (1864),  497,  t.  52,  fig.  1. 
GR.  NAM.:  östl.  der  Auasberge,  1900—2000  m,  Dinter  835,  fl.  IL 
HER.:     Grootfontein,    Prian ;     Brakwater,     Dinter;     Otjovazandu, 

Rautanen  434,  fl.  23,  I. 
„Otjihakantu"  (Otji.). 


92  Hans  Schinz. 

AndrocynibiiiTti  tnelantUioides  Willd.  in  Ges.  Naturf.  Fr.  Beil. 
Mag.  II  (1808),  21  var.  acaule  Baker  in  Journ.  Linn.  Soc.  XVII 
(1879),  442. 
GE.  NAM. :   !  Gubub,   auf  Granit  in  trockenen  FJussbetten,  Dinter 
1034,  fl.  VII. 

A.  roseum  Engl.  Bot.  Jahrb.  X  (1889),  91. 

HER.:  zwischen  Felsspalten  um  die  heissen  Quellen  bei  Gross-Barmen, 

Dinter  II,  541,  bl.  V;  Grootfontein  („Dinter"). 
MOSS. :  *Onkumbi,  Überschwemmungsgebiet  des  Kuneneufers,  auf 

steinhartem  Letteboden,  Baum  95,  fl.  II,  IX. 

OrnitJioglossum  calcicolum  Krause  et  Dinter  in  Engl.  Bot.  Jahrb. 
XLV  (1910),  123. 
HER. :     bei     Okahandja,     auf    Glimmerschiefer    mit    Kalküberzug, 
Dinter  435,  bl.  und  fr.  IL 

O.  Viride   (L.)   Dryand.   in  Ait.  Hort.  Kew.   ed.  2,   II   (1811),   327 
var.  grandifloinini  Bak.  in  Journ.  Linn.  Soc.  XVII  (1879),  449. 
GR.  NAM. 

HER.:  Modderfontein,  Windhoek. 
KAL. 
Ornithogaluni    amboense    Schinz    in    Abh.    Bot.    Ver.    Prov. 
Brandenb.    XXXI   (1889),    220. 
AMB. 

O,  Dinteri  Baker  in  Bull.  Herb.  Boissier,  2™''  Ser.  I  (1901),  854. 
HER.:  Seeis,  Dinter  1267,  fl.  12,  XH. 

O.  dipcadioides  Baker  in  Bull.  Herb.  Boiss.,  2'"«  Ser.  IV  (1904),  999. 
HER. :  Etiro-Karibib,  Rautanen  435,  bl.  II. 

O.  longehracteatu/ni  Jacq.  Hort.  Vindob.  I  (1770),  t.  XXIX. 

HER. 
O.  pulcJumni   Schinz    in   Abh.    Bot.  Ver.    Prov.    Brandenb.   XXXI 
(1889),  221. 

AMB. 

O.  rupestre  L.  Suppl,  (1781),  199. 

KAP-KOL.:  am  Oranjefluss  nahe  bei  Verleptprani,  Drege  2662. 

O.  Spirale  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  HI,  42. 

GR.  NAM. 
O.  Stapffii  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  HI,  42. 

HER. 
O.  vittatimi  Kunth  Enum.  pl.  IV  (1843),  368. 

GR.  NAM. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  93 

Drimiopsis  spec. 

Nach  Dinter  (Deutsch-Südwest-Afrika  (1909),  47);  mir  ist  diese 
Gattung  aus  diesem  Gebiete  noch  nicht  vorgekommen,  sie  soll  auf  Lehm- 
boden in  Laagten,  an  Vleys  usw.,  fast  immer  in  Kolonien  von  Tau- 
senden   beisammen,  vorkommen.    Zwiebel   essbar. 

Iphigenia   bechnanica    Baker   in   Thiselton   Dyer  Fl.   trop.   Afr.  VII 
(1898),  562. 
KAL.:  *Kwebe,  Lugard  81,  288. 

I.  Dinteri  Damm  er  ined. 

HER.:  auf  Binnenlanddüneu,  Otjihua,  Dinter  II  395,  bl.  I. 

I.  flexuosa  Baker  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2'"''  Se'r.  IV  (1904),  996. 

HER.:  Etiro-Karibib,  Rautanen  436,  bl.  10,  II. 
I.  ramosissima  Engl,  et  Krause  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  124. 
GR.  NAM. :  bei  !  Gubub  auf  Sandflächen  häufig.  Range  139,  bl.  und 
fr.  X. 
I.  Strumosa  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VII  (1898),  562, 

KAL.:  *Kwebehügel,  Lugard  59,  57. 
Bulhine   uamaensis    Schinz    in    Bull.    Herb.   Boiss.    2"«  Ser.    II 
(1902),  939. 
BuJbine   asphodeloides   Schinz    in   Bull.    Herb.    Boiss.    IV    (1896) 

App.  III,  37  non  Schult. 
GB.  NAM.:  Graspoort,  Dinter  1097,  bl.  X. 
B,   xanthobotrys    Engl,    et    Gilg    in    Baum    Kunene- Sambesi    Exp, 
(1903),  186. 
AMBOELLA:  *am  Habungu,  1100  m,  auf  Sandboden  nördlich  des 
Flussufers,  Baum  487. 
Antherlcwti  arveiise  Schinz   in  Abh.  Bot.  Ver.    Prov.  Brandenb. 
XXXI  (1889),  215. 
GR.  NAM. :  Inachab.  im  Sande,  Dinter  1039,  fr.  XII. 
HER.:  Otjiheveta,  Dinter;  Orumbo,  Dinter  1277,  bl.  u.  fr.  20.  XII. 
AMB.:  Ondonga.  Liljeblad;  *Uukuanyama,  Kestila  119,  bl.  IL 

A.  elongatum  Willd.  Spec.  PI.  II  (1799),  136. 

AMB. :  Olukonda,  Rautanen,  bl.  4. 1.;  *  in  Niederungen  inUukuanyama, 
Rautanen  439,  bl.  I. 
A,  flavoviride  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VII  (1898).  490. 

KAL.:  *Ngamibassin,  Lugard  194;  *im  Okavangotal,  Lugard  286. 
A.  hereroense  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boissier,  2"^''  Ser.  I  (1901),  857. 

HER.:  Orumbo,  Dinter  1306,  bl.  17,  XII.;  Dinter  1282,  fr.  15.  XIL 
A,  latum  N.  E.  Brown  in  Kew  Bull.  (1909),  143. 

KAL.:  *nahe  Bachakuru,  Lugard  234. 


94  Hans  Schinz. 

A.  liliagastrnm  Engl,  et  Gilg  in  Baum  Kunene-Sambesi  Exp.  (1903), 
188. 
AMBOELLA:  *am  linken  Kubango-Ufer  oberhalb  Kuimarva,  1100  m, 
Baum  461. 

A.  otavense  Engl,  et  Krause   in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  129. 
HER. :  Otavi,  Dinter  622,  bl.  I. 

A.    pallidiflavum    Engl,    et    Gilg    in    Baum    Kunene-Sambesi    Exp. 

(1903),  187. 
AMBOELLA:  *am  linken  Kubango-Ufer  bei  Kavanga,  1100  m,  auf 
Sandboden,  Baum  412. 

A.  Rangei  Engl,  et  Krause   in   Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  125* 
GR.  NAM.:  bei  |  Aus  auf  Sandboden,  Range  157,  bk  X. 

A,  Rautanenii  Schinz  in  Bull.  Herb,  ßoiss.  2™«  ser.  VHI  (1908),  625. 
AMB. :  zwischen  Ondonga  und  Uukuanyama,  Rautanen  603. 

A.  secundum  Krause  et  Dinter  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  127. 
HER.:  aufwiesen  bei  Grootfontein,  Dinter  855,  bl.  XIL 

Eriospermwin  JBakerianiim    Schinz    in    Abh.    Bot.  Ver.   Prov. 
Brandenb.  XXXI  (1889),  215. 
HER.:  10  km  östlich  von  Orumbo,  Dinter  1307,  bl.  XIL 
AMB.:  Olukonda,  Rautanen. 

B.  bechuanicum  Baker  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VII  (1898),  472. 
KAL.:  *bei  Kwebe,  Lugard  80. 

E,  cori/nibosuni  Baker  in  Journ.  Linn.  Soc.  XV  (1876),  266. 
HEB. 

B,  Fleckii  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  37. 
OB.  NAM. 

B,  lauceaefolium  Jacq.  Icon.  PI.  rar.  (1782),  t.  XLII  var.  Dinteri 

Schinz  nov.  var. 
GR.  NAM. :    !  Hau  4=  f'^f^i  Plateau   zwischen  Bethanien    und   Ber- 

saba,  Schenck  374. 
HER.:  Orumbo,  gelber  Sand,  Dinter  1268,  bl.  XIL 

Beide  Nummern  (ich  stelle  nun  auch  die  Schencksche  Pflanze, 
nachdem  ich  sie  im  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  37  zum 
Typus  des  E.  lanceaefolium  Jacq.,  allerdings  auch  nicht  ohne  Frage- 
zeichen, gestellt  hatte,  zu  dieser  Varietät)  unteischeiden  sich  vom  Typus 
durch  auffallend  kleinere  Laubblätter,  sie  messen  nur  ±  6  cm,  und 
bekunden  dadurch  Uebereinstimmung  mit  den  Exemplaren  die  Bolus 
unter  der  Nummer  6610  aus   Klein-Namaland  zurückgebracht  hat. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  95 

JE.  majanthemifolium   Krause  et  Dinter   in    Engl.    Bot.    Jahrb.  XLV 

(^1910),  141. 
GR.  NAM. :  bei  Kuibes  auf  Quarzit,  Range  488,  bl.  VI. 
HER. :   bei  Okahandja  in  der  Nälie  des  Teufelsbaches,  Dinter  389, 

bl.  I. ;  bei  Brakwater,  Dinter,  fr.  I. 

E.  latifolium  Jacq.  Icon.  PI.  rai-.  II  (1793),  t.  CDXX. 
HER. 
AMB. 

JS.  Rautanenii  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  VI  (1898),  522. 
AMB.:  Olukonda,  Rautanen  227,  bl.  n.  fr.  23,  XI.     - 

JE.  reflexum  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2<^  ser.  I  (1901),  858. 
HER. :  zwischen  Otjihaenena  und  Seis,  Dinter  1337. 

E.  omahekense  Engl,  et  Krause  in  Engl.  Bot.  .Jahrb.  XLV  (1910),  139. 
HER. :    auf    rotem    Sandboden    bei    Otjisara,    Dinter,    bl.  II. ;    bei 
Omaheka,  Dinter  678  a,  bl.  XII. 

E.  voseum  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  38. 
OR.  NAM. 
HER. 

E.  sphaerophyllum  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VII  (1898), 
472. 
KAL.:  *Ngamibassin,  Lugard  78,  285. 

E.  Schinzii  Engl,  et  Krause  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  141. 
HER. :  Lüderitz  26 ;  bei  Grootfontein  auf  Kalk,  meist  in  Gesteins- 
ritzen, Dinter  923,  bl.  XII. 
AMB.:  bei  Olukonda,  Schinz  18,  bl.  u.  fr.  T. 

E.  tortuosum  Dammer  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXXVIII  (1905),  65. 
HER.:  Otjimbingue,  Fischer  161. 

Aloe^)  asperifolia  Berger  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXXVI  (1905),  63. 
HER.:  Zwartbankberg,  auf  Kalk,  Stapff  7,  bl.  IV.;  bei  Karibib  (?), 
Dinter. 

Dinter  (Deutsch-Südwest- Afrika  (1909),  46)  nennt  für  diese  Art  noch 
folgende  Standorte  :  GR.  NAM.  :  Inachabberg  ;  HER.  :  Modderfontein  bei 
Jakais  water,  Salem,  Spitzkoppjes,   Rössing. 


'j  BezügHch  der  Gattung  Aloe  veri^Heiche  die  Publikationen  Alwin  Bergers 
in  der  Monatsschrift  für  Kakteenkuiide  XIV  (1904),  159,  in  Eii;,d.  Bot.  Jahrb.  XXXVI 
(1905),  42  und  in  Engl.  Pflanzenreich  33  (1908).  Die  Zahl  der  in  Deulsch-Südwest- 
Afrika  vorkommenden  Aloe-Arten  ist  ganz  unzweifelhaft  viel  grösser  als  bis  anhin 
angenommen,  leider  liegt  deren  Kenntnis  aber  noch  sehr  im  Argen. 


96  Hans  Schinz. 

A,  dichotoma  L.  Supp].  (1781),  206  var.  monfuiia  (Schinz)  Berger  in 
Engl.  Pflanzenreich  33  (1908),  319. 

A.  montana  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896),  App.  III,  39. 

OB.  NAM.:  Guos,  Schinz  347,  bl.  I.;  bei  Ngama  auf  Granitbergen 
in  der  Wüste,  Dinter;  bei  Inachab,  Dinter;  bei  Tsau  1|  kaib, 
Schenck  139;  Kukaos,  Schenck  158;  Karasgebirge,  Ugama,  Geitse 
Igubib  („Dinter"). 

HER.:  Usakos,  auf  Felsen,  Marloth  1439,  bl.  V.;  bei  Salem  auf 
Granitbergen,  Dinter;  im  Chuosgebirge,  Dinter;  Gansberg,  Fleck 
461,  838;  am  Tsoa  cahub,  Baines  (ohne  nähere  Ortsbezeichnung); 
Jakalswater,  Sphinx,  4=  Kan,  Salem  (,,Dinter"). 

II  garas  (NAM.). 

Der  Typus  findet  sich  in  der   Kapkolonie,  ist   aber   in   Deutsch -Süd- 
west-Afrika bis  jetzt  noch  nicht  nachgewiesen   worden. 

A,  hereroensis  Engl.  Bot.  Jahrb.  X  (1888),  2. 

GR.  NAM.:    bei    IGubub,    auf    Granit,    Dinter    1043,    bl.    X.;    bei 

Warmbad,  Fenchel  97,   bl.  VII. ;  Bethanien,  Südseite  der  Auas- 

berge  (Dinter). 
HER.:   bei  Usakos  auf  steinigen    Stellen,    Marloth    1438,    bl.    V. ; 

am  IKuisib,  Fleck  460,  698,  bl.  V;  bei  Otjikango,   Schinz  346, 

bl.  VI.;  zwischen  Otjimbingue  und  Omarnru,  Rautanen  244,  bl.  VI. 
„Ongore"  (Otji.);  „OugoreV  (NAM.). 
—    —  var.  lutea  Berger  in  Engl.  Pflanzenreich  33  (1908),  205. 
HER. :  auf  Glimmerschieferhügeln  von  Karibib  bis  Kubas,  Dinter, 

bl.  9,  V.;    Karibib,    Rautanen    515;    Buschsavanne,    Okahandja, 

Dinter  II  199,  bl.  IX. 

A,  ruhvolutea  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896),  App.  III,  39. 

A.  Schinzii  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VII  (1898),  459. 

GR.  NAM.:  am  Fischfluss  bei  Seeheim,  südöstlich  von  Inachab, 
Dinter;  !  Hoacha  Inas,  Dinter. 

HER. :  bei  Klein  Windhoek  in  grosser  Menge  an  Abhängen  der 
Sandsteinberge,  Dinter;  bei  Gross  Windhoek,  Dinter,  bl.  III.; 
an  der  Etosapfanne  bei  Okahakana  im  Westen  und  bei  Amutoni 
im  Osten,  in  der  Grassteppe  auf  sandig  lehmigem  Boden  in 
grosser  Menge,  Dinter  737  ;  Okahandja,  einzeln  im  Akazien- 
buschfeld  bis  hinunter  nach  Kubas  („Dinter");  Nels  (ohne  nähere 
Standortsangabe). 

AMB. :  im  Norden  der  Etosapfanne  bei  Olukonda  und  Omandongo, 
Rautanen  98,  bl.  VII. 

KAL.:  *01ifantskloof,  Schinz  42. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Züricli  (LV).  97 

A.  striata  Haw.  in  Trans.  Linn.  Soc.  VII  (1804),  18. 

GR.  NAM.:    bei    !  Gubub,    in     einer    balbscliattigen    Scblucbt    anf 
Granit,  Dinter;  Fleck  (obne  nähere  Standortsangabe,  vermutlich 
aus  der  Umgebung  von  Kehoboth). 
A.  zebrina  Baker  in  Trans.  Linn.  Soc.  Ser.  2,  I  (1878).  264. 

HER. :    am    Nordabhang    des  Waterberges    im    Halbschatten    von 
Acacia  dulcis  sehr  häufig,  „Dinter";  östlich  von  Windhoek   auf 
rotem    Sande,     Dinter;    bei    Okahandja,    gleichfalls    auf    Sand, 
Dinter. 
KAL. :  *am  Botletle  Fluss,  Lugard  2. 

Tulbaghia    aequinoctialis    Wehv.    ex    Baker    in    Trans.    Linn.    Soc. 
Ser.  II,  I  (1878),  246. 
AMBOELLA:  *am  Kubango  unterhalb  Kabindere.  1150  m,  Baum  351. 

T.  calcarea  Engl,  et  Krause  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  142. 
HER.:    bei  Grootfontein    auf   quelligem  Grund  in  Ritzen  zwischen 
Kalkblöcken,  Dinter  761,  761a,  bl.  und  fr.  XI — XII. 

T.  LÜbbertiana  Engl,  et  Krause  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  142. 

(Standorf?)    Lübbert  44. 
T.  monantha   Engl,   et  Gilg   in  Baum  Kunene-Sambesi   Exp.    (1903), 
192. 
AMBOELLA:  *am  Kubango  unterhalb  Kabindere,  Baum  351a. 
T.  tenuior  Krause  et  Dinter  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),    141. 
HER. :  bei  Grootfontein  auf  quelligem  Grund  zwischen  Kalkgeröll, 
Dinter  790,  bl.  XH. 
Allmca  Bainesii  Baker  in  Journ.  Linn.  Soc.  XIII  (1873),  290. 
A.  Lufjardi  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VII  (1898),  533. 
KAL.:    *Kobis,  Baines;   *Kwebe-Hügel,  Lugard  182;  *Botletletal, 
Lugard  216. 
A.  Engleriana  Krause  et  Dinter  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  145. 
HER. :   bei  Okahandja,  am  tiefsandigen  Rande  des  Riviers,   Dinter 
409,  bl.  u.  fr.  I. 
A,  FleclHi  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.' III,  40. 

HER. 
A.hereroensis  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  40. 

GR.  NAM. :  Hornkranz  (Hegt  nicht  in  Her.). 
A.  praecox  Engl,  et  Krause  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  143. 
HER.:    bei  Okahandja    auf  tiefgründigem  Lehmsandboden,   Dinter 
375,  bl.  und  fr.  I. 
A.  SOrdida  Baker  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2'"''  Ser.  I  (1901),  787. 
HER.:  Orumbo,  Dinter  1328,  bl.  18.  XH. 

Vierteljahrsschrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.    Jahrg.  56.     1911.  7 


98  Hans  Schinz. 

A.  spiralis  L.  Suppl.  pl.  (1781),  196. 
OR.  NAM. 

TIrginea  acinacifolia   Schinz   in  Abh.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb. 
XXXI  (1889),  220. 
AMB. 

Tl.  sanguinea   Schinz    in   Abh.   Bot.  Ver.   Prov.   Brandenb.   XXXI 
(1889),  219. 
GR.  NAM. :  Hornkranz  (liegt  nicht  in  Her.). 
HER.:  Brakwater,  Okahandja,  Dinter. 
AMB. 

Der  Genuss  der  Zwiebel  verursacht  beim  Vieh  die  Kriempzickte. 

V,  viridula  Baker  in  Thiselton  Dyer,  Fl.  trop    Afr.  VII  (1898),  538. 
AMB.:  Uukuambi,  Rautauen,  bl.  XII. 

IHpcadi  Baumii  Engl,  et  Gilg  in  Baum  Kunene-Sambesi  Exp.  (1903), 
194. 

AMBOELLA:    '*am    linken    Kubango-Ufer,    unterhalb    Kabindere, 
1100  m,  Baum  349. 

n.  brevipes  Baker  in  Kew  Bull.  (1901),  136. 

KAL. :  *Kwebe-Hügel  beim  Ngami-See,  Lugard  65. 

J).  Ciliatum  Engl,  et  Krause  in  Engl.   Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  147. 
HER. :  bei  Brakwater  auf  Kies,  Dinter,  fr.  I. 

J>.  Clarkeanuni   Schinz   Abh.    Bot.  Ver.    Prov.    Brandenb.    XXXI 

(1889),  218. 
GR.  NAM. 
HER. 

D,  crisjniiii  (Burch.)    Baker  in   Journ.  Linn.  Soc.  XI  (1871),  399. 
GR.  NAM. 

T).  Dinteri  Baker  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2^  ser.  I  (1901),  788. 
GR.  NAM.:  Awichab,  Dinter  1038,  bl.  XL 

Die  Zwiebel  wird  von  den  Hottentotten  gegessen. 

D,  Durandianimi  Schinz  in  Durand  et  Schinz  Consp.  V  (1893),  374. 
AMB. 

n.  firmifolium  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VH  (1898),  519. 
KAL.:  *Ngamibassin,  Lugard  57,  64. 

JX  Juttae  Engl,  et  Krause   in   Engl.   Bot.   Jahrb.  XLV  (1910),  150. 
HER. :    bei   Okahandja,    an    einem   bewaldeten    Rivierrand,    Dinter 
370,  bl.  u.  fr.  I. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  99 

Z>.  lividescens  Engl,  et  Gilg  in  Baum  Kunene-Sambesi  Exp.  (1903), 
194. 
AMBOELLA  :  *ani  linken  Kubango-Ufer,  oberhalb  Kuimarva,  1100  m, 
Baum  459. 
D,  longibrncteatuni  Schinz  in  Abb.  Bot.  Verb.  Prov.   Brandenb. 
XXXI  (1889),  218. 
AMB. 
n.  longicauda  Engl,  et  Krause  in  Engl.  Bot.  Jabrb.  XLV  (1910),  150. 

HER. :  bei  Okabandja,  auf  Sandboden.  Dinter  425,  bl.  I. 
2>.  magnum  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  ti-op.  Afr.  VII  (1898),  522. 

KAL. :  *Kwebe-Hügel,  Lugard  88,  76. 
J).  monophyllum  Krause  et  Dinter  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910), 
148. 
HER. :    bei  Okabandja,   auf  tiefgründigem    Sand,    Dinter    412,    bl. 
und  fr.  I. 
1>.  platyphyllum  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  tfop.  Afr.  VII  (1898),  518. 

KAL.:  *Xgamibas$in,  Lugard  44. 
n.  Rautaneni   Baker  in   Bull.  Herb.  Boiss.   2«  Se'r.  IV  (1904),  1000. 

AMB.:  *Omukunda  in  Uukuanyama,  Rautanen  437,  bl.  I. 
n.  vaginatum  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VII  (1898),  523. 

KAL.:  *Kwebe-Hügel,  Lugard  47,  56. 
X).  venenatiim  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  42. 

AMB. 
Scilla  Sauniiana  Engl,  et  Gilg  in  Baum    Kunene-Sambesi    Exp. 
(1903),  195. 
>!?.  lancaefoUa  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  HI.  42 
non  Baker. 
GR.  NAM.:  Sandboden  bei  Inachab,  Dinter  1036,  bl.  XII. 
HER. 
S.  eriospermoides    Engl,    et    Gilg    in    Baum    Kunene-Sambesi    Exp. 
(1903).  195. 
AMBOELLA:   *am   linken   Kubango-Ufer   bei   Kavanga,    1100  m. 
Baum  410. 
S.  Gerrardi  Baker  in  Journ.  Linn.  Soc.  XIII  (1873),  237. 

AMB.:  *in  Omilamba,  bei  Onamakunde  in  Uukuanyama.   Rautanen 
438,  bl.  I. 
S.  lancaefolia  (Gawl.)  Baker  in  Sannd.  Ref.  Bot.  (1870),  t.  182. 

KAL.:  *Kwebehügel.  Lugard  47. 
—   —  var.  longiracemosa  Engl,  et  Gilg.  in    Baum    Kunene-Sambesi 
Exped.  (1903),  195. 
AMBOELLA :  *  am  linken  Kubango-Ufer  bei  Kalolo,  auf  Sandboden 
bis  zum  Kuebe  verbreitet,  Baum  447,  bl.  XI. 


100  Hans  Schinz. 

Pseudogaltonia  Pechiielii  0.  Kuntze  in   Jahrb.  k.  bot.  Garten 

Berlin,  IV  (1886),  274. 
Lindneria  fibrillosa  Th.  Durand  et  Lubbers  in  Bull.  Soc.  bot.  France 

XXXVI  (1889),  CCXVI. 
HER.:  Klein-Windhoek  auf  Alluvialsand  in  Massen,  nördlich  vom 

Zollamt  in  Windhoek,  Okahandja  (Dinter);  tiefer  Sandlehmboden 

der  Buschsavanne,  Dinter  II  295,  bl.  I. 

-P.  SUbspicata  Baker  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2«  ser.  I  (1901),  853. 

HER, :  Fleck  (ohne  nähere  Standortsbezeichnung). 
Lachencdia  orchioides  Ait.  Hort.  Kew.  ed.  I,  I  (1789),  460. 

GR.  NAM. 

Asj)aragus  africanus  Lam.  Encycl.  Bot.  I  (1783),  295. 
HEB.:  Hohenwarte,  Dinter  1265,  bl.  XII. 

AMB.:   ^Uukuanj^ama,   im  Schatten  von  Bäumen,    Rautanen   440, 
bl.  I. 

A,  altiscandens  Engl,  et  Gilg  in  Baum  Kunene-Sambesi  Exp.  (1903), 
196. 
AMBOELLA:    *am   linken    Kubango-Ufer,    oberhalb    des    Quatiri, 
1100  m,  Baum  402. 
A,  angolensis  Baker  in  Trans.  Linn.  Soc.  ser.  2,  I  (1878),  254. 
A.  decUnatus   Schinz  in    Bull.    Herb.    Boiss.  IV    (1896)   App.  III, 

43  non  L. 
QB.NAM.:  Keetmanshoop,  Fenchel  147,  148. 
^HoaweV  (NAM.). 

A,  asiaticus  L.  Spec.  PI.  ed.  1  (1753),  313. 

HER.:   Awichab,  Dinter  1042,    bl.  XII.;  Windhoek,    Dinter    1265, 

bl.  XH. 
KAL.:  *Kwebe-Hügel,  Lugard  40. 

A.    bechuanicus     Baker    in     Thiselton     Dyer    Fl.    trop.    Afr.    VII 

(1898),  429. 

KAL.:  *Ngamibassin,  Nakalechwe,  Lugard  25. 
A.  capensis  L.  Spec.  PL  ed.  1  (1753),  314. 

KAP-KOL.:  Natvoet,  Drege  8593. 

GR.  NAM. :  Lüderitzbucht,  Schnitze  39. 
A,  conglomeratus  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VII  (1898), 
438. 

KAL.:  *Ngamibassin,  Lugard  52. 
A,  exuvialis  Burch.  Trav.  Int.  S.  Afr.,  I  (1822),  130. 

GR.  NAM. 

KAL. 


Milteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  UuiversiliU  Zürich  (LV).  101 

A,  Fleclii  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  43. 

KAL. 
A,  liereroensis  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  43. 

GR.  NAM. :  Harris  (liegt  nicht  in  HER.). 
A.  humilis  Engl.  Bot.  Jahrb.  XLV  (1910),  155. 

HER. :  bei  Neitsas  zwischen  Gebüsch  auf  schwarzer  Erde,    Dinter 
676,  fr.  XH. 
A,  Judtii  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  44. 

GR.  NAM. :  !  Hoacha  !  nas  (liegt  nicht  in  HER.). 
A,  juniperoides  Engl.  Bot.  Jahrb.  X  (1889),  3. 

OB.  NAM. 
A.  laviciniis  Burch.  Trav.  Int.  S.  Afr.  I  (1822),  537. 

GR.  NAM. 

HER.:  Hohenwarte,  Dinter  1265,  ster.  XII. 

KAL.:  *Ngamibassin,  Lugard. 
^.  Lugardi  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VH  (1898),  431. 

KAL.:  *am  Ngami-See,  Lugard  31. 

A.natiiaensis  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  44. 

GR.  NAM. 
A,  Nelsii  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  44. 

HER. :  Nels  (ohne  Standortsgabe). 
yi,  Paiili-Gulielnii  Solms  in  Schweinf.  Beitr,  Fl.  Aethiop.  (1867),  613. 

HER. 
A,  pilosus  Baker  in  Journ.  Linn.  Soc.  XIV  (1875),  610. 

KAL. 
A.  psilururs  Welw.  ex  Baker  in  Trans.  Linn.  Soc.  ser.  2,  I  (1878),  253. 

HER.:  Hohenwarte,  Dinter  1261,  bl.  XH. 

A,  racemosus  Willd.  Spec.  PI.  II  (1799),  152. 

KAL.:  *Ngamibecken,  Nakalechwe,  Lugard  25a. 
—  —  var.  tetraijonus  Baker  in  Journ.  Linn.  Soc.  XIV  (1875),  624. 

GR.  NAM. 
A.  striatus  (L.)  Thunb.  Prodr.  PI.  Cap.  (1794),  65. 

GR.  NAM. 
A.  undulatus  Thunb.  Prodr.  PI.  Cap.  (1794),  66. 
HER. :  Otavi,  Dinter  623,  ster.  IV. 

Was  unter  A.  spinosissimus  Dinter  (Dinter,  Deutsch-Südwest-Afrika 
(1909),  47)  zu  verstehen  ist,  geht  aus  der  Beschreibung  nicht  hervor. 
Die  Pflanze  wurde  von  Dinter  auf  der  Haifischinsel  (vor  Lüderitzhafen) 
gefunden. 


1U:2  Hans  Schinz. 

Sansevieria  cylindriva  Bojer  Hort.  Maur.  (1837),  349. 

HER. :  Ossire.  Dinter  442,  ster.  HI. ;  in  grosser  Menge  an  den  Ab- 
hängen und  am  Fusse  des  Waterbergs,  stets  im  Halbschatten 
der  Bäume  und  Sträucher ;  um  Grootfontein  im  Kalkstein,  an 
vielen  Orten  des  Nordens,  ferner  an  der  Mündung  des  Quaai- 
pitsriviers  in  den  Tsoacbaub  und  bei  Uukib  im  Tosachaub,  bei 
Kubas  („Dinter"). 

AMB. 

„Onguehe  jozondiuidu"'   (Otji.). 
S.  thyi^sifiora  Thunb.  Prodr.  Fl.  Cap.  1^1794),  65. 

GR.  NAM.:  südlich  der  Auasberge  (Dinter). 

HER. :  im  Gebüsch  am  Erindi  Ongoajahere,  bei  der  Farm  Neu- 
Holstein  bei  Grootfontein  (, Dinter"). 

KAL, 

Amaryllidaceae. 
Imhofio  laticonia   (Ker)   Schinz   in   Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896) 

App.  III,  46. 
AmarijJJis  laticoma  Ker  in  Bot.  Reg.  (1820),  t.  497. 
Xerine  laticoma  Durand  et  Schinz  Consp,  Fl.  Afr.  V  (1893),  256. 
Briuisvißia  hicida  Herb.  Treat.  bulb.  roots  (1821),  16. 
AmarylUs  lucida  Burch.  Trav.  Int.  south.  Afr.  I  (1822)',  535. 
Nerine  lucida  Herb.  Amaryll.  (1837),  283,  t.  26,  f.  3. 
Imhofia    Duparquetiana    Baill.    in   "Bull.    Soc.    Linn.    Paris    II 

(1894),  1132. 
Xerine   Duparciuetiana    Baker    in    Thiselton    Dyer    Fl.    Cap.    VI 

(1896),  214. 
Imhofia  luidulata  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III, 

46  non  0.  Kuntze. 
GR.  XAM. :    Sandebene    an    der  Vley    bei    Rehoboth,    Wortelweg, 

Fleck  39  a,  bl.  XII. ;  Inachab.  Dinter. 
HER.:    (ohne    nähere   Standortsbezeichnung)    Fleck,    Miss   Kolbe; 

Otjiseva,  Dinter  192,  bl.  I. ;  Matchlessmine,  am  Wege  nach  Gauchas, 

im  Sandboden,  Fleck,  bl.  II. ;  Brackwater,  in  fruchtbaren  Laagten, 

Windhoek,  Okahandja  („Dinter"). 
AMB.:  Okahakana,  an  der  Pfanne,  Rautanen  433,  bl.  I. ;  Höpfner 

lila. 
KAL. 

Die  Nummern   Lüderitz  30    und  Belck  59  b    (diese   sub   I.  undulata), 

beide  im  Bull.   Herb.   Boiss.  IV  (1896)  App.  III,  46   erwähnt,  zeichnen 

sich  durch  auffallend  schmale  Perigonabschnitte,  auch  zum  Teil  schmale 

Laubblätter  aus  (die  der  Nummer  Belck  59  b  messen  z.  B.  nur  5  mm), 


Mitteilungeil  aus  dem  hutaii.  Museum  der  Uiiiversiliit  Zürich  (LV).  103 

so  dass  man  an  eine  neue  Art  oder  mindestens  eine  besondere  Spielart 
denken  könnte,  da  sie  aber  von  Baker  selbst  als  Nerine  lucida  benannt 
worden  sind,  belasse  ich  sie  vorläufig  bei  I.  laticoraa.  In  welchen 
Punkten  sich  I.  Duparquetiana  Baill.  von  I.  laticoma  unterscheiden  soll, 
ist  mir  nichts  weniger  als  klar.  Eines  ist  sicher,  dass  die  ganze 
Gattung  gleich  sehr  vielen  weitern  afrikanischen  Liliifloren-Gattungen 
dringendst  einer  sorgfältigen  Revision  bedarf,  einer  Sichtung,  die  aber 
natürlich  nur  am  Orte  der  Bakerschen  Belege  ausgeführt  werden  kann. 

Maenianthus  coccineus  L.  Spec.  PL  ed.  1  (1753),  325. 

GE.  NAM. 
Buiyhane  (listicha  (L.)  Herb,  in  Bot.  Mag.  (1825),  t.  2578. 

GR.  KAM.:  Grasport,  Dinter. 

HER. :  Windhoek,    Farm  Hoffnung,    Otjitraenena,   Orumbo,    Groot- 
fontein  (Dinter). 

B.  longepedicellata  Pax  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  X  (1889),  4. 
AMBOELLA:    *am   linken  Kubango-Ufer    zwischen    Kavanga   und 

Kalolo,  sandiger  Boden,  Baum  422,  bl.  XL 

Struniavia    hidentata    Schinz    in   Bull.   Herb.   Boiss.   IV   (1896) 
App.  III,    46. 

GR.  NAM. 
Bi'unsvigia  spec. 

HER. 

AMB. 

CHnuni  Bainesii  Baker  in  Gard.  Cliron.  XVI  (1881),  39. 
AMB. 
KAL. 

C.  BelcManuni  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (^1896)  App.  III,  47. 
HER. 

C.  crassicaule  Baker  Amaryll.  (1888),  85. 

KAL.:  *Kobis,  Baines;  *Kwebe-Hügel,  Lugard  45. 

C,  Forbesiantim  Herb.  Amaryll.  (1837),  267.  ? 
GR.  NAM.  (anstatt  HER.). 

C.  Jeucophijllum  Baker  in  Bot.  Mag.  (1884),  t.  6783. 
HER. 
AMB. 

C.    longifoliifiii    (L.)    Thunb.    Prodr.    PL    Cap.    (1794),    59    var. 
Fariniammi  Baker  in  Gard.  Chron.  XVI  (1887),  883. 
KAL. 

C.  Lugardae  N.  E.  Brown  in  Gard.  Chron.  XXXXIV  (1903),  49. 
KAL.:  *Kwebe-Hügel  am  Ngami-See,  Lugard  43. 


104  Hans  Schiiiz. 

C,  Bautaiienianum  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1 896)  App.  III,  48. 

AMB. 
C.  rhodanthum  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  Cap.  VII  (1898),  397. 

KAL.:  *Kwebe-Hügel,  Lugard  40,  42. 

C,  spec. 

HER. :  östlich  von  Windhoek,  Dinter  826,  bl.  IL 

C,  spec. 
HER. 

C  spec. 

KAL.:  *Okavangotal,  Lugard  284. 

AmniocJutris  Taveliana  Schinz  in  Abh.  Bot.  Ver.  Prov.  Brandenb. 

XXXI  (1889),  214. 
OB.  NAM. 
HER. 
I^anci'atium  Chapnianni  Harv.  Gen.  S.  Afr.  PL  ed.  2  (1868),  384. 
Pancratium    triaiithum    Herb,    in   Ann.   Nat.   Hist.    Ser.  1,    IV 

(1840),  28. 
GR.  NAM:   zwischen  ! Hoacha !  nas  und  Rehohoth  (nicht  in  Her. 

gelegen). 
HER. 
KAL.:  *Kwebe-Hügel  am  Ngami-See,  Lugard  36,  39;  *am  Ngami- 

See,  Mac  Cabe. 
Oyanella  Itttea  L.  Suppl.  (1781),  201  var.  angastifolia  Schinz  in 

Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  IH,  48. 
KAL. 

Velloziaceae. 

VelloHa  hereroensis  (Schinz)  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop. 
Afr.  VII  (1898),  411. 
Barhacenia  hereroe?isis   Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.    IV    (1896) 

App.  III,  49. 
GR.  NAM. :    Taehris    Pass   (anstatt  Tebris ;   nicht   im   Hereroland 

gelegen). 
HER.:    östlich   von  Windhoek   auf   Glimmerschieferbergen,  Dinter 
870,  bl.  IL 
F.  minuta  Baker  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2''  ser.  IH  (1903),  667. 
HER.:  Epako,  Rautanen,  bl.  III. 

Nach  Dinter  (Deutseh-Südwest-Afrika  (1909),  51)  kommt  auf  der 
Farm  Bellerode  und  auf  der  Küstenschen  Farm  Döbra  eine  Barhacenia 
(Vellozia)  spec.  vor,  die  Dinter  mit  dem  Manuskriptnamen  B.  Jostiana 
belebt  5  bei  Brackwater  soll  diese  Pflanze  zu  Tausenden  vorkommen, 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  105 

Dioscoreaceae. 

Dioscorea  Dinteri  Schinz  in  Mem.  Herb.  Boiss.  N*'  20  (1900),  11. 
HER.:  Streydfontein  (Grootfonteiu),  Dinter  705,  bl.  21,V.;  Otavi, 
Otjinene  bei  Otjenka,  Okaruse  (Dinter). 

D.  Quartiniana  A.  Rieh.  Tent.  Fl.  Abyss.  II  (1851),  316. 

AMBOELLA:  *am  linken  Kubango-Ufer  bei  Kalolo,  Baum  440, 
bl.  X. 

D.  spec. 

HER.:  Otavi,  Dinter  640,  fr.  13.  IV. 
Ohne  Laubblätter. 

Jridaceae. 

Ferraria  bechuanica  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VII 
(1898),  344. 
KAL. :  *Ngami-See,  Lugard  237,  282. 

F.  undulata  L.  Spec.  PI.  ed.  2,  H  (1763),  1353. 

KAP-KOL. :  Mündung  des  Oranjeflusses,  Drege  (fehlt  in  der  Fl. 
Cap.  VI  von  diesem  Standort,  ich  habe  das  Exemplar  nicht 
selbst  gesehen  und  entnehme  die  Angabe  der  Dregeschen  Zu- 
sammenstellung. 

F.  Viscaria  Schinz  in  Mem.  Herb.  Boiss.  W  10  (1900),  77. 
GR.  NAM. :  östlich  der  Auasberge,  Dinter  304,  fr.  III. 

HER.:  östlich  der  Auasberge,  Dinter  304,  fr,  IIL,    Ababis,  Dinter 

1456,  bl.  II. 
AMB. :  *'Omupanda  in  Uukuanyama,  Wulfhorst. 

Ixia  Dinteri  Schinz  in  Mem.  Herb.  Boiss.  N«  20  (1900),  14. 
HER.:  Spitzkoppjes,  auf  Sumpfboden,  Dinter  32. 

Babicuia  Bainesii  Baker  in  Journ.  of  Bot.  (1876),  335. 

GR.  NAM.:  ReJiohoth,  Fleck  366;  Hornkranz,  Fleck;  Graspoort 
bei  Tschirub,  Dinter  1040,  bl.  VII. 

Moraea  cladostachya  Baker  Handb.  Irid.  (1892).  58. 
KAP-KOL.:  Verleptpram,  Drege  2610. 

Gladiolus  ediilis  Burch.  ex  Ker.  in  Bot.  Reg.  (1817),  t.  169. 
HER.:  Grootfonteiu  (in  HER.  und  nicht  in  AMB.). 

G.  permeabilis  Delaroche  Descr.  pl.  alig.  nov.  (1766),  27  t.  2. 
HER.:  Ebene  nördlich  vom  Waterberg,  Dinter  596,  bl.  10,  IV. 

G.  spec. 

HER.:  Waterbergplateau.  Dinter  559,  bl.  9,  IV. 


106  Hans  Schinz. 

Antholyza  Duftii  Dinter  in  Mem.  Herb.  Boiss.  N"  20  (1900),  13. 
KAL. :  Rietfontein,  Otjimokojo,  Duft  67,  bl.  IV. ;  Kranzfontein,  bei 
Grootfontein,  Dinter. 
A,  saccata  (Klatt)  Baker  Syst.  Irid.  (1877),  180. 

GR.  NAM. 
A.  spectabilis  Schinz  in  Mem.  Herb.  Boiss.  N''  20  (1900),  13. 

HER.:  Waterbergplateau,  Dinter  567,  bl.  9,  IV. 
A.  Steingröveri  Pax  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XV  (1893),  156. 

GR.  NAM.:  !  Gubub,  in  einer  Felsspalte  eines  Granithügels,  Dinter 
1033,  bl.  Vn. 
Lwpeyrousia  Bainesii  Baker  in  Journ.  of  Bot.  (1875),  338. 
HER.:  Outjo,  Rautanen  389  und  139,  bl.  IIL 
AMB. :    Namakunde,    Rautanen  702,    bl.    24,    III;    *Omupanda    in 

Uukuanyama,  Wulfhorst  47. 
KAL,:  ^zwischen  Kobis  und  dem  Shaw-Tal,  Baines;  *Kwebe-HügeI 
am  Ngami  See,  Lugard  179;  *nahe  Bachakuru,  Lugard  242. 
i.  caiidata    Schinz     in    Abh.    Bot.    Ver.    Prov.    Brandenb.    XXXI 
(1889),  213. 
AMB.:  Ondonga,  Kestila  132,  bl.  L,  Liljeblad  190,  bl.  u.  fr.  I. 

X.   coerulea    Schinz    in    Abh.    Bot.    Ver.    Prov.    Brandenb.    XXXI 
(1889),  212. 
HER. 
AMB. 

L,  edulis  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  HI,  49. 
AMB.:  *in  Uukuanyma,  Tönjes. 

i.  fasciculata  Ker  in  Koen.  et  Sims  Ann.  of  Bot.  I  (1805),  237. 
GR.  NAM. 

i.  porphyro Siphon  Baker  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VII  (1898), 
353. 
KAL.:  *Ngami-See,  Lugard  238. 

Orchidaceae. 

Bestimmt  z.  T.  von  Prof.  Dr.  Fr.  Kränzliu  (Berlin). 

Habenaria  epipactidea   Rchb.    in  Flora  (1867),   100  var.   Schinzii 
(Rolfe)  Kränzl.  nov.  comb. 
Habenaria  Schinzii  Rolfe  in  Thiselton  Dyer   Fl.    trop.    Afr.  VII 

(1898),  219. 
AMB.:    Omatope  bei  Olukonda,    Schinz  2080,  bl.  2,  L;    Olukonda, 
Schinz  2081,  4,  bl.  IL,  Rautanen,  bl.  IL 
H.  perfoliata  Kränzlin  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2«  ser.  II  (1902),  942. 
AMB.:  Olukonda,  Rautanen  601,  bl.  IL 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  107 

H.  polyphylla  Kränzlin  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XVI  (1892),  214. 
Bonatea  foUosa  (Sw.)  Lindl.  Gen.  et  Spec.  Orch.  (1835),  329. 
HER. :  nördlich  von  Otjeuka,  Grasebene,   Dinter  638,   bl.  13,  IV. ; 

Otavi,  Dinter  638,   bl.  17,  IV. 
AMB. 

H.  Rautanenii  Kränzlin  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2«  ser.  IV  (1904),  1008. 
AMB. :  Olukonda,  Rautanen  481,  bl.  I. 

H.  trachychila  Kränzlin  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2«  ser.  IV  (1904),  1007. 
KAL.:  *am  Ngami-See,  Schinz  2083,  bl.  VI. 

H.  äff.  cirrhatae  Rchb.  in  Flora  (1865),  180. 

KAL. :  auf  dem  Weg  vom  Hereroland  nach  dem  Ngami-See,  Schinz 
2082,  bl.  VI. 

Blüten  total  zerfressen. 

Eulophia  heveroeiisis  Schlechter  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896) 
App.  IH,  417. 
GR.  XAM. :  am  Weg  nach  der  Matchless-Mine,  im  Gebüsch,  Fleck 
412,    bl.  XI.    [sub    E.    articulata    (Schum.)    Lindl.];    Hornkranz, 
Fleck;  Harris  (liegt  nicht  in  HER.). 

E.  hians  (L.)  Spreng.  Syst.  veg.  III  (1826),  720. 

AMB.:  Oshiheke  bei  Olukonda,  Schinz  2084,    bl.  12,  L 

E.  Holubii  Rolfe  in  Thiselton  Dyer  Fl.  trop.  Afr.   VII  (1897),  60. 
AMB.:  Oshiheke  bei  Olukonda,  Schinz. 

E.  lissochiloides  Lindl.  in  Hook.  Comp.  Bot.  Mag.  II  (1836),  203. 
GR.  NAM. :    Südabhang  der  östlichen  Auasberge,    unter   buschigen 
Akazien,  Dinter  803,  bl.  X. 

Lissochilus  hereroensis  Kränzlin  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2™*^  Ser.  VIII 
(1908),  626. 
HER.:  Sperlingslust,  auf  Glimmerschiefer,  Dinter  816,  bl.  X. 

L.  leucanthus  Kränzlin  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2'""^  ser.  IV  (1904),  1009. 
AMB. :  zwischen  Ondonga  und  Uukuambi,  Rautanen  482,  bl.  II. 

L.  Wakefieldii  Rchb.  et  S.  Moore  in  Journ.  of  Bot.  (1878),  136. 
Eulophia    dispersa    N.   E.   Brown    in    Kew    Bull.    Mise.    Inform. 
(1892),  127. 

AMB. :  zwischen  Ondonga  und  Uukuambi,  Rautanen  226;  *Omupanda 

in  Uukuanyama,  Wulf  hörst  49. 
KAL.:  *beim  Ngami-See,  Mc  Cabe. 
„Onjanja"  (Otjikuan.). 


108  Hans  Schinz. 

Salicaceae. 

Salix  capensis  Thunb.  Fl.  Cap.  ed.  1  (1823),  139  var  gariepina 

Anders.  Salic.  Mon.  (1867),  13. 
GR.  NAM. 
„^HuiV  und  „^  Ahi  heis"  (Nam.). 

Moraceae. 

Zum  Teil  bearbeitet  von  Prof.  Dr.  Otto  Warburg  (Berlin). 

Ficus  cordata  Thunb.  Diss.  de  Ficu  Gen.  (1786),  No.  6  c.  ic. 
F.  cordata    Thunb.    var.    Marlothii    Warb,    in   Vierteljahrsschr. 

zürch.  naturf.  Ges.  LI  (1906),  137. 
F.  cordata  Thunb.  var.  Fleckii  Warb.  1.  c.  138. 
GR.  NAM.:   am  Oranjefluss,  Fleck  385a,  395;  Garub,  Range  288; 

Nante,  Range  443;  Fettkluft,  Range  816. 
HER.:    !  Kuisib,    Fleck    268b,    386a,    387a;    Gam-koichas,    Dinter 

1466;  Okahandja,    Dinter  II,  475,  bl.  I;    Atsab,  Hartmann  165; 

Ganaams,    Hartmann    206;    Salem    am    Tsoachaub,    Fritsch    22; 

Otjikoto,  Fritsch  100. 
F,  gnaphalocarpa  (Miq.)  A.  Rieh.  Tent.  Fl.  Abyss.  II  (1851),  270. 
F.  damarensis  Engl.  Bot.  Jahrb.  X  (1889),  5. 
GR.  NAM,:  Rehoboth,  Fleck  809a;  Voigts  Farm  in  Ababis  (Dinter). 
HER.:  Auweb,  Schinz  39,  steril  III.;  Oshando,  Schinz  38,  fr.  III. ; 

Grootfontein,    Schinz    2057 ;    Waterberg,    Schinz    2056 ;    !  Kuisib, 

Fleck  389  a,  fr.  VI,  700 ;  Salem,  Guigab  (Dinter) ;    (ohne  nähere 

Staudortsangabe,)  Fritsch  132. 
AMB:    *Onkumbi    am    Kunene,    Schinz    2056,    Baum   (sub    Ficus 

hereroensis  Engler  in  Baum   Sambesi-Kunene  Expedit.  [1903], 

219). 
-F.  Petersii  Warb,  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XX  (1894),  164. 

F.  Dinteri    Warb,    in    Vierteljahrsschr.    zürch.    naturf.    Ges.    LI 

(1906),  141. 
HER.:    Otavi.   Dinter  621,  bl.  IV,  908,   Feigen  essbar;    um  Groot- 
fontein (Dinter),  Fritsch  81. 
F.  aüricMana  Engl.  Bot.  Jahrb.  XIX  (1894),  130. 

GR.  NAM.:    Numis,    Fleck   47a;    Rehoboth,    Fleck   868,    Gürich; 

Eros,  Dinter  1346  a,    steril  XII.;    Tiras,    Range  473,    3  m  hoch, 

dicht  den  Felsen  aufliegend. 
HER.:   Spitzkoppjes,    über   die    Granitfelsen    sich   legender  Baum, 

Dinter  81,  270,  bl.  I. ;  Kamelneck,  am  Bockberg,  über  Felsen  hin 

kriechend,     Gürich    59 ;     Okahandja,     polsterartig    Granitwände 

überziehend,  Dinter  270  ;  Otjitambi  (Gürich). 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LV).  109 

F,   rupium    Dinter    nom.    nud.    in    Dinter    Deutsch-Südwest-Afrika 
(1909),  54. 
GR.  NAM. :  Inaehab,  in  Schluchten  (Dinter). 

HER.:    Salem,    in   den   zum   Tsoachaub   führenden  Rivieren,    Oka- 
handja  am  Wilhelmsberg,  Teufelsbecher-Schlucht  (Dinter). 
Cannabis  sativa  L.  Spec.  PI.  ed.  I  (1753),  1027. 

AMB.:    in  Ondonga   der  narkotischen  Eigenschaften   wegen  kulti- 
viert, Rautanen,  fr.  XII. 
„Epangua^  (Osh.). 

Urticaceae. 

Droguetia   CUneata   (Eckl.  et  Zeyh.)   Buek  Ind.  Gen.  DC.   Prodr.  IV 
(1874),  122. 
Parietaria  cuneata   Eckl.   et  Zeyh.   in  Flora  XXVIII   (1845),   88 

non  Weddel. 
HER.:  Grootfontein,  Dinter  713,  bl.  14,  VI. 
Forsh'oJileii  Candida  L.  Suppl.  (1781),  245. 
GR.  NAM. 

HER.:  Windhoek,  Okahandja  (Dinter). 
F.  hereroensis  Schinz  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896)  App.  III.  51. 

HER.:  Mündung  des  Tsoachaub,  Dinter  56. 
Urera  Engleriana  Dinter  Deutsch-Südwest- Afrika  (1909),  55. 

HER.:    Waterberg    an    der    Quelle,    Teufelsbeeher,    Farm    Döbra, 
Spitzkoppje,  Otavi  („Dinter"). 
Fleurya  aestuans  (L.)  Gaudich.  Uran.   (1826),  196  var.  Linnaeana 
Weddel  in  DC.  Prodr.  XVI  (1869),  72. 
HER.:    bei    |  Obib,    Fleck    763,    bl.  II;    Gansberg,    in    Talrinnen, 
Fleck  764. 

Pouzolzia  hypoleuca  Wedd.  in  DC.  Prodr.  XVI,  1  (1869).  227. 
HER. :   Waterberg.  Dinter  524,  bl.  HI. 


Neuer  Beweis  für  die  Darstellbarkeit  deflniter 
biquadratischer  Funktionen  als  Summe  von  fünf  Quadraten. 

Von 

Werner  Wolff. 


Herr  Landau  ^)  hat  den  Satz  bewiesen,  dass  jede  definite  biqua- 
dratische Funktion  einer  Variabein  mit  rationalen  Koeffizienten  sieh 
als  Summe  von  sechs  Quadraten  von  Funktionen  mit  rationalen 
Koeffizienten  darstellen  lässt.  An  den  Beweis  dieses  Satzes  schliesst 
Herr  Fleck ^)  an  und  zeigt,  dass  jede  solche  Funktion  sich  schon 
in  eine  Summe  von  fünf  Quadraten  zerlegen  lässt.  Der  im 
Folgenden  auseinandergesetzte  neue  Beweis  dieses  Satzes  von  der 
Darstellbarkeit  jeder  definiten  biquadratischen  Funktion  als  Summe 
von  fünf  Quadraten,  trachtet  danach,  einfacher  als  der  Flecksche 
zu  sein,  und  stützt  sich  ebenfalls  auf  die  genannte  Arbeit  von  Herrn 
Landau.  Er  wird  die  komplizierteren  Fälle  durch  linear  gebrochene 
Substitutionen  auf  die  einfacher  zu  erledigenden  zurückführen,  und 
indem  dieses  Verfahren  ausgiebig  angewendet  wird,  gestaltet  sich 
der  Beweis  des  Fleckschen  Satzes  wesentlich  übersichtlicher. 

Die  Anregung  dieser  Arbeit  verdanke  ich  Herrn  Landau,  der 
auch  bei  ihrer  endgültigen  Gestaltung  mir  mit  wertvollem  Rat  zur 
Seite  stand.    Ich  spreche  hier  Herrn  Landau  meinen  besten  Dank  aus. 

§  1- 

Wir  wollen  von  vornherein  festsetzen,  dass  wenn  die  Ausdrücke: 
„eine  definite  Funktion  ist  als  Summe  von  Quadraten  darstellbar" 
oder  „sie  ist  in  eine  gewisse  Anzahl  von  Quadraten  zerlegbar",  der 
Kürze  wegen  gebraucht  werden,  dass  dies  stets  heissen  soll:  die 
definite  Funktion  ist  darstellbar  als  Summe  von  Quadraten  mit 
rationalen  Koeffizienten  (z.B.:  jede  positive  rationale  Zahl  ist  in 
vier  Quadrate  zerlegbar). 

1)  Archiv  der  Mathematik  und  Physik,  3.  Reihe,  Bd.  7,  1904,  S.  271—277. 
(Hier  kommen  in  Betracht:  S.  275— 277). 

2)  Archiv  d.  Math.  u.  Phys.,  3.  Reihe,  Bd.  10,  1906,  S.  23—38  u.  S.  378;  und 
ebendort  3.  Reihe,  Bd.  16,  1910,  P.  275-276. 


Neuer  Beweis  für  die  Darstellbarkeit  definiter  hiquadr.  Funktionen  etc.      111 

Wir   wollen   nun    ausgehen    von    der    definiten    biquadratischen 
Funktion : 

/  (x)  =  a  X*  -h  h  x^  -\-  c  x^  -]-■  d  X  -\-  e, 

in  der  die  Koeffizienten  «,  h,  r,  d  und  e  rationale  Zahlen  bedeuten. 
Wenn  wir  sagen  y(,i')  sei  definit,  so  soll  das  heissen,  dass  für  jedes 
reelle  x 

f(x)>0 

ist.  Es  darf  a  ^  0  angenommen  werden,  da  sonst  die  Funktion 
höchstens  vom  Grad  2  ist,  und  Herr  Landau  *)  hat  den  Satz  bewiesen, 
dass  jede  definite  quadratische  Funktion  in  fünf  Quadrate  zerlegbar 
ist.     Aus  a  ^  0  folgt  aber 

a>0. 

Wir  führen  in  f{x)  die  Substitution 


vy  +  S 

aus,  wo  «,  ß,  y  und    ö   rationale    Zahlen    sind,    deren   Determinante 
«Ö--/3y  ungleich  Null  ist.     Es  ist  dann 

und  wenn  wir  mit  (y  y  +  ö)'  erweitern  : 

+  c  («y  +  ß)^  (y^  +  ö)-^  +  d{ay-V  ß)  (r^  +  ö)^  +  e  (y  y/  +  ö)^ 
Ordnen  wir  nach  Potenzen  von  y,  so  können  wir  schreiben: 

F  0/)  --  d  u'  +  ^'  ?/'  H-  C  ^'^  +  d>  +  e' , 
und  hier  sind   die  Koeffizienten    wieder   rationale    Zahlen.     Ist  jetzt 
diese  neu  entstandene  Funktion  F  {y)  als  Summe  von  fünf  Quadraten 
darstellbar,  so  folgt  auch  das  gleiche  für  die  ursprüngliche  Funktion 
/(;/;).     Nämlich  wenn 

ist,  /■;,  5;,  ti  rationale  Zahlen,    so   übe    man   die   inverse  Substitution 
aus.     Dann  wird  aus  F  (y) : 

>)  Archiv  d.  Math.  u.  Phys.,  ?,.  Reihe,  Bd.  7,  1904,  S.  27.3-275. 


112  Werner  Wolff. 

Erweitert  man  mit  ( —  y  x  -\-  ay,  so  folgt : 

{ad-ß  yyj\.r)  =  ^  \r,  {8  x  -  ßf  -\-  s,  {8  x  -  ß)  {- y  x  +  a)  + 
/  =  1  * 

und  hieraus  ergibt  sich  schliesslich: 


5 


f(oc)  =  ^{r:x''-^s:x-i^i:;y, 


wo  Vi,  g%  t]  rationale  Zahlen    sind.     Wenn    also    der   Satz,   den    wir- 

beweisen   wollen,    für   die    durch    die   Substitution    x  =  '^'^     \,.     ent- 

yy  +  S 

standene  Funktion  F{y)  gilt,  so  gilt  er  auch  für   die    ursprüngliche 

Funktion  fix). 

Nachdem  dies  vorausgeschickt  worden  ist,  können  wir  über  /  (x) 
verschiedene  Annahmen  machen,  ohne  die  Allgemeinheit  einzu- 
schränken.    Zuerst  können  wir  voraussetzen,  dass  in 

fix)  =  a  X*  +  b  x'^  -f-  c  x^  -\-  clx  -i-  e 

der  Koeffizient  h  Null  ist.     Denn  wäre    b   von  Null   verschieden,  so 

würde    die    rationalzahlige    Substitution    x  =  y  —  -. —   eine   definite 

biquadratische  Funktion  ohne  kubisches  Glied  ergeben,  und  ist  diese 
letztere  dann  in  fünf  Quadrate  zerlegbar,  so  ist  es  auch  die  ur- 
sprüngliche. 

Ferner  können  wir  annehmen,  dass  die  Funktion 

/  (;r)  =  a  x'^  -\-  c  x'  ^-  d  x  -^  e 

keine  mehrfache  reelle  oder  komplexe  Wurzel  besitzt,  also  insbeson- 
dere (weil  es  definit  ist)  keine  reelle  Wurzel  besitzt.  Andernfalls 
hätte  /(a)  nämlich  die  Gestalt 

f{x)  =  g^  {x)  '  h  (cc), 

wo  ]i  (x)  definit  quadratisch  oder  konstant  ist,  sodass  also  /<  (x)  in 
fünf  Quadrate  zerlegbar  wäre.  Es  würde  dann  das  gleiche  für  f(x) 
folgen.  Dann  lautet  der  Landausche  Satz  ^),  den  wir  später  ge- 
brauchen werden : 

Für  jede  definite  biquadratische  Funktion  mit  rationalzahligen 
Koeffizienten,    ohne   mehrfache  Wurzeln   und    ohne   kubisches    Glied, 


1)  Arch.  d.  Math.  u.  Pliys.,  3.  Reihe,  Bd.  7,  1904,  S.  275—277. 


Neuer  Beweis  für  die  Darstellbarkeil  definiter  biquadr.  Funktionen  etc.      113 


d  \- 
(p  {x)  =/(*•)  —  (xx-\-  -^j   =  ax*  -\-{c  —  x^)  x^  -f-  e 


haben  alle  rationalen  Grössen  x  eines  endlichen  Intervalles,  das  die 
Null  nicht  enthält,  die  Eigenschaft,  dass 

in  x^  =  ((  definit  wird. 

Dieser  Satz  ist  algebraisch  einfach  zu  beweisen. 

Nun  können  wir  weiter  annehmen,  dass  die  Koeffizienten  von 
/{x)  ganze  Zahlen  sind,  indem  wir  im  andern  Falle  schreiben  würden: 

/(^•)  =  -^{N'ax'-^N'cx'-t-N'dx^  N'e)  =  -^f,  {x), 

wo  N  der  gemeinsame  Nenner  der  rationalen  Zahlen  a,  c,  d,  e  ist. 
Ist  /i  (x)  in  fünf  Quadrate  zerlegbar,  so  folgt  aus  obiger  Gleichung 
dasselbe  für  f(x). 

Schliesslich  werden  wir  zeigen,  dass  noch  angenommen  werden 
kann,  dass  der  Koeffizient  d  von  Null  verschieden  ist.  Es  sei  also 
d  =  0,  und  ich  will  zeigen,  dass  ich  diesen  Fall  auf  den  Fall  d  =}=  0, 
nebst  b  =  0  und  rationalen  ganzen  a,  c,  d,  e  zurückführen  kann. 
Es  sei  demnach: 

/  (x)  =  a  x^  +  c  a;^  +  e.  ^) 

Wir  unterscheiden  nun  zwei  Fälle: 

I.  Es  sei  4  a  e  —  c-  =  0.     Dann  würde  für 

f{x)  ^  ax*-\rcx^-he  =  a{x'  +  -^^ 

die  Zerlegung  in  vier  Quadrate  ohne  weiteres  folgen ;  denn  da  a  eine 
positive  ganze  i-ationale  Zahl  ist,  so  ist  a  in  vier  Quadrate  zerlegbar 
und  also  auch  f(x). 

IL  Es  sei  4  a  e  —  c^  ^  0.     Ich  führe  hier  die  Substitution 

yij  +  S 

in  f{x)  aus,  wo  a,  ß,  y,  8  ganze  Zahlen  bedeuten  sollen,  deren 
Determinante  ungleich  Null  ist.  Dann  betrachte  ich,  wie  es  früher 
geschehen  ist,  die  Funktion 

F  iu)  =  a{a  y  -^  ^')-i-  c{ay  ^  ^y  {yU  -^  8y  +  e{y  y  ^  8y  = 
=  d  if  -h  6'  ^^  +  c  ?/2  -I-  cX  y.  -f-  e , 


')  Auch  wenn  f{x)=ax^-\-cx^  +  e  definit  ist,  so  braucht  f{u)  —  ai(^  + 
-\-  cn-^  e  nicht  auch  definit  zu  sein,  sodass  wir  diese  quadratische  Funktion  nicht 
dazu  benützen  können,  um  die  Zerlegung  der  biquadratischen  Funktion  f{x)  in  fünf 
Quadrate  nachzuweisen.  Wir  wissen  ja,  dass  jede  quadratische  definite  Funktion 
so  zerlegbar  ist.  (Vergl.  §  1.)  Siehe  Fleck,  Berichtigung:  Arch.  d.  Math.  u.  Phvs., 
3.  Reihe,  lid.  16,  1910,  S.  275—276. 

Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.    Jahrg.  56.     1911.  8 


114  Werner  Wolff. 

WO  a,  ?/,  c',  d\  e  ganz  sind.  Wenn  ich  zeigen  kann,  dass  ich  die 
Substitutionskoeffizienten  so  wählen  kann,  dass  &'  =  0  und  d!  4=  ^ 
ist,  so  habe  ich  nach  dem  Vorausgeschickten  den  Fall  (Z  =  0  auf 
den  Fall  d  ^Q  zurückgeführt.     Aus  der  letzten  Gleichung  folgt : 

cZ' =- 4  a  a  ß^  +  2  c  (or  ß  ö^  +  ß2  y  a)  +  4  e  y  d^ 

In  y  kommen  ß  und  ö  getrennt  und  linear  vor  : 

6'  --  (4  a  «^  +  2  c  «  y2^)  ^  _u  (2  c  «2  y  4-  4  e  y3^)  ^_ 

Setzt  man  also 

/3  =  -  (2  c  «2  y  -4-  4  e  y^) 
Ö  =  +  (4  a  «3  ^  2  c  «  y"'), 

so  wird  y  verschwinden.  Hier  sind  a  und  y  noch  beliebig  zu  wäh- 
lende ganze  Zahlen,  nur  soll  die  Determinante 

a  d  —  ß  7  =  4  a  «■*  H-  4  6"  «'■^  y-  +  4  e  y* 

nicht  verschwinden.  In  diesem  Ausdruck  sind  nicht  alle  Koeffizienten 
Null,  so  dass  es  sicherlich  ganze  Zahlen  a,  y  gibt,  für  welche  ad  — 
—  ß  7  4^  0  ist.  Das  wird  so  gemacht,  dass  man  y  gleich  einer  festen 
Zahl  setzt,  z.  B.  1,  und  für  a  irgend  eine  ganze  Zahl  von  einer 
gewissen  Stelle  an  wählt.  Gerade  dies  ist  wesentlich,  da  nachher 
für  a  eine  weitere  Bedingung  zu  erfüllen  ist. 

Die  Werte  für  ß  und  8  setzen  wir  in  den  Ausdruck  für  d'    ein 
und  erhalten  : 

(Z' =  —  4:aa(2ca^y^4:ey^)  — 2ca  (2co:^y +  46^^)  (4aa^  +  2co:y-)  ~|- 
+  2  c  y  (2  c  a  V  +  4  e  ff  (4:  a  a^  -\- 2  c  a  y"")  -\-  4:  e  {4:  a  a^ -i- 2  c  a'  yf- 

Hierin  tritt  a  in  der  höchsten  Potenz  in  den  Termen  «^  y  auf  und 
zwar  ergeben  bei  Ausmultiplikation  der  zweite  und  letzte  Summand 
Terme,  die  mit  a^y  multipliziert  sind.  Man  findet  als  Koeffizient 
von  a^y 

44  ci^  e  _  43  ^2  g2  _  43  ^2  (4  0  e  _  c2^^ 

und  da  a  >  0  ist  und  4  a  e  —  c^  ^  0,  so  ist  dieser  Koeffizient  von 
Null  verschieden,  und  daher  kann  d!  Werte  annehmen,  die  ungleich 
Null  sind.  Das  kann  so  gemacht  werden,  dass  man  y  =  1  setzt  und 
ß  so  gross  wählt,  dass  sowohl  die  Determinante  ad  —  ß  7  als  auch  d' 
von  Null  verschieden  werden. 


Neuer  Beweis  für  die  Darstellbarkeit  definiter  biquadr.  Funktionen  etc.      115 

Demnach  kann  im  folgenden  in 

f  {x)  =  a  x^  -\-  c  x'^  -\-  d  X  -{-  e 

d  von  Null  verschieden  angenommen  werden  und  a  >  0 ;  a,  c,  d,  e 
ganzzahlig. 

§  2. 
Nach  dem  Landauschen  Satz  konnten  wir  schreiben: 
g)  {x)  =f{,v)  -[xx  +  ^)'  =  a  ^4  4-  (c  -  x^)  ^2  +  e  -  ^, 

wobei  qp  {x)  definit  in  x^  =^  u  ist.  Wie  a  so  ist  auch  e  grösser  als 
Null,  denn  /'(O)  4=  0,  weil  fix)  keine  reelle  Wurzel  hat.  Wenn  ich 
also  zeigen  kann,  dass  tp  {x)  als  Summe  von  vier  Quadraten  dar- 
stellbar ist,  so  folgt  daraus  die  Zerlegung  von  /(*')  in  fünf  Quadrate, 
Um  dies  zu  zeigen,  schreiben  wir: 

a  ist  immer  als  Summe  von  vier  Quadraten  darstellbar.  Wenn  ich 
demnach  zeigen  kann,  dass  der  Ausdruck  in  der  Klammer  in  vier 
Quadrate  zerfällbar  ist,  so  folgt  das  gleiche  auch  für  (p  (x),  denn  es 
besteht  die  bekannte  Identität: 

{ai  +  ai  +  «1  +  «D  {h\  +  &i  +  61  +  &1)  = 

4-  («1    63  —  «2  ^4   —   «3   ^1   +  «4   hT  +  «1   (&4  -f  »2  &3  —  «3    ^2   "  «4   ^l)^ 

nach  der  ein  Produkt  aus  zwei  Summen  von  je  vier  Quadraten 
rationalzahliger  Funktionen  stets  als  eine  Summe  dergleichen  Art 
darstellbar  ist.  Um  den  Fleckschen  Satz  zu  beweisen,  ist  es  also 
hinreichend  zu  zeigen,  dass  die  Grösse 

Aaeti'  ~  acP  —  (c  —  v.^)^  x^         (4  a  e  —  c^)  x^  +  2  c  h*  —  x"  —  a  dr 


0  = 


4  a^  y.'^  4  a^  x^ 


selbst   oder   die    durch   eine  Substitution  x  ==  "^  ,  ^    in  f(x)  trans- 

formierte  Grösse  <I>  durch  geeignete  Wahl  von  %,  wobei  cp  (x)  definit 
in  X'  bleibt,  in  drei  Quadrate  zerlegt  werden  kann.  Kann  ich 
dieses  von 

01  ==  (4  «  e  —  c2)  x2  +  2  c  x^  —  x"'  —  a  d'' 

zeigen,  so  gilt  es  auch  für  O,  und  setzt  man 

-  =-L 
m ' 


116  Werner  Wolff. 

WO  l  und  m  ganze  Zahlen    sind,    so    genügt   es   diesen  Umstand  für 

^2  -=  (4  a  e  —  6-2)  ^2  ni^  +  2  c  Z*  m-  —  l^  —  adr  w« 

nachzuweisen.  *) 

Zu  beachten  ist  noch,  dass  (p  (x)  stets  definit  in  x^  --=  ii   bleibt, 
solange  sich  k  als  rationale  Zahl  in  einem  ganzen  endlichen  Intervall 

bewegt.     Wir  hatten  n  —  —    gesetzt  und  wir  werden  im   folgenden 

m  =  8  q-\-r2 

setzen,  also 

l    __  2''(8_p  +  r,) 


X  = 


wo  2^  und  q  irgendwelche  frei  verfügbare  ganze  Zahlen  bedeuten,  v 
eine  feste  positive  ganze  Zahl  ist,  und  ?\  und  r^  eine  feste  der 
Zahlen  1,  3,  5,  7  bedeuten.  Nun  liegen  die  rationalen  Zahlen  von 
der  Form 

r  (8p  +  rj 

überall  dicht  verteilt.  Denn  in  jedem  noch  so  kleinen  Intervall  von 
der   Breite    £    liegt    eine    Zahl    obiger    Form.     Wir    brauchen    dazu 

nämlich  nur  zu  zeigen,  dass  eine  Zahl  von  der  Form  -——. — -  in  dem 

Intervall  von  der  Breite   ^7  =  2'  liegt.     Wir  wählen   für  q    eine    so 

1        I 
grosse  Zahl,   dass  —  <  £    ist.    Dann  liegen  zwei  aufeinander  folgende 

Zahlen    ^^      ^^    und        o     /  "^  ^  in  dem  Abstand  -^ — , von  ein- 

ander  entfernt,  der  nach  der  Wahl  von  q  kleiner  als  s    ist.     Daher 

muss  es  ein  p  geben,  sodass    -~—, — -  in  das  Intervall  von  der  Breite 

°  8  g  +  ^2 

B    fällt  und  folglich  fällt  auch  die  Zahl    ^  (^P  +  ^jj_  in   das  Intervall 

82  +  ^2 

von  der  Breite  f.  Das  Intervall,  indem  sich  k  als  rationale  Zahl 
bewegen  kann,   ohne  dass  q)  (.r)    aufhört   definit   in  x^  =  u    zu   sein, 

enthält  demnach  unendlich  viele  Zahlen   der  Form    ""  f  -P  +  ^i-*     und 

folglich  kann  x  =  —  selber  als  eine  rationale  Zahl  dieser  Form  an- 
genommen  werden. 

')  Auch  Herr  Fleck  geht  bei  seinem  Beweise   von   dieser  Grösse  $2  ä"^-     ^^ 
beginnt  hier  meine  eigenthclie  Arbeit. 


Neuer  Beweis  für  die  Darstellbarkeit  definiter  biquadr.  Funktionen  etc.      117 

§  3. 
Wir  haben  von  der  Grösse 

02  =  (4  a  e  —  c^)  r-  m^  +  2  c  ?*  m^  —  l^  —  ad^  m^ 

auszugehen,     ad^  ist  von  Null  verschieden,  und  ich  ziehe  aus  dieser 
Zahl  die  höchste  Potenz  von  4  hinaus  und  schreibe: 

a  d'  =  2'"  Ä;  A  =  1,  2,  3,  5,  6,  7  (mod  8). 

Dann  setze  ich  in  ^o 

1  =  2""^^  L  und  m  =  M 

ein,  wo  L  und  M  ungerade  Zahlen  bedeuten,  über  die  noch  verfügt 
werden  wird.     So  ergibt  sich: 

=  2''{{4.ae-cYL''M'-{-2c-2"'  +  'L'lf-2''  +  ''L'-ÄM']. 

02  ist  seiner  Bedeutung  nach  positiv  für  alle  solchen  Wertpaare  l, 

m,  dass  —   einem  bestimmten  Intervall  angehört.     Im    andern  Fall 

wäre  dann  auch  ^  negativ  und  demnach   qp  {x)   nicht   definit   in  x"^. 

Ist  nun  A  =  l  (mod  8,)  so  erhält  ^2  die  Gestalt  2^^(8wH-7), 
und  da  bekanntlich  nur  die  Zahlen  von  der  Form 

2-^(8«  +  l),  2'^(8«  +  2),  2'''(8;z  +  3),  2^-^(8« +  5),   2-^'(8w  +  6) 

in  drei  Quadrate  zerlegbar  sind,  so  muss   dieser  Fall   später   beson- 
ders behandelt  werden.     Ist  dagegen 

^  =  2,  3,  5,  6,  7  (mod  8), 

so   erhält    ^g    ^^"^^   ^^^  obigen   fünf   Formen   und   ist   also   dann  in 
drei  Quadrate  zerlegbar.     Nach  der  am  Schluss  von  §  2  gemachten 

Bemerkung  bleibt  g>  {x)  bei  dieser  Bestimmung  von  x  =  —  =  — —r— 

definit  in  x^,  wenn  nur  L  und  M  als  ungerade  Zahlen  entsprechend 
gewählt  werden. 

So  bleibt  also  alleine  der  Fall 

a(t  =  2''^  A,  A  =  \  (mod  8) 

übrig.     Zu  diesem  Hauptfall  gehört  z.  B.  a—\;   denn   da  cZ^  von 
der  Form  2^''(8>^+l)  ist,  so  muss  a  hier  die  Gestalt  2'^"' (8  w  +  1) 


118  Werner  Wolff. 

haben.  Aus  den  Koeffizienten  c  und  d  ziehen  wir  die  höchste  Potenz 
von  2  heraus  und  setzen: 

für  c  ^  0 :  c  =  2^'  c^,  (c^  ^  0), 

wobei  Co  eine  ungerade  Zahl  ist.  Ist  c  =  0,  so  verstehe  man  unter 
Ci  irgend  eine  positive  ganze  Zahl,  während  c,  =  0  gesetzt  wird. 
Ferner  schreiben  wir: 

wobei  fZg  ungerade  ist.  Aus  e  ziehen  wir  die  höchste  Potenz  von  4 
heraus  und  setzen 

e  =  2      ■  eo, 
wo  ßg  nach  dem  Modul  8  die  Reste  1,  2,  3,  5,  6,  7  lässt.   Es  ist  also 

/(rc)  =  2'"V(„  ^' +  2'^  C2  a;' +  2^^^  ^2  ic  +  2''^e2, 

wo  «1,  (?!,  dl,  ßi  ganze  Zahlen  grösser  oder  gleich  Null  sind;  »2^1 
(mod  8)  ist;  Cg  u"d  (?2  ungerade  Zahlen  sind;  und  e^  ungerade  oder 
höchstens  durch  die  erste  Potenz  von  2  teilbar  ist. 

Hiebei  kann  nun  für   den  Nachweis   des  Fleckschen  Satzes   an- 
genommen werden,  dass  die  Exponenten  den  Ungleichungen 

2  «1^2  61 
Ci^2e, 
di>2ei 

genügen.  Denn  wäre  das  nicht  der  Fall,  so  würde  man  eine  Sub- 
stitution X  =  2^  ?j,  Q  positiv  und  ganz,  ausüben  und  hätte : 


=  2'^''  a,  tf  +  2'^  C2  if  +  2'^  doij-\-  2'^'  e 


Wird  nun  q  genügend  gross  gewählt,  so  gelten  für  die  Exponenten 
dieser  neuen  Funktion  die  Ungleichungen 

2  «i  =  2  »1  +  4  9  >  2  ßj , 

d[=     di-\-     Q>2ei. 

Ist  diese  neue  Funktion  in  y  in  fünf  Quadrate  zerlegbar,  so  ist  es 
auch  die  ursprüngliche,  und  diese  transformierte  Funktion  erfüllt 
auch  alle  Voraussetzungen,  die  für  f(x)  gegolten  haben.  «2  ist  un- 
verändert geblieben,  der  Koeffizient  von  y  ist  wieder  von  Null  ver- 
schieden, mehrfache  Wurzeln  sind  sicherlich  keine  da. 


Neuer  Beweis  für  die  Darstellbarkeit  deflniter  biquadr.  Funktionen  etc.      119 
Kehren  wir  zu  den  alten  Bezeichnungen  zurück,  so  lässt  sich 
fix)  =  2'"'  «2  x''  +  2"'  C2  a;'  +  2'''  d^  x  -f  2'"'  e^ 
an  der  Form  schreiben: 

f{a^  =  2'''{2'''^-'''a,x'-^2'^-'''c,x-h-2'^-'''d,x^e,}, 

wobei  die  Exponenten  von  2  positiv  oder  Null  sind.  Ist  die  Funk- 
tion in  der  Klammer  in  fünf  Quadrate  zerlegbar,  so  ist  es  auch  /  {x). 
Wir  können  folglich /(ic)  in  der  Gestalt  annehmen: 

/ (x)  =  2^"'  «2  x^  +  2''  Ca  x^  +  2'^'  d^  x-\~e^\ 

liiebei  ist: 

aa  ^  1 ;     Cg  ^  1,  3,  5,  7  (mod  8),  oder  Cg  =  0; 
d^  =  1,  3,  5,  7  (mod  8);  63  =  1,  2,  3,  5,  6,  7  (mod  8). 


Wir    führen   nun   m  f{x)  —  ax^-\- cx"^ -\- dx-\- e  wieder   eine 
Substitution  aus: 

und  betrachten  wie  früher  die  Funktion 

-F{y)  =  a{ay-\-  ^y  ^  c{ay-^^f  {yy  -^ÖY  -^d{ay^^){yy-^8y-\- 

+  e(yy  +  öy  = 

=  a  y^  -h  y  y^  -\-c  y^  -{-  d'  y  -{-  e . 

JEs  interessieren  uns  die  Koeffizienten: 

a  ^=  a  tt*  -h  c  a^  y^  -\-  day^  -\-e  y*. 

h'  =  4:aa^ß-]-2c(a''y8-^aßy^)-\rd{3ay'-d-+-ßy^)^-4:ey^d. 

d'  =  4.  a  cc  ß^  ^  2  c  (cc  ß  d^  -]r  ß^y  d)  -]-  d  (3 ßyd'-  -^  a  d^)  -{-  4ey  ö\ 

Es  soll  6'  =  0  sein.     Wir  können  h'  in  der  Form  schreiben: 

h'  ={4:aa^-i~2cay^-hdy^)ß-\-{2ca^y-\-Qday^--h4:ey^)d, 

und  wird 

ß  =  —  y  (2  c  «2  +  3  f/  a  y  -f  4  e  r) 
d=  4:a  a^ -{- 2  c  ay^ -\- dy^ 

gesetzt,  so  wird  h'  =  0. 


120  Werner  Wolff. 

Jetzt   wollen   wir   für    a   und   y  je   eine    Bedingung    festsetzen. 
Es  sei 

a^Ug  (mod  8), 

wo  cCq  eine  positive  ganze  Zahl  kleiner  als  8   bedeutet.     Ferner   sei 
y  =  2^^r,     TeeeTo  (mod  8), 

wo  fi  eine  ganze  Zahl  grösser  oder  gleich  Null  bedeutet  und  Fq 
eine  positive  ganze  Zahl  kleiner  als  8.  In  Übereinstimmung  mit 
diesen  Bedingungen  werden  nun  k  und  y  so  bestimmt,  dass  erstens 
die  Determinante 

ad  —  ßy  =  4:aa*-+~4:Ca^y'^-{-4:day^-'r4:ey* 

von  Null  verschieden  ist  (was  sicherlich  erreicht  werden  kann),  und 
zweitens  dass  d'  von  Null  verschieden  wird,  wenn  man  darin  für  ^ 
und  d  die  Ausdrücke  in  a  und  y  einsetzt.     Es  ist: 

d'  =  —  4:  a  ay^  {2  c  a^  -j-S  d  ay  -{-  4  e  y-)  — 

—  2cay{2ca^  +  'dday-\-4:ey'')'{4:aa^-\-2cay''-hd  y^f  -\- 
-\-2cy^{2ca^-\-Sdccy-i-4:ey"-)(iacc^'^2cay^-4-dy^)  - 

—  3  fZ  y2  (2  c  «2  +  3  (Z  a  y  +  4  e  y-)  (4  a  «^  +  2  c  a  y2  ^  rf  y^)'  -+- 
-{-da{4:aa^-\-2cay^-\-d  y^f  -{-  i  e  y  (i  a  a^  -\-  2  c  a  y^  -i-  dy^)  - 

Hierin  verschwinden   nicht   alle   Koeffizienten,   denn   der   Koeffizient 
von  a^"  z.  B.  ist  4^  a^  d  (wie  das  zweitletzte  Glied  zeigt).    So  können 
wir  also  gleichzeitig  ad  —  ßy   und  auch  d'  durch  a  und  y,   welche 
obigen  Bedingungen  genügen,  von  Null  verschieden  machen. 
Wir  durften  f{x)  in  der  Form 

f{x)  =  2'"^  «2  x^  +  2"'  c^  x^  +  2^^'  d^  X  -f-  eg. 

annehmen  und  wir  unterscheiden  jetzt  die  zwei  Fälle : 
I.  62=6  =  2,  3,  5,  6,  7  (mod  8). 
IL  ßg  —  ß  ^  1  (mod  8). 


I.  e  =  2,  3,  5  6,  7  (mod  8). 

Nach  dem  Ausführen  obiger  Substitution  hatten  wir 

a  =  a  a*  -{-  c  a^  y"^  4-  d  a  y^  -\-  e  y'^. 
Wird  a  ^  0  und  y  ^  1    (mod  8)   gesetzt,   so   wird  a  ^e  2,  3,  5,  6,  7 
(mod  8).     Da  d'^  von  Null  verschieden  gemacht  worden  ist  und  stets 


Neuer  Beweis  für  die  Darstellbarkeit  definiter  biquadr.  Funktionen  etc.      I2f 


die  Form  2^^  (8  n  + 1)  hat,  so  hat  a  d'^  die  Form  2"^'  Ä ;  Ä  =  2, 
3,  5,  6,  7  (mod  8).  Wir  kommen  also  auf  diese  Weise  auf  die  anfangs 
erledigten  Fälle  zurück ;  denn  die  durch  die  Substitution  entstandene, 
neue  Funktion  erfüllt  alle  frühern  Bedingungen. 

IL  e  =  e2  =  l  (mod  8). 
In 

fix)  =  2'"'  «2  x'  +  2"  C2  x^  +  2'^'  d.^x  +  e^ 

können  wir  für  die  Exponenten  2a^,  c^,di  die  Voraussetzung  machen,, 
dass  wenigstens  einer  der  drei  Fälle 

1.  dl  =  0,     2.  c,  ^  1,     3.  2  a,  <  2 

vorliegt.     Denn  wäre  das  nicht  der  Fall,  d.  h.  wäre 

dl  >  0,     Cj  >  1,     2«!  >  2, 

so  könnten  wir  mf{x)  eine  Substitution  x  =  2~^y,  (q  positiv  und 
ganz)  ausüben,  sodass  aus  f(x) 

fiy)  =  2'"^-''a,i/^2'^-''c,/-^2'^-'d,y-he, 

würde.  Nun  lasse  man  q  nach  einander  die  Werte  0,  1,  2,  3,  .  ,  ., 
durchlaufen,  bis  zum  erstenmal  einer  der  drei  Exponenten  oder 
auch  mehrere  negativ  werden.  Dieses  trete  bei  Qq  ein.  Dann  setze 
man  q  =  Qq  —  1,  und  es  treten  dann  auf  diese  Weise  die  drei  Fälle 
ein,  wie  sie  folgendes  Tableau  veranschaulicht : 


d^ 

Ci 

2  a, 

1. 

0 

0,  1,  2,  .  .  . 

0,  2,  4,  .  .  . 

2. 

0,  1,  2,  .  .  . 

0,  1. 

0,  2,  4,  .  .  . 

3. 

0,  1,  2,  .  .  . 

0,  1,  2,  .  .  . 

0,2. 

Ist  c  =  0,  so  hat  es  keinen  Sinn  von  Fall  2  zu  sprechen,  denn  in 
2'^^C2  wird  ja  dann  Cg  Null  gesetzt  und  c,  legt  man  irgend  einen 
.positiven  ganzzahligen  Wert  bei.  Wenn  c  =  0  ist,  kommen  also  nur 
die  Fälle  1  und  3  in  Betracht. 

1.    dl  =  0. 
D.h.:  d  =  2'^'  d^  =  1,  3,  5,  7  (mod  8).     Es  war 

d  ^=  a  a*  -{-  c  a^  y"^  -\-  d  a  Y^  -{-  e  y*. 

Setzt  man  hier  a^4  und  yEnl,   so   wird   d    die   Gestalt   8  w -f  5 
annehmen,  so  dass  d  d'^  Form  2^^  (8  7i  +  5)  bekommt.     Wir  werden 


122  Werner  Wolff. 

-also  wieder  auf  einen  der  früher  erledigten  Fälle  zurückgeführt,  ohne 
dass  die  durch  die  Substitution  entstandene,  neue  Funktion  aufhört 
-die  gemachten  Voraussetzungen  zu  erfüllen. 

2.  f?!  >0,  Ci£l,  c-=2''c2^0. 

Es  ist  also  c  =  2''  c^  =  1,  2,  3,  5,  6,  7  (mod  8). 

a)   dl  >  2,  Ci  =  1,  tti  =  0. 

D.  h.,  es  ist: 

c  =  2,  6,     a  =  l. 

Wir  gehen  hier  aus  von: 

a>2  =  (4  a  e  —  c^)  l^  w^  +  2  c  l^  m^  —  V'  —  ad''  m^ 

Da  e  ^  1  ist,  so  ist  4  a  e  —  c'^  0.  Ferner  ist  a  (^  ==  a  •  2  ^  (Z2  ^  0. 
Wird  ^  ^  1  und  w^  ^  1  gesetzt,  so  bekommt  ^g  die  Form  8  n  -f-  3, 
ist  also  in  drei  Quadrate  zerlegbar. 

b)  di>l,  Gl  =  1,  exklusive  Fall  a). 

Man  setze  a  ^  1  und  y  =  2"^  F,  wo  T  ^  1  (mod  8)  ist.     Dann 
^ird  aus 

'  r>2«i  4     ,     o  2     2     1      n<^i  j  3      ,  4 

a'  =  2'"'  {a,  «V  2  C2  «'  r^"  4_  2^^'  +  «^  ^2  «  -T'  +  2^'^'  ^2  -T^}. 

Ist  aj  =  0  und  ^1  =  1,  so  wird  a    von  der  Form  8/1  +  2   oder 

S  «  +  6. 

(Ist  «1  =  0  und  c?i  >  2,  so  kommen  wir  auf  Fall  a.) 

Ist  «1  >  1  und  fZi>l,  so  wird   a    von   der  Form  2  "' (8  w  +  3) 

«der  2^"'  (8  n  +  7). 

c)  c,  =  0. 

Es  ist  also  c  =  2^'  Co  ^  1,  3,  5,  7  (mod  8).  Man  setze  a  ^  1  und 
y=  2"'  +  ^r,  r=l.     Dann  wird: 

=  2^^"'  (8  w  +  5). 

Somit  ist  auch  Fall  2  auf  schon  erledigte  Fälle  zurückgeführt;  ent- 
weder haben  wir  ein  ^3  erhalten,  das  in  drei  Quadrate  zerlegbar 
ist,  oder  aber  nimmt  a  d'^  nicht  die  Form  2  "  (8  n  +  1)  an,  wobei 
ferner  die  durch  die  Substitution  entstandene,  neue  Funktion  alle 
frühern  Voraussetzungen  erfüllt. 


Neuer  Beweis  für  die  Darstellbarkeit  definiter  biquadr.  Funktionen  etc.      123 

3.  fZi>0,  Ci>l,  2ai  ^2. 

a)  dl  =!,«!  =  0. 
D.  h.:    a  =  2^**'  «2^1    (mod  8).     Dann   setze    man   a  =  2  A,  A^l 
und  y^El.     Dann  wird: 


«'  =  2*  a  J.^  +  22  c  A^  y2  _|_  2  ^  ^  y3  -f-  e  y\ 
Da  d^2,6  ist,  und  c  durch  2  teilbar  ist,  so  bekommt  a'  die  Form 

S  /<!  -h  5. 

b)  dl  >  1,  «1  =  0. 

d  ist  also  mindestens  durch  2^  teilbar.    Man  setze  a^l  und  y^l, 
so  dass 

a  =  a  a*  -(-  c  «-  y^  +  rf  a  y^  +  e  y^ 

die  Gestalt  8  w  -f-  2  oder  8  »z  +  6  bekommt.     Es   ist  ja   hier   a  ^  1 
und  e^  1. 

c)  (^x  ^  3;  c  =  0  oder  wenn  c  4=  0  :  q  >  3 ;  2  a,  =  2. 

Man  setze  a  ^  1  und  y  ^  1  und  dann  bekommt  a    die  Gestalt 
8  w  4-  5,  weil  hier  a  ^  4,  c  ^  0  und  cZ  ^  0  ist. 

d)  fZi  >  3 ;  c  4=  0  und  c,  =  2 ;  2  a^  =  2. 

Es  ist  also  d^O  und  c  ^  4.     Hier  müssen  wir  von 
^2  =  (4  a  e  —  c2)  l^  w-*  -h  2  c  /*  Wi^  _  ^6  _  ^  ^2  „^6 

ausgehen.     Nun  kann  man  setzen: 

4  a  e  —  c^  =  2^  •  8  iY,  iV  eine  ganze  Zahl, 

2  c  =  2^  C,        C  eine  ungerade  Zahl, 
ad^  =  2^D,       D  eine  ganze  Zahl. 
Wird  dann  l  =^2L,  L  eine  ungerade  Zahl  und  m  =  J/,  J/  ungerade, 
gesetzt,  so  folgt: 

^2  =  2<5{8iVi:2if^  +  2(7L^l/'  — L"^-  2''DM^} 
=  2«  (8  w  +  1)  oder  =  2«  (8  n  +  5). 

Og  ist  demnach  in  drei  Quadrate  zerlegbar. 

e)  f?i  =  2 ;  c  =  0  oder  wenn  c  =|=  0 :  q  >  3 ;  2  «i  =  2. 
Man  setze  a^l  und  y  =  2r,  F^l.     Es  wird: 

a'  =  2^  (»2  a*  +  c  «2 1^  +  2  (^  a  r^  +  2'-^  e  T*) 
=  22(8wH-5). 

f)  (?j  =  2;  c  4=  0  und  Ci  =  2 ;  2  «1  =  2. 

Es  ist  also  c  ^  4  und  fZ  ^  4,  und  es  wird,  wenn  «  ^  1   und  y  ^  1, 
gesetzt  wird,  a'  =  8  w  +  5. 


124  Werner  Wolff. 

g)  d^  =  1;  c  =  0  oder  wenn  c  4=  0:  Cj  >  3;  2  a,  =  2. 
D.h.:  c  ^  0  und  d^2,  6.     Also  für  a  ^  1  und  y  ^  1    wird  a    von 
der  Form  8  n  +  3  oder  8  w  +  7. 

h)  rfi  =  1 ;  c  +  0  und  Ci  =  2 ;  2  a,  =-  2. 
D.h.:   c=4;    d  =  2,6.      Man    setze    a=l    und    7  =  2  T;    r=l. 
Dann  wird: 

a'  =  22  («2  «^  -{-  c  «2  r2  -f  2  (^  a  r^  +  2=^  e  T^), 

also  von  der  Torm  2^  (8  w  +  5). 

Auch  im  Fall  3  kommen  wir  also  auf  ein  Og»  das  in  drei 
Quadrate  zerlegbar  ist,  oder  es  nimmt  a  d'^  in  der  durch  die  Sub- 
stitution entstandenen,  neuen  Funktion  nie  die  Form  2'"(8w  +  l) 
an.     Diese  Funktion  erfüllt  auch  alle  die  frühern  Bedingungen. 


Hiemit  sind  alle  denkbaren  Fälle  erledigt,  und  es  ist  also  der 
Nachweis  geführt  worden,  dass  jede  definite  biquadratische  Funktion 
in  fünf  Quadrate  zerfällbar  ist. 


Zur  Theorie  der  Riem an n sehen  Zetafunktion. 

Von 

Edmund  Landau  in  Göttingen. 


Einleitung. 

Es  bezeichne  ^(s)  die  Riemannsche  Funktion.  Riemann')  hat 
bewiesen : 

1.  Es  ist  t{s) --7- eine  ganze  Funktion. 

2.  Es  hat  t,  (s)  für  s  =  —  2  m,  ivo  m  ganz  und  >  1  ist,  eine  Nidl- 
^teüe  erster  Ordnung. 

3.  Alle  anderen  etwaigen  Nullstellen  von  t,{s)  sind  nicht  reell  und 
gehören  dem  Streifen,  0<$ft(.s)  — ö<l  an. 

4.  Die  ganze  Funktion 

(1)  ^r(|)^-^?(.)  =  F(.,) 

genügt  der  Funktionalgleichung 

(2)  F{l-s)  =  F{s\ 

ÄO  dass  F{s)  eine  ganze  Funktion  von.  is —)    ist. 

Die  etwaigen  Nullstellen  von  F(s)  stimmen  infolgedessen  mit  den 
im  Streifen  0  <  ö  <  1  gelegenen  Nullstellen  von  t,  (s)  überein. 

Es  werde  stets  s  =  o  -\- t  i  gesetzt.  Es  bezeichne  N  (T)  für  T>  0 
die  Anzahl  der  Nullstellen  von  ^  (s),  d.  h.  F{s)  im  Rechteck  0<(7<  1, 
0  <t<T,  mehrfache  selbstverständlich  in  ihrer  Vielfachheit  gezählt. 

Es  sei  a  irgend  eine  feste  Zahl  >  1,  h  irgend  eine  feste  Zahl 
<  0.  Die  Ordinate  T  sei  von  Nullstellen  frei.  Es  bezeichne  log  t,  (s). 
bezw.  log  F(s)  zunächst  den  in  der  Halbebene  ö  >  1  regulären  Zweig, 
der  für  s  >  1  reell  ist,  und  weiterhin  das,  was  bei  Fortsetzung  längs 
der  Ordinate  T  entsteht;  hierbei  werde 


')  1    in   der  Numerierung   meines   Handbuchs  der  Lehre  von  der    Verteilung 
der  Primzahlen.  (Leipzig  und  Berlin,  1909.) 


126  Edmund  Landau. 

^  log  t  {s)  =  arc  e  (s),  ^  log  F  (5)  =  arc  i^  (s) 

geschrieben.  Schon  bevor  Stleltjes^)  seine  (für  den  vorliegenden 
Zweck  noch  viel  zu  feinen)  Untersuchungen  über  die  Abschätzung 
von  log  r{s)  für  komplexe  s  angestellt  hatte,  v^ar  es  ein  Leichtes, 
aus  den  oben  zusammengestellten  Eigenschaften  von  t,  (s)  jede  der 
sechs  Relationen  zu  beweisen: 

(3)      N{T)  =  -^  riog  T-  '  +  ff  "^  r+  0  (1)  +  Min 

wo  M(T)  eine  beliebige  der  sechs  Bedeutungen  hat: 

b+Ti  Y  +  ^^ 


^Sjlf  d«;^3j*-ff  *;^arcS(6  +  ri);larcS(l+ri); 

a  +  Ti  a+  Ti 

b+Ti 

-^  ^  J-5^  ds=4^  (arc  Fil-h  Ti)  -  arc  F  (a  -^  Ti)); 


a+  Ti 


,(^^   ..  -  |(arc  i^(|+  Tz)  -  arci^(  a+  Ti)). 

fl  +  Ti 

Dabei  zeigt  sich  natürlich  eo  ipso,    dass  je  zwei  dieser  sechs  Funk- 
tionen sich  nur  um  0  (1)  unterscheiden. 

Es    ist   nun  Herrn  von  Mangold t^)  zuerst   gelungen,   für    eine 
(d.  h.  jede)  dieser  sechs  Funktionen 

(4)  M (T)  =  0  (log'- T) 

zu  beweisen.     Dabei  war  eine  wesentliche  Grundlage  seiner  Schlüsse 


^)  Vergl.  seine  Arbeiten  Eedierches  sur  quelques  series  semi-convergentes  [Annales 
scientifiquesderEcole  Normale  Superieure,  Ser.  III,  Bd.  III  (1886),  S.  201— 258;  auch  als 
These  erschienen]  und  Sur  le  developpement  de  log  F  (a)  [Journal  de  Mathematiques 
pures  et  appliquees,  Ser.  IV,  Bd.  V  (1889),  S.  425—444].  Doch  würden  für  meinen 
Zweck  auch  die  ältei'en  Lipschitzschen  Resultate  reichlich  genügen;  vergl.  seine 
Arbeit  Ueber  die  Darstellung  gewisser  Functionen  durch  die  Eulersche  Summenformel 
[Journal  für  die  reine  und  angewandte  Mathematik,  Bd.  LVI  (1859),  S.  11—26]. 
Wie  gesagt,  ist  (3)  u.  a.  eine  leichte  Folge  aus  den  Stieltj esschen  Sätzen  über  die 
Gammafunktion.  Daher  war  es  nicht  wunderbar,  dass  ein  vor  wenigen  Jahren 
veröffentlichter  Brief  von  Stieltjes  an  Herrn  Mittag-Leffler  vom  23.  3.  1887 
(4,  Bd.  2,  S.  446—447  und  452—457)  zeigte,  dass  Stieltjes  im  Besitz  der  Rela- 
tion (3)  war.  Übrigens  war  (3)  vordem  schon  von  Herrn  Piltz  (2,  S.  25 — 26)  be- 
wiesen worden. 

^)  2.  Stieltjes  konnte  weder  (4)  noch  eine  weniger  gute  brauchbare  Formel 
über  M{T)  beweisen,  sondern  drückt  sich  in  dem  genannten  Briefe  sehr  vorsichtig 
und   korrekt  so   aus:    „En  admettant   donc   que   Ton   puisse  negliger  var.  arg.  f{s) 


Zur  Theorie  der  Riemannschen  Zetafunktion.  127" 

die    kurz  vorher  gemachte  berühmte  Hadamardsche^)  Entdeckung:. 
F  (s)  hat  unendlich  viele  jSullstellen,  und  (in  heutiger  Ausdrucks- 

(1  \^ 
s  —  Y j    das  Geschlecht  0.    Anders 

formuliert:  Es  ist 

(5)  (._i)5(.)=.|./'_^^(i_i),i, 

WO  Q  die  Wu7'zeln  im  Streifen  0  <  ö  <  1  bei  beliebiger  Anordnung  durch- 
läuft; b  ist  eine  Konstante. 

Mit  (4)  hatte  Herr  von  Mangoldt  bewiesen: 

(6)  NiT)=-^TlogT-^^±^^T^Oi\og^-T); 

aus  dem  soeben  Gesagten  folgt  (6)  zwar  zunächst  nur  für  wurzelfrei 
wachsendes    T,    damit   aber  eo  ipso    auch   für   stetig   wachsendes  T. 
Später   gelang   es  Herrn    von   Mangoldt^)    durch  Hinzufügung 
weiterer  feiner  Kunstgriffe,  sogar 

(7)  .¥(r)  =  0(logT) 

zu  beweisen  und  damit  für  stetig  wachsendes  T  die  Relation 

(8)^  N{T)  =  ^TlogT-  ^  +  ^;^^^"^y-fQ(logn 

Noch  später  gelang  es  mir^),  diesen  Beweis  von  (7)  und  (8)  zu- 
vereinfachen; den  Hadamardschen  Satz  verwende  ich  jedoch  auch: 
als  Hauptstütze  aller  meiner  Schlüsse,  wie  Herr  von  Mangoldt 
es  tat. 

Nun  fiel  zwischen  beide  von  Mangoldtschen  Abhandlungen  das- 
Erscheinen  einer  Arbeit  von  Herrn  Franel"*)  in  dieser  Vierteljahrs- 
schrift (1896).     In  Nr.  H  jener  Arbeit  will  der  Verfasser  —  in  der 

[obiges  Fis)]   sur  F  A'  [F  ist   obiges  a-h  Ti   für  a  =  2,  A  ist  obiges  ~+  T  i],. 
on  a,  approximativement, 

Quant  ä  l'approximation  de  cette  expression,  pour  la  juger,  il  faudrait  avoir 
une  idee  de  la  grandeur  de 

var.  arg.  f{s]  sur  F  A, 

Je  crois  me  rappeler  que  J'ai  fait  quelques  efforts  dans  cette  direction,  qui' 
n'ont  pas  ete  tout  ä  fait  steriles,  mais  je  ne  saurais  preciser  en  ce  moment  sans- 
etudier  d'abord  les  notes  que  j'ai  prises  sur  ce  sujet." 

')  1. 

')  7. 

')  44. 

^)4. 


128  Edmund  Landau. 

Absicht,  einen  Gedankengang,  der  Riemann  vorgelegen  habe,  "wieder- 
herzustellen —  gewissermassen  den  umgekehrten  Weg  gehen  als 
Herr  von  Mangold t.  Herr  Franel  will  erst  direkt  N{T)  abschätzen, 
ohne  den  Hadamard sehen  Satz  zu  benutzen;  er  verwendet  dann 
die  Abschätzung  von  N(T)  als  wesentliche  Stütze  zur  Herleitung  des 
Hadamardschen  Satzes.  Hieizu  beweist  Herr  Franel  zunächst  (3) 
in  einer  der  sechs  gleichwertigen  Gestalten,  nämlich  mit 


M 


(T)  ==  ^ (arci^(^+  Ti^  -  arc  F{a  +  Ti)). 


Dann  sagt  er  wörtlich^):  „On  peut  demontrer  que  l'accroissement 
eprouve  par  l'argument  de  F  (s)  lorsqu'on  decrit  le  segment  rectiligne 
B  H  reste,  quelque  soit  h,  inferieur  ä  une  grandeur  fixe."  h  ist  mein 

T,  B  mein  a-hTi,  H  mein  -Y~^Ti.     Herr  Franel  sagt  also,  man 

ikönne 

<9)  M(T)^0(\) 

beweisen;  er  sagt  dies  ohne  weitere  Begründung  und  schliesst  dann 
.aus  (3) 

,(10)  NiT)  =  -^T\ogT-  -^^t||(M  T-^0  (1), 

-worauf  er  alles  weitere  basiert.  Und  in  der  Untersuchung  des  Ver- 
haltens von  arc  i^(.s-)  auf  jener  horizontalen  Strecke,  worüber  Hierr 
Franel  mit  den  oben  zitierten  Worten  hinweggleitet,  liegt  die  ganze 
Schwierigkeit!  Bis  heute  kenne  ich  auch  für  die  durch  Herrn  von 
Mangoldt  sichergestellte  Relation 

<7)  .¥(T)=0(logn 

ja  sogar  für  seine  ältere  Relation  (4)  nur  solche  Beweisanordnungen, 
welche  sich  wesentlich  auf  den  Hadamardschen  Satz  stützen. 

Ist  nun  Herrn  Franels  Relation  (9)  richtig  oder  falsch?  Ich 
■weiss  es  nicht.  Wohl  aber  weiss  ich  auf  Grund  eines  Satzes  in  einer 
Arbeit")  von  Herrn  Bohr  und  mir,  dass  (9),  d.  h.  (10)  in  Wider- 
■spruch  mit  der  Riemann  sehen  Vermutung 

.(11)  ^s)=HOfürö>| 

steht.  Dies  auseinanderzusetzen  ist  der  Hauptzweck  der  gegenwärtigen 
Abhandlung. 


1)  S.  11.  Z.  5—3  V.  u. 

-)  Über  das  Verhalten  von  J(s)  und  t-A^)  *w  äer  Nähe  der  Geraden  ö=1 
.[Nachrichten  der  Königlichen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen,  mathe- 
matisch-physikalische Klasse,  Jahrgang  1910,  S.  303—330]. 


Zur  Theorie  der  Riemannschen  Zetafunktion.  129 

Das  Merkwürdige  ist,  dassHerrFranel  im  weiteren  Verlaufe  seiner 
Abhandlung  Schlüsse  unter  der  Voraussetzung  zieht,  dass  dieRiemann- 
«che  Vermutung  richtig  ist.  Die  Voraussetzungen,  die  er  von  S.  12  seiner 
Abhandlung  an  zugrunde  legt,  nämlich  1.  die  Tatsache  (10),  die  allerdings 
bei  ihm  keine  Hypothese,  sondern  das  Resultat  einer  dem  Leser  nicht 
mitgeteilten  Beweisführung  ist,  2.  die  Vermutung  (11)  —  stehen 
also  mit  einander  in  Widerspruch.  (10)  oder  (11)  oder  beides  ist  also 
falsch.     Was  davon  falsch  ist,  weiss  ich  nicht. 

Wenn  also  Herr  Franel  sich  endlich  nach  15  Jahren  entschliesst, 
«einen  damaligen  Beweis  von  (9),  d.  h.  (10)  bekannt  zu  geben,  und 
wenn  dieser  Beweis  richtig  ist,  so  wird  Herr  Franel  damit  das 
grosse  Verdienst  erworben  haben,  das  berühmte  Riemannsche  Problem 
(„Ist  (11)  richtig  oder  falsch?")  gelöst  zu  haben,  und  zwar  in  nega- 
tivem Sinne. 

Im  §  1  des  Folgenden  beweise  ich  bekannte  Hilfssätze  über  die 
(jlammafunktion  und  im  §  2  die  bekannte  Relation  (3).  Wenn  ich  mich 
■auch,  wo  irgend  möglich,  zur  Vermeidung  von  Wiederholungen  auf 
mein  Handbuch  beziehe,  so  habe  ich  doch  in  diesem  Buch  mit  Ab- 
sicht jene  Sätze  über  r(s)  und  die  Relation  (3)  nicht  entwickelt, 
sondern,  da  über  M{T)  doch  nur  (7)  bekannt  ist,  an  Stelle  von  (3) 
bloss 

N{T)  =  ^T\ogT-  ^+^^^f^^  T^-0(\ogT)^M{T) 

bewiesen.  Daher  die  Notwendigkeit,  hier  mit  jenen  §§  1—2  zu 
beginnen. 

Im  §  3  beweise  ich,  dass  zwischen 

(9)  if(T)  =  0(l) 

einerseits,  d.h.  (10)  einerseits  und  der  Riemannschen  Vermutung 
(11)  andererseits  ein  Widerspruch  besteht.  Es  ergibt  sich  nämlich  aus 
(9)    in    Verbindung   mit   (11),    dass    bei   festem  ö>0    die   Funktion 

t,  (s) ^  _     für  ö  >  -^  -h  Ö  beschränkt  ist ;  dies  (dass  nämlich  aus  (9) 

und  (11)  die  Beschränktheit  dieser  Funktion  folgt)  habe  ich  zuerst 
aus  einem  Briefe  Herrn  Francis  an  Herrn  von  Koch  vom  16.  2.  1901 
gelernt,  den  beide  Herren  mir  freundlichst  im  Oktober  1903  zur  Ver- 
fügung gestellt  hatten  und  den  ich  hier  mit  ihrer  Zustimmung 
erwähne.  Ich  gebe  im  §  3  zunächst  den  Franel  sehen  Beweis 
und  dann  im  §  4  einen  anderen,  der  mehr  in  meinen  üblichen  Ge- 
leisen verläuft.     Also  aus  (9)  und  (11)  folgt  die  Beschränktheit  von 

1  1 

t,{s) -— 7- für  6  > -^  +  d.  Andererseits  hat  Herr  Bohr^)  bewiesen, 


')  Vergl.  §  1  unserer  oben  erwähnten  Abhandlung. 

Viert«ljahrsschrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.     Jahrg.  56.     1911. 


130  Edmund  Landau. 

dass  t,  (s) ^— j-  sogar  für  ö  >  1  nicht  beschränkt  ist.  Daher  besteht 

zwischen  (9)  und  (11)  ein  Widerspruch. 

Im  §  4  beweise  ich  übrigens,  dass  aus  der  Richtigkeit  von  (11) 
sogar  folgt:  M{T)  hat  seinen  lim  sup  =  co  und  seinen  lim  inf  =  —  oc. 

Im  §  5  erinnere  ich  an  einen  Hilfssatz  von  Herrn  Bohr  und  mir. 
Im  §  6  beweise  ich,  dass  bereits 

M(T)  =  o(loglogT), 
d.h. 

der  Riemannschen  Vermutung  widerspricht. 

Ich  beweise  dort  ferner,  dass  sogar  die  Relation 

,.  M{T)     ^  ^ 

lim  sup  -j — ,     '     <  0 

T=^      log  log  T  =- 

der  Riemannschen  Vermutung  widerspricht.  Desgleichen  die  Relation 

lim  inf-; — r-"7jr>  0. 
T=  00     log  log  T  = 

Wenn    also    die   Rie mann  sehe  Vermutung    richtig    ist,    so    ist    der 
Quotient 

jy(r)-^riogT-  ^  +  |°g(^^>  y 


log  log  T 

bei  jedem  festen  hinreichend  kleinen  positiven  ö  immer  wieder  ein- 
mal >  h  und  immer  wieder  einmal  <  —  ö. 

Hilfssatz  1:  E^  seien  6^  und  6^><jq fest.  Dannistfür0o<6<6^ 
gleichmässig 

4||-=log^+0(l). 

Beweis:  Wegen 

r(.sH-i)  =  sr(s), 

r'{s  +  i)  ^  1        r'js) 
r(s  +  i)        s  "^  r{s) 

braucht   die  Behauptung   nur   fürs  Intervall   0  <  ö  <  1    bewiesen   zu 
werden. 


Zur  Theorie  der  Riemannschen  Zetafunklion.  131 

Nun  ist  in  der  ganzen  Ebene 

also  für  0^ff<l,^>0 

r'{s)  _  r'jti)  ^  j 1 ^  /_j 1        \ 

r(s)  r(ti)  ti        G  +  ti'^^^n  +  ti        n  +  e^ti) 


^1 

n  =  1   ^ 


ti{G-^ti)        -^^  {n^ti){n-{-  G  -\-t  i)  ' 


r'  (s)         r  (^  0 


riß)        r{ti) 


^A+  J-^=0(1). 


^  •  i      „  =  1 « • « 


Daher  braucht  die  Behauptung  nur  für  die  eine  Abszisse  ö  =  0 
bewiesen  zu  werden  und  lautet 

(13)  -^^^  logt -^0(1). 

Nach  (12)  ist 

r{ti)  '^\'~)^^^^n        n  +  ti) 

(U)  =  0  (1)  +  J  (1  -  ^^)  + ,  J^. 

Hierin  ist  für  <  >  0  die  letzte  Summe 

^       t       ^C    tdn         \       ,     u"l°^        n        ^  .,, 

W  =  1  •j'  -* 

die  erste  Summe  rechts  in  (14)  ist,  da  die  Funktion 

1 u       t^ 

~ü  ~  7(2  +  f  ~  u{it'  +  t^) 

mit  wachsendem  ii>  0  abnimmt, 

=  [log  «  - 1  log  (h'  -f  0]^+  0  (1)  =  log  t  +  0  (1). 
Aus  (14)  folgt  daher  (13)  und  somit  der  Hilfssatz  1. 


132  Edmund  Landau. 

Hilfssatz  2:  Es  bezeichne  logr'(s)  den  in  der  von  0  bis  —  oo 
(längs  der  reellen  Achse)  aufgeschnittenen  Ebene  eindeutigen  Ziveig,  der 
für  s  >  0  reell  ist-,  d.  h.  es  sei 

(15) 

arcr(s)  =  ^logr(8)  =  ^/-(7s-logs4-  J'^(|-log(l+-|- 

ivo  die  Logarithmen  rechts  ihren  imaginären  Teil  zwischen  —  tc  und  n  haben. 
Es  seien  6^  und  öj  >  Gq  fest.     Dann  ist  für  öq^ö^öj  gleichmässig 

(16)  arc  r  {s)  =  t  log  t  —  t-+- 0(1). 

Beweis:  Nach  Hilfssatz  1  (der  übrigens  hier  nicht  in  vollem 
Umfang  zur  Anwendung  kommt)  ist  es  nur  erforderlich, 

(17)  arcr{ti)  =  t\ogt—t-\rO{l) 

zu   beweisen ;    denn    aus    Hilfssatz    1    folgt   bei   festen    öq,  ö,  >  6q  für 
öo  ^  <5  ^  ^1  gleichmässig 

a  +  ti  a  +  ti 

avGr{6-^ti)-avGr{ti)=^^^ds  =  ^^[^-\ogt)ds  =  o{il 

ti  ti 

d.  h.  (16). 

Nun  ist  nach  (15)  für  ^>0 


ar 


cr(^0  =  -^^-f+J^(^-arctg^), 


wo  arc  tg  den  Wert  zwischen  0  und  —  bezeichnet.  Anders  geschrieben  : 

"y log  m  I  — -|^ -(- lim     5'(- arctg— ) 

m  , 

(18)  =— ^+ lim  (Hogw  —  ^  arctg—). 

Da  nun   die  Funktion  arc  tg  —  mit  wachsendem  positiven  u  be- 
ständig abnimmt,  ist  für  ganze  m  >  1 

vt  VI  m 

I  arc  tg  —du  — ^  <  |  ^^'^  tg  —du  <  ^  arc  tg  —  <  I  arc  tg  —du  , 
0  1  « =  1         ^ 

also 

(19)  ^  arc  tg  —  —  arc  tg  —  (Z  «  <  -^ . 


Zur  Theorie  der  Riemannschen  Zetafunklion. 
Nun  ist 

m 

J  arc  tg  —  d  2/  =  [^  w  arc  tg  —  +  Y log  {f  -f  »t^)]"  ~ 


133 


=  m 
0 


m  arc  tg  —  +  y  log  (f  -^  m^)  —  tlogt, 


(20) 


lim    (t  log  m  —  1  arc  tg  —  (^  w  j  =  t  log  i  —  1 


Nach  (18),  (19)  und  (20)  ist 


<  — 

=  2  ' 


lim  (t  log  ?w  —  ^  arc  tg  -)  —  (t  log  ^  —  ^ 

lim  (nogm—  ^arctg-)  =  Hogi-M-0(l), 

arcr{ti)  =  tlogt—  ^+0(1), 
womit  (17),  d.  h,  der  Hilfssatz  2  bewiesen  ist. 

§  2. 
Beweis  von  (3) :  Es  sei  T>  0  und  auf  der  Geraden  t  =  T  keine 
Nullstelle  von  i,{s)   gelegen.     Es   sei  a>l.     Dann   ist   bei   geraden 
Integrationswegen 

a  a+  Ti  i  —  a  +  Ti 


(21) 


\  —  a 


a+  Ti 


l—a 


^^J    F{s)  ^*^' 

l  —  a+Ti 

es  wurde  also  über  ein  gewisses  Rechteck  in  positivem  Sinne  integriert. 
Nach  (2)  ist 


F'  (1  -  s) 


F'js)  . 
F{s)   ' 


wenn  überdies  berücksichtigt  wird,  dass  F (s)  für  konjugiert  komplexe 
fe'  konjugierte  Werte  annimmt,  erkennt  man,  dass 

T,  +  Ti  4  +  Ti 


l—a—  Ti 


i-a  +  Ti 


J    F 


a  +  Ti 

und 

a  +  Ti 


{s) 


F{s) 


ds  =  —^ 


r  F'ji- 

J   F{1- 


d  s 


is) 


a  +  Ti 
a+  Ti 


-^^^ds  =  ^\-^^,^ds 


.CF 


F{s) 


\-Ti 


l  —  a 


\+  Ti 


l  —  a 


cv  C  F'  (s)  ^     _        cv  C  F'{\-s)    j     _        cv  f  F'  (s)    j     _  cv  C  F  (s)  j 
^J    F(s)  ^^-       -^J    F{l-s)  ^-^-—^J    F{s)^^^~^J    F{s)  ^^ 


l  —  a—Ti 


1  — 17  +  Ti 


134  Edmund  Landau. 

ist;  ferner  ist  F{s)  für  reelle  s  reell  und  daher 

(s) 


1  — rt 


ds  =  0 


(21)  transformiert  sich  also  in 

a+  Ti  i  +  ^*' 

a  a  +  Ti 

(22) 
7t  N{T)  =  arc  i^(a  +  Ti)  +  (arc  -F  (y  +  ^^)  —  ^^^  -^  (^  +  ^0  )• 

Nun  ist  nach  (1) 

(23) 

arc  F{s)  =  arc  s  -|-  arc  (s  —  1)  +  arc  r(~^  —  ylog  7t  +  arc  ^  (s)  ; 
mit  Rücksicht  auf 

|arc^s)|  =  |^loge(.s)|<|loge(.s)| 
ist  bei  wachsendem  T 

arc  t  {a -{- T  i)  =  0(1); 

in  Verbindung  mit  dem  Hilfssatz  2  (der  hier  nur  für  eine  feste  Ab- 
szisse zur  Anwendung  kommt)  ist  daher 


arci^(a-l-ri)  =  0(l)  +  0(l)  +  flogf-f-flog;r  +  0(l) 


T  ,      T       T       T 

—  102" 

2^2  2         2 

(24)  =lT\ogT~^±^f^T+Oil). 

Aus  (22)  und  (24)  folgt 

N{T)  =  -^  Tlog  T -  ^^^^^^^"^  r+  0  (1)  +  i¥  (T), 
wo 

if(T)=^  ^(arci^(|+  r  i)-  arc  F{a-^  Ti))  =  ^^^^ds 

a+Ti 

ist. 

Das  ist  eine  der  sechs  Formen  der  Relation  (3).  Um  zunächst 
die  andere  Form  mit  F  {s)  zu  entwickeln,  sei  a  >  1  und  &  <  0  gegeben. 
Dann  ist  nach  dem  soeben  Bewiesenen,  wenn  es  sowohl  auf  a  als  auch 
auf  1  —  6  an  Stelle  des  obigen  a  angewendet  wird. 


Zur  Theorie  der  Riemannschen  Zetafunktion.  135 

«+  Ti 
\  +  Ti  \+  Ti  \+  Ti 


\  —  h+Ti  a+Ti  1—b  +  Ti 


a+Ti  4+rj 

&  +  Ti 


a+  Ti 

=  -^  (arc  F (h  -h  T i)  —  &TC  Fia  -i-  Ti)\-{-  0  (1). 

Um  auch  die  vier  Gestalten  von  (3)  mit  t,  {s)  statt  F  (s)  zu  be- 
weisen, ist  nur  zu  berücksichtigen,  dass  für  festes  öq  nebst  festem 
<J,  >  00  nach  (23)  und  dem  Hilfssatz  2 

arci^(öo  -r  Ti)  -  arc  F{<5,  +  Ti)  =  0  (1)  +  arc  l  K  +  Ti)  -  arc  t  (ö,  +  Ti) 

ist.     Dies  liefert  unmittelbar 


4+  Ti 


=  i(ai-c5(|-+ri)-arc5(a+rO)  +  0(l)=-^aJ|Ä<js  +  o(l) 

a+Ti 
b+  Ti 

=  ^(arc  e  (6 -1- Ti)  -  arc  ^a+ ri))H- 0(1)  =  ^  ^J|^ds  + 0(1)  , 

a+Ti 

und  in  den  beiden  Formeln  mit  arc^a+Ti)  kann  dies  Glied  noch 
gegen  0  (1)  vernachlässigt  werden. 

Damit   sind    alle   in    der  Einleitung   angegebenen  Gestalten  von 
(3)  bewiesen. 

§  3. 

Satz:   Werui  die  (nach  Herrn  Frau el  angeblich  richtige)  Relation 

(10)  NiT)=^T\ogT-  '+ff^^  T+0(1) 
gilt,  so  ist  die  Riemannsche  Vermutung 

(11)  tis)^0fnr6>^ 
falsch. 


136  Edmund  Landau. 

Beweis:    Es   werde  die  Giltigkeit  von  (10)    und  (11)  vorausge-^ 
setzt.     Daraus  wird  sich  ein  Widerspruch  ergeben. 
Nach  (5)  ist 

iM^z, ^ 1  ^'(i  +  0  _^  y(_L^^l]. 

US)  s-i       2    r(|+i)      ^\s-9    '   J" 

also  ist  nach  Hilfssatz  1  bei  festem  d>  0  für  -g-  +  ^^  ^'^  1  +  ^' 


r(g) 
&(s) 


^(7^  +  7)-t1«S^+^(1)- 


ß 

Die  ^  haben  nach  (11)  die  Gestalt  -^  dl  ««  ^»  wo  0  <  «j  <  «g  <  «g  < 
ist;  daher  ist 

2(^'        ■        '        .... 


w  =  1  \  S  —  -^  —  o;„  ^  S  —  -^  +  «n  «  -^  +  fn  l  -7^  —   (hil   h 


2(-^^~^+^^—\+2^ 


n  =  l\S~-^—ant  S—^-\-ctnlJ        n=\-^^cin^ 

wo 


=  1  [s-\J+.^ 

gesetzt  ist.     Für  ^+ö^ö<lH-d  ist  daher 

(25)  1^  =  (2  s  -  1)  1^  (.)  -  |log  i  +  0  (1) 

Nun  ist,  wenn  N{ccq)  den  Wert  0  bedeutet, 

N{an)-N{an-^) 


_  J_ 


wie  eine  einfache  (aber  mit  Rücksicht  auf  den  Fall  mehrfacher  a 
nötige)  Überlegung  zeigt.  Mit  Rücksicht  auf  die  (z.  B.  nach  (10) 
reichlich  erfüllte)  Relation 


lim  ^^  =  0 


ist 


Zur  Theorie  der  Riemannschen  Zetafunktion. 
1  1 


13^ 


«  =  1  V   («  -  2")    +  '^^  (^~  "2")    +"«  +  1 


a«+l 


Nach  (10)  folgt  hieraus,  immer  -2"  +  ^  =  ^^!+^  ""d  wachsende»^ 
t  angenommen, 

(26)    t^(s)=    f'^'p^^'^'J^^^z^  +  Q   ''*         ^'''^'' 

0  0 

Das  Schlussglied  in  (26)  ist  0  (y j  wegen 

00  00 


{^-ir+"' 


^udu 


/'|(-i)'+«' 


=J 


Jv 


00 


(^-ü 


|(«-l)'  +  ä(«-i)»i-r  +  {  S»    ((»- i)' -,.  +  .)'+ 4  (»-IP: 


00 


(Zv 


00 

M%2  ~  J  ' 


c?w 


00 

Das  Hauptglied  in  (26)  ist 

2«fci«gYir-27rj 


/ 


(Z^« 


((-l)'+4 

0 

»  00         ^ 


^ 


t( 


oc 

/ 


(»-t)'+»' 


(^  W  . 


138  Edmund  Landau. 

Es  darf  statt  über  die  positive  reelle  Achse  über  den  Strahl 
u  =  (s  —  -g-]  V  (y  >  0)  von  ^'  =  0  bis  v  =  oo  integriert  werden ;  denn 
nach  einer  vorläufigen  Anwendung  des  Cauchyschen  Satzes  auf  das 
Gebiet,  welches  aus  jenem  Winkelraum  durch  zwei  Kreisbogen  mit  den 
Radien  ;•  und  ß  >  r  ausgeschnitten  wird,  ersieht  man,  dass  der  Beitrag 
-des  ersteren  Kreisbogens  für  r  =  0  den  Limes  0  hat,  der  des  zweiten 
für  R=  CO    den  Limes  0  hat.^) 

Jenes  Hauptglied  ist  also 


folglich,   wenn   durch   die   Substitution   u  =  (s ^j  v    die   Variable 

wieder  reell  gemacht  wird, 


00 


dv-\ 7-   I    —7-^ — ^dv 


s__    ,  1  +  v^  «-1    I      1+v 


0 

1       1 


S--  2 

*         2 


Daher  kommt  heraus: 

*W=T(¥7^1°«'+0(t)' 
also  nach  (25) 

(27)  ^  =  4-logi+0(l)-|log^+0(l)  =  0(l), 

füry  +  d<ö<l+ö. 

Andererseits  ist  für  ö  >  1  +  d  bekanntermassen 

r(s) 


;(s) 


0(1) 


Also   kommt   für  ö  >  —  -h  ^ 

(28)  ^=0{1) 


Us) 


heraus. 


*)   In  der  Tat  ist  die  Weglänge  <^  r  bezw.  ^  E  und   der   absolute   Betrag 
des  Integranden  für  r  <  -„  kleiner  als  c  log  y  bezw.  für  i?  >  2  kleiner  als  c"  -^2~  ' 


Zur  Theorie  der  Riemannschen  Zetafunktion.  139 

Den  vorstehenden  Beweis,  dass  (28)  aus  (10)  und  (11)  folgt, 
verdanke  ich  Herrn  Franel ;  dies  stand  in  dem  Briefe,  auf  welchen 
ich  in  der  Einleitung  angespielt  habe. 

Nun  folgt  bei  festem  d  >  0  für  4-  +  ö  <  ö  <  1  -f-  d  aus  (27) 

s 

log  t{s)\  =  \logt{l-hd^ti)^j^  du 

1  +  ö  +  ti 

<log&(l+ö)  +  0(l)  =  0(l), 
i(s)\^  e""'"^^'''  <e^'''^''''^  =  0(1). 

Also  ist  für  0  >  ^  -h  <5 

(29)  *■  e(s)  =  0(l). 

Andererseits  hat  Herr  Bohr^)  bewiesen,  dass  ^(s)  für  ö  >  1  nicht 
O  (1)  ist.  Man  kommt  also  zu  einem  Widerspruch,  und  der  am  An- 
fang dieses  Paragraphen  ausgesprochene  Satz  ist  bewiesen.  Ohne 
das  Zeichen  0  ausgedrückt:  Nach  (29)  ist  für  ö>l,^^l 

(30)  \Us)\<K, 

wo  K  eine  absolute  Konstante  ist,  und  Herr  Bohr  hatte  genau  das 
Gegenteil  von  (30)  bewiesen. 

••     •  •  K'  (s) 

übrigens  ist  der  obige  Endübergang  von    .,  ,    zu    t,  (s)   für   die 

Aufdeckung  des  Widerspruches  nicht  nötig,  wenn  an  Stelle  jenes 
Bohr  sehen  Satzes  der  ebenso  bewiesene  Satz  VIH  jener  Arbeit  be- 
nutzt wird,  nach  welchem  eine  Dirichletsche  Reihe 


2 


an 


deren  Koeffizienten  >  0  sind,   falls   sie   für  6-  =  »;  divergiert  und  für 
s>rj  konvergiert,  in  der  Viertelebene  ö  >  ?; ,  i  >  1  nicht  beschränkt  ist. 

§  4. 
Für  den  in  §  3  bewiesenen  Satz  will  ich  nun  einen  anderen 
Beweis  geben,  gleichfalls  dadurch,  dass  ich  einen  Widerspruch  zwischen 
(10),  (11)  und  dem  Satze  von  Herrn  Bohr  aufdecke.  Diese  andere 
Beweismethode  schliesst  sich  meinen  üblichen  Beweisanordnungen  an 
(sie  benutzt  neuere  fundamentale  Sätze  der  Funktionentheorie  und  ver- 
meidet dadurch  fast  alle  Rechnungen)  und  soll  auch  in  diesen  Schluss- 
paragraphen allein  verwendet  werden. 

')  Vergl.  §  1  der  erwähnten  Abhandlung. 


140  Edmund  Landau. 

Um   zugleich   mit   dem  Satz   des  §  3   auch  etwas  Neues  zu  be- 
weisen, wende  ich  mich  gleich  zum  allgemeineren 

Satz:  Es  sei  entweder  der  lim  sup  des  Ausdrucks 

T=oa 

(81)  if(r)-(^riogr+'  +  ;°f  "r) 

nicht  -\- cc  oder  der  lim  inf  nicM  —  oo .     Dann  ist  die  Riemannsche 
Vermutung 

(11)  i{s)^QfiM-6>\ 

falsch. 

Vorbemerkung:    Im  §  3  war  angenommen,    dass  beide  Unbe- 
stimmtheitsgrenzen endlich  sind,  d.  h.  dass  zugleich  der  lim  sup  nicht 

T=oo 

-]-  00   und  der  lim  inf  nicht  —  co   ist.     Der  jetzige  Satz  besagt  also 

mehr. 

Beweis:  Nach  (3)  ist  für  wurzelfrei  wachsendes  T 


N 


m~[-^Tlo^T+  ^+y-)  r)-la.rce(|+2-.)^Q(l). 


Nach  Voraussetzung  hat  (31)  seinen  lim  sup  <  +  «=>  bezw.O  seinen 
lim  inf  >  —  oo  ;  daher  hat  für  wurzelfrei  wachsendes  T  die  Funktion 
2iVct,\-^-\-  Ti^  ihren  lim  sup  <  oo  bezw.  ihren  lim  inf  >  —  oo. 
Es  gibt  also  ein  positives  &  und  ein  positives  A^  derart,  dass  für 
wurzelfreies  T >b 

arc^^Y  +  ^'iW^ibezw.  -arog(y-f  Ti^<A, 

ist.    Für  die  wurzelfreien  Tder  Strecke  0  <  T  <b  ist  sogar  offenbar^) 


arc 


i{}  +  ^i) 


<A, 


')  Um  nicht  zwei  Beweise  zu  führen,  behandle  ich  gleichzeitig  beide  Fälle. 
Die  Einfügung  des  Wortes  „bezw."  an  allen  in  Betracht  kommenden  Stellen  ver- 
hindert ein  Missverständnis. 

^)  In  der  Tat  mögen  dem  Ordinatenintervall  0  <  <  ^  ö  die  Nullstellen  4>i ,  •  •  •,  p« 
angehören;  dann  ist  die  Funktion 

g'(s)        ,     _1 1 1^ 

t;  (S)  's  —  1  S  — ßi  S — ßn 

für  Y —'^  =  %^ ^^  —  b  regulär,  also  beschränkt;   für  wurzelfreies  T  des  Intervalls 
0<  T^ftist  daher 

arc  ^(1  +  T/)  =  S/^^  ds  +  arc  S(2  +  Tl) 

2+Ti 

beschränkt,  da  ja  n  fest  ist. 


Zur  Theorie  der  Riemannschen  Zetafunktion.  141 

Für  alle  wurzelfreien  T>0  ist  daher 

(32)  arc  t,  (y  +  Tij  <  Ä^  bezw.  —  arc  ^  (y  +  Ti)  <  A3 . 

Nun  wird  (11)  angenommen;  jede  Wurzel  mit  positiver  Ordinate 

1  .  1 

hat  also  die  Gestalt  ~  -j-T^  i,  und  log  t,  (s)  ist  für  ö  >  ^ ,  ^  >  0  regulär. 

Ich   verstehe    unter   arc  t,  (s)   für  0  >  — ,  ^  >  0  den  imaginären  Teil 

dieses  Zweiges   log  &  (s)  und^)  unter  arcn^+^o*)  den    Limes  von 

arc  u-^-H- ö --h  To  2)  bei   zu  0    abnehmendem   positiven  d.     Dann   ist 

ersichtlich,  dass  (32)  auch  für  die  T  =  Tq  gilt.  Denn  es  ist  ja,  wenn 
ein  To  mit  der  Vielfachheit  v  vorliegt,  bei  zu  0  abnehmendem 
positiven  £ 

limarcS(|  +  (ro  +  £)i)  =  arcg(|+roi)-h^, 

lim  arc  Ü\-\-{T,-e)  i)  =  arc  g  (|  +  r„  i)  -  -^  , 

£=0  ^^  '  ^^  /- 

also 

(33)  arc  ^|  +  T«  i)  =  Jim ^^ ^~ ^^ L  . 

(32)  gilt  also  für  alle  r>0. 

Ich  wähle  q   so,    dass  q>  0   ist,    aber  q  unterhalb  der  Ordinate 

der   ersten    Nullstelle   liegt.     Dann   ist    in    der    Viertelebene   ö>— , 

T  >  q  die   Funktion   log  ^  {s)    regulär,    arc  g  (.§)    stetig ;    doch    hat 

log  t  (s)  auf  dem  linken  Rande  dieser  Viertelebene  die  Nullstellen  von 

t  (s)  mit  positiver  Ordinate  zu  logarithmischen  Singularitäten ;  arc  t,  (s) 

hat  sie  also  zu  Unstetigkeitsstellen. 

Es   sei  d>  0   gegeben.    Dann  schneide  ich  jede  jener  Singulari- 

j 
täten  (d.  h.  die  Nullstellen  Sq  ^  -^-\-  Tq  i  mit  Tq  >  0,  mehrfache  hier 

natürlich  nur  als  ein  geometrischer  Punkt  berücksichtigt)  durch  je 
einen  Halbkreis  nach  rechts  (der  Sq  zum  Mittelpunkt  hat)  derart  aus, 
dass  erstens  jeder  Radius-)  r  <  -^  ist,  zweitens  die  Halbkreise  sich 
nicht  treffen,  drittens  der  unterste  nicht  unter  die  Ordinate  q  hinunter- 
reicht und  viertens  auf  jedem  Halbkreis,  wenn  .s'  {==  Sq  —  r  i)  der 
untere,  s"  (=So  +  ^^)  der  obere  Endpunkt  ist, 

(3-1:)        arc  t,  (s)  <  arc  t,  (x")  +  1  bezw.  arc  t,  (.s)  >  arc  t,  (.v')  —  1 

')  Für  wurzelfreies  T>-  0  und  alle  a  war  arc  t  (s)  schon  in  der  Einleitung,'  erklärt, 
^j  r  hängt  selbstverständlich  von  Sq  ab. 


14:2  Edmund  Landau. 

ist.  Das  geht;  denn  die  drei  ersten  Bedingungen  sind  sicher  erfüllt^ 
wenn  jeder  Radius  eine  bestimmte  von  s^  abhängige  Grösse  nicht 
übersteigt,  und  die  vierte  Bedingung  ist  bei  festem  s^,  (Nullstelle  vter 
Ordnung)  für  alle  hinreichend  kleinen  r  erfüllt,  wie  man  folgender- 
massen  einsieht.     Wenn 

gesetzt  wird,  ist 

arc  q)  (s)  =  arc  ^{s)  —  v  arc  (s  —  Sq) 

in  einer  gewissen  Umgebung  des  Punktes  Sq  der  Gestalt  |  s  —  Sq  |  <  ly^ 
soweit  dabei  0  >  —  ist,  stetig,  so  dass  nach  dem  Satz  von  der  gleich- 
massigen  Stetigkeit  für  alle  hinreichend  kleinen  r  auf  dem  Halbkreise 

arc  9)  (s)  <  arc  (p  (s")  +  1  und  arc  cp  (s)  >  arc  g?  (s)  —  1 

ist;  hieraus  ergibt  sich  mit  Rücksicht  auf 

V  arc  (s  —  Sq)<v  arc  (.§' '  —  Sq)  und  v  arc  (s  —  Sq)  >  v  arc  (.s'  —  Sq) 

die  Richtigkeit  von  (34)  für  alle  hinreichend  kleinen  r. 

In  dem  Gebiet,  welches  aus  der  Viertelebene  <^^-^  ,t>q  durch 

Herausschneiden  jener  Halbkreise   entsteht,   inkl.  Rand,   ist  log  t,  (s) 

1 
regulär,   und   auf  dem   linken  Rand,    d.  h,  der  Geraden  (S  =  ^ ■,t>q 

mit  den  durch  die  Halbkreise  ersetzten  Strecken  (s'biss")  ist  nach 
(32)  und  (34) 

(35)  ^  log  t  (^  <  ^3  +  1  bezw.  -  ^  log  ^  (s)  <A,^1. 

Nun  trenne  ich  aus  dieser  Viertelebene  den  rechts  von  0  =  1  +  d 
gelegenen  Teil  ab;    diese  Gerade  trifft  keinen  der  Halbkreise  wegen 

ri     /  1  \ 

der  früheren  Festsetzung  /•  <  ^  (<-;^+  öj.  Das  so  entstehende  Gebiet, 
welches  also  links  durch  die  Gerade  a  —-^  (von  t  =  q  an)  mit  Ein- 
buchtungen,  unten   durch   die   Strecke    t  =  q,^<6<l-\-d,   rechts 

durch  die  Gerade  0  =  1  +  d  (von  t=  q  an)  begrenzt  ist,  nenne  ich  G. 
Dann  ist  (35)  auf  dem  linken  Rand  giltig.  Auf  dem  untern  und 
rechten  Rand  ist  offenbar 

\^\ogt{s)\<A,. 
Auf  dem  ganzen  Rand  von  G  ist  daher 

(36)  ^  log  S  (s)  <  A,  bezw.  -  ^  log  ^  {s)  <  A,. 


Zur  Theorie  der  Riemannschen  Zetafunktion.  liS". 

Andererseits   ist   bekanntlich^   für  y  <  (?  <  1 -(- (5,  wenn  ^  durch 

solche  Werte  wächst,  denen  keine  Nullstelle  mit  der  Ordinate  t  ent- 
spricht, gleichmässig 

arc  e(«) -^logeC?)  =  ^J  j^t^^i +  ^log^H-^^-^^)  =  0(logO^ 

l+ü  +  ti 

Nun  ist  nach  den  gemachten  Annahmen  arc  t,  (.s)  in  G  stetig,  und 
die  für  wurzelfrei  wachsendes  t  bekannte  Relation  (37)  gilt  daher 
jetzt  überhaupt,  wenn  s  im  Innern  von  O  ins  Unendliche  wächst. 
Auf  dem  Rande  von  G  galt  (36). 

Jetzt  setze  ich 

^(•^)  =  iUs)r'  =  e-''°''^'^hezw.  g  (s)  --=  (^s))^  =  i'^'^^^'K 

Diese  Funktion  g{i)  ist  in  G  inkl.  Rand  regulär;  auf  dem  Rand  ist 
wegen 

I  g  (,)  I  =  e»  ^«^  ^'  (•^>  bez w.  I  g  (s)  |  =  e" ^  '°^  ^'  ^'^ 


nach  (36)    die    Funktion  g  (s)  beschränkt;    im   Innern    ist   nach  (37) 
gleichmässig 

^(x)  =  0(^^c). 

Nach  einem  Satze  der  Herren  Phragmen  und  Lindelöf^)  ist  also  im. 

1         fi 
ganzen  Gebiet  g  (s)  beschränkt.    Insbesondere  für  -^  +  ^^ö<l  +d,. 

t>q  (was   dem  Gebiete   angehört,  weil   alle  Radien  <  -^  waren)  ist?. 
daher 

^  log  t  (s)  <  log  A,  =  A^  bezw.  -  ^  log  ^  (s)  <  A^. 

1         Ä 
Also  ist  für  ö  >  —  H-  -;^ ,  i  >  1 

^  log  t  {s)  <  A,  bezw.  -  ^  log  e  (s)  <  A,. 


*)  Vergl.  S.  372  des  Handbuches:  die  Rie  mann  sehe  Vermutung  (11)  oder  gar 
eine  unbewiesene  Annahme  über  N{T)  wird  dabei  nicht  benutzt.  (37)  ist  also  wahr 
und  besagt,  dass  in  (3) 

M{T)  =0  (log  T) 

ist;  dies  war  Herrn  von  Mangoldts  Hauptresultat  über  N(T). 

^)  Vergl.  S.  849—850  des  Handbuches;  dass  dort  auch  der  linke  Rand  gerad- 
linig ist,  ist  natürlich  für  den  Beweis  ganz  unwesentlich.  -- 


^44  Edmund  Landau. 

Daraus  folgt  nach  einem  bekannten  Satze  von  Herrn  Caratheodory^) 
für  ö>-^+ö,/>l 

\\ogUs)\<Ä,o, 
U  (s)  I  =  e^i«§^^^(^)<eli«g-f  (^)l  <  e^io  _  ^^^  . 

:also  wäre  speziell  für  0  >  1 ,  ^  >  1 

U(s)|<.4,2, 

■während  Herr  Bohr  das  Gegenteil  bewiesen  hat. 

Der  zu  Anfang  dieses  Paragraphen   ausgesprochene  Satz  ist  da- 
hHiit  bewiesen. 

§  5. 
Hilfssatz:  Es  ist  nicht  wahr,  dass  für  6>1 

-|^  =  o(loglogO 
dst. 

Mit   anderen  Worten :    Es  gibt  eine  positive  Konstante  K  derart, 
■  dass  die  Ungleichung 


r(s) 


Us) 


>  -^  log  log  t 


'hei  jedem  gegebenen  x  im  Gebiet  6>l,t>T  eine  Lösung  besitzt. 

Beweis:  Im  §  9  der  Arbeit  von  Herrn  Bohr  und  mir  ist,  wenn 
■es  dort  auch  nur  auf  spezielle  Funktionen  jener  Art  angewandt  wurde, 
..allgemein  bewiesen:     Bei  jeder  Dirichletschen  Reihe 


2 


.1«     ' 


deren  Koeffizienten  a^  >  0  sind  und  bei  passender  Wahl  zweier  posi- 
tiven Konstanten  a  und  ß   für  alle    ganzen  x^l  die  Ungleichungen 

X  ^ 

-erfüllen,   ist,   wenn    die  Reihe   bei   festem  r>l    für  6>1,1  <t<t 
beschränkt  ist,  in  der  Halbebene  0  >  1  nicht 

:^^=o  (log  logt). 


')  Vergl.  S.  299 — 300  des  Handbuches.  In  jenem  Wortlaut  ist  nur  zu  setzen: 
F{s)  =  —  i  log  ^  (s)  bezw.  i  log  ^  (s),  s,,  ==  l  +  5  +  ^  ?:,  r  --  y  +  |,  9  =  y*  ^^""  ^^®^®^"* 
er    die    Beschränktheit   von    |  log  J  (s)  |  für  ^  +  ö  ^  <j  ^  1  +  5  J  ^  |-  +  -|,    also    für 

^>  1  +  0,^^1. 


Zur  Theorie  der  Rieniannschen  Zetafunklion.  145 

Wird  dies  auf 


l->^  ■-  =  !  +  >' 


S(s)  ^  P 


ms 


p,  m 

angewendet,   so    erkennt  man  die  Richtigkeit  des  obigen  Hilfssatzes. 

§  6. 
Satz:  Es  habe  der  Ausdruck 


Nm-{-^Tl0gT^    l  +  log(2.)y^ 

log  log  T 

für  J"  =  00    den  Limes  0  oder  auch  nur  seinen  lim  siip  <  0  oder  seinen 
lim  inf>0.    Dann  ist  die  Riemannsche   Vtrmutuug 

(11)  ^^•)  +  0/)Vö>| 

falsch. 

Beweis:  Es  sei 

lim  sup  <  0  bezw.  lim  inf  >  0. 
Dann  ist  für  wurzelfrei  wachsendes  T  nach  (3) 

^vcti^  +  Ti)  arc&(4  +  Ti) 

( 38)       lim  sup  — r-h — Ttr-^  <  0  bezw.  lim  inf  — y-^, — 7f~-  >  0. 

^   ^  y=x  log  log  T        =  T=^  log  log  T        — 

Nun   werde   (11)   als   richtig   vorausgesetzt   und   arc  ^.s-)   im    Gebiet 

ö>^,^>0  wie  in  §  4  definiert.     Dann   ist  nach  (33)   die  Relation 

(38)  sogar  für  stetig  wachsendes  T  giltig. 

Es  mögen  8  und  y  zwei  willkürlich  gegebene  positive  Konstanten 
bezeichnen.  Nach  (38)  ist  für  alle  hinreichend  grossen  T 

arc  ^  (y  4-  ri)  <  y  log  log  T  bezw.  —  arc  l[\+T  i)  <  y  log  log  T, 
d.h.  für  alle  r>0 
arc  e  (l"  H-  r  ^)  <  y  log  log  (T  +  2)  +  c,  bezw. 

-  arc  ^  (-|-  +  r  i)  <  y  log  log  (r  +  2)  +  c„ 

wo  Cy  eine  passend  wählbare  Konstante  ist. 

Ich   wähle  q  wie   in  §  4.     Es  war  5>0  schon  vorhin  gegeben. 
Ich  wähle  die  r  =  r  {s^  und  konstruiere   das   Gebiet  G  wie  in  §  4. 

Dann  ist  nach  (34)  auf  dem  linken  Rand  von  G  (wenn  /'  <  y  berück- 
sichtigt wird) 

Vferteljabrsschrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.  J.ihrß.  5C.     1011  10 


146  Edmund  Landau. 

arc  t  (s)  <  y  log  log  (  ^  +  2  +  y j  +  ^ ,  +  1  bezw. 

—  arc  e  i^)  <  y  log  log  (^  +  2)  +  c^  H-  1, 
d.h. 
S  log  ^  (s)  <  y  log  log  {t  +  2)  +  Ca  bezw. 

—  ^  log  e  (s)  <  y  log  log  (^  -f  2)  -!-  C2, 

auf  dem  untern  und  rechten  Rande 

i,^ioge(.s:)i<r3. 

Also  ist  auf  dem  ganzen  Rande  von  G 

'^  log  ^  (y^  <  y  log  log  (t  4-  2)  -+  C4  bezw. 

-  ^  log  t  (s)  <  y  log  log  {t   f-  2)  -f  c,. 

Im  Innern  von  (?  ist,  wie  in  §  4  auseinandergesetzt, 

^  log  l  (»  =  0  (log  0. 
Ich  setze  auch  hier 

[)  [s)  =  (^  G'^))"'  =  e-^'^''^^'^^^^  bezw..^  {s)  =  {t  (s)/  =  e''''''^. 
Dann  ist  in  O  inkl.  Rand  ^  (s)  regulär.     Auf  dem  Rand  ist 

im  Innern  von  G  ist 

Ich  verstehe  jetzt  unter  log  log  s  den  in  der  von  1  bis  —  co 
(längs  der  reellen  Achse)  aufgeschnittenen  Ebene  regulären  Zweig, 
der  für  5  >  1  reell  ist,  und  setze 

y  log- logt.-  V   ^ 

Ji  (.s)  ist  in  G  inkl.  Rand  regulär.    Auf  dem  Rand  und  im  Innern,  so- 
weit dabei  ^  >  1  ist,  ist 

9t  log  log  s  =--  log  I  log  s  I  >  log  (9i  log  s)  ==  log  log  |  .'^  |  >  log  log  t. 

Überall  auf  dem  Rande  und  im  Innern  ist  also 

9i  log  log  s  >  log  log  (^  +  2)  —  Cg. 

Daher  ist  auf  dem  Rande  von  G 

l''W|—    ;.9iloglogs  <ß  ~^     —  ^^J-J' 


Zur  Theorie  der  Riemailnscheil  Zetafuiiktion.  l47 

im  Innern  von  G 

Nach  dem  Phragmen- Li ndelöf sehen  Satz  ist  also  im  Innern 
-J0JJ  =  /,  (.,)  ==  0  (1), 

also  wegen 

9^  log  log  .s'  =  log  I  log  .>^  I  -:  log  (log  t  +  0  (1))  =  log  log  t-\-0{l) 

log  \(j{s)\<y  log  log  i  4-  0  (1), 

(  ^  log  e  (s)  <  y  log  log  f  +  0  (1)  bezw. 

^     M.  -^log^s)<yloglog/+0(l). 

(39)  gilt  in  G,  also  speziell  im  Streifen  -^-\--^<g<1-\-ö,  folglich 

1  Ä  1  Ä 

in  der  Halbebene  ö>  — +  — •     Für  ö>  — +  -,^>3  ist  daher 

(40)  ^  log  e  (s-)  <  y  log  log  t  +  Cg  bezw.  —  ^  log  e  (s)  <  y  log  log  f  +  Cg. 

Nun  wende  ich  den  Caratheodoryschen  Satz  auf  die  Funktion 
—  i  log  t,  {s)  bezw.  i  log  ^  (s)  und  die  beiden  Kreise  mit  dem  Mittelpunkt 

1  +  d  +  ^z,  wo  ^>-^  +  -^  ist,    und    den    beiden   Radien   r—^-h-^ 

1  ri 

und  (?  =  -:^-|-x  ^^'  Dann  ist  nach  (40)  auf  dem  horizontalen  linken 
Radius  des  kleineren  Kreises,  d.  h.  auf  der  geraden  Strecke  von 
-^  -{- -r- d  -\- t  i  h\3  l  -{-  d  -}-  t  i  für  t>-^-\--^ 


I  log  t  (s)  \<\ogt  (1  +  ö)  +  log  £  (1  +  ö) 


4 


-f-  2  (y  log  log  (^  -h  I  + 1)  +  Co)  ^-^  <  l(i±^  log  log  ^  +  r.o. 

Folglich  ist  in  der  Viertelebene  ö  >  ^  +  ^  ö,  ^  >  3 
(41)  \logt{s)\<^^^^^log\ogt-^c,,. 


148 


Edmund  Landau. 


Nach    einer   C au chy sehen    Ungleichung   ist   folglich    für   ö>^-|-ö, 

^>3-f-y,    da   das  Maximum    von    |  log  ^s)  |  auf  dem  Kreise   um  s 

mit  dem  Radius  y  nach  (41)  kleiner  als  — - — ^ — ~  log  log  ( t  -f-  -j- 1  -f-  c^ 
ist, 


r(s) 


US) 


d  log  ^  (s) 


rfs 


2(2+6);'     ,,/,.     6\    , 

/        loglog   ^4      j  +  Cn          8(2  +  g)y,        ,        ,    ^ 
< 3 <  ^ log  log  f  -+  C,2  ; 


für()>~+ö,  ^>3  ist  also 


r(s) 


^(■s) 


^  8  (2  +  5)  y  1      1       -   , 

<         ,.2         log  log  ^  +  Ci3. 


Hierin  waren  j^  >  0  und  ö>0  willkürlich  gegeben  und  c^^  eine  von 
y  und  d  abhängige  Konstante.  Daher  ist  —  weil  ich  eben  zu  einem 
festen  d>  0  jedes  noch  so  kleine  y  >  0  nehmen  kann  —  bei  festem 

d  >  0  für  ö  >  —  +  d  gieichmässig 


r(s) 


:{s) 


=  0  (log  log  0- 


Dies  Ergebnis   ist  aber  bereits  für  ö  =  y  auf  Grund  des  Hilfssatzes 

aus  §  5   falsch.     Der   zu  Anfang  dieses  §  6  ausgesprochene  Satz  ist 
damit  bewiesen. 


Göttingen,  den  12.  Juni  1911, 


Aus  der  Geometrie 
des  endlichen  und  des  unendlich-dimensionalen  Raumes. 

Von 

Paul  Nabholz. 


Bekanntlich  lassen  sich  die  arithmetisch  formulierten  Sätze  der  Geo- 
metrie des  1,  2  und  3-dimensionalen  Raumes  widerspruchslos  auf  den 
Raum  von  n  Dimensionen  übertragen,  und  die  Formeln  der  analyti- 
schen Geometiie  des  //-dimensionalen  Raumes  unterscheiden  sich  von 
denjenigen  des  wirklichen  Raumes  nur  darin,  dass  sie  anstatt  1,  2 
oder  3  Variable  )i  solche  enthalten.^)  Diese  Tatsache  mag  schon 
Grassmann  bewogenhaben,  in  seiner  „linealen  Aus  dehn  ungsl  ehre" 
von  1844  und  1862  rein  algebraischen  Ausdrücken  geometri- 
sche Namen  wie  „extensive  Grösse"  (Vektor),  „Gebiet  >/-ter  Stufe" 
(linearer  Raum),  „Abschattung"  (Projektion^  beizulegen. 

Lässt  man  in  den  genannten  algebraischen  Ausdrücken  die  An- 
zahl der  Variabein  über  alle  Grenzen  wachsen,  so  gelangt  man  zur 
Geometrie  des  unendlich  dimensionalen  Raumes. 

Wie  die  Geometrie  des  linearen  //-dimensionalen  Raumes  zu 
anschaulichen  von  Determinanten  unabhängigen  Methoden  zur  Behand- 
lung linearer  Gleichungen  mit  n  Uubekannten  führte,  so  ergab  die 
.Geometrie  des  linearen  unendlich-dimensionalen  Raumes  entspechende 
Methoden  zur  Diskussion  linearer  Gleichungen  mit  unendlich  vielen 
Unbekannten,  welchem  Problem  sie  in  erster  Linie  ihre  Ausbildung  zu 
verdanken  hat.-) 

Es  soll  hier  ohne  ausführliche  Beweise  an  einigen  Beispielen  ge- 
zeigt werden,  dass  neben  einigen  bemerkenswerten  Sätzen, 
welche   für   den   unendlich   dimensionalen  Raum  charakter- 

*)  Schoute:  Mehrdimensionale  Geometiie.    Sammlung  Schubert  1908. 

^)  E  Schmidt:  Über  die  Auflösung  linearer  Gleichungen  mit  unendlirh  vielen 
Uniiekannlen.     Hendir.  d.  Circ.  Math.  d.  Palermo  XXV. 

Dissertation  des  Verfassers,  Zürich  l'.MO:  Geomelrisclio  Interpretation  linearer  Ab- 
hängigkeiten und  ihre  Anwendung  auf  endliche  und  unendliche  lineare  Gleichungs- 
svsteme. 


1,"")U  Paul  JN' ab  holz. 

istisch   sind,    dessen  Geometrie  zu    derjenigen  des  endlich-dimen- 
sionalen  Raumes  grosse  Analogien  aufweist. 


Unter  einem  Vektor  A  im  n-dimensionalen  Raum  versteht  man 
ein  System  von  n  reellen  Zahlen,  den  Koordinaten  a^,  a^-  -  •  ci„,  und  als 
Länge  \A\  des  Vektors  bezeichnet  man  deren  als  konvergent  vor- 
ausgesetzte Quadratsumme  in  der  halben  Potenz: 

(1)  1^1  =  ]ijr^^. 

(Es  ist  über  alle  Koordinaten  cii  ^2  •  •  •  zu  summieren). 

Eine  Menge  von  Vektoren  nennt  man  „unter  sich  unabhängig", 
wenn  kein  Vektor  derselben  aus  einer  endlichen  Teilmenge  linear- 
homogen abgeleitet  werden  kann.  Im  gewöhnlichen  stereometrischen 
Raum  sind  beispielsweise  drei  unter  sich  unabhängige  Vektoren  solche, 
die  nicht  in  einer  Ebene  liegen  und  zwei  unter  sich  unabhängige 
Vektoren  solche,  die  nicht  in  derselben  Geraden  liegen. 

Ist  A  ein  Vektor,  in  dessen  jeder  beliebig  kleinen  Umgebung  f 
ein  Vektor  J[*''  einer  gegebenen  Menge  liegt,  d.  h.  für  welchen  für 
jedes  B  ein  r  existiert,  so  dass 

(2)  \A  —  A"-'|  =  il\a,.-  a\:y'<  £  ist, 

(V) 

so  nennt  man  A  einen  „Häufungsvektor"  der  gegebenen  Vektoren- 
menge. Enthält  diese  keine  Häufungsvektoren,  so  bezeichnet  man  sie 
als  „absolut  unabhängig"'),  wie  es  z.  B.  eine  Menge  unter  sich 
orthogonaler  Vektoren  ist.)^ 

Besteht  nun  die  Menge  aus  der  Folge  von  Vektoren  A^^\  A'-\  •  •  • 
und  hat  diese  nur  den  einen  Häufungsvektor  A,  so  nennt  man  die 
Folge  konvergent  und  bezeichnet  A  als  ihren  Grenzvektor 

(3)  A  =  lim  J."> 

Es  folgt  dann  aus  Gleichung  (2),  dass  die  Koordinaten  der 
Vektoren  gleichmässig  nach  den  Koordinaten  des  Grenzvek- 
tors konvergieren,  d.  h.  es  gibt  für  jedes  e  ein  li^,  so  dass 

')  Dissej-t.  d.  Verf.  pag.  9  und  72. 

2)  Zwei  Vektoren  A''^  und  A'-^^  sind  orthogonal,  bedeutet; 

VflW  ^m  —   j(0  AW  —  i         0   ^"*"  '■=!='''■ 
^  a,,  «,,   —  Ji.    j±     —  t|J.(')|2  i  ~  ]■ 

Diese  Summe  ist  auch  für  Vektoren  mit  unendlich  vielen  Koordinaten  endlich, 
Avenn  nur   deren  Längen  endlich  sind. 


Aus  der  Geomelrie  des  endlichen  und  des  uuendlicli-diinensiunalen  Raumes.    151 

(4)  \a,.  —  a['P\  <  8  für  jedes  v,  wenn  /•  >  E,  ist. 

Wollen  wir  diesen  Satz  umkehren,  so  tritt  uns  ein  erster  wesent- 
licher Unterschied  zwischen  Vektoren  mit  endlich  vielen 
Koordinaten  und  solchen  mit  unendlich  vielen  entgegen, 
indem  die  Gleichung  (3)  nur  im  endlich-dimensionalen  Raum  eine 
notwendige  Folge  von  Gleichung  (4)  ist.  Ist  z.  B.  A'^\  A'^\  •  -  ■ 
eine  Vektorenfolge,    wo  der  Vektor  .4'''  die  Koordinaten 

, ,.j I  —^  für V ^r 

^>'    —  \]r 

hat,  so  konvergieren  diese  offenbar  mit  wachsendem  r  gleichmässig 
nach  den  Koordinaten  des  Nullvektors  Q,  während  die  Entfernungen 
von  .4!''  zu  Q  entgegen  Gleichung  (2)  für  jedes  r 


|A")-  Ql  =V^(-^)'>aist,  wo« 


die  kleinste  unter  den  von  Null  verschieden  vorausgesetzten  Zahlen 
a,.  bedeutet. 

Eine  weitere  charakteristische  Eigenschaft  des  unendlich  dimen- 
sionalen  Raumes,  die  wir  hier  erwähnen  wollen,  ergibt  sich  aus  der 
Betrachtung  der  „linearen  Räume". 

Ist  eine  Vektorenmenge  gegeben,  so  versteht  man  unter  dem 
„linearen  Raum"  dieser  Menge  als  Basis:  die  Gesamtheit  der  Vek- 
toren, welche  aus  endlichen  Teilmengen  linear-homogen  abge- 
leitet werden  können  samt  den  Häufungsvektoren  der  so  erhaltenen 
Menge.  Lässt  sich  der  so  definierte  Raum  aus  einer  endlichen  Anzahl 
von  Vektoren  ableiten,  so  nennen  wir  ihn  endlich-,  andernfalls  un- 
endlich-dimensional.  Für  jeden  endlich-dimensionalen  Raum 
gibt  es  eine  für  ihn  charakteristische  Anzahl  (Dimensionszahl)  von 
unter  sich  unabhängigen  Vektoren,  aus  denen  er  abgeleitet  werden 
kann.')  So  sind  z.  B.  die  Gerade  durch  einen,  die  Ebene  durch  zwei, 
und  der  stereometrische  Raum  durch  drei  unter  sich  unabhängige 
Vektoren  bestimmt. 

Bilden  die  unter  sich  unabhängigen  Vektoren  A^,  Ä2.  -  •  •  Äs  die 
Basis  des  ,'?-dimensionalen  Raumes  2{„,  so  hat  nach  der  Definition 
jeder  Vektor  A  von  21,  die  Form 

(5)  ^  =  2:«,.^,, 

i  =  1 


')  Dissert.  d.  Verf.  p.  30. 


152  Paul  Nabholz, 

welche  Gleichung  an  Stelle  der  n  Gleichungen 

s 

(5')  ciy  =  2J  «i  «i,  für  V  =  1,  2,  •  ■  •  >^ 

gesetzt  ist. 

Ist  im  besondern  s  =  2  und  n  =  3,  so  bilden  die  beiden  Vektoren 
A^  und  ^2  ^^^  beiden  aneinanderstossenden  Seiten  des  Parallelo- 
gramms, welches  den  Vektor  A  zur  Diagonale  hat.  Für  s  =  3 
können  ebenso  J.i,  A,  und  A^.  die  drei  von  einer  Ecke  eines  Parallele- 
pipeds  ausgehenden  Kanten  gedeutet  werden,  in  welchem  A  die 
Körperdiagonale  ist. 

Auch  in  dem  Falle,  wo  A  ein  Grenzvektor  von  2t^.  ist,  kann  er  als 
eine  solche  Diagonale  eines  s-dimensionalen  Parallelepipeds,  d.  h.  in 
der  Form  (5)  dargestellt  werden.     Ist  nämlich 

A  =-  lim  A"-\ 

s 

so  hat  jeder  Vektor  A*''  nach  Definition  die  Form  J.'''  =  E  «'•"'  A-,,  wo 

/  =  i 

Ai  (i  =  1,  2  •  •  •  s  wieder  die  s  Basisvektoren   bedeuten.  Da  s  endlich 
ist,  so  wird 

^  =  lim     Sa^'P  Ai  =  Ia,Ai, 

r  =x(x>    i  =  l  i  =  l 

wo  «,  für  lim  «'<''  gesetzt  ist,  welcher  wegen  (5')  und  (4)  existiert. 
Diese  Verhältnisse  gestalten  sich  nun  im  unendlich-dimen- 
sionalen  Raum  wesentlich  mannigfaltiger.  Ist  die  Basis  eine  abzähl- 
bare, unter  sich  absolut  unabhängige  Vektorenmenge,  so  zerfällt 
der  zugehörige  unendlich-dimensionale  Raum  immer  in  zwei  eindeutig 
bestimmte  Teile,  den  „innern  Raum",  als  die  Gesamtheit  der  Vek- 
toren, welcher  aus  einer  endlichen  Teilmenge  der  Basis  abge- 
leitet werden  können,  und  den  „Grenzraum",  als  die  Gesamtheit 
der  Vektoren,  die  nur  als  Häufungsvektoren  des  „innern  Raumes" 
dargestellt  werden  können.  Es  ist  nun  dem  Grenzraum  eigen,  dass 
seine  Vektoren  im  allgemeinen  nicht  mehr  als  Diagonalen  des 
von  den  Basisvektoren  A,^,  A^  •  •  •  gebideten  Parallelepipedons, 
d.  h.  in  der  Form 

(5)  A  =  Ia,A, 

2=1 

dargestellt  werden   können.     Sie   haben  vielmehr   die    kompliziertere 
Form 

(6)  A  =  \im     iaVA,-, 

r  =  cc    /  =  1 

>velche   aber   immer  in  die  einfachere  Form  (5)  übergeht,    wenn   die 


Aus  der  Geometrie  des  endlichen  und  des  unendlich-dimensionalen  Raumes.    153 

Basisvektoren  unter  sich  orthogonal  sind,  oder  geometrisch  ge- 
sprochen, wenn  das  von  den  Basisvektoren  gebildete  Parallelepipedon 
rechtwinklig  ist. 

Der  Beweis  sei  hier  mitgeteilt,  da  er  Gelegenheit  bietet,  diejenigen 
Hauptsätze  anzuführen,  welche  den  Geometrien  des  wirklichen,  des 
»-dimensionalen  und  des  unendlich-dimensionalen  Raumes  gemein- 
schaftlich sind. 

Ist  ein  beliebiger  linearer  Raum  51  und  ein  Vektor  A  gegeben,  so 
kann  dieser  in  bezug  auf  den  gegebenen  Räumet  immer  in  eindeutiger 
Weise  in  zwei  zu  einander  orthogonale  Komponenten  zer- 
legt werden,  von  denen  die  eine  Ä  (Projektion  von  Ä)  im  gege- 
benen Raum  liegt,  während  die  andere  P  (Perpendikel  von  Ä)  zu 
diesem  orthogonal  ist.  Das  Verschwinden  von  P  ist  dann  ein 
notwendiges  und  hinreichendes  Kriterium  dafür,  dass  der  Vektor 
A  im  gegebenen  Raum  31  enthalten  ist.  Anderseits  ist  A  von  den  Vek- 
toren des  gegebenen  Raumes  absolut  unabhängig,  d.  h.  er  liegt 
ausserhalb  des  Raumes,  wenn  das  Perpendikel  P  von  Null  ver- 
schieden wird.^) 

Bezeichnen  wir  nun  mit  ^l,.  den  /-dimensionalen  Raum  mit  den 
r  ersten  Vektoren  der  absolut  unabhängigen  Folge  A^,  A^  -•  •  als 
Basis,  so  kann  für  jedes  r  der  gegebene  Grenzvektor  A  eindeutig 
in  die  Projektion  A"'^  auf  den  Raum  ST,,  und  das  zugehörige  Perpen- 
dikel P"  zerlegt  werden.  Es  ist  namentlich  auch 

(7)  A  =  lim{A'"-\-P") 

r  =  X 

die  immer  mögliche  Zerlegung  von  A  in  bezug  auf  den  Raum  %. 
Da  aber  A  im  Räume  31  liegt,  so  ist  notwendig  lim  P'''  =  0  und 

somit 

(8)  .4  =  lim  A"-' 

r  —  X 

Der  Vektor  A}'"'  liegt  anderseits  im  Raum  21,.  und  hat  deshalb 
die  Form 

(9)  A"-'  =  i  a'7  Ai  =  A—  P'-'-\ 

1=1 

wo  sich  die  Koeffizienten  «';'  in  eindeutiger  Weise  folgendermassen 
bestimmen : 

Ist  Pa    das  Perpendikel    von    .1/,   auf   den    Raum  31'**  mit   allen 

Übrigen  Vektoren  A^  als  Basis,  so  kann  dieses  wegen  der  absoluten 

Unabhängigkeit    der  Basis   für    kein    /.'  verschwinden,    und  es  ist 

')  Dissert.  d.  Verf.  p.  3G  und  70. 


154  Paul  Nahholz. 

p    ,    _  f  0  für  /  +  /•• 

Multipliziert  man  daher  Gleichung  (9)  mit  P/„  so  bleibt  noch 

P,  A"'  =  ar  i^  A.  =  i^.  A  -  i^  P'"; 
also  wird 

P  4''*         P  /4  P  P<'*         •  1 

(10)  «';•  =  -^  =  ^1 ^ für ;.}  =  1,  2,  .  .  •  ad  inf. 

Wegen  Gleichung  (8)  und  (9)  hat  dann  A  die  Form  (6) 

(11)  A  =  lim    2J-^^A, 

r  =  oc     i  =1         -T^f 

-  lim    2;  -^  ,1^  -  hm     2;  -^  A, 

Von  dieser  Differenz  entspricht  nur  der  Minuend  der  „Diagonal- 
form"   (5),   und  obwohl  im  Subtrahenden  die  einzelnen  Koeffizienten 

p.  p(" 

— "—^ — wegen   lim  P"' :=  0   für   r  ••=  co    verschwinden,    so   wird    doch 

der  Subtrahend  im  allgemeinen  nicht  verschwinden. 

Ist  dagegen  die  Basis  ^1,^3  •••  unter  sich  orthogonal,  so  ist 
offenbar  für  jedes  k  das  Perpendikel  P^^^Ai,  und  da  P''*  ±  A,,  für 

k<r,  so  verschwindet — ^5 — für  jedes  /■  und  somit  auch  der  Sub- 
trahend von  Gleichung  (11),  so  dass  in  der  Tat  die  Form  ((5)  in  die 
Form  (5)  übergeht,  wenn  die  Basis  aus  unter  sich  orthogonalen 
Vektoren  besteht. 

Endlich  wollen  wir  noch  den  Raum  betrachten,  welcher  jeden 
beliebigen  Vektor  enthält  und  als  „Gesamtraum"  bezeichnet 
Averden  möge.  Operieren  wir  nur  mit  Vektoren,  die  >/  Koordinaten 
haben,  so  ist  der  Gesamtraum  einfach  der  >^-dimensionale  Raum. 
Wächst  dagegen  u  über  alle  Grenzen,  so  ist  nicht  mehr  jeder  unend- 
lich-dimensionale  Raum  Gesamtraum.  Man  kann  nun  aber  von  jedem 
vorgelegten  unendlich-dimensionalen  Raum  entscheiden,  ob  er  Gesamt- 
raum ist  oder  nicht. 

Ist  nämlich  die  Folge  A^^A.^,  ■  •  •  die  Basis  des  gegebenen  Raumes,  so 
lässt  sich  aus  dieser  immer  eine  orthogonale  normierte  Basis  ^)  Pi ,  Pg  1  * " ' 
desselben  Raumes  ableiten.   Die  so  erhaltene  Vektorenfolge  Pj  mit  den 


*)  Die  Folge  J5i,  B»,  ■  •  •  ist  orthogonal  und  normiert,  wenn 
„    „  I  0  für  i  =1^  k   .  ^ 


Aus  der  Geoiiieliiu  des  endlichen  und  des  uneudlicli-diuiensionaleii  Raumes.    155 

Koordinaten  h^ ,  hi^,  6,3,  •  •  •  für  ^  =  1,  2,  •  •  •  ad  inf.  bildet  nun  dann  und 
nur  dann  eine  Basis  des  Gesamtraumes,  wenn  die  sämtlichen  Vektoren 
der  Folge  B,;  mit  den  Koordinaten  h,,i  =■  h^^,  bjc2  =  h^u,  b,,^  =  h^j,.  . . 
ad  inf.  für  /<;  =  1,  2,  •••  ad  inf.  die  Länge  eins  haben.  Zudem  hat  sich 
noch  gezeigt,  dass  die  beiden  Folgen  Bi,  Bo,  •  •  •  und  B^,  B2,-  •  •  immer 
gleichzeitig  eine  orthogonale  und  normierte  Basis  des  Gesamt- 
raumes bilden. ') 


')    Kowalewski:    Einführung   in    die  Determinantentheorie,  p.  418  und  Dissert 
d.  Verf.  p.  76. 


Die  Frage  nach  der  atomistischen  Struktur  der  Energie. 

Von 

P.  Debye. 

Akadeniische  Antritlsrede,  gehalten  in  der  Aula  der  Universität  Zürich 
am  8.  JuU  1911. 


Verehrte  Anwesende! 

Ich  habe  mir  vorgenommen,  heute  vor  Ihnen  einige  Erfahrungs- 
resultate zu  beleuchten  im  Lichte  einer  neuen,  mei'kwürdigen  Hypo- 
these, welche  in  den  letzten  Jahren  aufgetaucht  ist.  Unverkennbare 
Zeichen  ihrer  grossen  Tragweite  sind  jetzt  in  so  grosser  Zahl  vor- 
handen, dass  diese  Hypothese  auch  ausserhalb  des  engeren  Fachkreises 
ein  reges  Interesse  beanspruchen  darf.  Ich  will  sprechen  über  die 
Tatsachen,  welche  uns  dazu  führen,  eine  atomistische  Struktur 
der  Energie  zu  postulieren. 

Längst  haben  wir  uns  ja  alle  daran  gewöhnt,  eine  untere  Teil- 
barkeitsgrenze der  Materie  anzunehmen,  wäre  doch  ohne  den  Begriff 
des  Atoms  die  ganze  Chemie  ohne  klaren  Ausgangspunkt.  Neuer 
schon  ist  die  Übertragung  derselben  Gedankenreihe  in  das  Gebiet 
der  Elektrizität,  aber  auch  hier  dürfen  wir  behaupten,  dass  das  Elek- 
tron, das  Atom  der  Elektrizität,  seine  reale  Existenz  bewiesen  hat. 
Ganz  neuerdings  hat  Weiss  ein  Atom  des  magnetischen  Moments 
postnliert  und  alle  Tatsachen,  die  er  bis  jetzt  zusammengebracht 
hat,  sprechen  unbedingt  für  die  Richtigkeit  seiner  Auffassung.  Denn- 
noch  dürfte  schliesslich  die  Annahme  eines  Energieatoms  etwas 
fremdartig  anmuten  und  um  zunächst  das  unangenehme  Gefühl, 
mit  dem  wir  diesem  Begriff  begegnen  werden,  überwinden  zu  helfen, 
will  ich  vor  allem  einige  Tatsachen  hervorheben,  welche  uns  vermuten 
lassen,  dass  der  Unterschied  zwischen  Energie  und  Materie  kein  so 
tiefgreifender  ist  wie  man  gewöhnlich  denkt.  Zu  diesem  Zwecke  will 
ich  zeigen,  dass  zwei  Begriffe,  denen  man  sonst  nur  in  der  Mechanik  zu 
begegnen  gewöhnt  ist,  die  Begriffe  Impuls  und  Masse  beide  sich 
ohne  weiteres  auf  die  Energie  übertragen  lassen.  Zunächst  zu  dem 
Begriff  Impuls. 


Die  Frage  nach  der  atomistischen  Struktur  der  Energie.  157 

Denken  Sie  sich  einen  Massenpunkt,  welcher  sich  mit  einer 
gewissen  Geschwindigkeit  bewegt.  Das  Grundgesetz  der  Mechanik  be- 
sagt dann,  dass  eine  Änderung  dieser  Geschwindigkeit  nur  zustande 
kommen  kann  durch  Einwirkung  einer  Kraft.  Man  kann  das  präziser 
so  ausdrücken,  dass  man  sagt :  Bilde  ich  das  Produkt  Masse  mal  Ge- 
schwindigkeit und  nenne  dieses  Produkt  den  „Impuls"  des  Massen- 
punktes, so  lautet  das  Grundgesetz  der  Mechanik:  „Die  Impulsän- 
derung ist  proportional  der  Kraftwirkung"  und  im  speziellen  wenn 
keine  Kraft  vorhanden  ist:  „Der  Impuls  bleibt  zeitlich  konstant." 
Die  Frage  tritt  nun  auf,  ob  die  Konstanz  des  Impulses  auch  für 
solche  von  äusseren  Kräften  freie  Systeme  behauptet  werden  kann, 
welche  nicht  rein  materiell  sind.  Wir  befinden  uns  in  der  glück- 
lichen Lage  neben  einer  klaren  schon  von  Maxwell  begründeten 
Theorie  auch  Experimente  zu  besitzen,  welche  über  diese  Frage  Auf- 
schluss  erteilen  können.  Es  sind  das  Experimente,  ausgeführt  von 
Lebedew,  sowie  von  Nichols  und  Hüll,  welche  unzweideutig  zeigen, 
dass  auf  einen  Körper  auffallende  Strahlung  auf  denselben  eine  mecha- 
nische Kraft  ausübt.  Zwar  werden  wir  für  unsren  unmittelbaren  Zweck 
ein  Gedankenexperiment  bevorzugen,  aber  dessen  Resultat  ist  nach  jenen 
Versuchen  nicht  im  mindesten  zweifelhaft.  Denken  wir  uns  eine 
Hohlkugel,  welche  nach  allen  Richtungen  gegen  Wärmeabgabe  nach 
aussen  geschützt  ist  mit  Ausnahme  einer  kleinen  Öffnung.  Sie  sei 
wärmer  wie  die  Umgebung,  strahlt  also  fortwährend  Energie  in  eine 
Richtung  nach  aussen.  Hängen  wir  die  Kngel  nun  so  auf,  dass  sie 
jedem  kleinsten  Druck  nachgeben  kann,  so  werden  wir  beobachten, 
dass  sie  langsam  eine  Bewegung  annimmt  in  einer  Richtung,  ent- 
gegengesetzt derjenigen,  nach  welcher  die  Energie  fortschreitet.  Es 
scheint  also  auf  den  ersten  Blick,  als  ob  hier  das  Grundgesetz  der 
Mechanik  seine  Gültigkeit  verloren  hätte,  denn  Kräfte  äusseren  Ur- 
sprungs sind  ja  nicht  vorhanden,  während  andererseits  dennoch  eine  Be- 
wegung, d.  h.  also  eine  Impulsänderung  der  Kugel  auftritt.  Die  einzige 
Möglichkeit j  unsern  Impulssatz  beizubehalten,  besteht  nun  darin,  dass 
wir  nicht  allein  der  materiellen  Kugel  einen  Impuls  zuschreiben,  son- 
dern diesen  Begriff  geradezu  auf  die  ausgestrahlte  Energie  übertragen 
und  demnach  behaupten :  strahlende  Energie,  oder  wie  wir  auch  sagen 
können,  das  elektromagnetische  Feld  ist  Träger  eines  rein  mechanisch 
messbaren  Impulses.  Man  könnte  sich  nun  nach  der  älteren  An- 
schauungsweise schliesslich  noch  denken,  dass  dieser  Impuls  seinen 
Sitz  im  Äther  hätte,  welchen  man  ja  lange  Zeit  hindurch  als  Träger 
aller  Lichtwai'kungen,  überhaupt  aller  elektromagnetischen  Wirkungen 
anzusehen  geneigt  war.  Aber  seitdem  die  Relativitätstheorie  Ein- 
stein's   gezeigt   hat,   dass  jener  Äther   eine   unhaltbare   Fiktion  ist, 


158  P.  Debye. 

ist  dieser  Ausweg  für  uns  verschlossen  und  wir  können  also  tatsäch- 
lich nicht  anders,  wie  das  Feld  an  sich  als  Träger  seines  eigenen 
Impulses  zu  betrachten. 

Aber  damit  ist  die  Analogie  zwischen  Energie  und  Materie  nicht 
erschöpft.  Verfolgt  man  nämlich  näher  die  Bewegungsgesetze  eines 
Körpers,  der  ausser  seiner  materiellen  Masse  eine  (immaterielle) 
Energie  trägt,  nach  den  Prinzipien  der  Relativtheorie,  so  wird 
man  mit  Einstein  notgedrungen  dazu  geführt,  jeder  Energie,  in 
welcher  Form  sie  auch  auftritt,  eine  Masse  zuzuschreiben,  und  zwar 
findet  man  für  die  Grösse  dieser  Masse  einen  ganz  bestimmten  Aus- 
druck, nämlich  den  Wert,  Energie  dividiert  durch  Quadrat  der  Licht- 
geschwindigkeit. Sie  werden  mir  natürlich  nun  sofort  entgegen  halten 
wollen,  es  sei  von  einer  solchen  Eigenschaft  der  Energie  noch  nie 
etwas  beobachtet  worden.  Ich  müsste  dem  beistimmen,  aber  ein 
Widerspruch  ist  das  nicht.  Wegen  der  kolossalen  Grösse  der  Licht- 
geschwindigkeit (300  000  km/Sek.)  wird  nämlich  die  Masse,  welche 
zu  einer  für  unsere  Begriffe  schon  sehr  grossen  Energie  gehört, 
eine  ungeheuer  kleine.  ^)  Wenn  man  z.  B.  zwei  Gramm  Wasser- 
stoff und  16  Gramm  Sauerstoff  sich  mit  einander  zu  Wasser  ver- 
binden lässt,  so  tritt  eine  verhältnismässig  sehr  grosse  Wärme- 
entwicklung auf;  sie  beträgt  68  400  Cal.  und  entspricht,  durch  das 
Quadrat  der  Lichtgeschwindigkeit  dividiert,  dennoch  nur  einer  Masse 
von  3,2  .  10"^  Gramm.  Man  sieht  also,  dass  man  an  einen  direkt  ex- 
perimentellen Nachweis  dieser  Folgerung  der  Relativtheorie  nicht 
denken  kann,  aber  andererseits  wäre  ein  Zweifel  an  diesem  Resultat 
annähernd  ebenso  unberechtigt,  wie  ein  Zweifel  an  der  Relativtheorie 
selbst.  So  werden  wir  also  gezwungen,  die  Aussage,  die  Energie 
trägt   wie   die    Materie  Impuls   und  Masse,    als   wahr    anzuerkennen. 

Damit  dürfte  nun  zunächst  die  Sonderstellung  der  Energie  aufge- 
hoben und  die  Möglichkeit  eines  Zusammenhangs  zwischen  Energie  und 
Materie  erkannt  sein.  Von  diesem  Standpunkte  aus  wird  es  uns  nun 
vielleicht  weniger  Wunder  nehmen,  wenn  wir  dazu  geführt  werden, 
ebenso  wie  bei  der  Materie  auch  bei  der  Energie  eine  untere  Grenze 
der  Teilbarkeit  anzunehmen.  Wenden  wir  uns  jetzt  zu  Versuchen, 
welche  erst  dann  eine  einfache  Deutung  finden,  wenn  man  die  Annahme 
einer  unendlich  fein  verteilbaren  Energie  fallen  lässt. 

Das  erste  Gebiet,  welches  hier  in  Betracht  kommt,  ist  das  der 
Wärmestrahlung.  Hier  fand  man  auch  historisch  den  ersten  An- 
lass  zu  den  fraglichen  Betrachtungen  und  zwar  wurde  die  Hypo- 
these  zuerst   formuliert   vom   Berliner  Physiker   Planck.     Grundlage 

')  Das  Beispiel  entnehme  ich  dem  neulich  erschienenen  Buche:  „Das  Rela- 
tivitätsprinzip"  von  M.  Laue. 


Die  Frage  nach  der  atomisüschen  Struktur  der  Energie.  l59 

der  ganzen  Strahlungstheorie  bildet  ein  berühmter  Satz,  welcher 
nach  Kirchhoff  benannt  wird.  Er  vergleicht  die  Strahlung  in  Hohl- 
räumen, deren  Berandung  gebildet  wird  von  Körpern  verscliiedener 
Beschaffenheit,  aber  gleicher  Temperatur.  Nach  aussen  hin  mögen 
wir  uns  dieselben  als  vollständig  gegen  Wärmeabgabe  geschützt 
vorstellen.  Der  Satz  behauptet  dann,  dass  die  Strahlung  vollständig 
unabhängig  ist  von  der  Beschaffenheit  und  dem  Material  der  Wände. 
Präziser  fassen  wir  die  Aussage  noch  so:  Denkt  man  sich  aus  der  ganzen, 
in  einem  solchen  Hohlraum  vorhandenen  Strahlung  einen  gewissen 
Teil  ausgeschieden,  dessen  Wellenlänge  nur  zwischen  engen  Grenzen 
schwankt,  und  führt  man  diese  Operation  aus  für  die  verschiedenen 
zu  vergleichenden  Hohlräume,  so  findet  man,  dass  die  zu  dieser 
Wellenlänge  gehörige  Energiedichte  überall  denselben  W^ert  aufweist. 
Nachdem  man  nun  das  universelle  Moment  in  der  Strahlung  erkannt 
hat,  ist  die  nächste  Frage  natürlich  nach  der  Art  und  Weise,  wie  die 
zu  einer  Wellenlänge  gehörige  Energie  von  der  Temperatur  der 
Berandungen  des  Hohlraums  abhängt.  Um  diese  Abhängigkeit  zu  be- 
rechnen, hat  man  folgenden  Weg  eingeschlagen:  Man  geht  davon  aus, 
dass  die  Strahlung  ein  elektromagnetischer  Vorgang  ist  und  bildet 
nun  einen  möglichst  einfachen  Apparat,  einen  Gedankenapparat,  wel- 
cher imstande  ist,  die  Energiedichte  der  Strahlung,  so  weit  sie  zu  einer 
bestimmten  Wellenlänge  gehört,  zu  messen.  Ein  solcher  Apparat  besteht 
z.  B.  aus  einem  elektrisch  geladenen  Teilchen,  das  wegen  einer  Art 
elastischer  Bindung  um  seine  Ruhelage  Schwingungen  von  ganz  be- 
stimmter Periode  ausführen  kann,  ähnlich  wie  ein  gewöhnliches  Pendel. 
Wenn  man  einen  solchen  Resonator  in  ein  Strahlungsfeld  hineinbringt, 
so  wird  er  aus  demselben  Energie  aufnehmen,  und  zwar  nur  solche, 
deren  Schwingungszahl  annähernd  mit  seiner  Eigenfrequenz  überein- 
stimmt. Ist  er  genügend  lange  im  Hohlraum,  so  wird  er  einem 
Gleichgewichtszustand  zustreben,  indem  er  pro  Zeiteinheit  ebensoviel 
Energie  verliert  als  er  aufnimmt.  Die  Energie,  welche  er  im  Mittel 
enthält,  wird  der  zu  messenden  Energiedichte  der  Strahlung  propor- 
tional sein.  Der  Resonator  ist  demnach  als  Messinstrument  ohne 
weiteres  geeignet. 

Wir  sehen  uns  nun  um  nach  einem  Weg,  diese  Energie  zu  der 
Temperatur  der  Berandung  in  Beziehung  zu  setzen.  Aus  der  Erfah- 
rung wissen  wir,  dass  ein  aus  solchen  Resonatoren  bestehender  Kör- 
per, welcher  längere  Zeit  im  Innern  unseres  Hohlraumes  verbracht 
hat,  schliesslich  dieselbe  Temperatur,  wie  die  umgebende  Hülle  an- 
nimmt, so  dass  dann  kein  einseitiger  Wärmeübergang  mehr  zwischen 
Versuchskörper  und  Hülle  stattfindet.  Aber  weiter  wissen  wir,  dass 
wir   dasselbe   erreichen   können,    wenn  wir  den  aus  Resonatoren  be- 


160  P.  Debye. 

stehenden  Körper  nicht  durch  Strahlung,  sondern  durch  direkte  Be- 
rührung verbinden  mit  irgend  einem  Körper,  Avelcher  dieselbe  Tem- 
peratur wie  der  Hohlraum  hat.  Die  Wahl  jenes  zweiten  Körpers  ist 
an  sich  gleichgültig,  aber  wenn  wir  die  Anordnung  theoretisch  ver- 
werten wollen,  so  wird  es  gut  sein,  als  Übertragungskörper  einen 
solchen  zu  wählen,  dessen  innere  Beschaffenheit  wir  kennen.  Als 
erster  kommt  hier  irgend  ein  Gas  in  Betracht.  Nach  der  sogenannten 
kinetischen  Theorie  besteht  ja  ein  Gas  aus  kleinsten  Teilchen,  Mole- 
küle, welche  sich  nach  allen  Richtungen  im  Raum  bewegen  mit  Ge- 
schwindigkeiten, die  je  nach  der  Temperatur  verschieden  sind  und 
welche  z.  B.  beim  leichtesten  Gas,  beim  Wasserstoff,  eine  Grösse  von 
1800  m/Sek  bei  0°  C.  erreichen.  Die  Teilchen  stossen  zusammen, 
tauschen  dabei  ihre  Geschwindigkeiten  gegenseitig  aus,  sie  stossen 
auf  die  Wandungen  des  umgebenden  Gefässes  und  erzeugen  so  den 
Druck.  Wenn  ich  nun  den  aus  Resonatoren  bestehenden  Körper  mit 
einem  solchen  Gas  in  Berührung  bringe,  so  werden  die  Resonatoren 
durch  die  Stösse,  welche  sie  von  den  einzelnen  Gasmolekülen  erfahren, 
in  Schwingung  versetzt  werden,  und  werden  ebenfalls  wieder  einem 
Gleichgewichtszustande  zustreben,  dessen  mittlere  Energie  abhängen 
wird  von  der  mittleren  Energie,  welche  einem  Gasmoleküle  zukommt. 
Letztere  ist  uns  bekannt,  denn  einerseits  überlegt  man  leicht,  dass  der 
durch  die  Stösse  der  Moleküle  verursachte  Druck  des  Gases  der  mitt- 
leren Energie  eines  Moleküls  proportional  ist.  Andererseits  wissen 
wir  aus  der  Erfahrung,  dass  nach  dem  Gay-Lussac'schen  Gesetz  der 
Druck  eines  Gases  proportional  ist  der  absoluten  Temperatur,  (deren 
Nullpunkt  bekanntlich  bei  -  273°  C.  anzunehmen  ist).  Man  muss  also 
schliessen,  dass  die  mittlere  Energie  eines  Gasmoleküls  der  absoluten 
Temperatur  proportional  ist.  Es  handelt  sich  jetzt  nur  noch  darum, 
aus  der  Energie  eines  Gasmoleküls  auf  die  Energie  des  Resonators 
zu  schliessen.  Ich  will  das  Resultat  vorweg  nehmen,  um  nachträglich 
einiges  zu  der  hier  angewandten  Überlegung  zu  sagen.  Es  lautet: 
Die  Energie  des  Resonators  ist  zwei  Drittel  der  Energie  des  Gas- 
atoms und  damit  ebenfalls  der  absoluten  Temperatur  proportional. 
Die  Überlegungen,  w^elche  zu  diesem  Resultat  führen,  gehören 
zur  sogenannten  statistischen  Mechanik,  welche  vor  einigen  Jahr- 
zehnten von  Boltzmann  begründet  wurde.  Man  sagt  „statistische 
Mechanik",  weil  die  Grundgesetze  der  Mechanik  durchweg  auch  für 
die  Moleküle  anerkannt  werden  und  man  fügt  die  nähere  Umschrei- 
bung „statistische"  hinzu,  um  anzudeuten,  dass  man  ausserdem  einen 
ausgiebigen  Gebrauch  von  den  Methoden  der  Wahrscheinlichkeits- 
rechnung macht.  Der  allgemeine  Gedankengang  möge  aus  den  fol- 
genden   Bemerkungen    erhellen.     Man   denke   sich   den   aus   Resona- 


Die  Frage  nach  der  alomistischen  Struktur  der  Energie.  l(Jl 

toren  bestehenden  Versuchskörper,  beobachtet  von  einem  mit 
so  feinen  Mitteln  ausgestatteten  Beobachter,  dass  er  die  Resonatoren 
alle  einzeln  in  ihrem  ßewegungszustand  verfolgen  kann.  Derselbe 
wird  dann  bemerken,  dass  die  Energie  eines  Resonators  fortwährende 
Schwankungen  durchmacht.  Auch  die  Gesamtenergie  des  Systems 
wird  ebenfalls  solche  Schwankungen  ausführen.  Diese  werden  nun 
zwar  für  den  ideellen  Beobachter  bemerklich  sein,  dagegen  werden 
sie  für  unsere  Mittel  in  der  weitaus  überwiegenden  Mehrzahl  der 
Fälle  durchaus  unmerklich  bleiben.  Nimmt  man  an,  dass  die  Energie- 
übertragung zwischen  den  Gasatomen  und  den  Resonatoren  nach  den 
Gesetzen  der  klassischen  Mechanik  verläuft,  so  kann  man,  ohne  näher 
auf  den  Mechanismus  einzugehen,  dennoch  jedem  Bewegungszustand 
des  Systems  eine  Zahl  zuordnen,  welche  die  Häufigkeit  seines  Vor- 
kommens misst  im  Laufe  der  Zeit.  Letzteres  natürlich,  indem  man 
die  Regeln  der  Statistik  benutzt.  Nun  kann  man  auch  den  häufig- 
sten oder  wahrscheinlichsten  Zustand  bestimmen  und  erhält  dann 
den  Anschluss  an  die  Wirklichkeit  durch  das  Postulat,  dass  jener 
wahrscheinlichste  Zustand  mit  dem  wirklich  beobachteten  identisch 
ist.  So  findet  man  dann  das  allgemeine  Gesetz  der  gleichmässigen 
Energieverteilung,  wonach  im  Temperaturgleichgewicht  jeder  Frei- 
heitsgrad an  sich  eine  Energie  bekommt,  welche  nur  von  der  Tem- 
peratur abhängt.  Von  diesem  Satze  ist  das  vorhergeschickte  Resultat 
ein  Spezialfall.  Es  könnten  allein  darüber  noch  Zweifel  bestehen, 
ob  es  wohl  gestattet  ist,  den  mittleren  Zustand  mit  dem  wirklich 
beobachtbaren  zu  identifizieren.  Um  die  Berechtigung  zu  dieser  An- 
nahme zu  begründen,  will  ich  folgendes  Beispiel  betrachten  im  Sinne 
Boltzmann's. 

Denken  sie  sich  einen  Liter  Wasserstoff,  indem  nach  der  kinetischen 
Theorie  eine  grosse  Zahl,  sagen  wir,  )t  Moleküle  enthalten  sind.  Im 
Mittel  werden  nun  in  jedem  Kubikzentimeter,  wo  auch  aus  dem  Ge- 
fässe  herausgenommen,  immer  die  gleiche  Zahl  Moleküle  vorhanden 
sein.  Das  ist  der  praktische  Befund.  Ebenso  wie  bei  unsern  Reso- 
natoren wird  man  nun  schliessen  müssen,  dass  auch  von  diesem  mitt- 
leren Zustand  im  Laufe  der  Zeit  Abweichungen  auftreten  müssen, 
aber  es  bleibt  noch  immer  die  Frage  übrig,  ob  diese  Abweichungen 
auch  in  genügender  Grösse  vorhanden  sind,  um  beobachtbar  zu 
werden.  Fragen  wir  deshalb  z.  B.  nach  der  Wahrscheinlichkeit,  dass 
999  Kubikzentimeter  unseres  Gases  Materie  enthalten  und  dass  ein 
Kubikzentimeter  vollständig  leer  ist.  Die  Wahrscheinlichkeit,  welche 
wir  hier  meinen,  sei  z.  B.  folgendermassen  definiert.  Wir  denken  uns 
das  Gas  mit  einem  photographischen  Apparat  jede  Zehntelssekunde 
aufgenommen   und   denken   uns  nun  diese  Photographien  alle  neben- 

Vierteljahrsscbrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.    Jahrg.  50.  1911.  H 


162  P.  Üebye. 

einander  gelegt.  Die  Wahrscheinlichkeit  für  den  obigen  Zustand 
können  wir  dann  direkt  messen  dui'ch  die  Anzahl  Male,  dass  er  photo- 
graphiert  worden  ist  im  Vergleich  zu  der  Anzahl  Photographien, 
welche  eine  gleichmässige  Verteilung  der  Gasmoleküle  aufweisen. 
Berechnet  man  diese  Wahrscheinlichkeit,  so  findet  man  dafür 
den  Wert  e~^^^.  Bedenkt  man  nun,  dass  in  unserem  Liter  Gas 
2,8  .  10^'^  Moleküle  vorhanden  sind,  so  wird  die  Wahrscheinlichkeit 
gemessen,  durch  die  ungeheuer  kleine  Zahl  e-^.s-io"»^  ^  jj  i  (^vidiert 
durch  eine  Zahl  mit  mehr  als  10^^  Ziffern  vor  dem  Komma. 

Halten  wir  uns  nun  vorläufig  überzeugt  von  der  Richtigkeit  der 
obigen  Überlegungen  und  wiederholen  die  Hauptresultate.  Einmal  fanden 
wir,  dass  die  Energie  eines  Resonators  in  einem  Strahlungsfelde  pro- 
portional der  Strahlungsenergie  ist;  andererseits  fanden  wir,  dass 
die  mittlere  Energie  des  Resonators  in  Berührung  mit  einem 
Gas,  welches  dieselbe  Temperatur  besitzt  wie  der  Hohlraum,  in 
dem  die  Strahlung  eingeschlossen  ist,  eine  Energie  bekommt, 
welche  proportional  der  absoluten  Temperatur  ist.  Daraus  schliessen 
wir,  dass  auch  die  Strahlungsenergie  proportional  der  absoluten 
Temperatur  sein  muss. 

Vergleichen  wir  dieses  Resultat  mit  der  Erfahrung:  Ich  zeich- 
nete Ihnen  eine  Figur,  längst  derer  horizontalen  Axe  die  Temperatur 
aufgetragen  ist.  In  senkrechter  Richtung  dazu  messen  wir  die  zu 
einer  bestimmten  Wellenlänge  gehörigen  Strahlungsenergie.  Der 
vorher  theoretisch  erschlossene  Zusammenhang  zwischen  diesen  beiden 
Grössen  würde  dann  dargestellt  werden  durch  eine  gerade  Linie, 
welche  durch  den  Nullpunkt  hindurch  geht.  Dem  gegenüber  ergibt 
nun  die  Erfahrung  ein  teilweise  stark  abweichendes  Resultat.  Für 
hohe  Temperatur  rechts  in  der  Figur  ist  der  Unterschied  zwischen 
den  beobachteten  und  den  berechneten  Ordinaten  gleich  einer  konstan- 
ten endlichen  Grösse,  d.  h,  die  beobachtete  Kurve  verläuft  parallel 
der  berechneten.  Je  höher  die  Temperatur  wird,  um  so  mehr  ver- 
schwindet also  die  Differenz  beider  Energiewerte  gegenüber  dem 
Betrag  eines  derselben.  Bei  einer  Annäherung  an  den  absoluten 
Nullpunkt  nähern  sich  die  beiden  Kurven  derart,  dass  sie  schliesslich 
für  die  Temperatur  Null,  durch  den  Nullpunkt  des  Coordinatensystems 
hindurchgehen.  Besser  noch  treten  die  charakteristischen  Unter- 
schiede hervor,  wenn  man  das  Verhältnis  beobachteter  zu  berechneter 
Energie  bildet.  Dasselbe  ist  Null  im  absoluten  Nullpunkt  und  strebt 
dann  bei  steigender  Temperatur  immer  mehr  dem  Werte  1  zu.  Die 
Differenzen  zwischen  Erfahrung  und  Theorie  treten  also  besonders 
dort  klar  hervor,  wo  die  Energiewerte,  welche  zur  Verfügung  stehen, 


Die  Frage  nach  der  alomistischen  Struktur  der  Energie.  163 

verhältnismässig  klein  werden.  Das  ist  nun  ein  direkter  Hinweis 
auf  die  Existenz  eines  Elementarquantums  der  Energie.  Gehen 
wir  nämlich  unsern  früheren  Überlegungen  nach,  so  sehen  wir, 
dass  sie  ihr  charakteristisches  Gepräge  erhalten  durch  die  Grund- 
annahme, der  Resonator  sei  imstande,  die  Energie  so  aufzunehmen, 
wie  sie  sich  ihm  bietet,  ganz  unabhängig  davon,  wie  gross  oder 
wie  klein  die  auftreffende  Menge  ist.  Suponieren  wir  nun  einmal, 
dass  der  Resonator  kleine,  auffallende  Energiemengen  nicht  beachten 
würde,  sie  nicht  in  sich  aufnähme  und  dass  er  erst  in  Tätig- 
keit rückt,  wenn  dieselbe  einen  ganz  bestimmten  Betrag  oder  ein 
ganzes  Vielfaches  davon  ausmacht.  Dann  wird,  so  lange  die  verfüg- 
bare Energie  klein  ist,  der  Resonator  geraume  Zeit  hindurch  über- 
haupt nichts  aufnehmen  und  nur  sozusagen  in  einem  Glücksfall  sich 
ein  Energiequantum  erhaschen  können.  Im  Mittel  genommen,  wird 
also  sein  Energieinhalt  kleiner  sein  wie  der  aus  den  frühern  Be- 
trachtungen gefolgerte.  Ist  dagegen  die  zur  Verfügung  stehende 
Energie  gross  gegenüber  dem  Energiequantum,  so  wird  es  keine 
Rolle  mehr  spielen  und  als  unendlich  klein  angesehen  werden  könrfen. 
Durch  Einführung  der  Quantenstruktur  der  Energie  kommen  wir  also, 
wie  Sie  sehen,  wenigstens  qualitativ  wieder  in  Übereinstimmung  mit  der 
Erfahrung.  Allerdings  ist  mit  diesen  qualitativen  Überlegungen  allein 
natürlich  die  Sache  noch  nicht  erledigt,  aber  auch  die  genauen  quan- 
titativen Überlegungen  geben  uns  Recht,  denn  die  Kurve  über  die 
Abhängigkeit  der  zu  einer  Wellenlänge  gehörigen  Strahlungsenergie 
von  der  Temperatur,  die  Planck  auf  Grund  der  Quantenhypothese 
berechnet  hat,  fällt  vollständig  mit  der  experimentell  gefundenen 
zusammen. 

Bis  jetzt  sprachen  wir  von  einem  Resonator  mit  einer  ganz 
bestimmten  Eigenfrequenz.  Die  nächste  Frage,  die  wir  uns  vor- 
legen müssen,  ist  nun  die,  ob  das  Energiequantum  von  den  Eigen- 
schaften des  Resonators  unabhängig  ist.  Das  ist  indessen  nicht  der 
Fall,  aber  es  gilt  ein  ganz  einfaches  Gesetz,  welches  die  Eigen- 
schaften des  Resonators  mit  der  Grösse  des  Energiequantums  ver- 
bindet. Man  findet  nämlich,  dass  ein  Resonator  ein  umso  grösseres 
Energiequantum  beansprucht,  je  grösser  seine  Schwingungszahl  ist 
und  zwar  sind  Energiequantum  und  Schwingungszahl  einander  direkt 
proportional.  Gerade  die  Proportionalität  unserer  Quanten  mit  der 
Schwingungszahl  bedingte  es,  dass  wir  in  der  Strahlung  zuerst  ihren 
Einfluss  erkannten;  beobachtet  man  nur  bei  genügend  kleiner  Wellen- 
länge, so  treten  die  Quanteneigenschaften  in  ausgesprochenster  Form 
hervor.  Als  universelles  Gebilde  erscheint  also  nicht  gerade  das 
Energiequantum,    sondern    eine    andere    Grösse    mit    der    Dimension 


164  P.  Debye. 

einer  Wirkung,  d.  h.  einer  Energie,  multipliziert  mit  einer  Zeit'),  aus 
der  sich  dann  erst  nachträglich  ein  Elementarquantum  der  Energie 
ableitet.  Aber  die  Hauptsache  für  uns  bleibt  erhalten,  die  Energie 
verhält  sich  so,  als  wäre  sie  nicht  bis  ins  Unendliche  teilbar,  sondern 
als  bestehe  sie  aus  Quanten  von  endlichem  Betrag ,  wenn  auch  dieser 
Betrag  nicht  von  den  äussern  Umständen  unabhängig  ist.  Es  liegt 
die  Sache  ungefähr  so,  wie  in  der  Chemie,  wo  wir  auch  mit  den  Ele- 
menten als  selbständige  Gebilde  rechnen,  obwohl  wir  wissen,  dass 
sie  sich  in  das  bekannte  periodische  System  einordnen  lassen  und  sogar 
ein  Fall  einer  direkten  Umwandlung  eines  Elementes  in  ein  anderes 
experimentell  sichergestellt  wurde.  Allerdings  möchte  ich  nicht  den 
Anschein  erwecken,  als  ob  wir  über  das  universelle  im  Energie- 
quantum ebensowenig  orientiert  wären,  wie  über  ein  eventuell  mögliches 
Uratom  der  Chemie.  Die  erstere  Frage  dürfte  ihrer  Beantwortung  sehr 
viel  näher  stehen.  Auch  dürfte  für  manche  Anwendungen  ein  Auf- 
steigen bis  zum  universellen  Wirkungsquantum  unter  Übergebung 
der  Zwischenstufe  des  Energiequantums  durchaus  notwendig  sein,  wie 
insbesondere  Untersuchungen  von  Sommerfeld  über  die  Rolle  des 
Elementarquantums  in  der  Theorie  der  Röntgen-  und  /-Strahlen  gezeigt 
haben. 

Nachdem  wir  auf  Grund  der  Strahlung  nun  den  Begriff  des 
Energiequantums  erkannt  hatten,  war  es  nötig,  zu  untersuchen, 
ob  es  auch  noch  andere  Gebiete  der  Physik  gebe,  wo  die  endliche 
Teilbarkeit  der  Energie  eine  Rolle  spielen  könnte.  Die  ersten  Tat- 
sachen, die  man  da  in  Betracht  zu  ziehen  hat,  betreffen  naturgemäss 
Messungen,  welche  uns  Aufschluss  geben  können  über  die  innere 
Energie  der  Moleküle.  Zwar  können  wir  dieselbe  an  sich  nicht 
ohne  weiteres  messen,  aber  die  Zunahme,  welche  sie  bei  einer 
Erhöhung  der  Temperatur  des  Körpers  um  1  ^  erfährt,  ist  ja  leicht 
der  Messung  zugänglich.  Es  ist  das,  was  man  die  spezifische  Wärme 
eines  Körpers  nennt.  Nun  lag  gerade  schon  seit  langer  Zeit  ein 
weit  umfassendes  Gesetz  vor  über  die  Grösse  der  spezifischen  Wär- 
men der  einzelnen  chemischen  Elemente  im  festen  Zustande.  Ich 
meine  das  Dulong-Petit'sche  Gesetz,  welches  aussagt,  dass  Mengen 
verschiedener  Körper,  welche  sich  wie  die  Atomgewichte  derselben 
verhalten,  zur  Erhöhung  ihrer  Temperatur  alle  den  gleichen  Betrag 
an  Energie  benötigen,  aber  auch  wissen  wir  schon  seit  langer  Zeit, 
dass  dieses  Gesetz  nur  angenäherte  Gültigkeit  beanspruchen  kann, 
und  dass  z.  B.  Kohlenstoff',  Bor  und  Silicium  ausgeprägte  Abweich- 
ungen   von    dieser    Regel    zeigen ,     so    weit    man    bei    gewöhnlicher 

^)  Das  universelle  Wirkungsquantum  hat   nach  Planck    den  Wert  6,548  10    -'' 
erg.  sec. 


Die  Frage  nach  der  atomistischen  Struktur  der  Energie.  165 

Temperatur  beobachtet.  Bei  höherer  Temperatur  dagegen  nähern 
die  spezifischen  Wärmen  der  verschiedenen  Elemente  sich  alle  einer 
bestimmten,  für  alle  Elemente  gültigen  Grenze.  Wenn  wir  voraus- 
setzen würden,  dass  jedes  einzelne  Atom  Energie  auch  in  den  kleinsten 
Quanten  aufnehmen  kann,  so  sind  die  Abweichungen  vom  Dulong- 
Petit'schen  Gesetz  vollständig  unverständlich.  Die  Atome  unterschei- 
den sich  dann  nicht  von  einander  in  denjenigen  Eigenschaften,  welche 
für  ihre  Energieaufnahme  in  Betracht  kommen,  und  so  müsste  man 
schliessen,  auf  Grund  der  statistischen  Mechanik,  dass  das  Dulong- 
Petit'sche  Gesetz  in  seiner  strengsten  Fassung  vollständige  Gültigkeit 
haben  müsse.  Nimmt  man  dagegen  einmal  die  Existenz  von  Energie- 
quanten an,  deren  Grösse  erst  bedingt  wird  durch  die  Eigenschaf- 
ten des  Atoms,  speziell  durch  die  Festigkeit,  mit  der  es  in  seiner 
Lage  festgehalten  wird,  welche  ja  die  Schwingungszahl  bestimmt,  mit 
der  es  um  seine  Ruhelage  schwingen  kann,  so  sind  wie  in  der  Strahlung 
die  Energiequanten  verschiedener  Elemente  verschieden.  Von  diesem 
Standpunkte  aus  haben  die  Abweichungen  vom  Dulong-Petit'schen 
Gesetz  dann  nichts  befremdendes  mehr  au  sich.  Am  besten  geht 
das  aus  der  vorher  gezeichneten  Kurve  hervor.  Ebenso  wie  sie 
früher  die  Energie  der  Strahlung  mass,  kann  ich  ihre  Ordinaten 
jetzt  betrachten  als  Mass  für  die  Energie  eines  Atoms.  Die  spezi- 
fische Wärme,  welche  definiert  ist  durch  die  Änderung  dieser  Energie, 
dividiert  durch  die  zugehörige  Änderung  der  Temperatur,  erscheint 
dann  in  derselben  als  Tangente  der  gezeichneten  Kurve.  Während 
also  nach  der  altern  Anschauung,  der  die  gerade  Linie  entspricht, 
die  spezifische  Wärme  konstant  sein  müsste  für  alle  Temperaturen, 
wird  sie  hingegen  nach  der  auf  Grund  der  Quantenhypothese  ge- 
zeichneten Kurve  nur  für  hohe  Temperaturen  konstant,  um  für 
niedrige  Temperaturen  immer  kleiner  und  kleiner  zu  werden,  und 
schliesslich  im  Nullpunkt  der  absoluten  Temperatur  den  Wert 
Null  zu  erreichen,  Einstein  war  der  erste,  welcher  auf  diese  Konse- 
quenz hinwies  und  alle  altern  und  neuern  Beobachtungen  geben  ihm 
Recht.  Der  Verlauf  der  spezifischen  Wärme  als  Funktion  der  Tem- 
peratur kann  tatsächlich  im  wesentlichen  durch  die  aus  der  Quanten- 
hypothese folgenden  Kurve  dargestellt  werden. 

Wir  haben  also  zwei  feste  Erfahrungstatsachen  erkannt,  welche 
man  sich  ohne  Annahme  der  Quantenhypothese  nicht  erklären  kann. 
Aber  damit  sind  wir  noch  nicht  zu  Ende.  Einstein  wies  schon  früh- 
zeitig darauf  hin,  dass  die  Quantenhypothese  auch  beim  lichtelek- 
trischen Effekt  den  Schlüssel  zur  P]rklärung  liefern  dürfte.  Lenard 
beobachtete,  dass  die  Geschwindigkeit  der  Elektronen,  welche  durch 
Bestrahlung   mit  violettem  Licht  aus  Metallen  austreten,  vollständig 


I(j6  P.  Debye. 

unabhängig  ist  von  der  Intensität  des  auffallenden  Lichtes  und  dass  nur 
dessen  Farbe  eine  Rolle  spielt.  Nimmt  man  an,  dass  ein  Elektron 
zu  seiner  Befreiung  stets  ein  Energiequantum  beansprucht,  so  ist 
die  Unabhängigkeit  von  der  Intensität  klar.  Überdies  kann  man 
schliessen,  dass  die  kinetische  Energie  eines  Elektrons  ebenso  wie 
die  Energie  des  Energiequantums  proportional  der  Schwingungszahl 
des  Lichtes  sein  muss,  ein  Gresetz,  was  ebenfalls  der  Hauptsache 
nach  richtig  scheint. 

Auch  damit  dürfte  nun  das  Anwendungsgebiet  dieser  Hypothese 
nicht  abgeschlossen  sein.  Ich  denke  vor  allen  Dingen  an  das  sogenannte 
dritte  Wärmetheorem  vom  Nerst,  welches  besagt,  wenigstens  in  der 
weiteren  Fassung,  welche  ihm  von  Planck  gegeben  wurde,  dass  für 
alle  Körper,  ganz  unabhängig  von  ihrer  Beschaffenheit,  die  Entropie 
im  absoluten  Nullpunkt  einen  bestimmten  Wert,  sagen  wir  den 
Wert  Null,  erhält.  Das  bedeutet  etwa  dasselbe,  wie  die  Aus- 
sage, die  verschiedenen  Körper  haben  Eigenschaften,  welche  umso 
weniger  von  einander  verschieden  ausfallen,  je  mehr  wir  uns  dem 
absoluten  Nullpunkt  nähern  und  gerade  das  ist  auf  Grund  der  Ele- 
mentarquantenhypothese leicht  verständlich,  denn  dort,  wo  die  Energie 
nur  in  ganz  kleinen  Mengen  zur  Verfügung  steht,  in  der  Nähe  des 
absoluten  Nullpunktes,  da  machen  die  individuellen  Unterschiede  in 
der  Grösse  der  Energiequanten  keinen  Unterschied  mehr.  Sie  werden 
in  der  Grenze  für  die  Temperatur  gleich  Null  geradezu  unendlich 
gross  gegenüber  derjenigen  Menge,  welche  einem  Molekül  nach  der 
älteren  Anschauung  zukommen  würde. 

Noch  andere  Gebiete,  wo  das  Elementarquantum  höchst  wahr- 
scheinlich eine  führende  Rolle  zu  übernehmen  hat,  sind  z.  B.  die 
kinetische  Theorie  der  Magnetisierung,  der  elektrischen  Leitfähigkeit, 
der  Flüssigkeiten.  Bei  der  Magnetisierung  beobachtet  neuerdings  Perrier 
im  Kamerlingh-Onnes'schen  Laboratorium  bei  tieferen  Temperaturen 
Abweichungen  von  denFormeln,  welche  Langevin  auf  Grund  der  Boltz- 
mann'schen  kinetischen  Theorien  abgeleitet  hat.  Es  scheint  mir,  dass  der 
einzige  Ausweg  zur  Erklärung  von  der  Elementarquantenhypothese  aus- 
gehen muss  Die  elektrische  Leitfähigkeit,  welche  wir  durch  Bewegungen 
der  im  Metall  befindlichen  Elektronen  erklären,  zeigt  in  der  Nähe  des  ab- 
soluten Nullpunktes,  wie  ebenfalls  neuerdings  von  Kamerlingh-Onnes 
gefunden  wurde,  grosse  Anomalien,  welches  man  wieder  erklären 
kann  durch  die  Annahme,  dass  die  mittlere  kinetische  Energie  der  Elek- 
tronen, also  auch  ihre  mittlere  Geschwindigkeit  bei  tiefen  Tempera- 
turen eine  viel  kleinere  ist  wie  die,  welche  man  nach  der  älteren 
Theorie  erwarten  würde.  Sie  sehen,  genau  das  entsprechende  zu  dem 
experimentellen  Faktum  bei  den  spezifischen  Wärmen.     Um  schliess- 


Die  Frage  nach  der  atoniisLi.sclieii  SliukUir  der  Energie.  167 

lieh  noch  die  Flüssigkeitstheorie  in  den  Kreis  unserer  Betrachtungen 
zu  ziehen,  bemerke  ich,  dass  man  dort  findet,  dass  der  Übergang- 
eines  Moleküls  aus  dem  flüssigen  in  den  gasförmigen  Zustand  eine 
grössere  Energie  beansprucht,  als  man  nach  der  älteren  kineti- 
schen Theorie  erwarten  würde,  was  z.  B.  neuerdings  von  Dieterici 
diskutiert  wurde.  Vielleicht  liefern  auch  hier  die  Quanten  den  Schlüssel 
zum  Verständnis  dieser  und  anderer  damit  zusammenhängenden,  bis 
jetzt  nicht  erklärten  Beobachtungsresultate. 

Übersehen  wir  nun  die  Tatsachen,  welche  ich  Ihnen  vorführte, 
so  können  wir  nicht  umhin,  die  Quantenhypothese  für  eine  äusserst 
zweckentsprechende,  ja  durchaus  notwendige  zu  halten.  Zwar  ist  sie 
in  den  Einzelheiten  noch  gar  nicht  klar,  ja  kann  vielleicht  im  Laufe 
der  Zeit  z.  B,  durch  eine  stärkere  Betonung  der  Rolle  des  Wirkungs- 
quantums eine  ganz  andere  Gestalt  annehmen,  aber  jedenfalls  ist  das 
sicher,  dass  sie  einen  Schritt  in  der  guten  Richtung  bedeutet  und 
wir  berechtigt  sind,  von  der  experimentellen  und  theoretischen 
Erforschung  der  Quanten  die  weitgehendsten  Aufschlüsse  zu  erwarten. 


Die  Bestimmungen  der  Avogadroschen  Zahl  N; 

die  untere  Teilungsgrenze  der  Materie 
(deren  Bedeutung  für  die  Biologie  und  Medizin]. 

Vorgetragen  in  der  Hauptversammlung  der  Naturforschenden  Gesellschaft 
am  12.  Juni  1911. 

Von 

Heineich  Zanggee. 


Die  Frage  nach  der  unteren  Grenze  der  Teilbarkeit  der  Materie, 
bis  zu  welcher  die  Eigenschaften  der  Substanz  erhalten  bleiben,  also 
der  Grösse  der  Moleküle  als  der  kleinst  dimensionierten  Anteile,  durch 
welche  Substanzen  bei  der  Diffusion  transportiert  werden  können  und 
sich  wieder  zu  den  ursprünglichen  Stoffen  vereinigen  lassen,  ist  auch 
für  Biologie  und  Medizin  von  grösster  Bedeutung.  Die  Transport- 
vorgänge und  Lokalisationen  von  Substanzen  gehen  gerade  in  den- 
jenigen Grössen-Quanten  der  Substanzen  vor  sich,  die  eben  noch  die 
Eigenschaften  der  Ausgangs-Materie  haben.  Diese  Teilchen  sind  da- 
durch charakterisiert,  dass  sie  sich  von  einander  vollständig  unabhängig 
bewegen  in  den  Lösungen  und  dass  sie  bei  der  Diffusion  als  Ganzes 
ihre  Ortsveränderungen  durchmachen  und  unzersetzt  in  den  Organis- 
mus eindringen  müssen,  wenn  sie  alle  für  die  gelöste  Materie  charak- 
teristischen Wirkungen  haben  sollen. 

Die  Diffusionsvorgänge  in  lebenden  Organismen  gehen  entweder 
in  Flüssigkeiten  vor  sich  und  gehorchen  den  Gesetzen  der  Hydro- 
diffusion  oder  aber  sie  gehen  vor  sich  durch  die  festen  colloiden 
Grenzschichten,  die  Membranen.  Wenn  die  absolute  Grösse  der  dif- 
fundierenden Teile,  der  Moleküle,  bekannt  ist,  so  lässt  sich  aus  den 
Veränderungen  der  Diffusion,  die  durch  Membranen  und  strukturierten 
festen  Colloide  bewirkt  werden,  ein  Rückschluss  auf  die  Struktur 
dieser  Colloide  ziehen. 

Da  die  Schnelligkeit  des  Substanztransportes  für  die  Ernährung 
wie  bei  pathologischen  Vorgängen  und  den  Vergiftungen  sehr  wichtig, 
st  die  Frage  nach  der  Grösse,  der  absoluten  Grösse,  für  eine  quan- 
titative Betrachtung  der  Lebensvorgänge  von  ganz  prinzipieller  Be- 
cieutung. 


Die  Bestimmungen  der  Avogadroschen  Zahl  N  etc.  IfiO 

Die  Frage,  nach  der  unteren  Grenze  der  Teilbarkeit  der  Materie, 
der  Grössenordnung  der  Substanzpartikel,  mit  denen  die 
wichtigsten  Reaktionen  vor  sich  gehen,  hat  sich  wohl  jedem  in 
irgend  einem  Stadium  des  Lebens  aufgedrängt. 

Die  Gründe  für  die  Existenz  derartiger  kleinster  Teilchen  be- 
stimmter absoluter  Grösse  waren  bis  vor  kurzem  so  wenig  evident, 
dass  sich  die  meisten  mit  den  relativen  Grössenverhältnissen  der 
Chemie  zu  denken  begnügten,  mit  relativen  Grössen  gerechnet  haben, 
ohne  diese  Grösse  irgendwie  in  direkte  Beziehung  zu  setzen  mit  den 
bekannten  Massgrössen  des  täglichen  Lebens. 

Die  genau  definierbare  Grenze  der  Teilbarkeit  wurde  bekanntlich 
von  Ostwald  und  seiner  Schule  noch  vor  kurzem  geleugnet.  Wer  das 
Atom  als  etwas  Reales  annahm  von  bestimmter  definierbarer  Grösse, 
der  hat  noch  vor  kurzer  Zeit  sich  das  mitleidige  Belächeln  einer 
grossen  Zahl  gefallen  lassen  müssen.  Es  schien  ein  Zeichen  philo- 
sophischer Unzulänglichkeit. 

Die  kinetische  Gastheorie  wurde  oft  als  müssige  mathematische 
Spielerei  betrachtet,  und  dass  ein  Clausius  und  Helmholtz  und  ein 
Boltzmann  den  quantenhaften  Aufbau  für  die  Gase,  die  Lösungen, 
die  Elektrizität  etc.  vorausgesehen,  wurde  nicht  allgemein  begriffen. 
Die  überzeugende  Kraft  wurde  nicht  allgemein  empfunden,  wohl  der 
Schwierigkeiten  wegen,  die  die  Gastheorie  bietet. 

Jedoch  schlössen  die  Physiker  vom  Fach  schon  lange  aus  der 
Reibung  der  Gase,  deren  Abhängigkeit  von  Temperatur  und  Druck, 
der  Diffusion  der  Gase,  der  Wärmeleitung  auf  die  Zusammensetzung 
der  Gase  aus  diskreten  Teilchen  und  damit  auf  die  absolute  Grösse 
der  Gasmoleküle  (Clausius-Loschmidtsche  Zahl).  Nur  so  war  ein 
Zusammenhang  der  Tatsachen  zu  begreifen.  Aber  die  bis  zur  An- 
schaulichkeit gehende  Überzeugung  war  auf  die  Physikerkreise  be- 
schränkt „es  könnte  doch  auch  anders  sein!"  und  die  Bestimmungen 
der   absoluten    Grössen    waren    bis   vor   kurzem    keine    sehr   genauen 

(10-2— lO'^OO- 

Da  kam  das  Ultramicroskop,  die  sogenannte  Brownsche  Mole- 
kularbewegung drängte  sich  als  Rätsel  immer  mehr  auf  und  zwar 
um  so  mehr,  als  die  Brownsche  Molekularbewegung  im  Gesichts- 
feld des  Ultramikroskopes  oft  das  auffälligste  und  aufdrin  glichste  war, 
so  dass  man  sich  einfach  mit  dieser  Bewegung  beschäftigen  musste. 

Wegen  der  Universalität  dieserBewegung,  auch  in  den  Flüssigkeiten, 

musste   ihr   eine   Bedeutung   zukommen,    die   aber,    gestehen    wir   es 

')  Erst  im  Jahr  191Ü  und  1911  begegnen  wir  Arbeiten,  die  in  ihrem  Titel  als 
Ziel  t\ev  Arbeit  angehen:  , Beweise  für  die  Existenz  und  die  Realität  der 
Moleküle,  die  Brownsche  Molekularbewegung  und  die  wahre  Existenz 
der  Moleküle"  etc. 


170  Heinricli  Ziingger. 

offen,  in  den  100  Jahren,  seit  sie  bekannt,  von  den  Biologen  und 
Medizinern  nicht  in  ihrer  gewaltigen  theoretischen  und  praktischen 
Bedeutung  erkannt  wurde. 

Plötzlich  schliessen  sich  an  diese  im  Innersten  rätselhaften  Be- 
obachtungen die  strengen  mathematischen-physikalischen  Unter- 
suchungen von  Smoluchowsky  und  Einstein  an,  die  ohne  Kenntnis 
der  Brownschen  Molekularbewegung  die  Grösse  dieser  Bewegungen 
in  Abhängigkeit  von  der  Grösse  der  Teilchen  mit  fast  absoluter  Ge- 
nauigkeit voraussagten.  Sie  zeigten,  dass  die  Brownsche  Molekular- 
bewegung eine  Äusserungsform  des  (Wärme)  Energieinhaltes  eines 
flüssigen  Systemes  bei  einer  bestimmten  Temperatur  sei.  Aus  dieser 
Grösse  lassen  sich  nun  die  absoluten  Massen  der  Einzelteile  und 
die  Länge  ihrer  Wege,  die  Zahl  der  Zusammenstösse  vorausberechnen. 

Alle  diese  Gedankengänge  treffen  sich  und  verlangen  die  Fest- 
setzung einer  möglichst  universellen  Konstanten  auch  für  die  Flüssig- 
keiten, die  den  verschiedensten  Substanzen  gemeinsam  wäre.  Nach 
der  Gastheorie  und  nach  den  Gesetzen  der  chemischen  Substitution 
ist  die  Teilbarkeit,  resp.  die  Zahl  der  Moleküle,  in  einem  Gramm 
Molekül  jedes  Gases  die  gleiche. 

Seit  der  Einführung  der  Molekular-  und  Atomtheorie  verstand  man  unter  dem 
Atomgewicht  diejenige  Masse  eines  chemischen  Elementes,  welche  einem  Gramm 
dissozierten  Wasserstoffs  chemisch  äquivalent  ist.  Diese  Masse  bezeichnet  man 
auch  als  Grammatom.  Bei  Molekülen  spricht  man  in  analogem  Sinn  von  Gramm- 
Molekülen. 

Die  Zahl,  durch  welche  man  gewöhnlich  die  absolute  Grösse  des  Atoms  und 
Moleküls  charakterisiert,  ist  diejenige  Zahl  N,  welche  angibt,  wie  viel  wirkliche 
Moleküle  in  einem  Gramm-Molekül  enthalten  sind  ^). 

Es  soll  nun  im  folgenden  nachgewiesen  werden  auf  Grund  der 
neuesten  Untersuchungen,  dass  die  Zahl  N  hauptsächlich  auf  Grund 
von  dynamischen  und  statistischen  Betrachtungen  auch  für 
Flüssigkeiten  universelle  Bedeutung  hat  und  auf  prinzipiell  ganz 
verschiedenen  Wegen  mit  überraschender  Genauigkeit  festgestellt 
wurde,  resp.  sich  zwingend  ergibt. 

Ferner  soll  demonstriert  werden,  dass  diese  Zahl  iV  als  charak- 
teristisch für  die  Teilungsmöglichkeit  von  bestimmten  Substanzmengen 
uns  eine  grosse  Zahl  allgemeinster  Erfahrungstatsachen  wie  auch 
isolierte  „Naturwunder"  erklärt  und  in  absolut  zwingenden  Zusammen- 
hang bringt.  Es  sei  vorweggenommen:  die  ungleiche  Art  der  Gift- 
wirkungen, ebenso  die  Wirkung  von  Milligrammen  von  Geruchstoffen 
auf  Kilometer-Distanz  etc.,  daneben  gibt  sie  uns  übersichtliche  quan- 
titative Zusammenhänge  zwischen  Konzentration,  Temperatur,  osmo- 


^)  Meldrum,    A.     The   development   of  the   atoiiiic  theory  (Dalton's  Physical 
Atomic  Theory).     Proc.  Manchester  Soc.  55,  part  II,  1910/11,  p.  1. 


Die  Bestimmungen  der  Avogadroschen  Zahl  N  etc.  171 

tischem  Druck,  den  Membranfunktionen  und  den  direkt  aus  der  Be- 
obachtung der  Brownschen  Molekularbewegung,  der  Viskositäts- 
messung, der  Opaleszenz  (Smoluchowsky  und  Einstein)  und  der  Strah- 
lungsformel (Planck)  sich  ergebenden  Grössen. 

Die  Wege,  die  zu  einer  Bestimmung  der  Grösse  der  kleinsten 
Teilchen  führen,  sind  also  sehr  verschiedener  Art.  Vor  5  .Jahren 
habe  ich  in  der  Naturforschenden  Gesellschaft  darüber  vorgetragen, 
wie  ich  zu  einer  annähernden  Veranschaulichung  der  unteren  Grenze 
gelangte.  Eine  Methodik,  die  absoluten  Teilchengrössen  in  allen 
drei  Dimensionen  zu  bestimmen,  war  mir  damals  unzugänglich. 

Diese  untere  Grenze  der  Grössen,  bis  zu  welcher  die  Gesetze  der 
Mechanik  gelten  (in  irgend  einer  Form  angenähert),  anschauungs- 
mässig  und  experimentell  fassbar  zu  machen,  schien  mir  in  erster 
Annäherung  so  möglich  zu  sein,  dass  man  sich  auf  die  Feststellung 
einer  Dimension  beschränkt.  Das  Problem,  solche  dünnsten  Schichten 
zu  realisieren,  die  in  einer  Dimension  sich  den  Molekulardurchmessern 
nähern,  war  das  Ausgangsproblem  zu  meinen  Vorarbeiten  „Über  die 
Membranen  und  die  Membran-Funktionen". 

Anschauliche  Ableitung  der  absoluten  Grösse. 

Bei  meinen  Untersuchungen  (über  Membranen  und  Membran- 
funktionen) stellte  ich  mir  folglich  die  Frage,  wie  dick  eine  Schicht 
sein  müsse,  um  die  Austauschverhältnisse  zwischen  zwei  Lösungen 
in  für  diese  Schicht  charakteristischer  Weise  zu  verändern.  Mit 
andern  Worten :  unter  was  für  Bedingungen  eine  kontinuierliche,  den 
grob-mechanischen  Austausch  hemmende  Schicht  zustande  komme.  Mit 
der  Festlegung  der  geringsten  Schichtdicke  musste  man  zu  einem 
Mass  gelangen,  das  in  der  Grössenordnung  der  Moleküldimension 
nahekommen  musste.  Jedoch  war  selbstverständlich  die  wirkliche 
Moleküldimension  wahrscheinlich  geringer  als  die  so  gefundene 
Schichtdicke.  (Durch  Aufgiessen  von  Öl,  das  sich  in  dünner  Schicht 
auf  der  Wasseroberfläche  ausbreitet,  konnte  festgestellt  werden  und 
war  schon  lange  gezeigt  worden,  dass  diese  materiellen  Schichten, 
die  bereits  nicht  mehr  die  Newtonschen  Farbenringe  zeigen,  eine 
Ausdehnung  von  10—20  Millionstel  Millimeter  haben.)  [Literatur: 
Membranarbeit.]    1906,  1907,  1908  diese  Zeitschrift. 

Eine  Reihe  von  andern  Untersuchungen,  hauptsächlich  an  Elek- 
troden, zeigten,  dass  Belegschichten  von  Metallen,  die  unter  einem 
Millionstel  Millimeter  liegen,  schon  die  Kontakteigentümlichkeiten  in 
charakteristischer  Art  plötzlich  ändern  (Königsberger,  Müller). 

Auf  diese  Weise  ist  wohl  für  das  Anschaulichkeitsbedürf- 
nis der  Nicht-Mathematiker,   speziell  der  Mediziner,  der  über- 


172  Heinrich  Zangger. 

zeugende  Beweis  geliefert,  dass  die  untere  Grenze  der  Teilbarkeit,  in 
diesen  Grössen  liegt,  zumal  gegenüber  den  verschiedensten  Phäno- 
menen bei  dieser  Schiehtdicke  ganz  plötzlich  eine  typische  Ver- 
änderung der  Eigenschaften  der  Grenzflächen  auftritt,  die  dauernd 
charakteristisch  sind  für  die  schichtbildende  Substanz. 

Frühere  Ableitungen:  Die  ursprünglichsten  Ableitungen, 
welche  auf  die  Grösse  und  Zahl  der  Gasteilchen  einen  Rückschluss 
gestatteten,  waren  die  Untersuchungen  über  Wärmeleitung  und  innere 
Reibung  der  Gase,  die  mit  der  Hypothese  rechneten,  dass  die  Gas- 
moleküle als  elastische  Massenpunkte  (Kugeln)  betrachtet  werden 
dürfen. 

Die  Wärmeleitung  in  Gasen  war  am  verständlichsten  durch  die  Annahme, 
dass  die  einzelnen  Teilchen  von  dem  Gebiet  höherer  Temperatur  zu  dem  Gebiet 
niederer  Temperatur  eine  bestimmte  Menge  Wärme-Energie  mitbringen,  und  dass 
umgekehrt  gleichviel  Gasmoleküle  kleineren  Wärmegehaltes  nach  den  wärmeren 
Zonen  sich  bewegen. 

Etwas  anschaulicher,  exakter  verfolgbar  und  beweisender  für  die  Annahme 
diskreter  Teilchen  sind  die  Vorgänge  bei  der  inneren  Reibung  der  Gase:  Wenn 
wir  einmal  annehmen,  dass  ein  Gas  aus  diskreten  gleichgrossen  elastischen  Teil- 
chen bestehe,  die  sich  der  Temperatur  entsprechend  im  Raum  frei  bewegen,  so 
folgt  aus  der  Annahme,  dass  sich  gleichartige  Teilchen  treffen,  zusaramenstossen  und 
wieder  auseinanderfliegen.  Wenn  wir  zwschen  zwei  parallelen  Platten,  von  denen 
die  eine  festgehalten,  die  andere  bewegt  wird,  eine  Gasschicht  haben,  werden  wir 
eine  bestimmte  Arbeit  aufwenden  müssen,  um  die  nicht  bewegte  Platte  festzuhalten. 
Wenn  sehr  viele  Gasteilchen  vorhanden  sind,  werden  sie  meistens  mit  ihresgleichen 
zusammenstossen,  und  nur  ein  relativ  kleiner  Teil  der  Zusammenstösse  erfolgt  mit 
der  Wand.  Bei  diesen  Zusammenstossen  mit  der  Wand  geht  ein  Teil  der  Wucht 
der  Vorwärtsbewegungen  der  bewegten  Platte  auf  die  festgehaltene  Platte  über. 

Wenn  das  Gas  verdünnter  wird,  werden  die  Weglängen  der  einzelnen  Teilchen 
von  einem  Zusammenstoss  zum  andern  grösser,  und  die  Zahl  der  Zusammenstösse 
mit  der  Wand  werden  relativ  viel  häufiger  als  die  Zusammenstösse  im  Innern. 

Dieser  Schluss,  der  eine  direkte  Folge  der  Annahme  diskreter,  gleichgrosser 
Teilchen  in  den  Gasen  ist,  führt  zur  Konsequenz,  dass  die  innere  Reibung  bei  den 
Gasen  nicht  der  Konzentration  proportional  gehen  kann,  sogar  von  ihr  unabhängig  ist. 
Das  Experiment  bestätigt  nun,  dass  die  Viskosität  der  Gase  in  erster  Linie  abhängig 
ist  von  der  Gasart  und  fast  unabhängig  von  der  Konzentration  des  Gases  und  dass 
die  Viskosität  mit  der  Temperatur  steigt.  Die  Annahme  der  molekularen  Struktur 
der  Gase   steht   also   mit   den   Erfahrungstatsachen   im   Einklang  und   umfasst   sie. 

Nachdem  Helmholtz  auch  für  die  Elektrizität  diskrete  Teilchen  vorausgesehen, 
hat  J.  J.  Thomson  mit  folgendem  Experimente  die  Grössenordnung  des  elektrischen 
Elementarquantums  direkt  experimentell  bestimmt.  Auf  Grund  der  Erkenntnis,  dass 
speziell  Jonen  in  gesättigtem  Wasserdampf  Wasser  auf  sich  kondensieren,  hat 
Thomson  einen  mhigen  Dampfraum  gerade  übersättigt.  Da  sich  um  jedes  Jon 
(negative  Jon)  ein  Tröpfchen  bildet,  und  da  weiter  im  gesättigten  Dampf  alle 
Jonen  unter  gleichen  Bedingungen  sind,  so  werden  die  Tröpfchen  gleichgross. 

Infolge  der  Schwere  sinkt  diese  Wolke:  nach  der  Stokesschen  Formel  über 
fallende  Kugeln  konnte  Thomson  den  Radius  dieser  Tröpfchen  und  damit  die  Zald 
derselben   aus   der   Gesamtmasse   der  Wolke    berechnen.     Durch    statische  Messung 


Die  Bestimmungen  der  Avogadroschen  Zahl  N  etc.  173 

der  durch  die  gesamte  Wolke  mitgeführteii  Elektrizitätsmenge,  die  er  durch  die  Zahl 
der  Teilchen  dividierte,  bekam  er  für  das  elektrische  Elementarquantuin  den  Wert 
3,0  •  lO"''"  elektrostatische  Einheiten. 

Diese  Untersuchungen  wurden  mit  andern  Experiinentalhedingungen  (mit 
Mikroskop-  und  Fernröhrenbeobachtung  von  Einzelteilchen)  von  Wilson,  Ehrenhaft, 
Regener,  Przibram  und  in  der  letzten  Zeit  von  Millikan  wieder  aufgenommen. 

Millikan  beobachtet  in  ultramikroskopischer  Beleuchtung  unter  Ausschaltung 
der  Wärmestraiilen  ein  bestimmtes  Objekt,  Ültröpfchen,  Stäubchen,  das  er  in  abso- 
luter Ruhe  einmal  der  Wirkung  der  Schwerkraft  überlässt  und  so  aus  der  Fallhöhe 
den  Radius  und  damit  die  Beweglichkeit  bestimmt.  Nachher  legt  er  ein  elektrisches 
Feld  an  von  bestimmter  Stärke,  in  dem  das  Stäubchen  langsam  steigt  infolge  seiner 
elektrischen  Ladung.  Daraus  berechnet  er  ebenfalls  die  auf  einem  Teilchen  sitzende 
Ladung.  Er  beobachtet  dann,  dass  hie  und  da  die  Schnelligkeit  im  elektrischen 
Feld  sich  plötzlich  vermehrt,  eventuell  verdoppelt,  so  dass  in  diesem  Experiment 
direkt  die  Autladung  nach  bestimmten  und  zwar  immer  gleichgrossen  Quanten  be- 
obachtet, resp.  berechnet  werden  kann.') 

Für  Flüssigkeiten  haben  The.  Svedberg  u.  a.  auf  Grund  der  Erfahrung 
über  Lichtabsorption  und  Rayleigh  auf  Grund  der  Lichtzerstreuung  durch 
mikrohelerogene  Gebilde  folgende  Schlüsse  gezogen:  Die  Lichtabsorption, 
hauptsächlich  des  kleinwelligen  Lichtes,  steigt,  sobald  sich  z.  B.  in  einer  klaren 
Flüssigkeit  (Lösung)  Aggregate  bilden.  Durch  Verfolgen  des  zeitlichen  Verlaufes 
dieses  Vorganges  von  der  vollständigen  Homogenität  an  über  das  Auftreten  ver- 
mehrter Absorption,  das  Auftreten  der  Opaleszenz  bis  zum  Auftreten  der  ultra- 
mikroskopisch und  mikroskopisch  sichtbaren  Zusammenballungen  fester  Teilchen 
macht  es  unmittelbar  anschaulich  und  begreiflich,  dass  an  der  Lichtabsorption  eine 
Gesamtwirkung  bestimmter  immer  grösser  werdender  Teilchen  zum  Ausdruck 
kommt.  Wenn  auch  mit  dieser  Methode  noch  weniger  als  mit  der  Viskosität  eine 
Ausscheidung  von  Einzelvorgängen  möglich  ist,  so  ist  sie  für  die  Anschaulichkeit 
der  Übergänge   von  Grössenordnung  zu  Grössenordnung   wichtig. 

Die  absolute  Grössenbestimmung  der  Zahl  iV^  also  der  in  einem 
Gramm-Molekül  enthaltenen  Einzelmoleküle,  die  sich  als  solche  in 
den  Gasen  und  den  vollständigen  Lösungen  von  einander  unabhängig 
und  isoliert  bewegen,  haben  in  erster  Linie  nach  ganz  verschiedenen 
Methoden  Clausius,  Lohschmidt  u.  a.  und  neuerdings  Einstein  und 
Planck  wieder   berechnet. 

Die  experimentellen  Untersuchungen  haben  für  diese  Zahl  in 
wunderbarer  Übereinstimmung  ergeben  6,2 — 7,5  mal  10'-^  (Mauer: 
Luft  10"— 10-^  Compt.  rend.  Ac.  Sciences  Paris  1911). 

Die  Ableitungen  von  Einstein  bringen  verschiedene  direkt  be- 
obachtbare Grössen  von  Flüssigkeitssystemen  mit  einander  in  Beziehung: 
Einmal  den  Dififusionskoeffizienten  mit  der  Stokesschen  Formel  und 
damit  die  verschiedenen  Potenzen  des  Molekülradius.  Indem  bei  den 
Untersuchungen  über  Viskosität  die  erste  und  dritte  Potenz  auf- 
tritt,  zusammen    mit   der   Zahl   N,    währenddem   bei   der  Diffusion 


V  Dass  auch  der  Magnetismus  in  genau  deünierbaren  Quanten  vorliegt,  darüber 
wird  Ihnen  ja  der  Entdecker  dieser  Quanten,  Prof.  Pierre  Weiss,  vortragen. 


ili  Heinrich  Zangger. 

nur  die  erste,  resp.  erste  und  zweite  Potenz  auftritt,  ist  der  Radius 

zu  berechnen. 

Bei  der  Untersuchung  über  Opaleszenz  tritt  als  Voraussetzung 

R  T 
die  kinetische  Energie  des  Einzelteilchens  auf,  also  — ^^  ,  wo  R  die 

universelle  Gas-Konstante  8,31  mal  10^,  T  die  absolute  Temperatur, 
N  die  Zahl  der  Moleküle  im  Gramm-Moleküle  bedeutet. 

Wenn  die  Zahl  N  eine  so  universelle  Konstante  ist,  die  sich  in 
den  verschiedenartigsten  Erscheinungen  wiederfindet,  wie  der  Vis- 
kosität, der  Brownschen  Molekularbewegung,  der  Diffusion  und  dem 
osmotischen  Druck,  der  Lichtabsorption  und  der  Lichtzerstreuung 
und  der  Strahlung  im  allgemeinen,  so  haben  wir  unmittelbar  den 
Beweis  für  die  Wichtigkeit  vor  uns.  Denn  es  ist  uns  ja  allen  be- 
kannt, dass  gerade  diese  Faktoren  das  Wesentliche  der  Lebensprozesse 
umfassen  und  dass  sie  eine  der  Grundlagen,  die  Voraussetzungen  der 
verschiedensten  Erscheinungen  sind. 

Die  Zahl  N,  die  unmittelbar  aus  der  Molekulartheorie  der 
Wärme  ihren  Sinn,  ihre  vorstellungsmässige  und  logische  Existenz 
bekommen  hat,  tritt  in  Flüssigkeiten  in  erster  Linie  auf  in  den 
Beziehungen  der  Brownschen  Molekularbewegung  einerseits  zu  dem 
Diffusionskoeffizienten,  der  Konzentration  und  Temperatur  und  dem 
aus  der  Stokesschen  Formel  sich  ableitenden  Widerstand  gegen  die 
lineare  Bewegung  einer  Kugel  in  einer  Flüssigkeit,  sobald  die  Kugel 
relativ  gross  ist  in  bezug  auf  die  freie  Weglänge  der  Moleküle. 

Nach  Einstein  gelten  folgende  Beziehungen :  Wenn  wir  in  einem 
Zylinder  von  Querschnitt  1  eine  Diffusion  sich  entwickeln  lassen  bei 
der  Anfangskonzentration  >;  und  wir  nehmen  die  Druckdifferenz  in 
einem  kleinen  Abstand  zu  Hülfe  (/i/j>  vom  osmotischen  Druck,  der 
auf  die  in  der  Volumeneinheit  gelöste  Substanz  ausgeübt  wird),  so 
haben  wir  folgende  Bedingungen: 

p  =^  R  T  Y]        (ji  =  Conc.  in  Gramm-Molekülen). 

Wir  haben  also  die  Druckgleichung  für  die  Gase,  nach  Van  t'Hoff 
für  die  Lösungen 

^i' =  «'''•  (11)    (lf  =  ««f«'«)- 

Die  Kraft  K,  die  auf  ein  Teilchen  (=  ein  Molekül)  treibend 
wirkt,  ist  dann  folgende 

Die  Schnelligkeit  v,  mit  der  sich  im  Durchschnitt  die  Teilchen 
bewegen,  ist  somit  nach  Stokes 


Die  Bestimmungen  der  Avogadroschen  Zahl  N  etc.  ill 

^p  1 


V  = 


T]  N       6nKP 

WO  K  =  Viskosität, 

P  =  Radius  der  Kugel,  resp.  des  Moleküls. 

Der  Gesamtfluss,  also  die  diffundierte  Menge  in  Gramm-Molekülen 

wobei  der  erste  Teil  der  Gleichung  dem  Diffusionskoeffizienten  (D)  ent- 
spricht. Wenn  wir  zwei  ungleiche  Konzentrationen  haben  {jl  und  >/'), 
von  denen  bekannt  ist,  mit  welcher  Kraft  sich  die  Substanz  zu  ver- 
schieben strebt  und  wenn  auch  die  Hindernisse  bekannt  sind,  ist  der 
Weg  in  der  Zeiteinheit  gegeben.  Man  kann  die  Diffusion  nun  auch 
auf  einem  prinzipiell  ganz  andern  Weg  betrachten:  Nämlich  als  die 
Folge  des  planlosen  ümherirrens  der  gelösten  Moleküle.  Nehmen  wir 
an,  dass  die  Moleküle  in  der  Zeit  r  den  Weg  J  in  der  Richtung  der  x 
ausführen  und  zwar  nach  beiden  Richtungen  gleich.  Dann  wird  in 
der  Zeit  r  die  durch  den  Querschnitt  diffundierte  Menge  fr  gleich  dem 
Überschuss  derjenigen  Teilchen  sein,  die  der  Konzentrationsdifferenz 
zwischen  beiden  Seiten  entspricht,  nach  obigen  Definitionen 

Y  ^ »/  —  \2  ^''   "=   /  ^  =  Y  ^  ('^y  —  ■'^  )  ^/  =^-=  ^  +  -^^  -^ 

^  "I  ax 

1    ^'   /Sri 


-^  "2     X     \dx) 


J    (entspricht   dem  Quadrat   der    mikroskopisch   beobachtbaren  Brownschen  Mole- 
kularbewegung). 

D  =  -r  —  ,     wenn  D  =  D  oben 


zJ'   = 


N         dnKP 

BT  1 


Es  ist  ferner  eine  Ableitung  von  N  möglich  aus  der  Messung 
der  Viskosität  von  Lösungen,  bei  denen  das  Molekül  des  gelösten 
Stoffes  gegenüber  dem  Molekül  des  Lösungsmittels  gross  ist.  (Einstein.) 
Wir  haben  nach  Einstein 

(p  =  fj .  N  ~  ^  P^\  --^  =  1  -j--  2,'o  (p  =  1  -i-  3,2  7t  fj  NP^ 

-\r  p3  __        J^ -^        ^u 


176  Heinrich  Zangger. 

Aus  dieser  Gleichung  geht  hervor,    dass  N  unabhängig   ist  von 
der  Art  des  Lösungsmittels,    von    der   Temperatur   und   vom   Druck. 
Aus  den  früheren  Gleichungen  ergibt  sich  für  NP 


BT  1 


6  ;r  Ä       NP 


Daraus  kann  man  nun  sowohl  iV  wie  P  berechnen  (Ä  =  Viskosität). 
Nach  den  vorliegenden  Daten  über  Zuckerlösungen  wird  N  etwa 
6,3  mal  10-^ 

Aus  den  Opaleszenz -Erscheinungen  der  Zerstreuung  von  Licht  in  über- 
sättigten Lösungen  und  in  der  Nähe  des  kritischen  Punktes  ergibt  sich  nach  Keesom 
auf  Grund  von  Hayleighschen  Ableitungen  und  nach  direkten  Entwicklungen  von 
Smoluchowski  und  Einstein,  dass  folgende  Beziehungen  gelten : 


j:,pai.     _  BT      '"\dv)    /  2^y        ^  ^ 

Jcvregeud  N       '  d^  ^  \      l     )        {4  n  Df     ^""^      ^ 


n^  -=  Brechungsexponent,    V»  =  Arbeit   um    die  Masseneinheit,  um  das  Volumen  v  zu 

vergrössern,       v  ^=  Volumeneinheit,       l  =  Wellenlänge,       ^  =^  bestrahltes  Volumen, 

D  =  Entfernung  der  Beobachtung  von  $. 

Diese  direkt  beobachtbaren  Erscheinungen  entsprechen  vollständig  den  mole- 
kulartlieoretischen  Voraussetzungen,  in  dem  nach  den  Gesetzen  der  Wahrscheinlich- 
keit durch  die  den  Einzel-Molekülen  zukommenden  Energien  lokalisierte  Unegalitäten 
der  Verteilung  zustande  kommen  müssen  und  damit  ungleiche  Dichten.  Die  Funk- 
tion, die  nach  dem  vorhergehenden  die  Energie  des  Einzel-Moleküls  charakterisiert, 

ist-^- 

Eine  w^eitere,  ganz  unabhängige  Ableitung  der  Zahl  N  ergibt  sich  aus  der 
empirisch  bestätigten  Strahlungsformel  von  Planck.  Die  Strahlungsdichte  q 
setzt  sich  folgendermassen  zusammen : 


iSnv^  Ji  l(hv      \     (j^_B^\ 

c3       •     J.^  ]     \^~   n) 


V  =  Frequenz,     Ji  =  Konstante,     c  --=  Lichtgeschwindigkeit,     e  =  bas  log  nat. 

Die  Zahl,  die  sich  aus  dieser  Formel  füi-  N  ergibt,  ist  ß,2  mal  10^^.  Eine 
Übereinstimmung,  die  bei  der  Ungleichheit  der  Wege  der  Herleitung  die  aligemeine 
Bedeutung  der  Zahl  garantiert. 

Es  sind  in  der  letzten  Zeit,  hauptsächlich  von  Perrin,  Unter- 
suchungen angestellt  worden,  die  sich  zum  Ziele  setzten,  verschiedene 
Faktoren  an  einem  und  demselben  System  festzulegen,  die  nach  den 
Relationen  der  Einsteinschen  Formeln  sich  gegenseitig  bedingen 
müssen,  und  die  durch  die  Zahl  N  miteinander  verknüpft  sind. 
Diese  Faktoren  Hessen  sich  durch  mikroskopische  Beobachtung  der 
Brownschen  Molekular-Bewegung,    der   Absetzung   von   Suspensionen 


Die  Bestimmungen  der  Avogadroschen  Zahl  N  etc. 


177 


zahlenmässig  feststellen.  Aus  verschiedenen  Untersuchungen  ergab 
sich  die  Zahl  6,9  bis  7,1  mal  10^^ 

In  der  letzten  Zeit  haben  wir  aus  anderen  Gründen  in  meinem 
Institut  Untersuchungen  fortgesetzt  auf  Grund  der  Einsteinschen  An- 
gaben, die  mit  einer  neuen  Yersuchsanordnung  gestatteten,  eine  bis 
jetzt  nicht  beachtete  neue  Beziehung  aufzustellen. 

Wenn  wir  Quecksilber  in  kleinsten  Körnchen  suspendierten,  die 
gerade  mikroskopisch  noch  leicht  sichtbar  waren,  so  konnten  wir 
aus  der  Fallschnelligkeit,  dem  Verhältnis  der  spezifischen  Gewichte, 
der  Viskosität  des  Wassers  bei  der  betreffenden  Temperatur  auf  den 
Radius  der  Teilchen  schliessen,  insofern  wir  die  Stockessche  Formel 
für  den  Widerstand  einer  fallenden  (flüssigen)  Kugel  kombinierten  mit 
den  Formeln  für  die  Widerstandserhöhung  durch  feste  zylindrische 
oder  parallele  Wände  (vergl.  Diss.  Böhi).  Während  der  Beobach- 
tung der  Fallgeschwindigkeit  im  Mikroskop  kann  man  nun  auch  die 
Brownsclie  Molekularbewegung  verfolgen  in  bezug  auf  die  Queraus- 
schläge, resp.  Horizontalausschläge,  ebenso  die  Zeitdififerenzen,  die  sich 
für  die  gleichen  Steighöhen  ergeben.  J),ie  durchschnittlichen  Differenzen 
von  je  einer  Reihe  von  Ablesungen  in  gleichen  Zwischenräumen  er- 
gab den  weiteren  für  die  Berechnung  von  A"  nötigen  Faktor.  (Ver- 
suchsanordnung und  Berechnung  vergl.  folgende  Arbeit). 


T 

J'^ 

i      unreduziert              reduziert 

3,4 

3,92  •  10-8 

2,72-  10-5       j        7,4    •  10" 

7,92  •  1023 

2,25 

1,88-10-» 

3,30  •  10-»       1        6,92  •  lO^ä 

6,73-10"      j 

Die  näheren  Angaben  über  diese  mit  einfachen  Mitteln  durchzu- 
führende Untersuchung  vergl.  Böhi,  Gerichtlich-med.  Diss.  Zürich  1911. 

In  diesen  Ableitungen  sind,  soweit  wir  heute  sehen  können,  nach 
der  experimentellen  wie  der  theoretischen  Seite  vollständig  sichere 
quantitative  Beziehungen  zwischen  sicher  feststellbaren  Grössen 
Radius,  Weglängen,  Viskosität,  Temperatur  und  den  experimentel  als 
Durchschnittswerte  der  molekularen  Bewegungen  auftretenden  Vor- 
gängen der  Diffusion,  des  osmotischen  Druckes  etc.  festgestellt.  Zu- 
sammen mit  den  Gesetzen  über  die  Energieverteilung  beim  thermo- 
dynamischen  Gleichgewichte,  der  statistischen  Mechanik  und  weiter 
der  Entropie  und  Wahrscheinlichkeit  bekommen  die  Gebilde  der 
durch  die  Zahl  iVcharakterisierten  Grössenordnungen,  haupt- 
sächlich weil  sie  Träger  aller  von  der  Temperatur  abhän- 
gigen Kräfte   sind,    individuelle  Realität. 

Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.    Jahrg.  56.     1911.  12 


178  Heinrich  Zangger. 

Diese  Realitäten  können  wir,  wenn  auch  nicht  streng,  so  doch  anschaulich 
ableiten  (Perrin).  Wenn  wir  eine  kleinste  Körper  enthaltende  Flüssigkeit  in  ein  Glas 
fiessen,  so  scheint  die  Flüssigkeit  sehr  schnell  ruhig  zu  werden,  sieht  man  aber 
dann  nach  den  Stäubchen,  so  bewegen  sie  sich  immer  noch  meist  ganz  ungeordnet. 
Eines  wird  sofort  klar,  die  gerichtete  Bewegung  des  Einfliessens  wandelt  sich  immer 
in  eine  ungerichtete  um.  Die  Bewegung  wird  ungeordnet,  alle  Bewegungen 
sind  gleichwertig  und  unabhängig.  Untersuchen  wir  mit  dem  Mikroskop,  so  sehen  wir, 
dass  die  ungeordnete  Bewegung  immer  ausgesprochener  wird,  je  kleiner  die 
noch  beobachtbaren  Teile  sind.  Hat  nun  dieses  Kleinerwerden  der  Teilchen,  die 
Sitz  von  Bewegungsenergien  sind,  die  zuletzt  nur  der  Temperatur  entsprechen,  ihre 
Grenzen?  Was  müsste  der  Effekt  sein,  wenn  die  Teilchen  unendlich  klein  werden 
könnten  ? 

Mit  dem  Mikroskop  beobachten  wir  die  Bewegung  von  Teilchen,  die  10000  bis 
10  Millionen  mal  kleiner  sind  der  Masse  nach,  als  die  von  Auge  sichtbaren  Körnchen. 
Wir  sehen  ferner,  dass  die  Vorgänge  sich  immer  wiederholen,  sich  immer  gleich- 
bleiben, die  Bewegung  ist  nur  eine  Funktion  der  Temperatur.  Sie  konsumiert  sich 
nicht  durch  innere  Reibung.  Da  die  Bewegungen  unter  sich  einem  Gleichgewicht 
zustreben,  wo  alle  Bewegungen  gleichwertig  und  reversibel  und  wo  gleichzeitig  jedes 
Teilchen  im  Durchschnitt  eine  bestimmte  Energie  hat,  so  mussja  ausgeschlossen 
sein,  dass  die  Teilchen  unendlich  klein  werden,  da  die  Mittelwerte  end- 
liche Grössen  haben.  Weitaus  der  grösste  Teil  der  Masse  muss  aus  berechenbar 
grossen  Teilchen  bestehen.  Denn  wenn  die  Teilchen,  die  wir  noch  sehen,  dauernde, 
nur  von  der  Temperatur  abhängige  Bewegungen  ausführen,  so  kann  das  nur  ein 
Ausdruck  dafür  sein,   dass  die   kleinsten  Teile,   die  Moleküle  der  Flüssigkeit,   diese 

Energie  ebenfalls   dauernd  haben  und  zwar  als  Bewegungsenergie   ^^    • 

Wenn  wir  ferner  suspendierte  Teilchen  annehmen  und  wir  diese 
Teilchen  an  der  Weiterwanderung  hindern,  so  erfährt  die  hindernde 
Wand  einen  Druck.  Dieser  Druck  entspricht  dem  messbaren  osmoti- 
schen Druck. 

Quantitativ  können  wir  diese  Verhältnisse  nur  einsehen  dadurch, 
dass  die  Brownsche  Bewegung  und  die  Diffusion  prinzipiell  dieselben 
Vorgänge  sind. 

Die  Brownsche  Bewegung  ist  zu  verstehen  als  ein  dynamisches 
Modell  der  Molekular-Bewegung  mit  genau  denselben  Gesetzmässig- 
keiten. Darin  liegt  der  logische  Grund  für  die  Unmöglichkeit  einer 
unendlichen  Teilbarkeit  und  der  Grund  für  die  Zuverlässigkeit  der 
berechenbaren  absoluten  Grösse  der  Teilchen  in  Beziehung  zu  den 
gewohnten  Grössen. 

Wenn  wir  die  grosse  Bedeutung  der  unteren  Teilungsgrenze  der 
Materie  und  damit  im  direktesten  Zusammenhang  die  Avogadrosche 
Zahl  N  und  den  Moleküldurchmesser  erkannt  haben,  so  dass  heute 
das  Bedürfnis  nach  quantitativem  Denken  mit  den  gelösten 
Molekülen  eine  reelle  Grundlage  hat,  so  können  wir  uns  weiter 
fragen,  welche  andern  Erfahrungen  und  biologisch  wichtigen  Gesetze 


I)  e  Bestimmungen  der  Avogadroschen  Zahl  N  etc.  179 

lassen  sich  mit  Hülfe  dieser  neuen  Konstanten  nun  ebenfalls  quanti- 
tativ verfolgen. 

In  erster  Linie  ist  es  der  osmotische  Druck,  der  als  eine  ganz 
allgemeine  Eigenschaft  von  flüssigen  Systemen  auftritt,  in  denen  eine 
Anzahl  von  Molekülen  oder  Molekül-Verbindungen  sich  gegenüber 
dem  Lösungsmittel  auszeichnen. ')  Die  Differenzen  dieser  ausge- 
zeichneten Moleküle  kommen  jedoch  nur  dann  osmotisch  zur  Geltung, 
wenn  sie  sich  in  bezug  auf  die  Durchlässigkeit  durch  Schichten, 
die  für  das  Lösungsmittel  durchgängig  sind,  von  den  Molekülen  des 
Lösungsmittels  unterscheiden.  Oder  allgemein  gesprochen:  Wenn 
man  versucht,  den  diesen  besonderen  Molekülen  zur  Verfügung  stehen- 
den Flüssigkeitsraum  zu  verändern,  speziell  zu  verkleinern.  (Gefrier- 
punktsdepression, Siedepunktserhöhung,  Herabsetzung  der  Dampf- 
spannung.) 

Die  Abhängigkeit  des  osmotischen  Druckes  von  der  Temperatur 
imd  den  gelösten  Massen  (also  der  Anzahl  der  vorhandenen  Einzel- 
teile), hat  durch  die  Untersuchungen  von  Smoluchowsky,  Einstein 
und  Perrin  eine  ganz  neue  Bedeutung  erhalten,  eben  weil  speziell  Ein- 
stein eine  Gruppe  von  Kardinal-Phänomenen  auf  ein  tiefer  liegendes 
Prinzip :  Die  statistische  Mechanik  der  Lösungen,  die  Molekular- 
Theorie  der  Wärme  zurückführt  unter  Benutzung  des  Wahrschein- 
lichkeits-Entropiebegriffes  von  Boltzmann.  also  auf  Grund  der  ab- 
zählbaren Einzelteilchen,  die  sich  unabhängig  bewegen,  und  der  Ther- 
modynamik. 

Die  biologische  Bedeutung  des  osmotischen  Druckes  besteht 
darin,  dass  der  osmotische  Druck  die  Grössenverhältnisse 
der  Zellen  bedingt,  unter  normalen  Verhältnissen  auch 
einen  wesentlichen  Teil  der  Beziehungen  der  Zellen  zu 
einander.  Die  Bedeutung  der  quantitativ  bestimmbaren  Funktion 
der  Aufteilung  der  Materie,  also  der  Zahl  N,  ist  für  dieses  Gebiet  evident. 

Nach  der  heutigen  sehr  durchsichtigen  Molekulartheorie  der 
Wärme,  resp.  der  Auffassung  der  Wärme  als  eines  molekular  unge- 
ordneten Bewegungsvorganges,  der  nur  beherrscht  wird  von  den  Prin- 
zipien der  Wahrscheinlichkeit  wird  zum  Beispiel  auch  der  Zusammen- 


^)  Der  osmotische  Druck  ist  bestimmt  durch  die  gesamten  in  einem  be- 
stimmten Raum  vorhandenen,  frei  beweghchen  Teile  mit  durchschnittlich  gleichem 
Energieinhalt,  die  sich  unterscheiden  von  der  Zwischenmasse,  speziell  in  bezug  auf 
die  Durchlässigkeit  resp.  die  Lösungsfähigkeit  in  den  begrenzenden  Wänden ;  und 
zwar  sollen  sie  sich  darin  unterscheiden,  dass  sie  nicht  oder  anders  durchlässig 
sind,  als  die  Moleküle  des  Lösungsmittels.  Wie  auch  die  Teilchen  beiderseits  be- 
schaffen seien,  wenn  die  gelösten  Teile  nur  nicht  durchtreten  können,  so  besteht 
eine  Eigenschaft  des  Systems,  die  eine  Funktion  der  Temperatur  und  der  vorhandenen 
Teilchenzahl  ist.  der  osmotische  Druck. 


180  Heinrich  Zangger. 

hang  der  Konzentration  und  der  Temperatur  mit  der  Dif- 
fusion vollständig  übersichtlich. 

Denn  die  Erfahrungstatsache,  dass  Bewegungsenergien  in  den 
einzelnen  Teilchen  existieren  und  zwar  parallel  der  Temperatur,  als 
Ausdruck  der  Temperatur,  leitet  direkt  über  zu  der  Frage  nach  der 
Bewegung  der  Substanz  in  der  Diffusion,  die  ja  die  Voraussetzung 
sehr  vieler,  fast  aller  Lebens-,  das  Leben  bedingender  Aus- 
tauschvorgänge ist. 

Denn  die  Resorption  ist  im  wesentlichen  eine  Diffusion,  bezieht 
ihre  Energie  von  den  gleichen  Bewegungen  wie  die  Brown 'sehe 
Molekularbewegung  und  ist  in  ihrem  räumlichen  Effekt  nur  beein- 
flusst  von  den  verschiedenen  Grenzschichten,  den  Membranen  etc.^ 
die  elektive  Hemmungen  oder  Umlagerungen  bedingen.  Die  Dif- 
fusion geht  auch  parallel  der  Temperatur  (absoluten  Temperatur)^ 
wenn  der  Einfluss  auch  10 — 20mal  kleiner  ist,  also  in  anderer  Form 
von  der  Temperatur  abhängig  ist,  als  die  chemische  Reaktion. 

Die  Diffussion  ist  nach  der  Molekulartheorie  der  Wärme, 
resp.  nach  der  Auffassung  der  Wärme  als  eines  Molekular  un- 
geordneten Bewegungsvorganges,  die  durchsichtigste^ 
physiologische  Erscheinung  überhaupt. 

Wir  haben  nach  dem  erwähnten  einen  vollständig  anschaulichen 
Übergang  von  der  unseren  Sinnen  direkt  zugänglichen  Mechanik, 
über  die  dynamischen  Vorgänge,  die  wir  in  Flüssigkeiten  mit  dem 
Mikroskop  und  dem  ültramikroskop  verfolgen  können,  zu  der  Dyna- 
mik der  Lösungen :  Die  Zunahme  der  Weglänge  mit  dem  Kleiner- 
werden der  Fartikelchen  und  der  Höhe  der  Temperatur  musste 
eigentlich  eine  Extrapolation  nach  dem,  was  wir  Lösung  nennen, 
wahrscheinlich  erscheinen  lassen.  Durch  das  Tyndallphänomen  und 
die  Centrifugierbarkeit  von  Lösungen  wurden  diese  Extrapolationen 
von  Lobry  de  Bruin  und  Spring  u.  a.  gestützt. 

Zwingend  wurde  der  innere  Zusammenhang  aller  dieser  Fhäno- 
mene  erst  in  dem  Moment,  als  Einstein  auf  Grund  des  Prinzipes  der 
Energieverteilung  auf  die  unter  sich  unabhängigen,  nur  von  ihrem 
Wärmeinhalt  bewegten  Einzelteilchen,  die  Verteilung  der  Vorgänge 
unter  Anwendung  des  Boltzmann'schen  Prinzipes  berechnete. 

An  die  Frage  über  die  Bedeutung  der  kleinsten  beweglichen  Teile 
in  Flüssigkeiten  und  Lösungen  schliesst  sich  weiter  die  neue  Frage 
an:  Der  Übergang  des  flüssigen  Zustandes  in  den  festen 
Zustand;  wie  der  Wärmeinhalt  sich  darstellt  im  flüssigen  System 
im  Gegensatz  zum  festen  System?  vor  allem:  welche  Veränderungen 
in  der  Bewegung  gehen  in   denjenigen    Zuständen  der  Materie  vor 


Die  Bestimmungen  der  Avogadroschen  Zahl  N  etc.  181 

sich,  die  gerade  das  lebende  Plasma  als  Colloidzustand  charakteri- 
sieren, wenn  der  Wärmeinhalt  sich  ändert,  resp.  die  Temperatur? 
Diese  Zustände  bilden  die  Übergänge  zu  den  festen  Körpern,  hier  finden 
wir  die  Eigenschaften  der  festen  Körper  nach  und  nach  auftreten 
und  können  sie  verfolgen  mit  den  verschiedenen  Methoden.  Wir 
können  hier  mit  summarischen  Methoden  die  typischen  Eigenschaften 
der  festen  Körper  nachweisen  und  mit  den  optischen  mikroskopischen 
Methoden  die  Veränderung  der  dynamischen  Einzelvorgänge  zählend 
verfolgen  und  daraus,  so  weit  die  Prinzipien  der  Wahrscheinlichkeit 
gelten,  diesen  Zustand  dynamisch  charakterisieren  mit  den  Veränder- 
ungen der  Eigenschaften  der  Lösung,  resp.  des  flüssigen  Systemes. 

Die  Frage,  wie  die  Brownsche  Bewegung  gehemmt  werden 
könne,  wurde  schon  lange  untersucht.  Es  ist  auch  bekannt,  dass 
durch  die  Erhöhung  der  reinen  Viskosität  (Poisseuille)  die  Brown'sche 
Malekularbewegung  nicht  verschwindet,  dass  sie  aber  in  dem  Moment 
sehr  klein  wird,  wenn  Strukturierungsprozesse  im  flüssigen  Milieu 
auftreten.  Die  Molekulartheorie  der  Wärme  bleibt  für  die  festen 
Massen  weiterbestehen.  Es  ist  nun  interessant  zu  verfolgen,  dass 
die  Reduktion  der  Brown'schen  Molekularbewegung  im  organ.  Milieu 
bei  verschiedenartigen  Partikeln  verschieden  schnell  erfolgt,  so  dass 
■die  einen  in  festem  Material  zu  liegen  scheinen,  die  andern  noch 
beschränkt  frei  beweglich  sind.  Es  ist  also  anzunehmen,  dass  die 
einen  lichtzerstreuenden  Gebilde  am  festen  Material  anhaften,  die 
andern  noch  frei  sind,  eingeengt  in  ihrer  freien  Bewegung  durch  die 
festen  unter  sich  netzartig  verbundenen  Teile  (Gelatine,  Eiweis, 
Plasma).  Man  muss  weiter  annehmen,  dass  diese  bewegten  Teile  in 
einer  Art  Kanalsystem  beschränkte  freie  Beweglichkeit  haben,  durch 
welche  die  Diffusion  noch  erfolgen  kann  und  dass  die  vorwärts- 
schreitenden Bewegungen  reduziert  werden  nach  analogen  Gesetzen, 
wie  es  H.  A.  Lorentz  für  die  in  einem  engen  Zylinder  fallende  Kugel 
berechnet  und  Ladenburg  verifiziert  hat.  i^Vergl.  Diss.  Böhi,  folgende 
Arbeiten  dieses  Heftes.) 

Die  Lösung,  der  Zustand  des  Gelöstseins,  ist  eine  Funktion  der 
Wärme  und  der  Aufteilungskraft  des  Lösungsmittels  gegenüber  dem 
gelösten  Stoff.  Der  Vorgang  der  Fällung  ist  dann  aufzufassen  als 
ein  Übergang  zu  grösseren  Teilchen  bei  einer  Temperatur,  bei  wel- 
cher die  auf  das  einzelne  Teilchen  entfallende  Energie  nicht  mehr 
genügt,  die  Verteilung  aufrecht  zu  halten.  (In  vielen  Fällen  spielen 
elektrische  und  Oberflächen-Phänomene  bei  der  Fällung  mit.) 

Die  Gesetze  der  Mechanik,  die  uns  in  der  Anschauung  und  im  Blute 
liegen,  gelten  bis  in  die  vorliegenden  Grössen  hinein,  während  weiter 


182  Heinrich  Zangger. 

unten  andere  Faktoren  in  Funktion  treten  und  in  den  Vordergrund 
kommen,  über  die  nur  indirekt,  wie  durch  eine  Analogie  ein  Ver- 
ständnis zu  erhalten  ist;  die  Übertragung  der  statistischen  Betrach- 
tung hat  also  ihre  Grenzen. 

Für  das  Verständnis  der  Verschiebungen  der  Substanzen  in 
so  ausgesprochenen  heterogenen  Systemen,  wie  sie  das  Objekt 
aller  biologischen  Untersuchungen  sind,  kommt  in  erster  Linie  die 
absolute  Grösse  der  Substanzteilchen  in  Betracht,  die  bei  der  Ver- 
teilung und  Lokalisation  transportiert  werden.  Die  Bedeutung  dieser 
absoluten  Grösse  wird  einem  erst  voll  bewusst,  wenn  man  sich  vor- 
stellt, dass  die  quantitative  Verteilung  der  Substanz  an  die  Grenz- 
fläche, also  die  Anstrukturierung  an  bereits  bestehende  organische 
Formen,  ebenfalls  in  Schichtdicken  dieser  Grössenordnung  vor  sich 
geht.  Da  eine  solche  Schicht  den  Charakter  der  Grenzfläche  ganz 
ändert,  ist  auch  schon  aus  diesem  Grunde  wahrscheinlich,  dass  die 
Kräfte  der  tiefer  liegenden  Schichten  nicht  wesentlich  über  die  Zone 
dieser  Schicht  hinaus  wirksam  sind.  In  der  unteren  Teilungsgrenze 
der  Materie  muss  also  auch  eines  der  wesentlichsten  Rätsel  der  Sub- 
stanzanlagerung liegen,  die  wir  als  Wachstum  kennen. 

Die  Kenntnis  der  unteren  Teilungsgrenze  der  Materie  auch  in 
flüssigen  Systemen,  bis  zu  welcher  sich  wieder  wesentlich  iden- 
tische Gebilde  aufbauen  lassen,  trägt  für  die  Biologie  das  Verständ- 
nis für  das  Baumaterial  in  sich  und  ist  die  Voraussetzung  für  ein 
quantitatives  Verstehen  des  Substanztransportes,  der  Anlage- 
rung und  Formbildung  und  der  Wirkung  kleinster  Substanzmengen. 
Dieses  Gebiet  der  Physik  (physikal.  Chemie)  beschäftigt  sich  mit  Ge- 
bilden der  Grössenordnung  (in  der  räumlichen  Ausdehnung),  in  denen 
sich  die  Lebensprozesse  abspielen,  Ausdehnungen,  Grössen,  die  linear 
nur  hundertmal  kleiner  sind  als  die  dem  Mikroskop  erreichbaren 
Dimensionen. 

Also  sind  hier  schon  Schlüsse  möglich  direkt  aus  der  Kombi- 
nation der  Beobachtungen,  z.  B.  dass  es  vermehrungsfähige  Lebe- 
wesen gibt  mit  allen  vererbungsfähigen  Charakteristika  der  Art,  die 
nur  ca.  10,000  Moleküle  enthalten. 

Dadurch,  dass  viele  der  wicht  igen  Vorgänge  sich  auf  Grund  dieser 
Grössen  quantitativ  übersehen  lassen,  ist  die  Bedeutung  dieser 
physikalischen  Tatsachen  auch  für  die  Biologie  und  Medizin  gesichert. 

(Versuchsanordnuiig  und  Experimente  vergleiche  folgende  Arbeit). 


Eine  neue  Methode 
der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  N. 

Von 

Paul  Böhi, 

Hiezii  Tafel  I  und  II. 


Das  Prinzip,  das  der  vorliegenden  Arbeit  zur  Bestimmung  der 
Avogadroschen  Konstanten  zugrunde  liegt,  besteht  in  einer  Kom- 
bination des  Stokesschen  Gesetzes^)  mit  der  Einsteinschen  Formel. 
Wenn  eine  sehr  kleine  Kugel  etwa  von  der  Grösse  von  0,1  —  10  ft 
unter  dem  alleinigen  Einfluss  der  Schwere  in  einem  Medium,  das 
sich  im  Gleichgewicht  befindet,  und  das  spezifisch  leichter  ist  als  die 
Kugel,  zu  Boden  fällt,  so  ist  die  Gesamtgeschwindigkeit  eine  gleich- 
förmige; der  durchlaufene  Weg  ist  im  wesentlichen  senkrecht,  aber 
keine  gerade  Linie,  sondern  infolge  der  Brownschen  Molekular - 
bewegung  eine  komplizierte  Kurve.  Die  Abweichungen  von  der  senk- 
rechten Fallinie.  die  um  so  grösser  sind,  je  kleiner  die  Kugel  ist, 
werden  bewirkt  durch  das  fortM'ährende  Anprallen  der  Flüssigkeits- 
moleküle an  die  fallende  Kugel,  welche  ihrerseits  eine  mittlere  kine- 
tische Energie  erhält,  die  nach  den  Gesetzen  der  statistischen  Mecha- 
nik (Boltzmann)  gleich  dem  Durchschnitt  der  Energie  eines  Flüssigkeits- 
moleküls ist. 

Aus  dieser  mikroskopisch  direkt  beobachtbaren  Abweichung  von 
der  geraden  Fallinie,  aus  der  Fallzeit,  aus  dem  spezifischen  Gewicht, 
der  Viskosität  und  der  Temperatur  der  Flüssigkeit,  ferner  aus  den 
mit  Hülfe  der  Stokesschen  Regel  bestimmbaren  Dimensionen  der 
fallenden  Kugel  haben  wir  im  Institut  für  gerichtliche  Medizin  die 
Konstante  N  zu  berechnen  gesucht,  unter  Anwendung  der  Einstein- 
schen Formel,  die  eine  Beziehung  liefert  zwischen  den  angegebenen 
Grössen  und  der  gesuchten  Avogadroschen  Zahl.-) 

Da  es  unmöglich  ist,  sich  eine  so  kleine,  starre,  vollkommen 
runde  Kugel  von  gleichmässiger  Zusammensetzung  und  bekanntem 
spezifischem  Gewicht  zu  beschaffen,  verwendeten  wir  kleine  Quecksilber- 
tröpfchen, wobei  allerdings  die  Stokessche  Regel,  die  nur  für  starre 

')  Stokes,  Camb.  Phü.  Trans.  IX.  1850.  Math,  und  Phys.  Papers  vol.  III  p.  1. 
^)  Einstein,  Annalen  der  Phy-sik  1905,  Ableitung  vergleiche  Zangger:  Viertel- 
jahrschrift   der   Naturforschenden  Gesellschaft  1911. 


184  Paul  Böhi. 

Kugeln  Gültigkeit  hat,  eine  kleine  Modifikation  erfährt,  welche  aber 
nach  den  Arbeiten  von  Rybczinsky  genau  berücksichtigt  werden  kann. 
Deforme  Körper  (Doppelkörper)  beeinflussen  das  Resultat  ganz  un- 
berechenbar aber  sehr  stark. 

Somit  sind  alle  Daten  mit  den  einfachen  Mitteln  eines  horizon- 
talen Mikroskopes  mit  Okularnetzmikrometer  und  einer  Thema - 
Zeissschen  Zählkammer  einwandfrei  bekannt  und  eine  Berechnung 
der  Zahl  N  auf  Grund  einer  grössern  Zahl  von  Beobachtungen  mög- 
lich, die  einen  Durchschnittswert  zu  bilden  erlauben. 

Versuchsanordnung. 

Auf  einem  mit  dem  Tubus  horizontal  gestellten  Zeissmikroskop, 
dessen  Objektiv  die  Appertur  0,5,  dessen  Tubuslänge  160  mm  be- 
trägt, und  das  mit  einem  Okularnetzmikrometer  mit  verschiebbarer 
Augenlinse  (Okular  2)  versehen  ist,  wird  an  den  senkrecht  gestellten 
horizontal  und  vertikal  durch  Mikrometerschrauben  verschiebbaren 
Messtisch  eine  Thoma-Zeissche  Zählkammer,  wie  sie  zur  Blut- 
körperchenzählung verwendet  wird,  angebracht.  Zur  Kontrolle,  ob 
die  planparallele  Schicht,  die  der  Boden  der  Zählkammer  und  das 
sie  bedeckende  0,18  mm  dicke  Deckglas  einschliesst,  wirklich  verti- 
kal gestellt  sei,  wird  in  einem  Abstand  von  einigen  Metern  ein  Punkt 
bestimmt,  der  genau  die  gleiche  Höhe  hat,  wie  die  Mitte  des  Objekt- 
trägers der  Zählkammer;  indem  man  nun  an  diesen  fernen  Punkt 
ein  Licht  bringt,  kann  man  sich  überzeugen,  dass  das  durch  den  Objekt- 
träger entstandene  Spiegelbild,  also  die  Mitte  des  Objektträgers  und 
das  Licht  selbst  in  einer  Horizontalen  liegen.  Damit  kann  mit  sehr 
grosser  Genauigkeit  die  Senkrechtstellung  der  Zählkammer  bewirkt 
werden. 

Die  Entfernung  des  Bodens  der  Zählkammer  von  der  LTnter- 
fläche  des  Deckglases  beträgt  0,1  mm;  auf  dem  Boden  befindet  sich 
eine  quadratische  Netzteilung;  die  Seitenlänge  eines  jeden  Quadrates 
beträgt   V^o    i^^m- 

Bei  oben  angegebenem  Objektiv  und  Okular  decken  sich  die 
Netzteile  des  Okulars  und  der  Zählplatte,  wie  in  Fig.  2  ersichtlich 
ist;  (die  stark  ausgezogenen  Geraden  entsprechen  der  Einteilung  in  der 
Zählkammer,  die  schwach  gezeichneten  denjenigen  im  Okular). 

Zur  Ausführung  des  Experimentes  werden  einige  cm^  reinen 
Quecksilbers  in  einer  starken  Flasche  mit  ca.  30  cm^  destillierten 
Wassers  kräftig  geschüttelt;  von  der  so  erhaltenen  grauschwarzen 
Emulsion  wird  mit  einer  Pipette  ein  Tropfen  auf  ein  mit  Salzsäure- 
alkohol gereinigtes  Deckgläschen  gebracht,  und  dasselbe  unter  sorg- 
fältiser  Vermeidung;  des  Eindringens  von  Flüssigkeit  zwischen  Deck- 


Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  N.  185 

glas  und  äusserer  Platte  der  Zählkammer  auf  dieser  in  senkrechter 
Stellung  fixiert. 

Nachdem  man  sich  überzeugt  hat,  dass  in  der  Zählkammer  keine 
kapillaren  Strömungen  stattfinden,  beginnt  man  mit  der  Ablesung, 
Zuerst  sucht  man  sich  aus  den  zahlreichen,  durch  das  Gesichtsfeld 
aufsteigenden  Quecksilbertröpfchen  ein  möglichst  kleines  und  rundes 
aus;  es  finden  sich  nämlich  häufig  unregelmässige  Formen,  oder  zwei 
und  mehrere  Tröpfchen  durch  Kohäsion  mit  einander  vereinigt. 

Die  aufsteigende  Bewegung  (umgekehrtes  Bild)  eines  derartigen 
Quecksilberpartikelchens  ist  nun  nicht  eine  gleichförmige,  sondern 
bald  tritt  für  einige  Momente  eine  Geschwindigkeitszunahme  in  der 
Richtung  der  F-Achse  ein,  bald  scheint  das  Tröpfchen  stillzustehen 
oder  nimmt  sogar  eine  entgegengesetzte  Bewegung  an,  bald  kann 
eine  Abweichung  im  Sinne  der  positiven,  bald  im  Sinne  der  nega- 
tiven A!- Achse  beobachtet  werden.  Vergl.  auch  Fig.  2,  wo  der  von 
einem  Quecksilbertröpfchen  durchlaufene  Weg  durch  die  Kurve  w 
wiedergegeben  ist. 

Zur  Bestimmung  der  Zeit  r,  welche  verstreicht,  bis  diese  Ab- 
lenkung J  im  Sinne  der  X-Achse  bei  Emporsteigen  des  Kügelchens 
von  einem  Skalateil  zum  andern  sich  vollzieht,  sind  zwei  Beobachter 
notwendig.  Der  eine  Beobachter  verfolgt  im  Mikroskop  das  Queck- 
silbertröpfchen, das  selbstverständlich  auch  in  der  Richtung  zur  Ebene 
der  Zählplatte,  also  im  Sinne  der  Z-Achse  infolge  der  Brownschen 
Molekularbewegung  fortwährend  Verschiebungen  erleidet.  Durch 
Handhabung  der  Mikrometerschraube  kann  der  Beobachter  sich  diesen 
Abstandsänderungen  des  Objektes  vom  Objektiv  anpassen  und  so 
während  der  ganzen  Beobachtung  eine  scharfe  Einstellung  erzielen. 
(Doch  haben  wir  solche  Manipulationen  bei  den  hier  angeführten  Beob- 
achtungen zu  vermeiden  gesucht.) 

Der  zweite  Beobachter  sitzt  vor  einem  Jaquetschen  Sphygmo- 
graphen,  dessen  berusster,  40—50  cm  langer  Papierstreifen  horizon- 
tal gegen  denselben  zuläuft.  Der  Apparat  ist  auf  langsame  Bewe- 
gung eingestellt,  so  dass  der  Streifen  in  einer  Sekunde  1  cm  zurück- 
legt. Das  Präzisions-Taschenuhrwerk,  welches  mit  einer  Zeitmar- 
kierungsvorrichtung versehen  ist,  markiert  im  Fünftelsekundenrhyth- 
mus kleine  Ordinaten,  welche  am  linken  Rand  der  Kurve  als  feine 
Zähnelung  erscheinen. 

In  dem  Moment,  wo  das  Tröpfchen  durch  den  untersten  horizon- 
talen Skalastrich  emporsteigt,  wird  der  Apparat  in  Bewegung  gesetzt. 

Beim  Passieren  der  horizontalen  Striche  der  Okularnetzmikro- 
meterteilung  gibt  nun  der  erste  Beobachter  dem  zweiten  an,  um  wie 
viele  Skalateile  oder  deren  Bruchteile  das  Tröpfchen  nach  rechts  oder 


186  Paul  Böhi. 

nach  links  abgetrieben  worden  ist,  was  letzterer  im  gleichen  Augen- 
blick auf  dem  berussten  Papierstreifen  notiert,  indem  er  dicht  neben 
der  kleinen  Schreibspitze,  welche  die  Zeit  markiert,  einen  kleinen 
Querstrich  macht  und  dazu  die  angegebene  Zahl  schreibt  (vergl.  Fig.  1). 

Aus  dem  Abstand  der  aufgezeichneten  Querstriche  wird  dann 
die  Zeit  t,  in  Sekunden  ausgedrückt,  bestimmt,  indem  man  die  An- 
zahl der  dazwischenliegenden  kleinen  Ordinaten  durch  5  dividiert. 
Die  jeweilige  Verschiebung  in  der  Richtung  der  X-Achse  berechnet 
sich,  indem  man  die  Differenz  von  je  zwei  Ablesungen  bildet. 

Da  das  beobachtete  Quecksilberteilchen,  wie  theoretische  Über- 
legungen ergeben  haben,  während  der  Zeit  r  einen  ausserordentlich 
komplizierten  Weg  macht,  so  ist  seine  wahre  Geschwindigkeit  von 
Moment  zu  Moment  eine  andere  und  deshalb  einer  direkten  Messung 
unzugänglich.  Einstein  hat  nun  auf  zwei  verschiedene  Arten,  das 
eine  Mal  unter  Zuhilfenahme  des  Diffusionskoeffizienten,  das  zweite 
Mal  mit  der  Stokesschen  Regel  eine  Formel  aufgestellt,  welche  die 
Konstante  von  Avogadro  zu  bestimmen  gestattet,  durch  die  mittlere 
geradlinige  Verschiebung  J,  welche  das  Teilchen  während  der  be- 
obachteten Zeit  X  erfährt.     Die  Formel  Einsteins  lautet: 


worin  R  die  Gaskonstante,  T  die  absolute  Temperatur,  ?/  die  Vis- 
kosität der  Flüssigkeit  bedeutet,  in  der  das  Teilchen  sich  befindet. 
In  obiger  Formel  sind  nun  alle  Grössen  zur  Bestimmung  von  N  der 
direkten  Messung  zugänglich  mit  Ausnahme  von  P,  welches  wir  mit 
der  Stokesschen  Regel  bestimmen,  nach  welcher  suspendierte  kugel- 
förmige Teilchen,  deren  Radius  P  ist,  in  einer  Flüssigkeit,  die  den 
Reibungskoeffizienten  t;  hat,  die  Geschwindigkeit  v  erhalten,  wenn, 
auf  die  einzelnen  Teilchen  die  Kraft  K  einwirkt : 

K 

In  unserem  Falle  ist  die  treibende  Kraft  durch  die  auf  die  suspen- 
dierten Quecksilberkügelchen  wirkende  Schwerkraft  g  gegeben.  Be- 
zeichnet man  das  spezifische  Gewicht  des  Quecksilbers  mit  q  —  13,596, 
dasjenige  des  Wassers  mit  (Jq  =  1,  so  hat  man 

Z  =  -3-  P^  3r  (p  —  Po)  ^  und 

_  "L  V-{q-  Gq)  r/ 
^  ~~  9  I? 

woraus  sich  der  Kugelradius  des  Quecksilbertröpfchens  bestimmen 
lässt. 


Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  N.  187 


n 


rjv 


(9  —  Qo)  (f 

Da  die  Temperatur  zur  Zeit  der  Ablesung  20°  C.  betrug,  erhält 
man  für  jr=293.  Nach  Drew  beträgt  die  Viskosität  des  Wassers 
bei  20°  C  =  0,0101.  Setzen  wir  in  dieser  Gleichung  die  Zahlenwerte 
ein,  so  erhält  man 

^^=..l.,5r9,8.   ^  =  3.677  .10-«.. 

Aus  dem  arithmetischen  Mittel  aller  beobachteten  r  findet  man  die 
mittlere  Geschwindigkeit  !;,„,  indem  man  die  Distanz  von  einem  hori- 
zontalen Skalateil,  d.  h.  die  Fallhöhe  li  durch  dieses  dividiert. 

Da  bei  unserer  Versuchsanordnung  jeweilen  nur  eine  kleine  An- 
zahl von  Beobachtungen  für  J  und  sein  angehöriges  x  gemacht 
werden  können  und  oft  grosse  Unterschiede  zwischen  den  einzelnen 
Ablesungen  für  diese  Grössen  x  auftreten,  so  ist  es  notwendig,  dieselben 
nach  Angaben  von  Einstein  nach  dem  Gaussschen  Fehlergesetz  zu 
korrigieren : 

Bedeuten  z/j,  z/g,  •  •  •  ^„  die  beobachteten  Horizontalablenkungen, 
^n  ■'^2  ■  •  •  ''^n  die  zugehörigen  Zeiten ,  h  die  zugehörige  Fallhöhe 
(da   im   ganzen    20    solcher   Skalateile    Y^o   ^^^^   entsprechen,    so   ist 

3 
h  =  ^     ^    mm  =7,5-10"^  cm),   i\   die   mittlere   zugehörige   Fallge- 
schwindigkeit und  a  das  mittlere  Quadrat  der  Brownschen  Bewegung,, 
so  ist  aj,  T^ — T„  so  zu  berechnen,  dass  das  Produkt: 

I        _     (h  —  V  Ty)-  _  Ay  \ 


I     V^  a  Ty  nt         i<ia  Ty  Tt  j 


ein  Maximum  wird ;  diese  Bedingung  wird  selbstverständlich  auch 
erfüllt,  wenn  der  Logarithmus  dieses  Produktes  möglichst  gross  wird ; 
dann  muss  die  Ableitung  desselben  nach  a  und  nach  jeder  der  Grössen 
von  X  verschwinden.  Wir  logarithmieren  also  obiges  Produkt  und 
erhalten:  «         ' 

Durch  Ableitung   dieser  Summe  nach  t,,  und  Nullsetzen  erhält  man : 

—  °La  Ty  ■^{h  —  v  Ty)  v  —  {h  —  V  T,y-  2  a  __  2  a  ^y'^  J. ^  . 

(2  a  r,,)2  (2  a  r»,)^  ~^    2  a  r,,  '  ^  ^  —  ^  » 

woraus  sich  durch  einfaches  Umrechnen  ergibt: 

v,^  T„2  —  h^  —  Z/2  4-  2  a  r„  =  0. 

Auf  diese  Gleichung  kann  man  nun  folgendes  Näherungsverfahrea 
gründen : 


188 


Man  besitze  für  «i,t^ 


Paul  Böhi. 

•  T,j  die  Näherungswerte 


Dann  erhält  man  aus  obiger  Formel  für  t,,  einen  besseren 
Näherungswert  %\'. .  indem  man  setzt: 


(1) 


t. 


-J_  1^2  H-  Z/2  _  2  d  x'\ 


Hieraus  erhält  man  einen  bessern  Wert  für  a  (a")  durch 
die  Formel 


(2) 


'"=^^(^> 


Nun  wendet  man  wieder  Formel  (1)  an,  um  aus  «"  und  r"  eine 

noch  bessere  Näherung  x'"  zu  erhalten,  dann  Formel  (2),  um 

hieraus  eine  bessere  Näherung  für  a  (ci")  zu  bekommen  usw. 

Als   erste  Annäherung   würde   man   also   bekommen  : 


,(0) 


1    ie»  ^v  •     h 

—  ^^h—  ,  worm  — 


tl  bedeutet. 


In  allen  Fällen,  welche  ausgerechnet  wurden,  genügte 
die  hierauf  folgende  Näherung: 


n  -^^    1 


^,.' 


\h^  +  Z/^2  ■_.ß  ^0  J.0 


Für  den  Versuch  Nr.  1,  dessen  Aufnahme  durch  den  Sphyg- 
mographen  in  Fig.  1  wiedergegeben  ist,  haben  sich  für 
Ti  •  •  •  r„,  und  Jy  •  •  •  J^  folgende  Werte  ergeben  : 


Ti  =  4,8  z/i  =  0,2  /J\  =  0,04 

Tg  =  4,8  ^2  =  1'4  A  =  1,96 

T3=  4,2  ^3  =  0,6  z/|  ^  0,36 

T,  =  3,6  A^  =  1,0  A\  =  1,00 

Ts  =  6,0  zi.  =  0,4  z/|  -  0,16 


Tß  =  4,6  z/g 
T7  =  3,6  z/7 
T«  =  6.0  z/« 


2,4  z^i 


5,76 


0,0083 
0,4083 
0,0857 
0,2777 
0,0266 
1,2521 


0,4  A\  =  0,16  ^^  =  0,0444 

1,0  z^l  =  1,00  ^  =  0,1666 

Tg  =  4,8  .//,  =  1,8  A\  =  3,24  ^  =  0,6750 

2,9447 


Fig.  1 


Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  X. 


189 


Da  sich  durch  Vergleichung  der  Okularnetzteilung  mit  der  Netzteilung 
der  Zählkammer  ergibt,  dass  21  senkrechte  Skalateile  V20  mm 
entsprechen  (Fig.  2),  so  müssen  obige  Zahlen  für  //-,  welche  Skala- 
teile bedeuten  mit  (^q.qi  )  ^^'  —  5,6689  •  10~^  cm^  multipliziert 
werden. 

Man  erhält  so  für 

2,9447  •  5,6689  •  10" 


a"  = 


9 


=  1,85.  10- 


Setzen  wir  die  gefundene  Zahl  in  der  Formel  für  a  ein,  so  findet  man : 

z/r,    Vy 


1    ^ 


V  56,25  -f  5,669  (^„  —  3,7  r,, 


also 


a  = 


X  5,669  X  10-8  =  1,825  •  10-« 


ro,oioi 
0,434 

0,097 
0,297 
0,034 
1,108 
0,050 
0,198 
^0,669J 

67  5- 10~*cm 
Die  mittlere  Geschwindigkeit  v,„  beträgt    ]^  ^  q^,, —  =  1,59-10' 


42,4  Sek. 


cmsek""^ 


Wir  erhalten  dabei-  für 

p2  =.  3,677  •  1,59  •  10- 


10 


cm"^     und  für 


P=  2,42-10 


—5 


cm. 


damit   sind   alle  Faktoren,    welche   zur  Berechnung   von  N  mit    der 
Einsteinschen  Formel  nötig  sind,  bestimmt. 

Wir  bekommen  also  für  den  ersten  Teil  der  Formel: 


ET 


8,31  •  293  •  10" 

3-7r-7;~  3 -3,1416 -0,0101 

und  für  den  zweiten  Teil 

1  1 


P  a(i> 


1  -825  •2,42-  10-^3 


=  2,557-10^1 


=  2,26-  10^2, 


woraus  sich  ergibt:  N=  2,557  •  2,26  -  lO^^  =  5,785  •  lO-^. 

Die  so  gefundene  Anzahl  der  im  Grammolekül  einer  nicht  disso- 
cierten  Lösung  enthaltenen  Moleküle  erfährt  aber  noch  eine  kleine 
Änderung,  denn  bei  der  Berechnung  von  N  wurde  bei  der  Anwen- 
dung der  Stokesschen  Formel  vorausgesetzt,  es  handle  sich  um  eine 
starre  Kugel,  die  sich  in  einem  zähen  Medium  unter  dem  Einfluss 
der  Schwere  zu  Boden  senke. 

Da  es  sich  aber  bei  unseren  Beobachtungen  um  die  Bewegung 
eines  Quecksilbertröpfchens,   also    einer   flüssigen    Kugel,   in   Wasser 


190  Paul  Böhi. 

handelt  und  nach  W.  Rybczynski  die  Geschwindigkeit  einer  flüssigen 
Kugel  in  einem  zähen  Medium  eine  andere  ist  als  die  einer  starren, 
so  müssen  wir  den  bei  der  Berechnung  von  P  verwendeten  Wert 
für  V  ersetzen  durch  denjenigen,  den  uns  Rybczynski  angibt  in 
Gleichung  14  seiner  Arbeit  „über  die  fortschreitende  Bewegung 
-einer  flüssigen  Kugel  in  einem  zähen  Medium"  auf  Seite  44,  An- 
zeiger der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau  1911 : 

jj  _   'i,    G  -6'  2     3A+3 

^~  9  1^^'^''   *  3  i  +  2   ' 

wobei  Z7die  Geschwindigkeit,  ö  das  spezifische  Gewicht  der  Flüssigkeit, 
2,  eine  Abkürzung  von  —  dem  Verhältnis  der  Viskositäten  und  a  den 

Radius  der  Kugel  bedeutet;  die  gestrichenen  Buchstaben  sind  auf  die 

suspendierende  Flüssigkeit  bezogen.  Die  Viskosität  des  Wassers  bei  20° 

beträgt  0,0101,  diejenige  des  Quecksilbers  0,01589,  daraus  berechnet  sich 

0,01589 


1,573;  3A  =  4,719 

=  1,148. 


0,0101 
3A+3  4,719  +  3  7,719 


3^+2  4.,719  +  2  6,719 

Eine  starre  Kugel,  wo  l  unendlich  gross  wird,  bewegt  sich  also 
im  allgemeinen  am  langsamsten.  Unsere  Berechnungen  wurden  durch- 
geführt, als  ob  es  sich  um  eine  starre  Kugel  unter  dem  Einfluss  der 
Schwere  handelte,  folglich  sind  die  beobachteten  Werte  für  v  zu  gross. 

Es  würde  sich  also  P  berechnen: 


P 


9  V 


2     {q-Qo)9  1,148'      also  für         r]    =0,0101 

p2  ^  3,677  und  Q  [Hg']  =  13,596 

1,148'^* 

Der  für  P  gefundene  Wert  müsste  also  mit  dem  Faktor: 
1  1 


Vi;i48'        1,071        ^'^^ 


oder  die  Zahl  iV^mit  dem  Faktor  ^  1,148  =  1,071  multipliziert  werden. 
Wir  finden  also  für  unsern  Fall  Nr.  1 

N  =  5,785  .  10-3 1,071  =  6,2  •  lO^s. 

Die  so  gefundene  Anzahl  N  hat  aber  nur  Gültigkeit  unter  der 
Voraussetzung,  dass  das  Quecksilbertröpfchen  sich  frei  im  Wasser 
bewegen  kann,  d.  h.  dass  es  nicht  beeinflusst  wird  durch  die  An- 
wesenheit einer  in  der  Nähe  sich  befindenden  Wand.  Nach  H.  A. 
Lorentz  (Abhandlungen  über  theoretische  Physik  II,  S.  23)  erleidet 


Eine  neue  Methode  der  Bestimmung;:  der  Avogadroschen  Zahl  N.  191 

nämlich  eine  Kugel,  die  sich  in  einem  zähen  Medium  parallel  einer 
ebenen  Wand  bewegt,  einen  Widerstand  in  der  Richtung  der  Be- 
wegung, der   im  Verhältnis 


l:(l-|f)''--0+lf) 


vergrössert  wird,  wobei  R  den  Radius  der  Kugel  und  a  ihren  Abstand 
von  der  Wand  bezeichnet. 

J.  Stokes,  Krakau,  der  die  Erwägungen  von  Lorentz  weiterführte 
und  höhere  Potenzen  von  R  :  a  (bis  zum  4.  Grade)  in  Betracht  zog,  ins- 
besondere zu  dem  Zwecke,  um  zu  untersuchen,  ob  nicht  auch  Kräfte 
in  normaler  Richtung  oder  Drehungsmomente  auftreten,  kam  zu  dem 
Resultat,  dass  die  Kugel  einen  Widerstand  erfährt,  der  im  Verhältnis 


bei  Berücksichtigung  vierter  Potenzen  von  R  :  a  vergrössert  wird; 
dass  in  der  Richtung  senkrecht  zur  Wand  dagegen  keine  Kräfte  auf 
die  Kugel  wirken,  und  dass  kein  Drehungsmoment     auftritt. 

Wenn  also  das  Quecksilbertröpfchen  in  der  Zählkammer  zu 
Boden  sinkt,  so  setzt  sich  der  treibenden  Schwerkraft  G  nicht  nur 
die  innere  Reibung  des  Wassers  entgegen,  sondern  ein  weiterer 
Widerstand  »^j,  der  durch  die  Gegenwart  einer  nahen  Wand  bedingt 
ist.  Den  gesamten  Widerstand  r}\  den  der  Quecksilbertropfen  beim 
Fallen  erleidet,  können  wir  ausdrücken  durch  die  Gleichung: 

ri  =  ^  ^  ,^j  =  ry  1^1  +  _  — J . 
Setzen  wir  diesen  Wert  in  der  Stokesschen  Gleichung  ein,  so  findet 

2  (q  —  Po)  ff 

_  9      v(Sa  +  9P)    . 
""  2      {Q  —  Qo)8a(/ 

pg  ^     9  •  9  •  ??  •  -t?     p   ,  9 -877 


man; 


l'j(9  — eo)5'«  16(p  — ()o).'7 


P  =  2,068  .  ^  +  ]/ (^^  vj  +  3,677  v. 

Die  Tiefe  der  Zählkammer  beträgt  0,01  cm;  a  hat  also  im  Maximum 
eine  Länge  von  0,005  cm;  setzen  wir  diesen  Wert  in  obige  Gleichung 
ein.  so  finden  wir: 


192  Paul  Böhi. 

P=  2,068^1,59  ^  10-7  z^  1/(^0,66  •  10-^)2  4-  3,677  •  1,59  •  10- 1» 

Pi  =  —  2,41  •  10—5  cjn,  P2  =  2,4245  •  10-5  c„^_ 

Bei    der  Berechnung   des  Radius   ohne  Berücksichtigung   der   in    der 
Nähe  sich  befindenden  Wand  hatte  man  gefunden 

P=  2,4179 -10-5  cm. 

Aber  auch  auf  J  muss  die  Anwesenheit  einer  benachbarten 
Wand  einen  Einfluss  ausüben;  denn  hier  wird  die  Kraft,  welche  die 
Brownsche  Molekularbewegung  verursacht,  nicht  in  vollem  Masse  zur 
Geltung  kommen  können,  sondern  eine  Hemmung  erfahren. 

Die  die  Brownsche  Molekularbewegung  hervorrufende  Kraft  muss 
also  in  Wirklichkeit  grösser  sein  als  diejenige,  welche  die  abgelesene 
Verschiebung  z/  des  Quecksilbertröpfchens  erzeugt.  Wir  erhalten 
ihren  wahren  Wert,  indem  wir  unter  Anwendung  der  Lorentzschen 
Beziehung   die   durch  Ablesung   gefundenen  Zahlen  mit   dem  Faktor 

9  R 


(1  +  -— ) 

^    ^  8    a  ) 


multiplizieren. 

Bezeichnet  man  die  wirkliche  Verschiebung,  die  sich  an  einem 
im  unbegrenzten  Medium  befindlichen  Quecksilbertröpfchen  in  der 
Richtung  der  x-Achse  geltend  machen  würde    mit    J',   so   hat   man 


■-^l 


^   = 


•  8  a  +  9  E 


8a 


Denselben  Einfluss  übt  eine  benachbarte  Wand  selbstverständlich  auch 
auf  T  aus,  man  erhält  für 


/8a  +  9.R 
V       8a 


Setzt  man  alle  diese  3  Werte  in  der  Einsteinschen  Formel  ein,  so  hat 
man 

BT      T  8a 


N 


3  7t  ri    zi'P'    {8a +  9  F 


t) 


Da  aber  P  im  Vergleich  zu   a   verschwindend   klein   ist,    so   ist   der 

Faktor  -^ — ,  „  „,  nur  ganz  wenig  kleiner  als  1. 

8a  +  9P'  °  ° 

Wir  sehen  also,  dass  der  Lorentzsche  Faktor  bei  der  Berechnung 
von  P  nach  der  Stokschen  Regel,  und  bei  der  Bestimmung  von  J 
und  T  einen  so  geringen  Einfluss  ausübt,  dass  er  ruhig  vernachlässigt 
werden  kann. 


Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  N.  193 

Allerdings  stellen  die  eben  angeführten  Zahlen  ein  Minimum  der 
Beeinflussung  dar  für  die  Annahme,  das  Quecksilberkügelchen  bewege 
sich  genau  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  parallelen  Ebenen,  welche 
die  Zählkammer  begrenzen,  was  selbstverständlich  nie  der  Fall  ist; 
aber  auch  wenn  wir  a  um  das  10 — 20fache  kleiner  annehmen,  so  ist 
die  Beeinflussung  der  3  von  ihm  abhängigen  Grössen  eine  so  kleine, 
dass  wir  sie  ohne  merklichen  Fehler  zu  begehen  ausser  Acht  lassen 
dürfen. 

Die  Tabelle  auf  folgender  Seite  gibt  eine  Zusammenstellung  einiger 
Ablesungen  der  Brownschen  Molekularbewegung,  die  genau  so  aus- 
gerechnet wurden  wie  das  im    vorigen   angeführte  Beispiel. 


Anmerkung: 

Wenn  sich  das  fi^f-Tröpfchen  nur  unter  dem  Einfluss  der  Schwerkraft  befände, 
d.  h.  wenn  es  nicht  dazu  noch  die  Brownschen  Bewegungen  ausführte,  so  würde 
es  in  (unserm)  Fall  1.  die  einzelnen  Fallhöhen  mit  einer  Geschwindigkeit  (v)  von 
1,59-  10~*  cmsek  durchlaufen.  In  Wirklichkeit  aber  ist  die  Geschwindigkeit  {Vy),  wie 
aus  der  Verschiedenheit  der  einzelnen  beobachteten  (r — r„)  hervorgeht,  während  der 

Strecke  (h)  eine  verschiedene;  wir  erhalten  sie,  indem  wir  setzen:  Vy  ^  — 

v^  —  1,56  •  10"  ■»  cmsek- 1     V5  =  1,25  •  10"*  cmsek- 1 
t;2=l,56     ,  ,  i;6=-l,63     , 

t;3-=l,78     „  ,  •y7  =  2,08     „ 

Vi  =  2,08     ,  ,  i'9  =  1.56     , 

Der  in  der  Zeit  r  durchlaufene  Weg  ist  also 

h^  =  —  •  V,. . 

Bezeichnet  man  die  maximale  Verschiebung,  die  als  Ausdruck  der  Brownschen 
Bewegung,  sei  es  durch  eine  Vergrösserung,  sei  es  durch  eine  Verlangsamung  der 
Fallgeschwindigkeit  in  der  Zeit  r  entsteht  mit  z/j,  so  erhält  man  dieses,  indem  man 
die   Differenz   von   je   zwei   auf  einanderfolgenden  Werten  für  /*,,  bildet: 

^.,.  =  /^.  —  h,+x=~  (v,  —  v,  +  i). 

Bei  der  Berechnung  der  Zahl  N  aus  dieser  mittleren  Verschiebung  wurde  in 
Fall  1.  die  Zahl  9  •  5  •  10-*  gefunden;  auch  bei  den  übrigen  Beispielen  wurden 
überall  grössere  Werte  berechnet  als  aus  der  Bestimmung  der  horizontalen  Ab- 
weichungen sich  ergaben.  Die  Ursache  dürfte  wohl  in  einer  üngenauigkeit  der  Be- 
stimmung der  Zeiten  Tj  .  . .  t«  hegen,  denn  es  können  dabei  3  Beobachtungsfehler 
enstehen:  1.  bei  der  Ablesung  des  Durchtrittes  des  //«/-Tröpfchens  durch  den  Skala- 
teil, 2.  bei  der  Mitteilung  der  beobachteten  Abweichung  an  den  2.  Beobachter,  3. 
bei  der  Notierung  der  Zahl  auf  dem  sich  bewegenden  Papierstreifen  des  Sphygmo- 
graphen.  —  Diese  3  Beobachtungsfehler  bedingen  einen  Ausgleich  der  Zeiten 
T,,  unter  sich,  wodurch  die  einzelnen  ^-  zu  klein  werden  und  die  Zahl  N  einen 
zu  grossen  Wert  erhält.     Dazu  kommen  noch  die  Schleifenbahnen. 

Vierteljahrsschrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.    Jahrg.  56.    1911.  13 


194 


Paul  Böhi. 


1 

- 

&C                 ^       OO       E» 

6C.£ 

fco  s  — 

T. 

g 

1 

s 

-^   ™  'S   =  =^ 

-S  'S.'« 
's   2 

-:2  8 

1 

o 

i 

I 

5  -1  J  %^\ 

a 

is  "S  «^ 

~e 

~e 

'i      ^^^ 

2.0 

0,04 

4,8 

1,8 

1,96 

4,8 

3,2 

0,36 

4,2 

3,8 

1,00 

3,6 

Fall  1 

4,8 
5.2 
2,8 
3,2 

4,2 
2,4 

0,16 
5,76 
0,16 
1.00 
3,24 

6,0 
4,6 
3,6 
6,0 

4,8 

1,59 

1,85 

1,825 

3,42 

6,2. 10^3 

1,2 

0,81 

1,6 

2,1 

0,01 

1,8 

Fall  2 

2,2 
2,5 
3,2 
4,2 

0,09 
0,49 
1,00 

2,2 
1,6 
3,2 

3,60 

1,33 

1,35 

3,64 

5,6 .  1023 

2,0 

0,64 

2,0 

2,8 

0,16 

2,2 

3,2 

1,00 

2,0 

1 

4,2 

0,25 

2,0 

Fall  3 

3,7 
2,5 
3,2 
2,8 
4,0 

1,44 
0,49 
0,16 
1,44 
1,00 

5,0 
6,0 
5,0 
3,0 
3,0 

2,24 

1,40 

1,46 

2,87 

6,5    1023 

3,0    j 

0,0 

0,25 

2,6 

1 

0,5 

0,25 

1,2 

1,0 

0,64 

3,6 

1,8 

0,36 

2,8 

1,2 

0,04 

3.0 

Fall  4 

1,0 
1.7 
2,5 
2.2 
3,2 
4,5 

0,49 
0,64 
0,09 
1,00 
1,69 

3,0 
3,4 
1,8 
2,0 
2,0 

2,95 

1,34 

1,42 

3,295 

5,9   1023 

1.8    1    0.36 

2,2 

1,2    i    0,49 

2,8 

0,5 

0,49 

3,2 

1.2 

3,24 

1,8 

j 

Fall  5 

3.0 
3,2 

0,04 
0,09 

3,0 
3,8 

2,54 

1,79 

1,73 

3,05 

5,2. 1023 

3,5    i    1,00 

2,8 

! 

4,5 

0,25 

4,8 

1 

5,0 

0,25 

2,2 

i 

5,5 

1 

i 

Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  N.  195 


V20  mm 


4   Q.uecksüberhvpffhen 


Fig.  % 

Die   ausgezogene   Kurve    bedeutet   den  'W^'eg   des   fl'^-Kügelchens,    soweit   die   Ablesungen 

gemacht  werden.  —  Stark  ausgezogen:  Netzteilung  der  Zählkammer,  schwach  ausgezogen 

diejenige  des  Okularnetzmikrometers. 


196 


Paul  Böhi. 


Eine  einfachere  Versuehsanordnung,  die  wir  früher  angewendet 
haben,  die  aber  etwas  unzuverlässigere  Resultate  gibt,  weil  die  Zeiten, 
welche  verfliessen,  bis  die  seitliche  Ablenkung  sich  vollzogen  hat,  nicht 
einzeln  bestimmt  werden  können,  besteht  darin,  dass  man  sich  einfach 
die  Zeit  t  markiert,  die  verstreicht,  bis  das  Quecksilberkügelchen 
vom  Skalateil  Ä  bis  B  empor  gestiegen  ist  (Fig.  2).  Die  seitlichen 
Ablenkungen  werden  gleich  bestimmt  wie  bei  der  vorigen  Versuchs- 
anordnung. Für  die  zugehörigen  Zeiten  wird  ein  Mittelwert  ange- 
nommen, den  man  erhält,  indem  man  die  Zeit  t  durch  die  Anzahl 
der  Skalateile  dividiert.  Die  in  nachstehender  Tabelle  angegebenen 
Zahlen  wurden  auf  diese  Weise  bestimmt. 


J33      D  - 

PI  'S.  g 

■£  ^£  a 

-g  6-    ■= 

s  3  -5  a 

fe  J  i 

"S  t«s  S 

Arithmetisches  Mittel 

der  zn  z/  gehörigen 

Zeiten  v  Sek. 

Anzahl  der  im  äramm- 

molekül  enthaltenen 

Moleküle  N 

1 

2,020 

6,90 

2,72 

3,68 

5,37  •  10^3 

2 

2,798 

4,46 

3,20 

2,68 

5,16  •  1023 

! 

3 

0,769 

33,69 

1,68 

9,75 

4,71-102» 

4 

1,172 

13,28 

2,07 

6,40 

6,36  •  102» 

5 

1,042 

12,77 

1,96 

7,2 

7,89  •  1023 

6 

1,095 

13,27 

2,00 

6,85 

7,09  •  1023 

7 

1,000 

13,40 

1,92 

7,5 

8,00  •  1023 

8 

1,66 

8,912 

2,47 

4,5 

5,59  •  1023 

2 

fi<7-Tröp 
verbu 

0,802 

Arit 

fchen  dur 
nden  ergs 

11,97 

imetisch 

ch  Kohä 
iben  folg 

1,72 

es  Mittel 

sion  mit 
ende  Za 

9,35 

6,24  •  1023 

einander 
ilen: 

12,46  •  10^3 

Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  N.  197 

Bei  der  in  Fig.  2  eingezeichneten  Ablesung  Nr.  8  haben  sich  folgende  Zahlen  ergeben: 

28,5  Differenz  der  t  =  90  Sek. 

29,0  Quadrate  90        .  „  ^  , 

29.0  0,25  r  =  — ==.4,5Seic. 

28,2  0,00  1         3 

29,2  0,64  ""'  =  W  "^ÖCF  ^  ^'^^  ■  10-*  cmsek-' 

27  0  i'«V  P2  =1,666- 3,677- 10- '0 

25:8  nnn  P  =  2,47- 10"^ 


25,2 


0,00 


2/,0  0,86                     P^ 

28,0  324 

27,5  1,00 

28,0  0,25 

2ö,8  0,25 

27,8  4,84 
4,00 


22,11     :  14  =  1,572X5,6689-  10"  «  =  8,9115  -  10"  »cm^  =  z/-^ 
iV=  2,557  - 10"  X  2,04  -  lO»^  x  1,07  =  5,59  •  10'" 

Bei  beiden  Versuchsanordnungen  beobachteten  wir  je  nur  eine 
einzige  Kugel  und  nur  während  einer  kurzen  Zeit,  aber  wir  kennen 
sehr  genau  ihre  Form,  die  infolge  der  Oberflächenspannung  absolute 
Kugelgestalt  haben  muss,  ferner  das  spezifische  Gewicht  und  die 
Viskositätsverhältnisse.  Die  Beobachtung  eines  einzelnen  Kügelchens 
über  kurze  Zeit  muss  aber  trotz  alledem  während  einer  sehr  kurzen 
Beobachtungszeit  bei  der  Ausrechnung  auf  dieser  Basis  ziemlich  un- 
gleiche Resultate  geben,  weil  die  zufälligen  Bewegungsformen  nicht 
ausgeglichen  werden,  resp.  weil  zufällige  Abweichungen  nicht  aus- 
geglichen werden. 

Die  statistische  Ausgleichung  und  mit  ihr  eine  zuverlässige  Zahl 
für  die  Grösse  des  Moleküls  kann  sich  folglich  erst  ergeben  auf 
Grund  einer  grossen  Zahl  von  genauen  Einzelbeobachtungen. 

Als  arithmetisches  Mittel  sämtlicher  ausgeführter  Beobachtungen 
ergab  sich  für  N  ein  Mittelwert  von  6,1  -  lO^^. 

Wenn  wir  diesen  Wert  mit  den  Zahlen,  die  Perrin  und  Einstein 
mit  Hülfe  der  Bro wuschen  Bewegung  1.  aus  der  Verteilung  einer 
gleichförmigen  Suspension  (7,05  •  10-^),  2.  aus  der  mittlem  Ver- 
schiebung in  einer  gegebenen  Zeit  (7,15  •  10"^)  und  3.  aus  der  mittlem 
Rotation  in  einer  gegebenen  Zeit  (6,5  •  10-^)  vergleichen,  so  können 
wir  eine  vollkommen  befriedigende  Übereinstimmung  konstatieren. 
Dieselbe  wird  noch  besser,  wenn  wir  einerseits  berücksichtigen,  dass 
es  sich  bei  umserem  Werte  für  die  Konstante  Avogadros  um  eine 
untere  Grenze  handeln  muss;  denn  infolge  der  ziemlich  inten- 
siven und  immer  mehrere  Minuten  dauernden  Belichtung  wird  die 
Temperatur  und  die  Viskosität  zu  Gunsten  einer  Vergrösserung  der 
Zahl  iV  verändert,  trotzdem  wir  nur  diffuses  Himmelslicht  von  Norden 


198  Paul  Böhi. 

verwendet  haben :  anderseits  scheinen  aber  auch  die  neuesten  Resul- 
tate von  Perrin^)  immer  noch  etwas  zu  hoch  sein ;  denn  die  Perrinschen 
Kügelchen,  die  er  in  seiner  homogenen  Suspension  verwendet,  ent- 
stehen dadurch,  dass  er  in  Wasser  unlösliche  Substanzen,  das  Gummi- 
gutti  und  den  Mastix  mit  Methylalkohol  behandelt,  welcher  etwa  V» 
der  Masse  löst.  Diese  klare  alkoholische  Lösung  verwandelt  er  durch 
Verdünnen  mit  Wasser  in  eine  gelbe  undurchsichtige  Emulsion;  das 
schwach  alkoholische  Wasser  wird  durch  Zentrifugieren  entfernt. 
Es  ergibt  sich  nun  klar,  dass  sich  ein  Teil  der  gelösten  Masse  beim 
Wasserzusatz  gelatinartig  ausscheidet,  ein  anderer  Teil  wird  zu  Kügel- 
chen. Diese  Kügelchen  erstarren  aber  sicher  bevor  aller  Alkohol 
entwichen  ist ;  sie  sind  also  effektiv  etwas  grösser  als  wenn  die  Masse 
kompakt  wäre.  Dieser  Fehler  mag  sehr  klein  sein,  aber  er  macht 
die  Zahl  N  doch  etwas  zu  gross. 

Eine  weitere  Möglichkeit  zur  Kontrolle  des  von  uns  gefundenen 
Wertes  für  N  gibt  uns  die  Ladung  des  Elektrizitätsatoms  an  die 
Hand.  Nachdem  Townsend  im  Jahre  1900  die  Un Veränderlichkeit 
der  atomaren  Ladung  bewiesen  hat,  sind  in  den  folgenden  Jahren 
sehr  genaue  Messungen  für  dieselbe  gemacht  worden.  So  hat  Ehren- 
haft für  die  Ladung  des  Elektron  im  C.  G.  S.  4,6  •  lO-^^,  de  Broglie 
4,5  •  lO"^*^,  Rutherfords  4,65  •  10""^*^  gefunden.  —  Berechnen  wir  nun 
auf  Grund  unseres  Wertes  für  N=  6,1  die  Ladung  des  Elektrons, 
so  finden  wir: 


^)  Während  der  Drucklegung  wurde  mir  eine  ganz  neue  Publikation  von 
Perrin  bekannt,  in  der  er  für  die  Konstante  von  Avogadro  statt  7,05  •  10^^  6,8  •  10*^ 
findet.     Comptes  rendus. 


Einige  Anwendungen 

der  Bestimmung*  der  absoluten  Grössen  des  Moleküls  auf  die 

Diffusion  in  festen  Colloiden  und  Membranen. 


Die  treibende  Kraft,  welche  bei  der  Diffusion  auf  ein  in  nicht 
dissoziertem  Zustande  sich  befindenden  Moleküle  wirkt,  besteht  aus 
dem  osmotischen  Druck  (nach  Traube  zum  grossen  Teil  auch  aus- 
gedrückt in  der  Differenz  der  Oberflächenspannungen).  Bei  den  Col- 
loiden spielt  der  osmotische  Druck  eine  mehr  untergeordnete  Rolle; 
an  seine  Stelle  tritt  bei  konzentrierten  Colloiden  unter  Umständen 
der  Quellungsdruck,  ferner  die  Schwerkraft  und  die  elektrische 
Ladung  (vgl.  Zangger,  Membranarbeiten).  Der  auf  Grund  des 
Wärmeinhaltes  entstehenden  Vorwärtsbewegung  des  Massenteilchens 
treten   folgende  drei  Kräfte  entgegen: 

1.  findet  eine  Hemmung  statt  infolge  des  Zusammenstossens  der 
Moleküle  unter  sich, 

2.  üben  die  engen  Kanäle  der  strukturierten  Gelatine  durch  die 
Reibung  an  ihren  Wandungen  (Erhöhung  der  Reibung  durch  nahe 
Wand)  einen  hemmenden  Einfluss  aus, 

3.  kommen  elektrische  Ladungen  in  Betracht,  die  für  das 
Maschenwerk  und  die  durch  dasselbe  durchtretenden  Moleküle  gleich 
oder  ungleich  sein  können. 

So  beeinflussen  z.  B.  die  colloiden  Zellmembranen  in  mannig- 
facher Weise  die  Diffusion,  eine  Tatsache,  die  bis  vor  wenigen 
Jahren  vollständig  ignoriert  wurde,  indem  man  die  Membran  einfach  als 
etwas  Indifferentes,  Konstantes  angesehen  hat;  Tamman,  Overton  und 
Meyer  haben  dann  eine  Theorie  aufgestellt  und  behauptet,  es  kann 
durch  eine  Membran  nur  durchtreten,  was  in  ihr  löslich  ist,  und 
haben  darauf  gestützt  zwei  Arten  von  biologisch  wichtigen  Membranen 
unterschieden:  fett-  und  wasserlösende. 

Das  Experiment  hat  aber  gezeigt,  dass  sehr  kleine  physikalische 
und  chemische  Differenzen  in  der  Vorgeschichte  der  Colloide  die 
Durchlässigkeit  in  starker  Weise  zu  verändern  vermag. 


200  Paul  Böhi. 

Wenn  wir  uns  eine  Vorstellung  machen  wollen  über  das  Wesen^ 
über  das  erste  Beginnen  der  Struktur,  so  können  wir  sagen,  in  dem 
Moment,  wo  ein  Anschluss  der  Moleküle  aneinander  stattfindet,  wo 
eine  bestimmte  Richtung  im  Raum  bevorzugt  wird,  wo  die  Dislo- 
kation der  Massenteilchen  in  einer  Richtung  eine  andere  Kraft  er- 
fordert als  in  einer  andern,  treten  neben  die  Merkmale  der  Lösung 
oder  der  Emulsion  die  Zeichen  der  Festigkeit,  der  Elastizität,  der 
Zerreissungsfestigkeit,  d.  h.  die  Struktur,  die  ja  so  ausserordentlich 
variabel  und  charakteristisch. 

Die  ersten  Untersuchungen,  welche  gemacht  wurden  in  der  Ab- 
sicht nachzuweisen,  dass  die  Art  der  Membran  den  Diffusionsvorgang 
bedingt,  wurden  ausgeführt  von  Pfeffer  und  von  Traube,  dann 
kamen  Waiden  und  Tamann  die  Membranen  aus  Ferrocyankupfer 
etc.  herstellten,  die  eine  verschiedene  Durchlässigkeit  gegen  den 
natürlichen  Häuten  zeigten  (auch  gegen  Salze). 

Da  es  ausserordentlich  schwierig  ist,  in  einer  dünnen  Membran 
den  Diffusionsvorgang  genauer  zu  studieren,  vor  allem,  eventuell  auf- 
tretende Niederschläge  und  Zonenbildungen  zu  beobachten,  wurden 
zu  diesem  Zwecke  von  mehreren  Autoren  Grelatinezylinder  gewählt, 
an  welchen,  nachdem  man  vorher  verschiedene  Einflüsse  hatte  ein- 
wirken lassen,  die  eintretenden  Änderungen  im  Diffusionsprozess  mit 
Leichtigkeit  quantitativ  und  qualitativ  verfolgt  werden  konnten^ 
indem  z.  B.  nach  einer  bestimmten  Zeit  der  Gelatinezylinder  in 
Scheiben  zerlegt  und  analysiert  wurde ;  ferner  ist  auf  diese  Weise 
durch  Messen  des  zurückgelegten  Weges ,  durch  Farben-  und 
Fällungsreaktion  ein  genaues  Studium  des  Diffusionsvorganges  mög- 
lich (vergl.  Dis.  Stoffel  pag.  47). 

So  hat  F.  Stoffel  z.  B.  gezeigt,  dass  verschieden  lange  Er- 
starrungszeit einen  Unterschied  im  Diffusionsweg  und  Charakter  her- 
vorruft. Ferner  wurde  nachgewiesen,  dass  lange  Quellung  (mehrere 
Tage)  und  langes  und  starkes  Erhitzen  die  Schichtbildung  bei  der 
Diffusion  aufhebt.  Es  tritt  z.  B.  nach  diesen  beiden  Vorbehandlungen 
der  Gelatine  keine  Liesegangsche  Ringbildung  ein,  wenn  der  Gelatine 
vor  dem  Erstarren  Kaliumbichromat  zugesetzt  und  dieselbe  mit 
Silbernitrat-Lösung  überschichtet  wird. 

Neben  dieser  rein  physikalischen  Beeinflussung  der  Gelatine  er- 
zeugt die  chemische  sehr  ungleiche,  oft  auffallende  Unterschiede  im 
Diffusionsweg  und  Diffusionsmodus  (vergl.  Stoffels  Vorversuche,  die 
sich  vergleichend  über  eine  Reihe  von  Farbstoff- Diffusions- 
untersuchungen erstrecken). 


Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  N.  201 

Pzibram  hat  durch  Zusatz  von  Zucker,  Harnstoff  etc.,  Lebe- 
deff  und  Fluri  mit  Aluminiumsalzen  bei  Pflanzen  und  Czapek 
durch  Alkohol  ebenfalls  bei  Pflanzen  eine  Änderung  des  Diffusions- 
vorganges bewirkt. 

Meine  eigenen  Versuche  hatten  zum  Ziel,  die  Änderung  des 
Diffusionsprozesses  zu  studieren,  wenn  dem  Gelatinezylinder  gewisse 
Hydroxydkörper  oder  stark  wirkende  Protoplasmagifte  zugesetzt 
wurden,  um  auf  diese  Weise  sukzessive  einen  Einblick  in  die  Beein- 
flussbarkeit  dieser  Strukturbildungen  in  der  Gelatine  und  über  den 
Mechanismus  der  Giftwirkungen  etwas  zu  erfahren. 


Chemische  Beeinflussbarkeit  der  Diffusion. 

1.  Versuch  vom  1.  März  1911:  Untersuchungen  über  den  Ein- 
fluss  verschiedener  Zusätze  zur  Gelatine  auf  ihre  Diffusionsgrösse. 
Gelatine  wird  zweimal  24  Stunden  mit  destilliertem  kaltem  Wasser 
dialysiert  und  nachher  durch  weiteren  Zusatz  von  Wasser  auf  das 
Zehnfache  ihres  ursprünglichen  Gewichtes  gebracht,  so  dass  man  eine 
10  7«  ige  Gelatine  erhält;  nachdem  man  sie  während  einer  Viertelstunde 
auf  70°  erhitzt  hat,  werden  in  1  cm  weite  Reagensgläschen  je  10  cm^ 
abgefüllt.  Zur  noch  heissen  flüssigen  Gelatine  werden  neben  vielen 
andern  folgende  Zusätze  gemacht:  Gerbsäure,  Formanilid,  Natrium 
taurocholicum ,  Gallussäure,  Metol,  Cadmiumjodid,  Urannitrat,  und 
zwar  je  5  Tropfen  einer  P/oigen  Lösung.  Zur  Kontrolle  werden 
bei  1  respektive  2  Reagensgläschen  zur  Gelatine  5  Tropfen  destil- 
lierten Wassers  zugegeben.  Durch  einen  Vorversuch  wurde  be- 
stimmt, dass  je  14  — 15  Tropfen  dieser  Lösungen  einem  cnr*  ent- 
sprechen. 

In  10  cm^  Gelatine  sind  also  ^jaoo  gr  Substanz  der  oben  genannten 
Zusätze  enthalten  oder  anders  ausgedrückt,  die  Gelatine  hat  einen 
Zusatzgehalt  von  0,35  7oo.  Nach  Erstarrung  der  Gelatine  wird  die- 
selbe mit  je  1  cm^  einer  iVoigen  Eisenchloridlösung  überschichtet 
und  bei  Zimmertemperatur  aufgestellt. 

Nach  9  Stunden  zeigt  sich  in  den  Reagensgläschen,  zu  welchen 
man  Formanilid,  Natrium  taurocholicum,  Cadmiumjodid,  Urannitrat  und 
Wasser  zugegeben  hatte,  folgendes  Bild:  Die  in  die  Gelatine  ein- 
diffundierte Eisenchloridlösung  weist  überall  eine  gleiche  dunkel - 
rotbraune,  nach  unten  scharf  begrenzte  Färbung  auf.  Die  Länge  dieser 
Schicht  beträgt  in  allen  Röhrchen  6  —  7  mm;  ihr  geht  eine  zweite 
ungefärbte  Schicht  voraus,  welche  um  das  Zweifache  länger  ist, 
als   die  gefärbte  und  sich  von  der  noch  intakten  Gelatine  nur  durch 


202 


Paul  Böhi. 


eine  veränderte  Lichtbrechung  abgrenzt,  was  als  äusserst  feine  und 
scharfe  Linie  zum  Ausdruck  kommt  (vergleiche  auch  Tafel  L 
Fig.  1). 

Etwas  anders  hat  sich  der  Diffusionsvorgang  gestaltet  in  der 
Gelatine,  der  Metol  zugesetzt  wurde.  Hier  ist  nämlich  die  voraus- 
eilende Schicht,  welche  oben  von  der  gefärbten  Diffusionszone  und 
unten  von  der  eben  genannten  scharfen  Linie  begrenzt  wird,  deutlich 
braun  gefärbt,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  die  Intensität  der  Färbung, 
von  oben  mit  einem  kaum  sichtbaren  durchscheinenden  Braun  beginnend, 
allmählich    zunimmt,    bis   sie   am   unteren  Rand    der  Zone,  wo   auch 


3S 


%.l 


;  Vorauseilende  Schicht  bei 
I  Tiinins.  Oüllussiurezusslz 


33-  •••■ 

26X-      '                                    \ 

22,..- 

/    i 

/               i 

\                                ___-i^-*- 

Ig  1  VonsuseiiendeSc/tic/ilöei  unten 

1  angegebenen  Zusätzen,  zugleiih 

\  dunliei  gefärbte  Zonebeilmin 
\  i^Gstlussäurezusatz 

«l-—- 

"'^l                                              i 

yf>/      ^..^-"'''^      \ 

;                         ģj 

toWiffusionsueg  von  Formanilid- 

:  Natrium  laurocliolicutn  ,- 

:  Cadmium  Jodid -Urannilral 
■  Wetolf.  lüasserzussfz 

ß;"'-'" "'] 

9                                     ^^ 

S2                                         7S 

lOi 

hier  noch  jene  scharfe  Linie  zu  sehen  ist,  mit  ziemlich  scharfer 
Orenze  aufliört.  Über  diese  Linie  hinaus  findet  sich  noch  einige  mm 
weit  eine  ganz  zarte  durchscheinende  Braunfärbung,  die  allmählich 
gegen  die  noch  unveränderte  Gelatine  hin  verschwindet  (vergl.  Fig.  2, 
Taf.  II,  wo  5*^/oige  Gelatine  angewendet  wurde). 

Ganz  anders  erscheinen  die  Diffusionsverhältnisse  bei  Zusatz  von 
Tannin  und  Gallussäure.  Hier  ist  dasjenige  Stück  Gelatine,  das 
wir  vorhin  als  gesamten  Diffusionsweg  bezeichnet  hatten,  dunkel- 
braunrot mit  einem  Ton  ins  Violette  gefärbt,  doch  ist  die  Färbung 
nicht  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  eine  homogene,  sondern  etwas 
unterhalb  der  Mitte  lässt  sich  eine  deutlich  hellere,  ca.  2  mm  breite 
Zone  erkennen,  die  hauptsächlich  in  dem  Röhrchen  mit  Gallussäure 
stark   zum  Ausdruck   kommt;    unterhalb    dieser  Schicht   tritt   eine 


Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  N.  203 

neue  Färbung   auf,    die   in   ihrer   ganzen  Breite  eine   hellrot-violette 
Farbe  aufweist  (vergl,  auch  Fig.  9,  Taf.  I). 

Der  gesamte  Diflfusionsweg  bei  Tannin-  und  Gallussäurezusatz 
beträgt  nach  9  Stunden  10  mm.  Obenstehende  Kurven  zeigen  die 
Masse  nach  9,  37,  52,  79,  104  Stunden.  Die  Abszissen  bedeuten  die 
Stunden,  die  Ordinaten  die  Diffasionswege.  Beim  Metolzusatz  ist  die 
vorauseilende  Schicht  überall  um  den  oben  erwähnten  hellbraunen 
Saum  breiter,  als  die  ausgezogene  Linie  angibt. 

2.  Versuch  vom  25.  Ajjril  1911.  Untersuchungen  über  die  untere 
Grenze  der  Beeinflussbarkeit  des  Diffusionsprozesses  durch  Tannin - 
Zusatz.  Gelatine  wird  zweimal  24  Stunden  dialysiert  und  nachher  durch 
Wasserzusatz  5"  oig  gemacht  und  mit  Eisenchlorid  überschichtet.  Es 
wird  zu  28  Gelatineröhrchen  Tannin  zugesetzt  und  zwar  in  folgenden, 
in  Promille  ausgedrückten  Konzentrationen: 

1)  0,0007700  8)  0,0056  ö/oo  15)  0,0105  «/oo  22)  0,028^/00 

2)  0,0014  ,  9)  0,0063  „  16)  0,0112  „  23)  0,035   „ 

3)  0,0021  „  10)  0,0070  „  17)  0,0119   „  24)  0,042  „ 

4)  0,0028  „  11)  0,0077  „  18)  0,0126  „  25)  0,049  „ 

5)  0,0035  „  12)  0,0084  „  19)  0,0133  „  26)  0,056   „ 

6)  0,0042  „  13)  0,0091  „  20)  0,014     „  27)  0,063  „ 

7)  0,0049  „  14)  0,0098  „  21)  0,021     „  28)  0,070  „ 

Bei  der  Ablesung  nach  41  Stunden  ist  in  den  Röhrchen  1 — 9 
kein  Unterschied  zu  erkennen  zwischen  denjenigen  Röhrchen,  in  die 
zur  Kontrolle  nur  destilliertes  Wasser  zugesetzt  wurde.  Bei  Röhr- 
chen 10  (vergl.  Fig.  2,  Taf.  I)  tritt  zum  erstenmal  an  der  untern 
Grenze  der  vorauseilenden  Schicht  ein  sehr  zartes  durchscheinendes 
blaues  Bändchen  auf,  das  nach  oben  und  unten  unscharf  begrenzt  in 
die  vollkommen  klare  Gelatine  übergeht  und  durch  dessen  Mitte  die 
lichtbrechende  Linie  verläuft.  Mit  steigender  Tannin-Konzentration 
wird  die  Zone  a',  h  immer  mehr  blau  gefärbt  und  zwar  so,  dass  die 
Intensität  der  Färbung  von  der  Linie  h  ausgeht  und  allmählich  gegen  die 
untere  Grenze  a  der  eigentlichen  Diffusionsschicht  abnimmt  (Fig.  3 
und  4,  Taf.  I).  Bei  noch  höheren  Konzentrationen,  wie  bei  Röhrchen 
24 — 28,  welch  letzteres  durch  Fig.  4,  Taf.  I  wiedergegeben  ist,  wird 
der  untere  Teil  der  Zone  d ,  h  intensiv  dunkelblau  gefärbt,  während 
unterhalb  der  Linie  h  eine  5  mm  breite,  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung 
gleichmässig  rot-violette  mit  scharfer  Grenze  sich  gegen  die  intakte 
Gelatine  absetzende  Zone  erscheint. 


204  Paul  Böhi. 

3.  Versuch  vom  25.  April  1911.  Gleiche  Zubereitung  der  Gelatine 
wie  im  Versuch  2.  Es  werden  folgende  Zusätze  zur  Gelatine  ge- 
macht : 

1)  0,035  7oo  Tannin  +  0,35  "/^oo  Kalium  bichromat 

2)  0,07     „  „        -f  0,35   „ 

3)  0,14     „  „        +  0,35  „ 
.      4)  0,21     „  „        +  0,35   „ 

5)  0,28     „  „        +  0,35  „ 

Die  5  Gelatineröhrchen  werden  mit  einer  IT^oigen  Argentum 
nitricum-Lösung  überschichtet.  Nach  20  Stunden  zeigen  sich  die 
Diffusionsprozesse  in  folgendem  Stadium:  in  allen  Röhrchen  beträgt 
der  Gesamtdiffusionsweg  25  mm,  in  Röhrchen  1  und  in  dem  Kontroll- 
röhrchen  ,  dem  nur  Kalium  bichromat  und  kein  Tannin  zugestezt 
wurde,  sind  die  Liesegangschen  Ringe  schön  zur  Ausbildung  gekommen, 
während  schon  in  Röhrchen  2 ,  also  bei  einer  Konzentration  von 
0,07  Voo  die  Entstehung  dieser  Ringe  gestört  wurde.  An  ihrer  Stelle 
sind  nur  noch  vereinzelte  dunkle  Punkte  vorhanden  (siehe  Fig.  9  und 
10,  Taf.  II),  welche  den  Vorgang  nach  144  Stunden  zeigt.  V^ergl.  auch 
Stoffel  „Über  Diffusion  in  festen  Colloiden",  der  das  analoge  Resultat 
erhält,  d.  h.  Auflösung  der  Ringbildung,  indem  er  die  Gelatine  sehr 
rasch  abkühlt. 

4.  Versuch  vom  25.  Ai^ril  1911.  Untersuchung  der  vorauseilen- 
den Schicht  auf  Ammoniak  und  Säure.  1.  Es  wird  mittelst  einer  Pravatz- 
Spritze  Phenolphtalein  in  die  helle  Zone  hineingespritzt :  es  tritt  reine 
Alkoholreaktion  ein.  2.  Die  Schicht  a',  b  wird  nach  Zerschlagen  des 
Reagensgläschens  mit  dem  Messer  herausgeschnitten,  geschmolzen  und 
mit  Phenolphtalein  versetzt:  es  entsteht  keine  Rotfärbung.  3.  Der 
ganze  Inhalt  des  Reagensgläschens  wird  geschmolzen  (die  Schicht  a, 
a  schmilzt  bedeutend  langsamer  als  die  übrige  Gelatine)  und  Phe- 
nolphtalein zugesetzt:  es  zeigt  sich  auch  hier  keine  Rotfärbung. 
4.  Nach  Isolierung  der  Schicht  «',  h  wird  dieselbe  geschmolzen  und  mit 
Nesslers  Reagens  untersucht.  Es  tritt  auch  hier  eine  negative  Reak- 
tion ein.  5.  Es  wird  in  einem  Röhrchen  der  Gelatine  vor  dem  Er- 
starren etwas  Congorot  beigeben  und  dassellbe  gleichzeitig  mit  einem 
Kontrollröhrchen,  das  reine  Gelatine  enthält  mit  einer  1  "/o  Eisen- 
chloridlösung ttberschichtet;  es  bildet  sich  in  dem  congorothal- 
tigen  Röhrchen  ein  gleichmässig  blau  gefärbter  Diffusionszylinder,  der 
zu  jedem  Zeitpunkt  der  Ablesung  genau  die  gleiche  Länge  hat  wie 
die  dunkelbraune  Diftusionszone  und  die  vorauseilende  Schicht  in  dem 
Kontrollröhrchen  zusammen ;  die  vorauseilende  Schicht,  die  offenbar 
säurehaltig  ist  (Salzsäure),   färbt   die    congorothaltige-Qelatine   blau. 


Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  N.  205 

5.  Versuch  vom  28.  April  1911.  Herstellung  von  5  "/oiger  Gela- 
tine nach  vorherigem  Dialysieren  während  24  Stunden.  Es  werden 
drei  verschiedene  Gelatinen  gebildet:  1.  Gelatine  ohne  Zusatz,  2.  Ge- 
latine mit  0,3  Voo  Gallussäure  und  3.  Gelatine  mit  0,37oo  Pyi'ogallol. 
Je  drei  solcher  Gelatineröhrchen  werden  überschichtet  1.  mit  Eisen- 
chlorid, 2  mit  Kalium  bichromat,  3.  mit  Cupramonsulfat  und  4.  mit 
Fluorescin.  Resultat:  Bei  der  Uberschichtung  mit  Eisenchlorid  zeigt 
sich  in  den  Röhrclien  mit  Gallussäure  und  Pyrogallol  genau  der  gleiche 
Diifusionsvorgang  wie  beim  Tanninzusatz,  mit  dem  Unterschied  zwar, 
dass  das  Bändchen,  das  an  Stelle  der  Linie  h  erscheint,  hier  mehr 
violett  ist,  und  dass  es  bei  Pyrogallol  etwas  breiter  ist,  als  bei  Tannin 
und  Gallussäure. 

6.  Versuche  ohne  evident  x>ositive  Resultate.  5Voige  Gelatine, 
die  wie  in  Versuch  1  hergestellt  wurde,  wird  mit  folgenden  Substanzen 
so  versetzt,  dass  je  eine  0,35  7oo  ige  Gelatinezusatz-Mischung  ent- 
steht. 1.  ß  Naphtol,  2.  Hydrochinon,  3.  Harnstoff,  4.  Thymol,  5.  /3 
Naphtylaminsulfosäure,  6.  Dinitrobenzol,  7.  Diphenylamin,  8.  Anilin, 
9.  salicylsaures  Amyl,  10.  Tetrachlorkohlenstoff,  11.  Benzaldehyd, 
12.  Pyridin,  13.  Isobutylamin,  14.  Thionylchlorid,  15.  Äthylanilin, 
16.  Triamylamin,  17.  Ölsäure,  18.  Piperidin.  Nach  dem  Erstarren 
werden  alle  Gelatineröhrchen  mit  einer  l7oigen  Eisenchloridlösung 
überschichtet.  Nach  72  Stunden  hatte  in  dem  Kontrollröhrchen, 
dem  kein  Zusatz  beigegeben  wurde,  die  eigentliche  Diffusionsschicht 
10 — 11  mm,  der  gesamte  Diffusionsweg  22  mm  weit  entwickelt.  In 
Röhrchen  1  und  2  hat  sich  an  Stelle  der  vorauseilenden  Linie  eine 
ca.  2  mm  breite  Zone  gebildet,  die  bei  1  hellgelb,  bei  2  mehr  bräun- 
lich ist  und  deren  obere  und  untere  Begrenzung  ganz  allmählich  in 
die  intakte  Gelatine  übergeht.  Die  Röhrchen  3,  4,  5,  6,  7,  8,  9  und 
10  zeigen  ganz  dasselbe  Bild,  wie  das  Vergleichsröhrchen.  Bei  Röhr- 
chen 11  hat  sich  beim  Hinzufügen  des  Benzaldehyds  zur  Gelatine 
eine  weisse  emulsionsähnliche  Masse  gebildet.  Das  Eisenchlorid  dif- 
fundiert mit  hellbrauner  Farbe  in  die  weisse  Gelatine  hinein,  doch 
beträgt  hier  die  eigentliche  Diffusionsschicht  nur  8  mm.  Ihr  geht 
ebenfalls  eine  vorauseilende  Zone  voran,  die  sich  als  helle  durch- 
sichtige Partie  von  der  übrigen  weissen  Gelatine  absetzt.  Bei  12 
hat  sich  an  der  Berührungsfläche  der  beiden  ineinander  diffundierender 
Medien  ein  intensiv  brauner  Ring  gebildet.  Ebenso  ist  bei  Röhr- 
chen 13  an  der  Berührungsfläche  des  Eisenchlorids  mit  der  Gelatine 
eine  dunkelbrunschwarze  Schicht  entstanden,  unter  welcher  eine  rote 
und  als  dritte  eine  gelbbraune  folgt.  Jede  der  3  Schichten  misst  etwa 
1  mm.  Bei  15  stellt  sich  der  ganze  Diffusionsweg  als  eine  3  mm  breite 
schmutzig  braune  Zone  dar.     Auch  bei  16  und  17  besteht  der  ganze 


206 


Paul  Böhi. 


Diffusionsweg  in  einer  etwa  B  mm  breiten  Zone.  Bei  18  ist  die 
eigentliche  Diffusionsschicht  5  mm  breit,  ihr  folgt  eine  1  72  mm  breite 
helle  Zone,  unter  welcher  eine  braune,  2  '/2  mm  breite  sich  befindet. 
7.  Versuch  vom  29.  April  1911.  5"/o  Gelatine,  die  wie  in  Ver- 
such 1  hergestellt  wurde,  wird  1.  mit  5  Tropfen  einer  107»  Salzsäure- 
Lösung,  2.  mit  5  Tropfen  einer  10 7«  Natronlauge  versetzt;  ein  3. 
Röhrchen  bekommt  keinen  Zusatz,  resp.  um  die  gleiche  Konzentration 
der  Gelatine  zu  erzielen  5  Tropfen  destillierten  Wassers ;  alle  Röhrchen 
werden  mit  einer  ca.  1  %  Eisenchloridlösung  4  cm  hoch  überschichtet. 


Bei  der  Ablesung  nach 

3 

14 

36       Stunden 

beträgt  der  eigentliche  Diffusions- 
zylinder in  allen  3  Röhrchen 

3 

7-8 

12 

i 
mm 

dagegen  die  vorauseilende               1 

ungefärbte  Zone  in                      2 

Röhrchen                              3 

8 
4 
5 

18 
9 
13 

30 
15 

22 

mm 

Resultat:  Zusatz  von  Salzsäure  und  Natronlauge  beeinflusst 
vor  allem  die  Bildung  der  vorauseilenden  Schicht,  nicht  aber  (oder 
jedenfalls  in  ganz  untergeordnetem  Masse)  die  Entstehung  des  eigent- 
lichen Diffusionszylinders,  und  zwar  wird  bei  Na  OH-Zusatz  dieselbe 
verzögert,  bei  HCl-Zusatz  beschleunigt.  Bei  natronlaugehaltiger 
Gelatine  wird  die  Grenze  zwischen  intakter  Gelatine,  die  ein  weisses 
opaleszentes  Aussehen  hat,  sehr  scharf,  die  vorauseilende  Schicht  ist 
hell  und  durchsichtig,  während  bei  salzsäurehaltiger  Gelatine  die 
vorauseilende  Linie  nach  einigen  Stunden  mehr  und  mehr  unscharf 
wird;  auch  die  untere  Begrenzung  der  eigentlichen  Diffusionszone 
gegen  die  vorauseilende  wird  bei  dieser  Gelatinemischung  diffus. 

8.  Versuch  vom  10.  Mai  1911.  Nach  Traube  „Über  Capillar- 
analyse"  (Bericht  der  deutschen  chemischen  Gesellschaft,  Jahrgang  45, 
Heft  5)  erfahren  manche  colloidalen  Medien  (z.  B.  Farbstofflösungen, 
wie  Nachtblau,  Nilblau,  ferner  Wollviolett,  Lecithin  oder  Seifen- 
emulsionen) oft  eine  bedeutende  Änderung  der  Oberflächenspannung, 
falls  ihnen  Colloidgifte  zugesetzt  werden,  wie  Anionen  J,  CNS,  CIO4 
und  Kationen  Hg,  Cd,  Ag,  Pb,  Cu,  z.  B.  Sublimat,  Cd  Chlorid,  Queck- 
silberjodid,  Cocainchlorhydrat ;  es  war  naheliegend,  die  oben  ange- 
gebenen Kombinationen  zu  prüfen,  ob  sie  eventuell  eine  Änderung 
im  Diffusionsweg  oder  -charakter  hervorrufen ;  doch  konnte  bei  allen 
möglichen  Mischungen  und  Überschichtungen  der  Gelatine  mit  diesen 
Colloidgiften  keine  Änderung  des  Diffusionsprozesses  beobachtet 
werden. 


Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  N.  207 

9.  Versuch  vom  1.  Juni  1911.  Nach  Wilhelm  Biltz,  Zeit- 
schrift für  physikalische  Chemie,  Bd.  77,  I.  Heft,  „Über  den  osmo- 
tischen Druck  der  Colloide",  erhöhen  gewisse  konstitutive  Einflüsse 
wie  Häufung  der  Sulfogruppen  in  einem  Molekül  die  Löslichkeit  der 
Farbstoffe  und  ihre  Dialysierfähigkeit.  Zwischen  den  Farbstoffen  von 
nahezu  gleichen  Molekulargrössen  verursacht  der  Gehalt  an  Sulfo- 
gruppen, zwischen  den  Farbstoffen  mit  gleicher  Anzahl  von  Sulfo- 
gruppen die  verschiedene  Atomzahl  charakteristische  Unterschiede; 
so  dialysiert  z.  B.  Tuchrot  mit  53  Atomen  und  einer  Sulfogruppe 
nicht,  während  Säurefuchsin  S  mit  52  Atomen  und  3  Sulfogruppen 
stark  dialysiert.  Indem  wir  diese  Untersuchungen  auf  unsere  Diffu- 
sionsexperimente übertrugen,  machten  wir  folgende  Versuche : 

10^'oige  Gelatine  ward  mit  äquimolekularen  Lösungen  (70  7oige 
alkoholische  Lösung)  von  Tuchrot  (Monosulfo- Körper),  Molekular- 
gewicht 482,  Congorot,  Molekulargewicht  990  (Disulfo-Körper  in 
Wasserlösung),  Chicagoblau,  Molekulargewicht  993  (Tetrasulfo-Körper) 
überschichtet.  Es  zeigt  sich,  dass  bei  1  ein  kaum  i  mm  breiter,  bei 
2  ein  1 — 2  mm  dicker  und  bei  3  ein  5  mm  langer  Diffusionszylinder 
sich  gebildet  hat. 

10.  Versuch  vom  9.  Juli  1911.  Gelatine  dargestellt  wie  in  Ver- 
such Nr.  1.  Es  werden  folgende  Zusätze  gemacht:  1.  Gallussäure^ 
2.  Brenzkatechin,  3.  /3  Naphtol,  4.  Hydrochinon,  5.  Metol,  6.  Pyro- 
gallol,  7.  Tannin  und  zwar  von  jeder  Substanz  soviel,  dass  je  eine 
0,03 ''o  Gelatine  entsteht.  Alle  Röhrchen  werden  mit  einer  1 7o 
Methylenblaulösung  3V2  cm  hoch  überschichtet.  Ablesung  nach 
10  X  24  Stunden.  Li  denjenigen  Reagensgläschen,  die  keinen  Zusatz 
erhalten  haben,  hat  der  intensiv  blau  gefärbte  Diffusionszylinder  eine 
Länge  von  8 — 9  cm,  darüber  hinaus  ist  die  Gelatine  3 — 4  cm  durch- 
scheinend blau  gefärbt,  so  dass  ein  allmählicher  Übergang  zur  in- 
takten Gelatine  stattfindet;  in  allen  andern  Röhrchen  beträgt  der 
dunkel  gefärbte  Diffusionsweg  nur  4 — 5  cm  (mit  Ausnahme  der 
tanninhaltigen  Gelatine),  wo  dieser  6  —  7  cm  lang  ist.  Auch  hier 
folgt  unterhalb  der  dunkelblauen  eine  hellblaue  2 — 3  cm  breite  Zone 
mit  allmählichem  Auslaufen  in  die  unveränderte  Gelatine ;  doch  ist 
der  Übergang  von  der  intensiven  zur  diffusen  Farbe  bei  allen  Zu- 
satzröhrchen  ein  viel  brüskerer,  schärferer  als  bei  der  reinen 
Gelatine. 

Bei  steigender  Konzentration  dieser  Zusätze  wird  die  Diffusions- 
geschwindigkeit überall  noch  mehr  gehemmt.  So  beträgt  z.  B.  bei  einer 
0,3  Vo  Gallussäure-Gelatine  die  dunkelgefärbte  Diffusionsscheibe  nur 
V2  cm,  die  vorauseilende,  allmählich  in  die  klare  Gelatine  abklingende 
Schicht  4—5  cm. 


208  Paul  Böhi. 

Für  andere  Farbstoffe  wie  Tuchrot,  Chicagoblau  und  Congorot 
üben  die  obigen  Zusätze  keinen  Einfluss  auf  die  Diffusionsgeschwindig- 
keit aus.  Mischung  dieser  Substanzen  im  Reagensrohr  gab  keine 
Fällung.  Die  Gründe  dieser  eigenartigen  Beobachtung  sind  nicht  klar. 

11.  Versuch  vom,  9.  Juli  1911.  Um  zu  untersuchen,  ob  der 
hydrostatische  Druck  während  der  Erstarrungszeit  der  Gelatine  von 
Einfluss  auf  den  Diffusionsvorgang  sei,  Hess  ich  mehrere  Gelatine- 
röhrchen  unter  einem  Druck  von  6 — 8  Atmosphären  in  Erstarrung 
übergehen.  Bei  nachheriger  Überschichtung  mit  Eisenchlorid  zeigte 
sich  keine  Änderung  im  Diffusionsmodus  zwischen  diesen  Röhrchen, 
und  denjenigen,  die  bei  normalem  Luftdruck  erstarrt  waren.  Dieses 
Ergebnis  war  zu  erwarten,  da  die  Hauptmasse  Wasser  ist  und  dieses 
nach  den  Untersuchungen  von  T am  man  seine  Eigenschaften  erst  bei 
1500  Atm.  Druck  wesentlich  verändert. 

Anmerkung:  Für  diese  Diffusionsversuche  wählten  wir  extra  ein  einfaches 
{Ag  N  Os)  und  ein  kompliziertes  Salz,  wie  das  Eisenchlorid. 

Berechnung  der  Kanalweiten  in  der  Gelatine. 

Nachdem  wir  nun  im  ersten  Abschnitt  die  Zahl  N  und  damit 
auch  die  absolute  Dimension  der  diffundierenden  Teilchen  bestimmt 
haben,  möchte  ich  hier  versuchen,  die  Kanalgrössen  zu  berechnen, 
soweit  sie  nur  als  Gitterwerk  in  Frage  kommen,  d.  h.  keine  andern 
Potentiale  als  die  Bewegung  der  Massenteilchen  als  Ausdruck  der 
Temperatur  auftreten;  soweit  speziell  keine  elektrischen  Potentiale 
vorhanden  sind,  und  die  Hemmung,  die  infolge  des  Zusammenstossens 
der  Teilchen  unter  sich  als  unwesentlich  vernachlässigt  werden  kann, 
was  bei  einer  stark  verdünnten  Lösung  und  Diffusion  von  Eisenchlorid 
in  Gelatine  annähernd  der  Fall  sein  dürfte,  so  dass  eine  Überschlags- 
rechnung für  die  absolute  Dimension  dieser  Grössen  gestattet  sein  wird. 

Diese  Berechnung  lässt  sich  durchführen  aus  einer  Beziehung, 
die  uns  R.  Ladenburg  angibt  (Über  den  Einfluss  von  Wänden  auf 
die  Bewegung  einer  Kugel  in  einer  reibenden  Flüssigkeit.  Ann.  der 
Physik,  Bd.  XXIII,  1907): 

Unter  dem  Einfluss  eines  unendlich  langen  Zylinders  vom  Quer- 
schnittsradius Q  würden  sich  die  Flüssigkeitsteilchen  am  Mittelpunkt 

7?  n 

der  Kugel   vom    Radius  R   mit    der  Geschwindigkeit  2, 4 in   der 

der  Kugelgeschwindigkeit  entgegengesetzten  Richtung  bewegen,  und 
die  relative  Geschwindigkeit  v  zwischen  Kugel  und  Flüssigkeit  würde 
den  Wert  annehmen: 


a(l  +  2,4f) 


Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  X.  :209 

wobei  a  die  Geschwindigkeit  der  Kugel  ohne  Anwesenheit  des  Zylin- 
ders bedeutet. 

Bei  dieser  Beziehung  wird  selbstverständlich  vorausgesetzt,  dass 
die  Bewegung  eine  geradlinige  sei,  was  beim  Durchtreten  eines  Teil- 
chens durch  das  Maschenwerk  der  strukturierten  Gelatine,  wenn  wir 
auch  nur  eine  ganz  kurze  Strecke  in  Betracht  ziehen,  kaum  annähernd 
der  Fall  sein  wird.  Dabei  begehen  wir  noch  eine  kleine  Ungenauig- 
keit,  indem  wir  die  Voraussetzung,  es  handle  sich  um  einen  unend- 
lich langen  Zylinder,  vernachlässigen. 

F.  Stoffel  (Über  Diffusionserscheinungen  in  festen  Colloiden, 
Diss.  1908)  hat  gezeigt,  dass  die  Erstarrungsschnelligkeit  auf  die 
Diffusion  von  Einfluss  ist;  dass  z.  B.  Gelatineröhrchen,  die  langsam  in 
Zimmerwärme  in  Erstarrung  übergegangen  sind ,  eine  bedeutend 
raschere  Diffusion  für  Eisenchlorid  zeigen,  als  diejenigen,  die  in  Wasser 
von  6°  abgekühlt  worden  sind.  Bei  seinem  Versuch  vom  2.  Mai  1907 
hat  er  z.  B.  gefunden,  dass  nach  2  Tagen  der  Diffusionsweg  im  rasch 
gekühlten  Gelatineröhrchen  1,5  und  in  demjenigen,  das  bei  Zimmer- 
temperatur erstarrte,  3  cm,  beträgt. 

Die  freie  Diffusion  einer  1  "/o  Eisenchloridlösung,  wie  sie  Stoffel 
in  seinem  Experiment  annimmt,  in  reines  Wasser  hinein,  ist  nur 
wenig  rascher  als  die  in  langsam  erstarrter  10'^  o  Gelatine,  so  dass 
wir  ohne  erheblichen  Fehler  den  Diffusionsweg,  den  das  Eisenchlorid 
in  reines  Wasser  hinein  gemacht  hätte,  als  3  cm  annehmen  können. 
(Purgotti  und  Vanzetti.) 

Nach  Grabfield  beträgt  das  spez.  Gewicht  des  sublimierten 
Eisenchlorids  bei  10,8°  =  2,804  (Landolt-Börnsteinsche  Tafeln).  Das 
Molekulargewicht  ist  162,5;  daraus  berechnet  sich  das  Volumen  eines 
Eisenchloridmoleküls,  wenn  wir  für  N  einen  Mittelwert  von  6,2  •  10-* 
annehmen : 

,,  _       ^^'^'^ q  Q    1 A-  23  . 

Nehmen  wir  nun  an,  das  Eisenchloridmolekül  habe  Kugelgestalt, 
was  ja,  da  ja  keinerlei  Momente  für  einen  asymetrischen  Aufbau 
desselben  vorhanden  sind,  wohl  auch  annähernd  der  Fall  sein  wird, 
so  lässt  sich  der  Kugelradius  P  bestimmen: 


P=  1/-^  .  9,3  .  10-23  =  2,8  .  10-8. 

Das   Eisenchloridmolekül   würde    sich    unter    dem    Einfluss    des 
osmotischen  Druckes   mit   einer  Geschwindigkeit 

Vieiteljalirsschr.  d.  Xaturf.  Ges.  Zürich.     Jahrg.  56.     1911.  14 


210  Paul  Bühi. 

unter   der  hemmenden  Wirkung  der  Kanäle  in  der  Gelatine  mit  der 

1  5 
Geschwindigkeit  r^  =  ,^  ,^.  _  „^  _  ^^,    cmsek~^    bewegen.      Daraus    lässt 

sich  die  Kanalweite,  die  ein  Molekül  passieren  muss,  berechnen: 

".  =  "=  (1  -^  2,4  ^) 

Vi  Q  =  V.2  Q-\-  2,4  1-2  E 


_    2,4  ^2  •  2,8  •  10-  8 

=  2,4  •  2,8  •  10-8  ^  6,7  ■  10-  s  cm. 

Also  die  Kanalgrösse  der  colloiden  Membranen  liegt  weit  unter 
dem  mikroskopisch  sichtbaren. 

In  diesem  Beispiel,  wo  die  Vorgeschichte  des  strukturierten 
Colloids  in  beiden  Fällen  genau  die  gleiche  ist,  mit  der  einzigen  Aus- 
nahme, dass  bei  der  einen  Gelatine  eine  rasche,  bei  der  andern  eine 
langsamere  Erstarrung  stattgefunden  hat,  darf  man  wohl  mit  ziem- 
licher Sicherheit  annehmen,  dass  die  Diffusionshemmung  nur  auf  das 
Netzgebilde  mit  seinen  Kanälen  reduziert  wurde,  dass  also  die  oben 
angeführten  hemmenden  Momente  nicht  in  Betracht  zu  ziehen  sind, 
und  dass  infolgedessen  ein  Rückschluss  auf  die  Grösse  der  Kanal- 
weiten gestattet  ist. 

Von  der  gleichen  Überlegung  ausgehend,  es  müsse  die  Diffusion  in  Capillaren 
von  verschiedener  Weite  infolge  des  Einflusses  der  Zylinderwand  auf  die  diffun- 
dierenden Teilchen  eine  andere  sein,  haben  wir  Versuche  mit  ungleichen,  30  cm 
langen  Capillarröhren  angestellt,  deren  Durchmesser  sich  wie  1:2:4:8  verhielten. 
Die  Röhren  wurden  mit  destilliertem  Wasser  gefüllt,  beiderseits  mit  einem  dünnen 
Gelatinehäutchen  verschlossen  und  mit  dem  einen  Ende  in  Argentum  nitricum,  mit 
dem  andern  in  eine  Kochsalzlösung  in  horizontaler  Lage  eingetaucht;  doch  konnte  aus 
dem  Auftreten  des  sich  bildenden  Silberchlorid-Niederschlags  keine  Gesetzmässigkeit 
betreffend  die  Diffusionsgeschwindigkeit  und  den  Capillardurchmesser  konstatiert 
werden.  Der  Grund  liegt  evidenterweise  darin,  dass  der  Grössenunterschied  zwischen 
der  Capillare  und  den  diffundierenden  Teilchen  ein  viel  zu  grosser  war. 

Schlussfolgerungen. 

I.  In  der  vorliegenden  Arbeit  wird  versucht,  die  Bewegung  und  die 
Verteilung  der  Moleküle  in  flüssigem  und  colloid-strukturiertem 
Milieu  quantitativ  zu  verfolgen  in  verschiedenen  zum  Teil  abso- 
luten Grössen. 


Eine  neue  Methode  der  Bestimmung  der  Avogadroschen  Zahl  X.  211 

IL   Die  Hauptvoraussetzungen  sind : 

1.  Die  absolute  Grösse  des  in  der  einfachen  Lösung  vorliegenden 
Substanzanteiles,  dessen  Eigentümlichkeiten  die  Bewegungs- 
gesetze der  Diffusion  etc.  beherrschen. 

2.  Die  verschiedenen  Arten  der  Hemmung  der  Diffusion  und 
deren  Beeinflussung  in  festem  strukturiertem  colloidem  Milieu. 

Die  Untersuchungen  über  die  Bestimmung  der  absoluten 
Grösse  des  Moleküls  mit  einer  neuen  Versuchsanordnung  ergab 
bei  der  einen  Reihe  5,2  —  6,5 ,  bei  einer  früheren  Reihe 
4,7 — 8,0X10-^;  als  Durchschnitt  aller  Zahlen  ergibt  sich 
6,1  X  10'^^  für  die  Avogadrosche  Zahl  N.  Die  Versuchsanordnung 
besteht  in  einer  Kombination  der  gleichzeitigen  Messung  des 
Auftriebes  und  der  Brownschen  Molekularbewegung  kleinster 
Quecksilberkügelchen,  die  alle  Voraussetzungen  wie  genau  be- 
kanntes spezifisches  Gewicht  der  vorliegenden  Masse  und  absolute 
Kugelform  realisieren.  Die  elektrostatische  Einheit  ergibt  sich 
daraus  s  —  4,75  •  10 ~^^. 

HL  Auf  Grund  früherer  Untersuchungen,  vergl.  Stoffel,  Zangger,  wurden 
systematische  Versuche  angestellt  über  Änderungen  des  Diffusions- 
weges in  strukturierten  festen  Colloiden  und  Membranen.  Li 
dieser  Untersuchung  beschränkten  wir  uns  auf  die  quantitative 
Untersuchung  der  Beeinflussbarkeit  der  Diffusion  eines  einfachen 
Salzes,  wie  Silber-Nitrat  und  eines  komplizierteren  wie  Eisen- 
chlorid —  neben  einer  Serie  verschieden  sulferierter  Farb- 
stoffe. 

Es  ergab  sich, 

1.  dass  die  Sulfo-Gruppen  den  Diffusionsweg  in  Gelatine  erhöhen; 

2.  dass  von  allen  untersuchten  Körpern  nur  einige  speziell  aro- 
matische Hydroxylkörper  den  Difiusionsweg  wesentlich  ver- 
ändern, indem  Konzentrationen  von  1  :  10,000  das  Diffusions- 
ergebnis zu  beeinflussen  begannen,  auch  von  solchen  Körpern, 
die  im  Reagensglas  keine  evidente  chemische  Reaktion  gaben 
—  wenn  auch  ein  Teil  dieser  Ergebnisse  auf  chemische 
Zwischenreaktionen  zurückgeführt  werden  müssen. 

IV.  Auf  Grund  der  Ergebnisse  dieser  Untersuchungen  und  anderer  be- 
kannten Daten  wurden  die  Porengrösse  colloider  Membranen  etc. 
auf  ca.  10  |it  berechnet: 

Zum    Schlüsse   sei   es    mir    gestattet,  meinem  verehrten  Lehrer, 
Herrn  Professor  H.  Zangger,  in  dessen  Institut  für  gerichtliche  Medizin 


212  Paul  Böhi. 

der  Universität  Zürich  ich  meine  Untersuchungen  ausführte,  für  die 
Überlassung  des  interessanten  Themas  und  seine  Zuvorkommenheit,, 
mit  der  er  mich  während  der  Ausführung  der  Arbeit  mit  seiner  reichen 
Erfahrung  und  seiner  Literatur  jederzeit  in  liebenswürdigster  Weise 
unterstützte,  meinen  aufrichtigsten  Dank  auszusprechen. 

Auch  möchte  ich  nicht  verfehlen,  Herrn  Prof.  Einstein  in  Prag 
bestens  zu  danken  für  das  Interesse,  das  er  meiner  Arbeit  durch 
briefliche  Mitteilung   in   so   fördernder  Weise  hat  angedeihen  lassen- 


i 


iiNp 


♦;  a  c 


n  ^; ;  V 


Anschauungen  über  Magnetismus,  ihre  Beziehungen  zur 
Molekularphysik  und  das  Magneton. 

Von 
P.  Weiss. 


Welches  auch  die  Ziele  der  Naturphilosophie  seien,  ob  sie 
hoffnungsvoll  versucht  ein  System  der  Welten  zusammenzubauen 
und  alles  Geschehen  in  einer  einheitlichen  Erklärung  wiederzuspiegeln, 
oder,  bescheidener,  nur  die  Kenntnis  der  Gesetze  der  Erscheinungen 
in  ihrer  unendlichen  Mannigfaltigkeit  zu  erforschen  bestrebt  ist,  es 
gibt  fundamentale  Fragen,  denen  sie  sich  nicht  entziehen  kann. 

Ebensowenig  wie  der  von  seinem  Ideal  beseelte  Baumeister  der 
gothischen  Kirchen,  wie  der  Techniker,  welcher  die  Kräfte  der  Natur 
bezwingt,  bleibt  die  Naturphilosophie  verschont  von  der  Notwen- 
digkeit, den  Stoff  zu  kennen,  mit  welchem  sie  arbeitet. 

Die  Anschauungen  über  die  Materie  sind  so  alt  wie  die  Wissen- 
schaft selbst  und  schon  bei  den  Griechen  finden  wir  den  Gegensatz 
zwischen  zwei  Gesichtspunkten,  welche  je  nach  Bedürfnis  zur  Er- 
klärung herbeigezogen  wurden:  Die  Kontinuität  und  Diskontinuität 
der  Materie.  Von  den  Griechen  rührt  das  Wort :  Atom  her,  das  ist  das 
Unteilbare.  Aber  eigentlich  stellten  sie  sich  wieder  die  Atome  nur 
als  eine  praktische  Grenze  der  Teilbarkeit  vor,  und  bildeten  wieder 
die  Atome  selbst  von  einer  Materie  im  geläufigen  Sinne  des  Wortes. 
So  schleicht  sich  der  Begriff  der  Kontinuität  wieder  ein. 

Es  Hesse  sich  leicht  ausführen,  dass  die  neuere  Wissenschaft 
abwechselnd  mit  dem  Kontinuitätsbegriff  und  mit  der  atomistischen 
Vorstellung  arbeitet.  Im  Kampf  mit  der  unnennbaren  Schwierigkeit 
des  Problems  der  Naturbeherrschung  sind  alle  Waffen  gut.  Auch 
die  Erfolge  der  einen  Anschauung  genügen  nicht,  um  das  Verzichten 
auf  die  Hülfsmittel  der  andern  zu  gebieten.  So  besitzen  wir  um- 
fassende Theorien,  welche  die  elektrischen  Tatsachen  erklären  durch 
Bewegungen  und  namentlich  Wirbelbildungen  in  kontinuierlichen 
Flüssigkeiten.     Der    Lichtäther,    diese    hypothetische    und    subtilste 

Vierteljahrsschrift  d.  Nat\irf.  Ges.  Zürich.    Jalirg.  56.    1911.  1.5 


214  P.  Weiss. 

Materie,  ist  ein  Continuum.  Unstreitig  hat  aber  in  den  letzten  Jahr- 
zehnten die  Atomistik  die  grösseren  Erfolge  zu  verzeichnen.  Es  ist 
aber  unsere  Atomistik  von  derjenigen  der  Griechen  begrifflich  ver- 
schieden. Wir  unterscheiden  heutzutage  zwei  Stufen  in  den  Er- 
scheinungen der  begrenzten  Teilbarkeit  der  Materie.  Die  erste 
umfasst  die  Atome  der  chemischen  Elemente,  von  denen  bald  100 
verschiedene  bekannt  sind  und  die  aus  ihnen  durch  die  chemische 
Bindung  entstandenen  Moleküle.  Die  zweite  ist  der  Anfang  einer 
wesentlich  tiefergehen  den  Erkenntnis,  sie  enthält  vorderhand  noch 
sehr  fragmentarische  Kenntnisse  über  einige  Bausteine,  aus  welchen 
sämtliche  chemische  Atome  ihrerseits  zusammengesetzt  sind.  Diese 
neue  Physik  befasst  sich  also  mit  Objekten  kleiner  wie  die  Atome, 
von  denen  das  bekannteste  das  Elektron  ist.  Aber  diese  denkt 
man  sich  nicht  wieder  ausgefüllt  mit  einer  Materie  wie  diejenige, 
die  uns  durch  die  tägliche  Erfahrung  vertraut  geworden  ist.  Sonst 
wäre  ja  nichts  erreicht  und  alles  noch  einmal  in  kleinerem  Masstab 
anzufangen.  Es  ist  nicht  zu  gewagt  zu  sagen,  dass  allmählich  durch 
die  vielseitigen  Anstrengungen  der  heutigen  Wissenschaft  ein  Bild 
sich  entschleiert,  ja  einige  wenige  Züge  sind  schon  erkennbar, 
wir  kennen  schon  das  Elektron  ziemlich  gut  —  aber  lange  wird  es 
wohl  noch  dauern,  bis  wir  die  Gesamtheit  des  „Kleiner  wie  das 
Atom"  überblicken. 

Die  Erscheinungen  der  Chemie,  namentlich  der  Umstand,  dass 
sich  die  Zusammensetzung  der  Verbindungen  ausdrücken  lässt 
durch  die  ganzzahligen  Vielfachen  von  einer  ganz  bestimmten  Menge 
jeden  Elementes,  haben  wohl  am  meisten  zur  Annahme  der  Dis- 
kontinuität der  Materie  beigetragen.  Man  sieht  nämlich  sofort,  dass 
wenn  Chlor  oder  Eisen  aus  Atomen  bestehen,  die  alle  einander  gleich 
sind,  und  wenn  die  Verbindung  die  Vereinigung  solcher  Atome  in 
verschiedener  Anzahl  ist,  daraus  folgt,  dass  die  Mengen  Chlor,  die 
mit  einem  anderen  Atom  eine  Verbindung  eingehen,  unter  einander 
in  ganzzahligen  Verhältnissen  stehen  müssen.  Dagegen  ist  es  ohne  die 
Annahme  der  Atome  ausserordentlich  schwer  sich  vorzustellen,  warum 
z.  B.  in  den  zwei  Verbindungen  von  Chlor  mit  Eisen  das  Chlor, 
das  mit  derselben  Menge  Eisen  verbunden  ist,  genau  in  dem  Ver- 
hältnis 2  :  3  ist,  und  nicht  das  Eisen  sich  mit  Chlor  in  allen  Ver- 
hältnissen mischt  wie  Zucker  in  Wasser.  Das  Fehlen  einer  andern 
annehmbaren  Vorstellung,  welche  dem  Gesetze  der  rationalen  Ver- 
hältnisse in  der  chemischen  Verbindung  gerecht  wird,  ist  die  älteste 
unter  den  Hauptstützen  des  Atomismus. 

Die  Chemie  fordert  also  die  begrenzte  Teilbarkeit,  sie  zeigt 
uns   aber   keineswegs,    wo   die  Grenze   liegt.     Es   wären   die  Atome 


Anschauungen  über  Magnetismus.  215 

nicht  weniger  brauchbar  in  den  chemischen  Formeln,  wenn  man  sie 
alle  ersetzen  würde  durch  dasselbe  Vielfache  des  ursprünglichen 
Wertes.  Mit  anderen  Worten :  bis  jetzt  spielen  nur  die  Verhältnisse 
der  Atomgewichte  eine  Rolle.  Dies  ist  so  sehr  der  Fall,  dass  man 
in  der  Tat  ein  Atomgewicht,  dasjenige  des  Wasserstoffs,  willkürlich 
gleich  1  gesetzt  und  daraus  die  anderen  abgeleitet  hat.  Denkt  man 
sich  dazu,  dass  die  so  gewonnenen  Zahlen  in  Gramm  ausgedrückte 
Massen  bedeuten,  so  erhält  man  die  Reihe  der  Grammatome.  Es  tritt 
dann  aber  an  uns  die  Aufgabe,  die  Anzahl  wahrer  Atome  in  einem 
Grammatom,  die  sogenannte  A vogadro'sche  Zahl  zu  bestimmen. 
Ihre  Kenntnis  ist  viel  jüngeren  Datums,  wie  die  bewusste  Aneignung 
des  Begriffs  der  chemischen  Atome  und  bedeutet  wieder  einen  wich- 
tigen Fortschritt.  Sie  ist  vor  kurzem  der  Gegenstand  eines  Vor- 
trages von  Prof.  Dr.  Zangger  an  dieser  Stelle  selbst  gewesen,  ich 
kann  mich  daher  hier  kurz  fassen. 

Die  Avogadro'sche  Zahl  ist  ausserordentlich  gross :  68,5X10^^ 
sie  ist  wohl  mit  einer  Genauigkeit  von  1  Prozent  bekannt.  Es  seien 
nur  die  zumteil  von  einander  sehr  weit  abliegenden  Erscheinungen 
erwähnt,  welche  gestatten,  diese  Zahl  zu  bestimmen.  Sie  lässt  sich 
ableiten  aus  den  Beobachtungsdaten  über  die  Kompressibilität  der 
Gase,  aus  ihrer  Dielektrizitätskonstante.  Prof.  Zangger  hat  Gelegen- 
heit gehabt,  Sie  auf  die  Brown' sehe  Bewegung  aufmerksam  zu 
machen,  mit  Hülfe  welcher  er  selbst  eine  Bestimmung  dieser  Zahl 
gemacht  hat,  und  zu  zeigen,  dass  diese  Erscheinung  einen  greifbareren 
Beweis  liefert  für  die  Atomistik,  wie  alle  früheren  Überlegungen. 
Sie  zeigt  nämlich  die  Bewegungen  der  Moleküle  ebenso  direkt  etwa, 
wie  das  Schaukeln  eines  Kahns  ein  Beweis  ist  für  die  Existenz  der  Wellen. 

Eine  andere  Bestimmung  dieser  Zahl  ist  von  J.  J.  Thomson  vor- 
genommen worden,  durch  Beobachtimg  der  Fallgeschwindigkeit  eines 
elektrisch  geladenen,  aus  gleichen  Wasserkügelchen  bestehenden  Nebels. 
Eine  weitere  geht  hervor  aus  der  Messung  der  von  einem  glühenden 
Körper  ausgestrahlten  Energie  und  ihrer  spektralen  Verteilung. 

Es  ist  gewiss  sehr  auffallend,  dass  so  viele  verschiedene  Mess- 
methoden, welche  sich  auf  so  verschiedene  Gebiete  der  Wissenschaft 
verteilen,  zu  übereinstimmenden  Werten  führen.  Es  ist  nichts  besser 
geeignet  das  Zutrauen  in  die  Realität  der  Atome  zu  kräftigen.  Es 
zeigt  sich,  dass  die  Atomistik  nicht  zu  diesen  vorläufigen  „Arbeits- 
hypothesen" gehört,  die  die  Tatsachen  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
umfassen,  und  dann  weiter  zu  Widersprüchen  führen,  sondern  dass 
sie  die  ganze  Natur  beherrscht. 

Ich  habe  es  absichtlich  bis  jetzt  unterlassen,  von  einer  letzten 
Gruppe    von    übereinstimmenden  Bestimmungen   der  Avogadro'schen 


216  P.  Weiss. 

Zahl  zu  sprechen,  nämlich  derjenigen,  die  auf  die  Erscheinungen  der 
Radioaktivität  beruhen.  Sie  bedeuten  nämlich  einen  weitern  Schritt 
vorwärts  in  der  Gewissheit  und  verdienen  eine  besondere  Erwähnung. 
Es  handelt  sich  um  den  Vorgang  der  «-Strahlen,  welche  in  mit 
grosser  Geschwindigkeit  abgeschleuderten  elektrisch  geladenen  Helium- 
atomen bestehen.  Setzt  man  einen  fluoreszierenden  Schirm  aus  Zink- 
blende dieser  Strahlung  aus,  so  sieht  man  das  Auftreffen  jedes  ein- 
zelnen Heliumatoms  durch  ein  momentanes  Aufleuchten.  Es  sieht 
unter  der  Lupe  der  Schirm  aus  wie  ein  Sternhimmel  aus  lauter 
momentan  aufflackernden  und  sofort  verlöschten  Sternen.  Es  ist  dies 
die  erste  Erscheinung,  in  welcher  die  Wirkung  eines  einzelnen  Atoms 
unsern  Sinnen  zugänglich  wurde.  Die  oben  erwähnten  Bestimmungen 
der  Avogadro'schen  Zahl  bestehen  in  dem  direkten  oder  indirekten 
Zählen  dieser  abgeschleuderten  Heliumatome. 

Die  Atomistik  der  zweiten  Stufe,  die  sich  abgibt  mit  den  Be- 
standteilen der  Atome,  nimmt  ihren  Anfang  mit  der  zuerst  von 
Helmholtz  ausgesprochenen  atomistischen  Struktur  der  Elektrizität. 
Da  jedes  Atom,  welches  auch  seine  Natur  sei,  beim  Wandern  durch 
einen  elektrolytischen  Trog  dieselbe  Elektrizitätsmenge  mit  sich  führt, 
so  lag  die  Annahme  einer  körnigen  Struktur  der  Elektrizität  nahe; 
denn  so  erklärt  sich  der  sehr  eigentümliche  Sachverhalt  von  selbst: 
Jedes  Atom,  sei  es  Kupfer,  Silber,  Natrium  oder  Wasserstoff,  ladet 
sich,  bevor  es  die  leitende  Flüssigkeit  von  einer  Elektrode  zur 
andern  durchkreuzt,  mit  einem  Atom  Elektrizität  und  gibt  dasselbe 
bei  seiner  Ankunft  wieder  ab.  Die  Saumtiere  sind  sehr  verschiedener 
Art,  es  gibt  deren  so  viele  wie  chemische  Elemente,  aber  jedes  trägt 
die  gleiche  Last.  Diese  Elementarladung,  dieses  Atom  der  Elek- 
trizität ist  sehr  klein,  es  beträgt  1,4X10~^^  Coulomb.  Sie  hat  den 
Namen  Elektron  erhalten. 

Diese  Anschauung  hat  sich  sehr  fruchtbar  erwiesen.  J.  J.  Thomson 
und  seine  Schule,  welche  sich  in  den  letzten  Jahrzehnten  des  ver- 
flossenen Jahrhunderts  zur  Aufgabe  gestellt  hatten,  die  noch  wenig 
bekannten  Erscheinungen  der  elektrisch  leitenden  Gase  zu  erforschen, 
haben  gefunden,  dass  diese  Leitfähigkeit  durch  Gasmoleküle  bedingt 
ist,  von  denen  jedes  entweder  eine  positive  oder  negative  Menge  der 
Elektrizität  trägt,  die  genau  gleich  ist  dem  Helmholtz'schen  Atom  der 
Elektrizität.  Es  sind  dies  die  in  der  letzten  Zeit  vielgenannten  Gasionen. 

Ein  weiterer  Fortschritt  kam  von  der  Untersuchung  der  elek- 
trischen Entladungen  in  den  sehr  verdünnten  Gasen.  In  den  70  er 
Jahren  hatte  Crookes  über  die  von  Hiltorf  entdeckten  im  hohen 
Vakuum  entstehenden  Strahlen  eine  Reihe  von  glänzenden  und  sehr 
suggestiven  Versuchen    angestellt,    auf  welche    er    seine    Hypothese 


Anschauungen  über  Magnetismus.  217 

der  strahlenden  Materie  aufbaute.  Es  sollte  nach  ihm  in  diesen 
extrem  verdünnten  Gasen  ein  Zustand  der  Materie  zur  Geltung 
kommen,  der  sich  als  vierter  an  die  altbekannten  festen,  flüssigen  und 
gasförmigen  Zustände  anreihen  sollte.  Obwohl  sich  die  Crookes'sche 
Hypothese  in  dieser  einfachen  Form  unhaltbar  zeigte,  enthielt  sie 
doch  ein  Körnchen  Wahrheit. 

Es  gelang  nämlich  später  zu  zeigen,  dass  die  Erscheinungen 
der  Crookes'schen  strahlenden  Materie,  die  unter  dem  von  Goldstein 
herrührenden  Namen  der  Kathodenstrahlen  bekannter  sind,  aus 
negativ  elektrisch  geladenen  Teilchen  bestehen,  deren  Ladung  gerade 
gleich  ist  dem  Helmholtz'schen  Atom  der  Elektrizität,  deren  Masse 
aber  gleich  ist  1/2000  derjenigen  des  leichtesten  Atoms,  des  Wasser- 
stoffatomes.  Sie  bestehen  also  aus  dem  mit  der  Eigenschaft  der 
Trägheit  ausgestatteten  Elektron,  welches  in  dieser  Weise  der  wohl- 
bekannten alten  Materie  näher  gerückt  erscheint,  sich  aber  durch 
die  ausserordentliche  Kleinheit  seiner  Masse  von  allen  bekannten 
Atomen  unterscheidet. 

Theoretiker  der  Physik,  unter  denen  namentlich  H.  A.  Lorentz 
und  der  leider  zu  früh  verstorbene  Drude  zu  nennen  sind,  haben 
gezeigt,  dass  wenn  man  annimmt,  dass  im  Innern  der  Atome  der- 
artige Körperchen  mit  der  angegebenen  Ladung  und  der  genannten 
Masse  zii-kulieren,  man  mit  ihrer  Hilfe  eine  befriedigende  Theorie 
der  wichtigsten  optischen,  elektrischen  und  kalorischen  Erscheinungen 
aufbauen  kann.  Es  wäre  dies  schon  genug,  um  in  den  Atomen  die 
Existenz  einesteils  von  nach  Art  von  Planeten  herumkreisenden 
gebundenen  Elektronen,  und  andernteils  von  einem  Schwärm  von 
freien  Elektronen,  die  zwischen  den  Atomen  eines  Metalles  herum- 
irren, anzunehmen.  Aber  diese  Annahmen  werden  ausserordentlich 
gestützt  dadurch,  dass  es  neben  den  erwähnten  Kathoden  strahlen 
noch  eine  Reihe  von  Erscheinungen  gibt,  wo  diese  Elektronen  aus 
den  Metallen  austreten,  wobei  ihre  Ladung  und  ihre  Masse  messbar 
werden.  Lässt  man  Licht  auf  die  blanke  Fläche  eines  elektro- 
positiven  Metalls,  wie  Zink,  Natrium,  Rubidium  usw.  fallen,  so  lösen 
die  Lichtschwingungen  Elektronen  aus  dem  Metallverband,  die  mit 
charakteristischer  Geschwindigkeit  abgeschleudert  werden.  Sogar 
die  Temperaturerhöhung  genügt:  bei  heller  Weissglut  gibt  eine 
Platinfläche  zahlreiche  Elektronen  ab,  eine  Erscheinung,  die  von 
Richardson  ausführlich  untersucht  worden  ist.  Endlich  hat  vor 
kurzem  Haber  gezeigt,  dass  eine  chemische  Reaktion,  z.  B.  zwischen 
einem  der  Alkalimetalle  und  Phosgengas  auch  das  Hinausschleudern 
von  Elektronen  verursacht. 

Weitere   Aufklärung    über    die   Beziehungen    des  Elektrons   zur 


218  P.  Weiss. 

Materie  lieferte  die  Entdeckung  der  radioaktiven  Substanzen.  Das 
Uran,  oder  das  Radium,  besteht  aus  Atomen,  die  eine  begrenzte 
Lebensdauer  haben.  Es  erreicht  während  jeder  Sekunde  einen  ge- 
wissen Prozentsatz  dieser  Atome  das  Geschick:  sie  gehen  in  einer 
Explosion  zugrunde.  Dieser  Prozentsatz  ist  schwach  beim  Uran, 
stärker  beim  Radium,  aber  die  Art  der  Erscheinung  ist  dieselbe. 
Das  Resultat  ist  die  Bildung  eines  Atomes  von  kleinerem  Atom- 
gewicht wie  das  ursprüngliche,  der  Fehlbetrag  wird  in  der  Gestalt 
der  Geschosse,  aus  denen  die  a  und  ß  Strahlen  bestehen,  mit  grosser 
Geschwindigkeit  abgeschleudert. 

Meistens  ist  das  so  entstandene  leichtere  Atom  seinerseits  nicht 
stabil,  es  explodiert  mehr  oder  weniger  bald  zu  einem  noch  leichteren 
Atom  mit  Abgabe  von  a  oder  ß  Teilchen,  oder  beiden  Arten  zugleich, 
und  so  fort,  bis  schliesslich  ein  stabiler  Zustand  erreicht  wird.  Die 
explodierten  Radiumatome  werden  zu  denjenigen  der  Emanation, 
die  nichts  anderes  ist,  wie  ein  radioaktives  Gas.  Die  Emanations- 
atome leben  im  Durchschnitt  nur  vier  Tage,  aus  ihnen  entstehen  die 
Atome  des  Radium  A,  die  noch  weniger  beständig  sind.  Und  so 
werden  alle  Stufen  von  einer  Reihe  von  labilen  Substanzen  Radium 
B,  Radium  C  bis  Radium  G  zurückgelegt.  Dieses  letztere  ist  iden- 
tisch mit  dem  ursprünglich  in  unabhängiger  Weise  entdeckten  Polo- 
nium, welches  seinerseits  vergänglich  ist.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  die  explodierten  Poloniumatome  Blei  liefern. 

Nun  sind  alle  a  Strahlen,  die  aus  den  verschiedensten  radio- 
aktiven Atomen  herrühren,  elektrisch  geladene  Heliumatome,  und 
in  der  Tat  haben  Ramsey  und  Soddy  bei  den  radioaktiven  Vorgängen 
das  Vorhandensein  von  Helium  als  Nebenprodukt  nachgewiesen. 
Es  wird  dadurch  die  Vermutung  des  Heliumatoms  als  universeller 
Baustein  in  dem  Atomverband  nahegelegt. 

Die  ß  Strahlen  sind  Elektronen.  Da,  abgesehen  von  den  radio- 
aktiven Erscheinungen,  die  obenerwähnten  Gründe  für  die  Existenz 
der  Elektronen  in  allen  Atomen  sprechen,  wird  sicherlich  der 
Charakter  des  Elektrons  als  universeller  Bestandteil  aller  Materie 
noch  besser  fundiert  erscheinen,  wie  derjenige  des  a  Teilchens  oder 
Heliumatoms. 


Nach  diesem  kurzen  Überblick  über  die  Geschichte  und  den 
heutigen  Zustand  der  Vorstellungen  über  die  Materie  soll  jetzt  noch 
ihr  Zusammenhang  mit  den  Beobachtungstatsachen  eines  engern, 
aber  gerade  für  die  Atomistik  fruchtbaren  Gebietes,  mit  den  mag- 
netischen Erscheinungen  besprochen  werden. 


Anschauungen  über  Magnetismus.  219 

Jeder  Magnet  besitzt  einen  Nordpol  und  einen  Südpol.  Die 
Stärke  eines  Magnetes  ist  nicht  nur  bedingt  durch  die  Stärke  der 
Pole,  sondern  auch  durch  ihren  Abstand.  Auch  sehr  starke  Pole, 
die  aber  in  nächster  Nähe  zu  einander  gelegen  wären,  würden  keine 
wesentliche  Fernwirkung  ausüben,  denn  sie  würden  sich  gegenseitig 
aufheben.  Es  hat  sich  vorteilhaft  gezeigt  als  Mass  für  die  Stärke 
eines  Magnetes  einzuführen  sein  magnetisches  Moment,  d.  i. 
das  Produkt  aus  Polstärke  mal  Poldistanz.  Das  ist  schon  aus  diesem 
Grunde  zweckmässig,  als  beim  Zerbrechen  eines  Magnetes  die  Summe 
der  magnetischen  Momente  der  Stücke  gleich  ist  dem  Momente  des 
ursprünglichen  ganzen  Magnetes.  Es  hat  also  auch  einen  Sinn  zu 
sprechen  von  dem  magnetischen  Moment  pro  Volumeinheit,  es  ist 
dies  die  Intensität  der  Magnetisierung.  Gelangt  man  beim  Ver- 
kleinern eines  Magnetes  bis  auf  das  Molekül,  so  erhält  man  das 
Molekularmoment. 

Nun  gibt  es  aber  nicht  nur  permanente  Magnete,  sondern  auch 
Stoffe,  wie  das  weiche  Eisen,  die  unter  dem  Einflüsse  der  magne- 
tischen Kraft,  oder  des  Magnetfeldes,  wie  man  sich  auch  ausdrückt, 
magnetisch  werden,  ähnlich  wie  die  Körper  in  dem  elektrischen 
Felde  elektrische  Eigenschaften  annehmen.  Hier  war  das  zunächst- 
liegende die  Übertragung  der  für  die  Elektrizität  bewährten  Vor- 
stellungen auf  den  Magnetismus.  Poisson  hat  angenommen,  dass  die 
magnetische  Influenz  in  der  Trennung  der  magnetischen  Fluida  be- 
steht. Aber  diese  Vorstellung,  die  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
mit  Erfolg  durchführen  lässt,  erklärt  nicht  alle  Tatsachen.  Während 
die  elektrische  Influenz,  wie  stark  auch  die  elektrische  Kraft  sei, 
mit  ihr  proportional  anwächst,  erreicht  das  influenzierte  magnetische 
Moment  eine  Grenze,  die  bei  noch  so  starkem  Magnetfeld  nicht  über- 
schritten werden  kann.  Man  sagt  die  Substanz  sei  gesättigt.  Die 
Poisson'sche  Vorstellung  gibt  keine  Erklärung  für  die  Sättigung. 
Es  war  daher  ein  bedeutender  Fortschritt,  als  Wilhelm  Weber  eine 
neue  Hypothese  aufstellte,  welche  die  Sättigung  in  ungezwungener 
Weise  darstellt.  W.  Weber  nimmt  an,  dass  jedes  Molekül  ein  kleiner 
unveränderlicher  Magnet  ist.  So  lange  das  Eisen  im  neutralen 
Zustande  ist,  liegen  diese  Moleküle  wirr  durcheinander  und  die 
Fern  Wirkungen  der  benachbarten  entgegengesetzten  Pole  heben  sich 
auf.  Wirkt  aber  ein  allmählich  anwachsendes  Feld,  so  nähern  sich 
die  Molekularmagnete  progressive  dem  Parallelismus  und  wenn  die 
Magnete  genau  gleich  gerichtet  sind,  kann  ein  weiteres  Anwachsen 
des  Feldes  nichts  mehr  ausrichten ;  die  Sättigung  ist  erreicht. 

Die  Einführung  der  Molekularmagnete  hat  sich  vielseitig  be- 
währt; ich  werde  hier  nur  einen  Spezialfall  erwähnen,  der  durch  ein 


220 


P.  Weiss. 


Experiment  demonstriert  werden  kann.  Stellt  man  sich  diese  Mole- 
kularmagnete als  um  Axen  drehbar  vor,  etwa  wie  kleine  Bussolen, 
und  nimmt  man  an,  diese  Axen  seien  alle  parallel,  so  wird  man 
wohl  den  Magneten  alle  Richtungen  geben  können  in  der  Ebene 
senkrecht    zu    den  Axen,    nicht    aber   sie   aus    dieser  Ebene  heraus- 


Fig.  1. 

drehen  können.  Es  ist  in  der  Tat  der  Magnetkies  oder  Pyrrhotin 
so  gebaut.  Es  können  die  Molekularmagnete  nur  die  Richtungen 
annehmen,  welche  parallel  sind  der  Basisfläche  des  hexagonalen 
Prismas,  in  welchem  diese  Substanz  kristallisiert.  Diese  magnetische 
Ebene  ist  der  Sitz  aller  magnetischen  Eigenschaften.  Nähert  man 
einen  Magneten  dem  Kristall  in  einer  solchen  Lage,  dass  er  eine 
Orientierung  der  Molekularmagnete  in  dieser  Ebene  hervorruft,  so 
wird  die  Substanz  angezogen,  nähert  man  ihn  so,  dass  sein  Feld 
senkrecht  zu  dieser  Ebene  wirkt,  so  verhält  sich  die  Substanz  ebenso 


Anschauungen  über  Magnetismus.  221 

indiflferent  wie  Kupfer.  In  dem  in  Fig.  1  abgebildeten  Apparat  ist 
eine  kleine  Kugel  aus  Pyrrhotin  an  einem  Universalgelenk  aufge- 
hängt. Es  gestattet  dies,  sie  mit  ihrer  magnetischen  Ebene  entweder 
senkrecht  oder  parallel  zu  dem  Felde  eines  Stahlmagneten  zu 
präsentieren.  In  dem  ersten  Falle  ist  sie  indifferent,  in  dem  zweiten 
springt  sie  an  den  Pol  von  einer  Distanz  von  mehreren  Centimetern. 

Es  ist  ohne  weiteres  klar,  dass  es  eine  der  Hauptaufgaben  der 
physikalischen  Forschung  sein  wird,  die  Grösse  der  Molekular- 
momente, resp.  Atommomente,  der  magnetischen  Substanzen  zu  be- 
stimmen. Es  ist  dies  aber  der  experimentellen  Technik  nur  in  der 
allerletzten  Zeit  gelungen  und  zwar  namentlich  weil  früher  nicht 
die  genügende  theoretische  Einsicht  in  die  Verhältnisse  vorlag. 

Wir  wollen  zuerst  einen  Fall  besprechen,  wo  die  Atommomente 
mit  einem  Aufwand  von  Voraussetzungen  bestimmt  werden  können, 
der  kaum  über  die  grundlegende  W.  Weber'sche  Hypothese  in  Ver- 
bindung mit  den  üblichen  mechanischen  Begriffen  hinausgeht.  Wir 
erfahren  durch  den  Umstand,  dass  der  Magnetisierung  in  einem 
Körper  jedwelche  Richtung  gegeben  werden  kann,  dass  der  Drehung 
der  Atommagnete  die  elastischen  Kräfte  im  Inneren  der  Substanz  keine 
unüberwindlichen  Schwierigkeiten  entgegensetzen.  Mit  an  deren  Worten, 
die  potentielle  Energie  widersetzt  sich  im  allgemeinen  nur  wenig  da- 
gegen, dass  wir  alle  Atommagnete  durch  ein  äusseres  Feld  parallel  richten. 
Es  ist  dies  der  schon  besprochene  Zustand  der  magnetischen  Sättigung. 
Messen  wir  jetzt  das  Moment  des  Grammatoms  nach  wohlbekannter 
Methode,  so  ist  der  Wert,  den  wir  erhalten,  beeinflusst  durch  den 
Umstand,  dass  die  Elementarmagnete  wegen  der  Wärmebewegung 
schwingen  und  daher  nur  ausnahmsweise  mit  ihrer  magnetischen 
Axe  parallel  dem  Felde  liegen.  Es  wird  dadurch  das  magnetische 
Moment  zu  klein  gefunden.  Dieser  Fehler  wird  nur  vermieden  in 
der  Xähe  des  absoluten  Nullpunktes,  wo  jede  Wärmebewegung  auf- 
hört. Es  ist  dies  das  Interesse  der  Messungen  der  magnetischen 
Momente  von  Eisen  und  Nickel,  die  Kamerlingh  Onnes  und  ich  bei 
der  Temperatur  des  flüssigen  Wasserstoffs,  nur  20^  über  dem  abso- 
luten Nullpunkt,  also  bei  —253**  unserer  gewöhnlichen  Skala  ausge- 
führt haben.  Wir  haben  gefunden  für  das  Moment  des  Grammatoms 
Eisen  .  .  .  .12  360 
Nickel  ....  3370 
Es  verhalten  sich  diese  Werte  genau  wie  11  :  3.     In  der  Tat: 

12  360  :  11  =  1123,6 
3  370:    3  =  1123,3 

Den  weiteren  Ausführungen  vorgreifend  erwähnen  wir  gleich, 
dass  die  hier   zum  ersten  Male   angetroffene  Eigenschaft   eine  allge- 


222  P.  Weiss. 

meine  sein  wird.  Alle  Momente  der  magnetischen  Atome  haben  das- 
selbe gemeinsame  Mass :  1123,5.  Später  wurde  das  Atommoment  des 
Kobaltes,  das  nur  nach  Überwindung  besonderer  Schwierigkeiten  erreicht 
werden  konnte,  von  Herrn  O.Bloch  bestimmt.  Er  fand:  8,94  mal 
den  obigen  Wert;  also  mit  dem  Grenauigkeitsgrad  der  Versuche  die 
ganze  Zahl  9. 

Dieses  gemeinsame  Mass  lässt  sich  deuten  als  einen  und  den- 
selben Elementarmagnet,  der  im  Eisenatom  11,  im  Nickelatom  3, 
im  Kobaltatom  9  mal  vorkommt.  Ich  nenne  diesen  Elementarmagnet 
„das  Magneten".  Da  sich  obige  Zahl  auf  das  Grammatom  bezieht, 
so  ist  sie  auch  als  Grammmagneton  zu  bezeichnen.  Dividiert  man 
sie  durch  die  Avogadro'sche  Zahl,  so  erhält  man  das  magnetische 
Moment  16,4  .  10 -'^•^ 

des  Magneton  selbst. 

Um  zu  weiteren  Bestimmungen  von  Atommomenten  zu  gelangen 
ist  es  notwendig,  sich  auf  eine  kinetische  Theorie  der  paramagnetischen 
Erscheinungen  zu  berufen.  Es  gibt  nämlich  neben  den  stark  mag- 
netischen Metallen  eine  viel  grössere  Anzahl  von  Stoffen,  deren  Atome 
magnetische  Momente  besitzen,  denen  aber  aus  hier  nicht  im  Detail 
zu  besprechenden  Gründen  wegen  der  starken  durch  nichts  bekämpften 
Wärmebewegung  mit  den  verfügbaren  Feldern  auch  nicht  angenähert 
parallele  Richtungen  gegeben  werden  können.  Es  können  daher  diese 
Momente  nur  indirekt  aus  den  schwachen  paramagnetischen  Er- 
scheinungen berechnet  werden.  Langevin  hat  zuerst  die  nötige  Theorie 
ausgearbeitet  für  die  paramagnetischen  Gase,  deren  einziger  Vertreter 
der  Sauerstoff  ist.  Ich  habe  gezeigt,  dass  sie  angewendet  werden 
kann  auf  die  Lösungen  der  paramagnetischen  Salze  und  habe  dann 
sofort  eine  grössere  Anzahl  von  Atommomenten  erhalten. 

Ich  gebe  hier  eine  Figur  (Fig.  2),  welche  die  Resultate  zusam- 
menfasst.  Sie  enthält  eine  Skala  aus  vertikalen  Linien  in  gleichen 
Abständen,  welche  von  0  bis  32  numeriert  sind  und  die  ganzen  Zahlen 
der  Magnetonen  darstellen.  Die  voll  ausgezogenen  Linien  entsprechen 
den  geraden,  die  strichpunktierten  den  ungeraden  Zahlen.  Diese 
Skala  ist  mit  Hülfe  des  obigen,  aus  dem  Vergleich  der  absoluten 
Sättigungsintensität  von  Eisen  und  Nickel  abgeleiteten  Wertes  des 
Magnetons  gezeichnet  worden.  Die  durch  vertikale  Pfeile  bezeichneten 
Werte  auf  der  ersten  horizontalen  Linie  liegen  daher  nach  Definition 
auf  den  Strichen.  Die  zwei  von  0.  Bloch  bei  tiefen  Temperaturen 
auf  den  Metallen  selbst  beobachteten  Werte  sind  auf  derselben  Hori- 
zontalen durch  liegende  Kreuze  eingetragen  worden.  Auf  der  zweiten 
Horizontalen  sind  eine  Reihe  von  absoluten  Sättigungsintensitäten 
der    ferromagnetischen    Substanzen    bei    höheren  Temperaturen,    die 


Anschauungen  über  Magnetismus. 


22a 


weiter  unten  besprochen  werden  sollen,  dargestellt.  Auf  der  dritten 
und  vierten  Horizontalen  befinden  sich  die  durch  Kreise  bezeichneten 
Ätommomente  aus  den  von  Pascal  ausgeführten  Messungen  über 
paraniagnetische  Lösungen.  Auf  diese  Lösungen  bezieht  sich  auch  die 
Legende  unterhalb  der  Figur. 


1 

1 

1 

I 

'        r        r         I         1         1        I         I         I         I        I         1        1        T 

[Bei     tiefen     Temperrturen  ] 

1      1 

1 

1 

* 

f  We 

155       UND       KhMERLINGM    OnNES;           X     WeISS       UNO 

Bloch. 

Co       Fe 

1           1           1           1           1 

1 

V         t 

T 

'      [ 

i 

[Bei     Temperhturen    oberhalb    6 ] 

+  Weiss     und     Foex  ;    X  Weiss     und     Bloch 

N 

.   Ni    _     .      . 

Co 

1 

1    Fe^  1 

1 

1 

.  ■■«     ._  ■■ 

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6    1 

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1      17     1 
6     ' 

1 

1 

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*  i 

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1 

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i 

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1 

1  " 

' 

12         11»         16         18        20        22        Zk       26       28       50        52 
MFIGNETONZFIHL 
Fig.  2. 


1.  K  u.  Amm.  Ferricyanid 

2.  Fe  u.  Amm.  Pyrophosphat 

3.  Fe  u.  Amm.  Citrat 

4.  Na  Ferrip.vrophosphat 

5.  Xa  Ferrimetaphosphat 

6.  Ferrichlorid 

7.  Ferrisulfat 

8.  K  Ferrometaphosphat 

9.  Xa  Ferro  Oxalat 


10.  Xa  Ferropyrophosphat 

11.  Ferrosulfat 

12.  Kobaltchlorid 

13.  Manganosulfat 

14.  K  Permanganat 

15.  Cu  Sulfat 

16.  Cu  u.  Amm.  Sulfat 

17.  üranosulfat 


Aus  der  näheren  Betrachtung  dieser  Figur  geht,  ebenso  wie  aus 
der  Diskussion  dieser  Resultate,  für  welche  ich  auf  die  ausführliche 
Abhandlung  verweise,  eine  sehr  eigentümliche  Eigenschaft  dieser 
Atommomente  hervor.  Ein  und  dasselbe  Atom  hat  nicht  immer  das- 
selbe Moment.  So  zum  Beispiel  stellen  die  Punkte  2,  4,  8,  6,  7  die 
Werte  der  Momente  des  Eisenatoms  in  einer  Reihe  von  verschiedenen 
Zuständen  chemischer  Bindung  dar.  Nebenbei  gesagt,  die  grösseren 
Momente  werden  geliefert  durch  die  Verbindungen,  in  welchen  das  Eisen 
auch  am  intensivsten  chemisch  reagiert.  Man  sieht  aber  sofort,  dass 
die  genannten  fünf  Punkte  sich  in  gleichen  Abständen  befinden,  und 
dass  dieser  Abstand  gleich  zwei  mal  dem  oben  bestimmten  Magneton- 


224  P.  Weiss. 

werte  sind.  Also  genügen  wieder  diese  Atommomente  der  gefundenen 
Regel :  sie  sind  ganze  Vielfache  des  Magnetons. 

Sie  führen  uns  also  zu  einer  Verallgemeinerung  der  Web  er 'sehen 
Voraussetzung.  Ein  Atom  hat  nicht  ein  bestimmtes  Moment,  sondern 
je  nach  den  Umständen  verschiedene,  die  aber  stets  ganze  Vielfache 
des  Magnetons  bleiben. 

Die  Ausdehnung  der  kinetischen  Theorie  des  Paramagnetismus 
auf  die  festen  paramagnetischen  Substanzen  scheint  auf  den  ersten 
Blick  unzulässig.  Es  ist  schwierig  sich  vorzustellen,  dass  in  den 
festen  Körpern  die  Beweglichkeit  der  Moleküle  eine  genügende  sein 
könne,  um  den  Gesetzen  der  statistischen  Mechanik,  auf  welcher  die 
kinetische  Theorie  beruht,  ihre  Gültigkeit  zu  lassen.  Führt  man  aber 
doch  die  Rechnung  durch,  wie  wenn  die  Theorie  zulässig  wäre,  so 
findet  man  wieder  mit  einer  bemerkenswerten  Annäherung  ganzzahlige 
Vielfache  des  Magnetons.  Es  scheint  hiermit  gleichzeitig  der  Beweis 
geliefert  zu  sein,  dass  die  Schwierigkeiten,  die  sich  der  Anwendung 
der  Theorie  in  den  Weg  legen,  überschätzt  worden  sind  und  dass 
auch  die  magnetischen  Atommomente  der  festen  Verbindungen  eben- 
falls Vielfache  desselben  Elementarmomentes  sind. 

Ein  weitgehender  Aufwand  von  Theorie  ist  notwendig,  um  die 
Momente  der  starkmagnetischen,  der  ferromagnetischen  Substanzen, 
wie  man  sie  nennt,  bei  anderen  Temperaturen  wie  in  der  Nähe  des 
absoluten  Nullpunktes  zu  ermitteln.  Dies  leistet  die  Theorie  des 
molekularen  Feldes.  Auf  ihre  Darstellung  kann  hier  nicht  ein- 
gegangen werden,  ich  begnüge  mich  mit  der  Angabe  einiger  Resultate: 
Die  eine  Gruppe  derselben  ist  in  der  Fig.  3  dargestellt,  in  welcher 
in  einer  in  den  ausführlichen  Abhandlungen  im  Detail  nachzusehenden 
Weise  die  Beobachtungen  über  den  Magneteisenstein  in  Abhängigkeit 
der  Temperatur  eingetragen  worden  sind.  Die  markierten  Punkte 
(unterer  Liuienzug)  befinden  sich  in  auffallender  Weise  auf  vier  Geraden, 
die  entweder  unmittelbar  oder  auch  in  dem  einen  Falle  mit  einer 
Übergangskurve  c  d  aneinanderstossen.  Die  Art  des  Zusammenstossens 
ist  nebensächlich,  wesentlich  dagegen,  dass  die  Theorie  lehrt,  dass 
eine  Substanz  in  einem  bestimmten  Zustande  eine  einzige  Gerade 
ergeben  muss.  Man  war  daher  mit  dem  Magneteisenstein  auf  einen 
Stoff  getroffen,  der  in  dem  in  der  Figur  dargestellten  Bereich  sich 
in  vier  verschiedenen  Zuständen  darbietet.  Es  kommt  dazu  ein  fünfter 
Zustand,  der  in  das  Bereich  der  ausserhalb  des  Rahmens  der  Figur 
befindlichen  Temperaturen  zwischen  900"  und  1200<*  fällt.  Berechnet 
man  für  diese  Zustände  die  magnetischen  Momente,  so  findet  man, 
dass  sie  in  den  Verhältnissen  sind  von  4  :  5  :  6  :  8  :  10.  Es  nimmt 
also  das  Moment  des  Magnetitmoleküles  zu  vier  verschiedenen  Malen 


Anschauungen  über  Magnetismus. 


225 


zu  bei  steigender  Temperatur,  und  zwar  um  einmal  oder  zweimal 
den  vierten  Teil  des  ersten  Wertes,  den  es  in  dieser  Versuchsreihe 
besitzt.  Man  sieht  in  der  Tat,  dass  von  dem  gezeichneten  Linienzug, 
welcher  den  oben  angegebenen  exakten  Verhältnissen  entspricht,  die 
markierten  Beobachtungen  keinerlei  systematische  Abweichung  zeigen. 


Q01 


Es  war  dies  das  erste  Mal,  dass  die  Erscheinung  angetroffen 
wurde,  dass  ein  und  dasselbe  Molekül  eine  Reihe  von  magnetischen 
Momenten  annehmen  kann,  die  zueinander  in  durch  einfache  ganze 
Zahlen  ausdrückbaren  Verhältnissen  stehen.  Ähnliches  zeigen  die 
Metalle  bei  hohen  Temperaturen.  Ich  werde  nur  kurz  darauf  hin- 
weisen. Ihre  Atommomente  sind  dargestellt  in  der  zweiten  horizontalen 
Reihe  der  Fig.  2,  wo  man  sich  sofort  überzeugt,  dass  auch  sie  ganze 
Vielfache  des  Magnetons  sind.  In  einer  ersten  Reihe  von  Messungen, 
die  Herr  Foex  unter  meiner  Leitung  ausgeführt  hat,  hat  sich  ergeben: 

Nickel  a       8,03  Magnetonen 

Nickel  „       9,03 

/?!  Eisen  12,08 

/3  2  Eisen  10,04 

y  Eisen     19,95 
also  mit  aller  wünschbaren  Genauigkeit  ganze  Zahlen, 
Reihe  von  Versuchen  von  Herrn  Bloch   hat   zunächst 
für  das  Nickel  bestätigt  und  hat  die  weiteren  Werte: 

Kobalt,  erste  Bestimmung  15,008  Magnetonen 

zweite  .  14,925  „ 


Eine  zweite 
obige  Werte 


226  P.  Weiss. 

hinzugefügt;  also  wieder  mit  dem  Genauigkeitsgrad  der  Versuche  einer 
ganzen  Zahl. 

Fassen  wir  jetzt  die  z.  B.  für  das  Nickel  nach  den  verschiedenen 
Methoden  und  in  den  verschiedenen  Zuständen  gewonnenen  Resultate 
zusammen,   so   können    wir   nicht   umhin,  die  grosse  Verschiedenheit 
der  Momente  eines  und  desselben  Atoms  nochmals  zu  betonen : 
Nicke]  in  der  Nähe  des  absol.  Nullpunktes     3  Magnetonen 

„       oberhalb  400° 8 

900° 9 

„       in    den    Löoungen    der  Nickelsalze  16  „ 

Überblick  und  Schluss. 

Ich  habe  durch  Anwendung  der  kinetischen  Theorie  des  Mag- 
netismus auf  die  gelösten  paramagnetischen  Substanzen,  auf  die  para- 
und  ferromagnetischen  festen  Körper  eine  grössere  Anzahl  von  auf 
den  ersten  Blick  scheinbar  nicht  leicht  erreichbaren  Molekularmomenten 
bestimmt. 

Es  ist  so  die  sehr  merkwürdige  Eigenschaft  zutage  getreten, 
dass  ein  und  dasselbe  Atom  je  nach  der  Temperatur,  der  chemischen 
Bindung  verschiedene  magnetische  Momente  annehmen  kann.  Alle 
diese  Momente  stehen  untereinander  in  ganzzahligen  Verhältnissen. 
Man  kann  daher  unter  den  verschiedenen  Momenten  desselben  Atoms 
zunächst  ein  gemeinsames  Mass  finden.  Dann  kann  man  sich  ver- 
gewissern, dass  dieselbe  Untersuchung  für  ein  anderes  Atom  das- 
selbe gemeinsame  Mass  liefert.  Dieses  gemeinsame  Mass  aller  Atom- 
momente hat  den  Namen  Magneton  erhalten. 

Wenn  man  annimmt,  was  sehr  wahrscheinlich  scheint,  dass  dieses 
Elementarmoment  in  einem  materiellen  Substratum,  welches  wohl  eine 
schwere  Masse  besitzen  wird,  seinen  Sitz  hat,  so  wird  man  sagen 
können:  das  Magneton  ist  ein  gemeinsamer  Baustein  einer  grossen 
Zahl  von  magnetischen  Atomen  und  wahrscheinlich  aller.  Bis  jetzt 
ist  der  Beweis  geführt  für:  Fe,  Ni,  Co,  Cr,  Mn,  V,  Cu,  U. 

Beschränkt  sich  diese  Eigenschaft  auf  die  magnetischen  Elemente? 
Der  Fall  des  Kupfers  und  des  Sauerstoffs,  die  je  nachdem  sie  in 
Verbindung  oder  frei  sind,  magnetisch  oder  diamagnetisch  sein  können, 
derjenige  des  Jodquecksilberkaliums,  in  welchem  durch  die  Verbindung 
von  drei  diamagnetischen  Elementen  mindestens  eins  magnetisch  wird, 
zeigen,    dass   keine   unüberschreitbare   Grenze  gezogen  werden  kann. 

Aber  die  Verwandtschaft  mit  einem  scheinbar  sehr  entlegenen 
Gebiete  der  Wissenschaft,  mit  den  Gesetzen  der  Serien spektren, 
spricht  sehr  zugunsten  des  Magnetons  als  universellen  Bestandteil 
der   Materie.    Man   weiss,    dass   W.  Ritz    einen  elektromagnetischen 


Anschauungen  über  Magnetismus.  227 

Mechanismus  ersonnen  hat,  welcher  Rechenschaft  gibt  von  der  Ver- 
teilung der  Linien  in  den  Serien,  welche  das  Balmersche  Gesetz 
und  verwandte  Gesetze  befolgen.  Der  Ritzsche  Mechanismus  ist  an 
und  für  sich  sehr  bestechend  und  wird  durch  den  hoffnungslosen 
Misserfolg  der  anderweitigen  Versuche,  namentlich  derjenigen  mit 
elastischen  Schwingungen,  wahrscheinlicher  gemacht.  Er  besteht,  was 
den  Teil  betrifft,  der  hier  in  Betracht  kommt,  aus  magnetischen 
Stäbchen  von  gegebenem  Moment,  die  gleich  gerichtet  und  zu 
mehreren  zu  einem  festen  geradlinigen  Magneten  miteinander  ver- 
bunden sind. 

Dieses  Organ  reproduziert  gerade  den  Magneten  mit  konstantem 
aliquoten  Teil,  zu  welchem  wir  gelangt  sind.  Die  Serien spektren 
aber  sind  in  vielen  Atomen  beobachtet  worden,  von  welchen  die 
Mehrzahl  diamagnetisch  ist.  Allerdings  ist  die  Identität  des  Ritz  sehen 
Elementes  und  des  Magnetons  nicht  bewiesen,  aber  sie  scheint  wahr- 
scheinlich, und  mit  ihr  die  Existenz  des  Magnetons  in  allen  Atomen. 

Welches  werden  jetzt  die  Folgen  der  Aneignung  dieses  neuen 
Begriffes  sein?  Zunächst  liefert  er  ein  neues  Hülfsmittel  zur  Unter- 
suchung und  geordneten  Beschreibung  der  magnetischen  Eigenschaften 
der  Materialien.  Fragen,  deren  Komplexität  entmutigend  schien,  können 
jetzt  in  Angriff  genommen  werden,  und  einige  neue  Resultate  haben 
schon  gezeigt,  wie  berechtigt  diese  Hoffnungen  sind. 

Der  bei  Gelegenheit  der  paramagnetischen  Lösungen  erwähnte 
Parallelismus  zwischen  den  chemischen  Eigenschaften  und  den  Mag- 
netonzahlen  wirft  neue  Fragen  auf.  Welche  Rolle  spielen  die  mag- 
netischen Erscheinungen  in  der  chemischen  Verbindung?  Sind  die 
chemischen  Kräfte  Anziehungen  von  Elementarmagneten  P  Können  die 
Valenzen  in  dem  einen  oder  anderen  Fall  den  Magetonen  gleich- 
gesetzt werden? 

Die  Art  der  Umwandlung,  die  ein  Körper  erleidet,  dessen  Mag- 
netonzahl  sich  ändert,  ist  noch  sehr  dunkel  und  verlangt  für  sich 
untersucht  zu  werden.  Sie  ist  nicht  eine  allotrope  Umwandlung  im 
gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes,  denn  der  Fall  des  Magneteisensteins 
zeigt,  dass  das  Molekül  durch  diese  Umwandlungen  hindurch  seine 
Masse  und  seinen  Bau  beibehält.  Kostet  diese  Umwandlung  Energie? 
Gibt  es  andere  äussere  Kennzeichen,  die  sie  begleiten?  Es  ist  bis 
jetzt  auf  diese  letztere  Frage  nur  in  einem  Punkte  möglich,  zu  ant- 
worten: Das  molekulare  Feld,  welches  die  orientierenden  Wechsel- 
wirkungen in  den  ferromagnetischen  Körpern  ausdrückt,  erleidet 
gleichzeitig  mit  der  Magnetonzahl  eine  Änderung. 

Denkt  man  sich  für  einen  Moment  die  Existenz  dieser  kleinen 
Elementarmagnete,  die  alle  einander  gleich  sind  und  in  den  Atomen 


228  R.  Weiss, 

in  grosser  und  je  nach  den  Versuchsbedingungen  verschiedener  Zahl 
vorkommen,  als  von  vornherein  gegeben,  so  wird  ihre  experimentelle 
Demonstration  als  von  den  grössten  Schwierigkeiten  umgeben  er- 
scheinen. Die  magnetischen  Momente  sollten  Resultanten  bilden, 
welche  zu  ihrer  Grösse  keine  einfache  Beziehung  mehr  haben.  Es 
scheint,  dass  man,  um  sie  zu  fassen,  irgendeine  Ausnahmeerscheinung 
abwarten  müsse,  ähnlich  derjenigen,  die  das  Elektron  aus  dem  Atom 
schleudert.  Die  Leichtigkeit,  mit  welcher  sie  sich  kundgeben,  der 
Ausnahmecharakter  der  Fälle,  wo  sie  der  Beobachtung  entgehen,  sind 
der  Ausdruck  einer  wichtigen  Eigenschaft.  Es  ist  in  der  Tat 
wunderbar,  dass  diese  Elementarmagnete,  wenn  sie  überhaupt  eine 
materiell  getrennte  Existenz  haben,  immer  so  gelagert  sind,  dass  ihre 
Momente  sich  algebraisch  addieren,  das  heisst  parallel,  wenn  nicht 
sogar  in  derselben  Geraden.  Es  ist  vielleicht  ebenso  eigentümlich, 
dass  unter  den  vorhandenen  Messungen  so  wenige  die  Idee  von  Ge- 
mischen von  Molekülen  mit  verschiedenen  Magnetonzahlen  erwecken. 
Es  ist  wahrscheinlich,  dass  derartige  Gemenge  in  den  konzentrierten 
Lösungen  der  magnetischen  Salze  existieren,  von  denen  Königs- 
b erger  und  Meslin  gezeigt  haben,  dass  sie  mit  der  Konzentration 
veränderliche  Magnetisierungskoeffizienten  besitzen.  Man  kann  aber 
fragen,  ob  die  Ausgleichung  der  Magnetonzahlen  nicht  eine  der  Gleich- 
gewichtsbedingungen der  gleichartigen  Moleküle  untereinander  wäre. 

Nach  dem  Elektron,  welches  die  neueren  Ideen  über  die  dis- 
kontinuierliche Struktur  der  Elektrizität  zum  Ausdruck  bringt,  be- 
deutet das  Magneten  eine  ähnliche  Evolution  in  der  Darstellung  der 
magnetischen  Erscheinungen. 

Mit  dem  Magneten  gelangen  wir  zu  einem  dritten  universellen 
Baustein  der  Materie,  der  wie  das  Elektron  und  das  a  Teilchen 
in  vielen  Atomen,  und  wahrscheinlich  in  allen  vorkommt.  Das 
Altertum  glaubte  an  die  Einheit  der  Materie.  Die  Alchemisten 
wollten  bei  ihren  Versuchen,  Gold  zu  machen,  diesen  Glauben  in  greif- 
bare Realität  verwandeln.  Erst  die  Begründer  der  modernen  Chemie 
am  Ende  des  18.,  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  haben, 
indem  sie  die  Unveränderlichkeit  der  Elemente  zum  Dogma  erhoben, 
die  immer  im  Stillen  gehegte  Vorliebe  einer  einheitlichen  Substanz^ 
fern  von  den  wohlfundierten  Gesetzen,  in  den  Hintergrund  gerückt. 
Und  nun  kommen  wir  allmählich,  durch  die  neugewonnenen  Kenntnisse 
über  allen  Atomen  gemeinschaftliche  Bestandteile,  der  Universalität 
der  Materie  wieder  näher. 


Mitteilungen  aus  dem  botanischen  Museum  der  Universität  Zürich. 

(LVL) 

1. 

Beiträge  zur  Kenntnis  der  afrikanischen  Flora.  (XXIV.) 

(Neue  Folge.) 

Herausgeg-ebeii  von  Hans  Schinz  (Zürich). 

Mit  Beiträgen  von 
Dr.  Albert  TJielliing  (Zürich)  und  Prof.  Dr.  Hans  Schinz  (Zürich). 

Amarantaceae  africanae. 

Hans  Schinz  (Zürich). 

Da  ich  in  bezug  auf  die  Umgrenzung  der  Gattungen,  spez.  der 
afrikanischen  Genera  dieser  Familie  in  mehrfacherer  Hinsicht  ab- 
weiche von  den  beiden  Bearbeitungen  der  Amarantaceen  in  Dyers 
Flora  Capensis  und  in  dessen  Flora  of  tropical  Africa  und  auch, 
mindestens  teilweise,  über  ein  reicheres  Material,  besonders  aus  dem 
südwestlichen  Afrika  verfüge  als  Cooke  and  Wright  einer-  und  als 
Baker  and  Clarke  anderseits,  werde  ich  in  der  Folge  in  zwangloser 
Reihenfolge  —  nach  Massgabe  des  Vorschreitens  meiner  Bearbeitung 
der  ganzen  Familie  —  die  verschiedenen  Gattungen  gedrängt  mono- 
graphisch behandeln,  in  erster  Linie  nun  einmal  die  afrikanischen 
Genera. 

Herrn bstaedtia  Rchb. 

Consp.  (1828),  164;  Moq.  in  DC.  Prodr.  XIII '2,  246;  Baillon 
Eist,  des  PL,  215;  Benth.  et  Hook.  Gen.  PI.  111,25;  Schinz  in  Engl, 
und  Prantl  Natürl.  Pflanzenfam.  III,  la,  91 ;  Cooke  and  Wright 
in  Dyer  Fl.  Cap.  V,  405 ;  Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI, 
25  pr.  p.  —  Berzelia  Mart.  Beitr.  Amarant.  (1827),  84  non  Brongn.  — 
Langia  Endl.  Gen.  (1837),  ?>U.~Hypareie  Rafin.  Fl.  Teil.  HI  (1838),  43. 
—  Pelianthus  E.  Mey.  fide  Moq.  in  DC.  Prodr.  XIII,  2  (1849),  246. 

Blüten  zwitterig,  einzeln  in  der  Achsel  von  Tragblättern,  zu 
lang-  oder  kopfigährigen  Blütenständen  vereinigt,  mit  je  zwei  Yor- 
blättern.  Perianth  fünfteilig,  häutig  spelzenartig,  weiss,  rosa  bis 
bräunlich.  Staubbeutel  auf  sehr  kurzen,  spitzen  Staubfäden  zwischen 
den  +  tief  zweilappigen,  sie  +  überragenden  Pseudostaminodien. 
Griffel  kurz  oder  verlängert,  mit  2,  meist  3,  selten  4  oder  5  Narben. 

Vierteljahrsschrift  d.  Natnrf.  Ges.  Zürich.    Jahrg.  5G.     1911.  16 


230  Hans  Schinz. 

Frucht  von  den  Tepalen  umschlossen,  durch  Kreisschnitt  sich  öffnend, 
wenigsamig.  Kräuter  oder  Halbsträucher,  kahl  oder  behaart,  mit 
meist  schmalen,  wechselständigen  Laubblättern. 

1.  Griffel  mit  4  bis  5  Narben  H.  rubromarginata. 

1*.  Griffel  mit  2  bis  3  Narben. 
2.  Blütenstand  gedrungen  kopfig. 

3.  Perianth  bräunlich  strohgelb  H.  glauca. 
3*.  Perianth  weiss  oder  schwach  rosenrot  H.  capitata. 

2*.  Blütenstand  verlängertährig. 

4.  Griffel  lang,  mit  herausragenden  Narben  H.  laxiflora. 
4*.  Griffel  +  kurz. 

5.  Laubblätter  breit  verkehrteiförmig       H.  Gregory!. 
5*.  Laubblätter  linealisch,  spateiförmig  bis  schmal  verkehrt- 
eiförmig. 

6.  Blüten  weiss. 

7.  Rhachis  kahl  H.  caffra. 

^7    Di^    V     u  1,      ^  f   H.  transvaalensis. 

7.  Uhachis  behaart  "^    «    , 

l    H.  damarensis. 

6*.  Blüten  rosa-  oder  kupferrot. 

8.  Laubblätter  bogig  zurückgekrümmt 

H.  odorata. 
8*.  Laubblätter  nicht  bogig  zurückgekrümmt 

H.  elegans. 

H.  glauca  (Wendl.)  Moq.  in  DC.  Prodr.  XIII/2  (1849),  247;  Cooke  and 
Wright  in  Dyer  Fl.  Cap.  V,  406.  —  Celosia  glauca  Wendl.  hört. 
Herr.(1798-1801),4  t.  2  nonRottl.  ei^iWA.  — Berzelia glauca 
Mart.  Beitr.  Amarant.  (1827),  84.  —  Langia  glauca  Endl. 
ex  Moq.  1.  c.  —  Hijparete  glauca  Rafin.  Fl.  Teil.  III  (1838),  44. 

Ausdauernd ;  aufrechte  Staude,  verzweigt,  wachsbereift,  gerieft,  im 
übrigen  mit  stielrunden  Zweigen.  Laubblätter  spärlich,  linealisch  spatei- 
förmig, stumpf,  ungestielt,  Vji  bis  2  mm  breit,  12  bis  24  mm  lang,  kahl. 
Blütenstände  gestielt,  kugelig,  gedrungen.  Tepalen  bräunlich  strohgelb, 
stumpf  und  von  einem  Spitzchen  überragt,  +  derb,  bis  6  mm  lang. 
Staubfadenröhre  +  ungeteilt  oder  mit  kurzen  2  lappigen  Pseudo- 
staminodien.    Griffel  kurz,  mit  3  Narben. 

KAPKOLONIE  (Klein-Namaland) :  Büffelfluss,  Schlechter  11270; 
sandige  und  steinige  Stellen  bei  Spektakel,  Bolus  685,  9441 ;  Naroep, 
Schlechter;  Verleptpram  am  Oranjefluss,  Drege  2910. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         231 

H.  caffra  (Meisn.)  Moq.  in  DC.  Prodr.  XIir2  (1849),  246;  Cooke  and 

Wright  in  Dyer  Fl.  Cap.  V,  406.  —  Lestihoudesia  caffra  Meisn. 

in  Hook.  London  Journ.  Bot.  II  (1843),    549.    —   PeJianthus 

cc'losioides  E.  Mey.  ex  Moq.  1.  c.  (1849),  246.  —  Hermbstaedtia 

recurva  C.  B.  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI  (1909),  25  pr.  p. 

Ausdauernd,     aufrecht,     unterwärts    halbstrauchigen    Charakter 

tragend,  oberwärts  verzweigt,  kahl ;  Stengel  gerieft.  Laubblätter  länglich 

spateiförmig,  meist  in  einen  kurzen  Blattstiel  zusammengezogen,  20  bis 

42  mm    lang   und   4V2   bis   9  mm   breit,    obere  meist   schmäler   und 

entsprechend  kleiner.    Blütenstände  meist  verlängert,   mitunter  auch 

kurz.   Tepalen  weiss,  länglich  lanzettlich,  4^  5  mm  lang.  Pseudostami- 

nodien   die  fertilen  Staubblätter  überragend,   zweilappig   mit  spitzen 

Abschnitten.    Griffel  ganz  kurz,  mit  2  bis  3  Xarben. 

XATAL :  am  Waldrand  unfern  des  ümlaas-Flusses,  Krauss  37 ; 
bei  Durban,  Gerrard  779;  Port  Natal.  Drege  4685;  Mudd,  Poddio; 
Inanda,  Wood  77. 

Nach  den  Angaben  in  Dyers  Fl.  Cap.  und  Fl.  trop.  Afr.  sollte 
H.  caffra  Moq.  zweinarbige  Griffel  besitzen,  ich  kann  diese  Angabe 
nicht  bestätigen,  sondern  konstatiere,  dass  an  unserem  Material  der 
als  „Krauss  37"  verteilten  Nummern  sowohl  zwei-  wie  dreinarbige 
Blüten  zu  finden  sind !  Das  wirft  allerdings  ein  höchst  bedenkliches 
Licht  auf  den  systematischen  Wert  der  Narbenzahl,  auf  die  namentlich 
Clarke  so  gern  abstellt. 

H.  Odorata    (Burch.)   T.  Cooke  in  Dyer  Fl.  Cap.  V  (1910),   407.    — 

Hermbstaedtia  elecjans  Moq.  var.  recurva  Moq.  in  DC.  Prodr. 

XIII/2   (1849),  247.    —    Celosia   odorata  Burch.  Trav.  inter. 

south.  Afr.  I   (1822),   389.    —    Celosia  recurva  Burch.  Trav. 

inter.  south.  Afr.  II  (1824),  226. 
Ausdauernd,  zirka  30  cm  hoch,  verzweigt,  gerieft,  kahl.  Laub- 
blätter beinahe  ungestielt,  +  linealisch,  bogig  zurückgekrümmt,  nahezu 
kahl.  6  bis  25  mm  lang.  Blütenstand  12  bis  50  mm  lang  und  6  bis 
12  mm  breit.  Tepalen  bis  6  mm  lang,  nach  Burchell  rosarot.  Pseudo- 
staminodien  zweilappig.    Narben  3. 

KAPKOLONIE:  Westgriqualand,  Griquastadt,  Burchell  2111; 
zwischen  Spuigslang  Fontein  und  dem  Vaal  River,  Burchell  1712; 
?  Warrenton,  Adams  144  C.  A.;  Hopetown,  Rehmann  3332. 

H.  elegans  Moq.  in  DC.  Prodr.  XIir2  (1849),  247:  Cooke  and  Wright 
in  Dyer  Fl.  Cap.  V,  407;  Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop. 
Afr.  VI,  26. 
Ausdauernd,  bis  V2  m  hoch,  verzweigt,  Zweige  aufstrebend.  Laub- 
blätter 20  bis  36  mm  lang  und  3  bis  6  mm  breit,  stumpf  oder  spitzlich, 


232  Hans  Schinz. 

nach  dem  Grunde  zu  zusammengezogen,  untere  und  mittlere  länglich 
spateiförmig,  obere  schmal  linealisch.  Blütenstände  anfangs  dreieckig 
eiförmig,  später  verlängert,  Tepalen  +  6  mm  lang,  spitz,  schlank,^ 
meist  von  bräunlichgelber  Farbe.  Pseudostaminodien  zweilappig, 
schlank.    Griffel  ganz  kurz,  mit  3  Narben. 

SÜDAFRIKA:  1.  ZENTRAL- REGION :  Hopetown,  Bolus; 
zwischen  Kimberley  und  Vaalrivier,  Schenck  818. 

2.  KAL ACH ARI- REGION:   sehr  weit  verbreitet. 

3.  ÖSTL.  REGION:  Ufer  des  Umzinyati-Flusses,  Sutherland; 
Delagoa-Bai,  Monteiro  47,  Junod  22,  373,  Schlechter  11558,  Wilms 
1257,  0.  Kuntze. 

H.  damarensisO   C.  B.  Clarke   in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI   (1909),    26. 

Stark  verzweigt,  ausdauernd ;  Laubblätter  verkehrtlanzettlich  bis 
lanzettlich  oder  elliptisch,  bis  4  cm  lang  und  2:  ^  nim  breit,  allmählich 
gegen  den  Grund  zu  zusammengezogen,  stumpf  oder  spitz,  weisslich  be- 
randet,  anfangs  zerstreut  behaart,  später  kahl.  Stengel  gerieft.  Blüten- 
stände +  8  cm  lang  und  länger,  gestielt,  oberwärts  dicht-,  unter- 
wärts unterbrochenblütig.  Tepalen  6  bis  7  mm  lang,  mukronat,  am 
Rande  weiss,  sonst  rosarot  gefärbt.  Pseudostaminodien  schlank,  zwei- 
lappig.   Fruchtknoten  stark  oblong;  Griffel  sehr  kurz,  dreinarbig. 

HEREROLAND:  (ohne  nähere  Standortsangabe)  Een;  Otavi  (im; 
Hamburger  Museum  43);  Abobib,  Nord-Anis  (Hamburger  Museum  13). 

H.  transvaalensis  Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXX  (1901),  105  et  in 
Malpighia   XIV,   429;    Cooke   and   Wright   in   Dyer   Fl.    Cap. 
V,  408. 
Ausdauernd,     Zweige    aufrecht,     kahl     oder    schwach    behaart; 
Laubblätter  gestielt,  verkehrtlanzettlich,  linealisch  verkehrtlanzettlich 
oder   länglich   verkehrtlanzettlich,    gegen    den    Grund   zu   zusammen- 
gezogen, stumpf,  kahl  oder  fast  kahl.   Blütenstände  kegelförmig  oder 
zylindrisch  kegelförmig,  2  bis  3  cm  lang.  Tepalen  eiförmig  lanzettlich, 
+  5  mm   lang.    Pseudostaminodien   zweischnittig.    Griffel   sehr   kurz, 
dreinarbig. 

')  Ich  schreibe  damarensis  und  nicht  dammarensis  und  glaube  auf  Grund 
der  Wienerregeln  §  57  hiezu  berechtigt  zu  sein.  Die  Verdoppelung  des  m  in  Üamara 
ist  gar  nicht  notwendig,  glückhcherweise  auch  gar  nicht  gebräuchlich.  Überhaupt 
bedaure  ich,  dass  in  Dyers  Fl.  trop.  Afr.  Damara-  und  Hereroland  kunterbunt 
durcheinander  gehen,  da  doch  Damaraland  und  Hereroland  ein  und  dasselbe  be- 
deuten. Ich  habe  an  anderer  Stelle  (Schinz,  Deutsch-Südwest-Afrika,  Forschungs- 
reisen) nachgewiesen,  woher  die  beiden  Bezeichnungen  abzuleiten  sind,  habe  vor- 
geschlagen, an  der  Bezeichnung  Hereroland  für  die  Zukunft  festzuhalten  und  freue 
mich,  dass  im  allgemeinen  in  Deutschland  dieser  Vorschlag  angenommen  worden 
ist.    Die  Beibehaltung  beider  Benennungen  schafft  nur  Irrtümer  über  Irrtümer. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         233 

KAPKOLONIE:  Modderriver-Station,  Otto  Kuntze. 

TRANSYAALKOLONIE :  bei  Lydenburg,  Wilms  1254,  Penther 
1809;  Boshveld,  Klippan,  Rehmann  5284;  Boshveld,  Elandsriver  und 
Elandsdrift,  Rehmann. 

GROSS-NAMALAND :  Rehoboth,  Fleck  24,  24  b;  Hornkranz, 
Fleck  50. 

HEREROLAND:  Nels  (ohne  nähere  Standortsangabe);  Eros, 
Dinter  1250;  Miss  Kolbe  und  Lüderitz  (ohne  nähere  Standortsangabe). 

H.  laxiflora  Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXX  (1901),  105  et  in  Mal- 
pighia  XIV,  430 ;  Cooke  and  Wright  in  Dyer  Fl.  Cap.  V,  406. 

Kahle  Staude.  Laubblätter  gestielt,  verkehrtlanzettlich  oder 
länglich  lanzettlich  bis  spateiförmig,  nach  dem  Grunde  zu  zusammen- 
gezogen, abgerundet  oder  stumpf,  obere  merklich  kleiner,  mitunter 
von  einer  kleinen  Spitze  überragt.  Blütenstand  armblütig,  verlängert, 
zugespitzt,  Blüten  im  untern  Teile  des  Blütenstandes  entfernt,  ober- 
wärts  gedrängt.  Tepalen  eiförmig  lanzettlich,  +  4  mm  lang.  Pseudo- 
staminodien  kaum  1  mm  lang,  unregelmässig  zweischnittig.  Griffel 
■die  Tepalen  überragend,  dreinarbig. 

MOSSAMBIK:  Ressano  Garcia,  auf  Hügeln,  Schlechter  11876. 

H.  Gregory!  C.  B.  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI  (1909),  26. 

Halbstrauch  mit  verkehrteiförmigen,  abgerundeten,  am  Grunde 
stark  zusammengezogenen,  +  20  mm  langen  und  +  10  mm  breiten 
Laubblättern,  Blütenstände  sehr  dicht.  Tepalen  +  4  mm  lang.  Pseudo- 
staminodien  tief  zweischnittig.    Narben  3. 

BRITISCH  OST  AFRIKA:  Tana-Fluss.  Gregory. 

H.  rubromarginata  C.  H.  Wright  in  Dyer  Fl.  Cap.  V  (1910),  408  et 
in  Kew  Bull.  (1910),  228. 

Ausdauernde  Pflanze  mit  kantigen,  behaarten,  rötlichen  Stengeln. 
Laubblätter  verkehrtlanzettlich,  +  12  mm  lang  und  2  bis  3  mm  breit, 
stumpf,  am  Grunde  zusammengezogen,  rotberandet.  Blütenstände 
ährig,  dichtblütig,  3  cm  lang.  Trag-  und  Vorblätter  eiförmig,  +  2  mm 
lang.  Tepalen  rosenrot,  breit  eiförmig,  +  ^  ^^  lang,  innere  etwas 
schmäler  als  die  äussern.  Staubfäden  pfriemlich,  Pseudostaminodien 
zweilappig,  so  lang  wie  die  Staubfäden  (?,  Schinz).  Fruchtknoten 
eiförmig,  mit  4  bis  5  Narben,  zirka  sechssamig. 

TRANSVAALKOLONIE:  Warmbath,  Leendertz  1326. 

H.  capitata  Schinz  nov.  spec. 

Annua,  ramosa,  ramis  erectis  vel  ascendentibus ;  foliis  lineari- 
oblanceolatis,  sessilibus,  subcarnosis,  obtusis;  spicis  terminalibus, 
capitatis  vel  ovoideis;  bracteis  et  bracteolis  persistentibus,  acuminatis; 


234  Hans  Schinz. 

floribus  congestis ;  tepalis  inaequalibus,  x  roseis ;  tubo  stamineo  peri- 
gonio  breviore;  pseudostaminodiis  apice  obtusis  et  breviter  bifidis, 
mucrone  laciniis  breviore ;  utriculo  elongato ;  stylo  brevi ;  stigmatibus  3 ; 
seminibus  2,  nitidis,  nigris. 

TRANSVAALKOLONIE:  in  arenosis  pr.  Sandfontein,  1430  m, 
Schlechter  4239,  bL  u.  fr.  19.  L  1894. 

Einjährige,  spannenhohe,  vom  Grunde  an  reich  verzweigte 
Pflanze,  deren  Äste  wohl  zum  Teil  aufsteigend  und  überdies  gerieft, 
oberwärts  zerstreut  drüsig  behaart  sind.  Die  sehr  spärlich  vor- 
kommenden Laubblätter  sind  linealisch  verkehrtlanzettlich,  fast 
fleischig,  meist  der  Länge  nach  gefaltet,  zerstreut  papillös,  +  15  mm 
lang.  Blutenstände  endständig,  kopfig  oder  kopfig  eiförmig,  10  bis 
20  mm  lang,  dichtblütig.  Die  Tepalen  sind  weiss  oder  mit  rosenroter 
Mediane  versehen,  lanzettlich,  spitz;  die  zwei  äussern  sind  x  4  mm,, 
die  Innern  +  4V2  mm  lang.  Trag-  und  Vorblätter  eiförmig  lanzettlich,, 
zugespitzt.  Die  Staubfadenröhre  misst  zirka  3  mm.  die  sterilen  Lappen 
sind  etwa  ^/i  mm  hoch  und  kurz  zweischnittig;  die  Filamentspitze 
ist  verschwindend  kurz.  Der  etwa  3  mm  hohe  Fruchtknoten  ist  lang 
tonnenförmig.  fast  walzlich,  +  IV2  mm  dick;  der  +  V^  mm  lange^ 
Griffel  trägt  drei  kurze  Narben.  Die  zu  zweien  in  einer  Kapsel  vor- 
kommenden Samen  sind  glänzend  schwarz  und  glatt. 

Die  wohl  mit  unserer  Art  verwandte  H.  odoraia  (Burch.)  Cooke 
hat  kugelig  eiförmige  Fruchtknoten. 

Hinsichtlich  der  Gattungsumgrenzung  ist  zu  bemerken,  dass  ich 
in  dieser  Beziehung  an  meiner  ursprünglichen  Auffassung  (Engler 
und  Prantl,  Natürl.  Pflanzenfam.  III,  la  [1893],  100)  festhalte  und 
damit  also  auch  jener  Lopriore's  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXX  (1901), 
4  und  102  beipflichte,  während  Baker  und  Clarke  (in  Dyer  Fl,  trop. 
Afr.  VI  [1909],  25)  den  Begriff  der  Gattung  Hermbstaedtia  bedeutend 
weiter  fassen,  indem  sie  auch  noch  Gomphro-Hermbstaedtia  und 
PseudoheDubstaedtia,  die  wir  als  zwei  Sektionen  der  Gattung 
Celosia  zuteilen,  zu  Hermbstaedtia  stellen. 

Im  übrigen  gestehe  ich  unumwunden,  dass  mich  die  Bearbeitung 
der  Gattung  Hermbstaedtia  und  der  beiden  genannten,  von  Lopriore 
und  mir  zu  Celosia.  gestellten  Sektionen  noch  keineswegs  befriedigt, 
nichtsdestoweniger  muss  ich  mich  vorläufig  damit  begnügen,  da  mir 
von  einzelnen  Arten  Belegexemplare  unzugänglich  und  andere  Arten 
bis  jetzt  nur  durch  je  eine  Nummer  vertreten  sind  {H.  laxiflora^ 
transvaalensis,  damarensis,  ?nibromarginata ,  Gregoryi). 

Derselbe  Umstand  ist  es  auch,  der  mich  keinen  eigenen  Schlüssel 
aufstellen  lässt  und  mich  zwingt,  mich  an  Dyers  Fl.  Cap.  zu  halten. 
Ich  habe  bereits  darauf  hingewiesen,  dass  meine  englischen  Kollegen 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Cniversität  Zürich  (LVI).         235 

an  „Krauss  37"  ausnahmslos  dreinarbige  Griffel  konstatiert  haben 
wollen,  wogegen  ich  ganz  unzweifelhaft  an  dem  mir  zur  Verfügung 
stehenden  Exemplare  unseres  Universitätsherbars  mindestens  ebenso- 
viele  drei-  wie  zweinarbige  Blüten  vorfinde.  Für  H.  laxiflora  hebt 
Lopriore  als  wesentliches  Merkmal  die  Kleinheit  der  Pseudostami- 
nodien  hervor ;  es  ist  möglich,  dass  dieses  Merkmal  konstant  ist,  die 
Untersuchung  eines  einzigen  Exemplares  gibt  mir  aber  noch  nicht 
die  genügende  Gewähr  hiefür,  nachdem  ich  in  der  Ausbildung  der 
sterilen  Staubfadenröhren- Abschnitte  eine  verwirrende  Variation  habe 
feststellen  können.  Wenn  diesem  Merkmal  aber  nicht  die  Bedeutung 
zukommen  sollte,  die  ihm  Lopriore  zuschreiben  will,  dann  sähe  ich 
nicht  ein,  wodurch  sich  eigentlich  H.  transvanlensis  und  laxiflora 
unterscheiden  sollten  und  würde  man  diese  beiden  Arten  vereinigen, 
wozu  man  vielleicht  doch  noch  kommt,  dann  erheben  sich  wiederum 
Schwierigkeiten  im  Hinblick  auf  die  Unterscheidung  von  H.  dama- 
rensis  von  der  eben  erwähnten  „Collectivart".  Wie  verwickelt 
die  Dinge  hier  liegen,  zeigt  auch  der  Umstand,  dass  z.  B.  Baker  und 
Clarke  Celosia  recurva  Burch.  mit  Herinbstaedtia  caff)-a  Moq. 
vereinigt  haben,  wogegen  Cooke  und  Wright  hievon  nichts  wissen 
wollen  und  Celosia  recurva  Burch,  als  verschieden  von  H.  caffra 
Moq.,  dagegen  als  identisch  mit  Celosia  odorata  Burch.  aufgefasst 
wissen  wollen  und  doch  haben  allen  vier  Autoren  dieselben  Originale 
vorgelegen ! 

Ich  habe  nun  allerdings  meinerseits  sowohl  vom  Britischen 
Museum  wie  von  Kew  einzelne  Blüten  der  fraglichen  Arten  erhalten, 
ich  habe  mich  indessen  davon  überzeugen  müssen,  dass  damit  nichts 
anzufangen  war,  einmal  waren  die  Blüten  zum  Teil  geradezu  zer- 
quetscht und  anderseits  spricht  doch  auch  der  Habitus  selbst  bei  den 
Amarantaceen  zum  Teil  mit. 

Ich  muss  daher  alle  diese  Fragen  vorläufig  noch  offen  lassen. 

Synonymik. 

Hermhstaedtia  augolensis  C.  B.  Clarke   in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI 

(1909),  29  =  Celosia  Welwitschii  Schinz. 
Hermbstaedtia   argenteiforniis   Schinz    in   Abh.    Bot.   Ver.    Brand. 

XXXI  (1890),  209  =  Celosia  argenteiformis  Schinz. 
Hermbstaedtia  elegans  Moq.  var.  recurva  Moq.  in  DC.  Prodr.  XIII/2 

(1849),  247  =  H.  odorata  (Burch.)  T.  Cooke. 
Hermbstaedtia  falcata   C.   B.    Clarke   in   Dyer   Fl.   trop.    Afr.   VI 

(1909),  27  =  Celosia  falcata  Lopr. 
Hermbstaedtia    Fleckii    C.    B.    Clarke    in   Dyer   Fl.   trop.    Afr.    VI 

(1909),  28  =  Celosia  Fleckii  Schinz. 


236  Hans  Schinz. 

Hermbstaedtia   Imearis   Schinz    in  Abh.    Bot.   Ver.   Brand.   XXXI 

(1890),  210  =  Celosia  linearis  Schinz. 
Hermbstaedtia  longistyla    C.  B.  Clarke   in  Dyer   Fl.  trop.  Afr.  VI 

(1909),  28  =  Celosia  longistyla  (C.  B.  Clarke)  Schinz. 
Hermbstaedtia   recurva   C.  B.  Clarke   in   Dyer    Fl.   trop.   Afr.    VI 

(1909)  =  H.  elegans  Moq. 
Hermbstaedtia    scabra    Schinz    in    Abh.    Bot.    Ver.    Brand.    XXXI 

(1890),  209  =  Celosia  scabra  Schinz. 
Hermbstaedtiae  Schinzii  C.  B.  Clarke   in   Dyer  Fl.  trop.   Afr.  VI 

(1909),  27  =  Celosia  Schinzii  (C.  B.  Clarke)  Schinz. 
Hermbstaedtia  spathidaefolia  J.  G.  Baker  in  Dyer  Fl.  trop.   Afr. 

VI  (1909),  29  =  Celosia  spathulaefolia  Engl. 
Hermbstaedtia    Welwitschii  Baker   in   Kew   Bull.    (1897),   278  == 

Celosia  argenteiformis  Schinz. 

Sericocoma  Fenzl 

in  Endl.  Gen.  Suppl.  III  (1842)  et  in  Linnaea  XVII,  323; 
Moq.  in  DC.  Prodr.  XIII/2,  306 ;  Benth.  et  Hook.  Gen.  PI.  III, 
30;  Baillon  Hist.  d.  Plant.,  204;  Schinz  in  Engl,  und  Prantl 
Natürl.  Pflanzenfam.  III,  la,  106;  Baker  and  Clarke  in  Dyer 
Fl.  trop.  Afr.  VI,  41 ;  Cooke  and  Wright  in  Dyer  Fl.  Cap.  V,  416. 

Blüten  entweder  zwitterig  und  einzeln  in  den  Achseln  der  Trag- 
blätter oder  die  Partialblütenstände  aus  1  bis  3  fertilen,  zwitterigen 
und  aus  auf  einfache  Dornspitzen  umgewandelten  sterilen  Blüten 
bestehend.  Trag-  und  Vorblätter  mit  langen  Seidenhaaren  bekleidet. 
Tepalen  am  Grunde  etwas  vereinigt,  aber  nicht  verhärtend,  lang 
seidig  behaart,  eiförmig  lanzettlich,  innere  etwas  schmäler.  Pseudo- 
staminodien  klein,  -j-_  länglich  eiförmig,  oft  papillenartig,  selten  0 
{S.  avolans).  Fruchtknoten  behaart,  ohne  Hörn ;  Narbe  +  unschein- 
bar, kopfig. 

Verzweigte,  kahle  oder  behaarte  Halbsträucher  mit  gegen-  oder 
wechselständigen  Laubblättern.     Blütenstände  ährig  oder  kopfig. 

1.  Partialblütenstände  aus  einzelnen  Blüten  bestehend. 

2.  Blüten  auffallend  klein  S.  heterochiton. 

2*.  Blüten  verhältnismässig  gross 

3.  Laubblätter  linealisch  S.  avolans. 

3*.  Laubblätter  eiförmig  bis  elliptisch  S.  squarrosa. 

1*.  Partialblütenstände   aus  fertilen   und   sterilen   Blüten   bestehend 

S.  pnngens. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         237 

S.  avolans  Fenzl  in  Linnaea  XVII  (1843),  328 ;  Moq.  in  DC.  Prodr. 

XIII/2,  307;  Cooke  and  Wright  in  Dyer  Fl.  Cap.  V,  417  pr.  p. 

—  Sericocoma  capensis  (E,  Mey.)  Moq.  in  DC.  Prodr.  XIII/2 

(1849),  307.   —   Eurotia  capensis   E.  Mey.  ex  Moq.  in  DC. 

Prodr.  XIII/2  (1849),  307. 
Halbstrauch  mit  kahlen  oder  pubeszierenden  Zweigen  und  gegen- 
oder  wechselständigen,  kurzgestielten  oder  ganz  ungestielten,  kahlen, 
fast  fleischigen,  linealischen  oder  linealisch  lanzettlichen,  grannig  zu- 
gespitzten, —  25  mm  langen  und  l\/2  mm  breiten  Laub  blättern. 
Blütenstand  endständig,  ährig,  eiförmig,  langseidig  braun-  oder  reh- 
braun behaart.  Pseudostaminodien  klein,  +  eiförmig  oder  fehlend 
(Zeyher  1432  bald  mit,  bald  ohne!). 

KAPKOLONIE:  Zwischen  LospersPlaats  und  Springbok  KuilRivier, 
Zeyher  1439 ;  zwischen  Dwyka  Rivier  und  ZwartbuUetje  Rivier, 
Drege;  bei  Graaff  Reinet,  Bolus  812;  Murraysbay,  bei  Snyders 
Kraal,  Tyson  422 ;  Bitterwater  am  Gamkafluss,  Drege  895 ;  Beaufort 
West,  Otto  Kuntze ;  Hantam-Gebirge,  Meyer;  Verleptpram,  Drege  3066. 
GROSS-NAMALAND :  Inachab,  Dinter  980. 

S.  pungens  Fenzl  in  Linnaea  XVII  (1843),  326;  Moq.  in  DC.  Prodr. 
XIII/2,  308;  Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  41; 
Cooke  and  Wright  in  Dyer  Fl.  Cap.  V,  417.  —  Eurotia  glabra 
E.  Mey.  ex  Moq.  in  DC.  Prodr.  XIII/2  (1849),  308. 
Aufrechter  Halbstrauch  mit  sparrigen,  +  starren,  pubeszierenden 
Zweigen.  Laubblätter  fast  ungestielt,  länglich  bis  lanzettlich  bis  läng- 
lich   verkehrteiförmig,    dick    und    fast    fleischig,    mit    einer    Weich- 
stachelspitze,   bis    10  mm   lang   und    bis    5  mm    breit.     Blütenstand 
kugelig.  Vorblätter  zugespitzt.    Tepalen  10  bis  12  mm  lang.  Pseudo- 
staminodien 21  eiförmigoblong. 

KAPKOLONIE :  Hügel  am  Oranjefluss  bei  Verleptpram,  Drege  3067. 

—  —  var.  longearistata  Schinz  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXI  (1895), 
181.  —  Sericocoma  leiicoclada  Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb. 
XXVII  (1899),  45,  47. 

Zweige  weiss  filzig  behaart.  Tragblätter,  Vorblätter  und  Tepalen 
langgrannig  zugespitzt,  i^  17  mm  lang. 

KAPKOLONIE:  Hantam  Gebirge,  Meyer;  ohne  nähere  Standorts- 
angaben, aber  sicher  aus  der  Kap-Kolonie  stammend,  Lichtenstein 
und  ebenso  Fleck  22  a. 

Entgegen  Baker  und  Clarke  1.  c.  halte  ich  longearistata  nach 
wie  vor  für  etwas  verschieden  vom  Typus,  obschon  ich  mit  den  Ge- 
nannten   darin   übereinstimme,    dass    auch    beim    Typus    die   Zweige 


23S  Hans  Schinz. 

durchaus  nicht  durchwegs  kahl  und  braun  sind;  dies  der  Grund, 
warum  ich  die  Spielart  nicht  mit  Lopriore  1.  c.  zum  Range  einer  Art 
erhebe  und  daher  Lopriores  Name  einziehe. 

S.  heteroChiton  Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII  (1899),  45  et  in 
Malpighia  XIV,  19. 

Mehrjährige,  holzige,  verzweigte  Pflanze.  Laubblätter  gegen- 
ständig, schmal  linealisch,  mit  V^eichstachelspitze,  30  bis  50  mm 
lang  und  V^  bis  IV2  mm  breit.  Blütenstand  endständig,  kurzährig, 
armblütig.  Vorblätter  dicht  seidig  behaart.  Tepalen  +  S'/s  mm 
lang,  gleicherweise  mit  langen  Seidenhaaren  versehen.  Pseudostami- 
nodien  kurz,  +  papillenartig. 

HEREROLAND :  Otjimbingue,  Fischer  193 ;  Barmen  in  Ritzen  von 
Glimmerschieferfelsen,  Dinter  521. 

S.  squarrosa  Schinz  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXI  (1895),  182. 

Strauchartig;  Stengel  tief  gefurcht,  filzig  behaart,  später  ver- 
kahlend.  Laubblätter  wechselständig,  ungestielt  oder  verschwindend 
kurz  gestielt,  eiförmig  oder  breiteiliptisch,  am  Grunde  abgerundet 
oder  verschmälert,  stumpf  oder  spitz,  fast  fleischig,  behaart,  bis 
10  mm  lang  und  bis  5  mm  breit.  Blütenstand  länglich  eiförmig, 
25  bis  30  mm  lang.  Blüten  einzeln  in  der  Achsel  breiteiförmiger 
Tragblätter.  Von  den  beiden  breiteirunden  Vorblättern  ist  das 
äussere  durch  einen  basalen,  aus-  und  aufwärts  geschlagenen  Lappen 
ausgezeichnet.  Tepalen  innen  rauh,  +  6  mm  lang.  Pseudostaminodien 
schmal ;  Filamente  fadenförmig,  zweimal  länger  als  die  sterilen  Zipfel. 
Griffel  3  mm  lang. 

GROSS -NAMAL AND:  |  Aus,  Schinz  2000;  !  Gubub,  Dinter 
975,  978. 

Synonymik. 

Sericocorna  f  aUeniifolia    C.  B.  Clarke   in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI 

(1909),  42  =  Neocentema  alternifolia  Schinz. 
Sericocorna    angustifolia   Hook,    in    Benth.    et   Hook.    Gen.    PI.  III 

(1880),  30  =  Cyphocarpa  angustifolia  (Hook.)  Lopr. 
Sericocorna  Bainesii  Hook,  in  Benth.  et  Hook.  Gen.  PI.  III  (1880), 

31  =  Leucosphaera  Bainesii  (Hook.)  Gilg. 
Sericocorna  capensis  Moq.  in  DG.  Prodr.  XIII/2  (1849),  307  =  Seri- 

cocoma  avolans  Fenzl. 
Sericocorna  capitata  Moq.  1.  c,  308  =  Calicorema  capitata  (Moq.) 

Hook. 
Sericocorna  Chrijsiirus  Meisn.  in  Hook.  Lond.  Journ.  Bot.  11  (1843), 

547  (err.  typ.  447)  =  Cyphocarpa  trichinioides  (Fenzl)  Lopr. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  239 

Sericocoma  Chrysurus  Meisn.  1.  c.    var.  angustifolia  Moq.  in  DC. 

Prodr.  XIII/2  (1849),  308   =   Cyphocarpa  angustifolia  (Hook.) 

Lopr. 
Sericocoma  denudata  Hook,  in  Benth.  et  Hook.  Gen.  PI.  HI  (1880), 

30  =  Marcellia  denudata  (Hook.)  Lopr. 
Sericocoma  leucoclada   Lopr.   in   Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVH    (1899), 

45  =  Sericocoma  pungens  Fenzl  var.  longearistata  Schinz. 
Sericocoma  Nelsii  Schinz  in  Engl,  und  Prantl  Natürl.  Pflanzenfam. 

m,  la  (1893),  107  =  Nelsia  quadrangula  (Engl.)  Schinz. 
Sericocoma  pallida  Moore  in  Journ.  of  Bot.  (1877),  70  =  Sericoco- 

mopsis  pallida  (Moore)  Schinz. 
Sericocoma  quadrangula  Engl,  in  Bot.  Jahrb.  X  (1889),  7  =  Nelsia 

quadrangula  (Engl.)  Schinz. 
Sericocoma  remotiflora  Hook,  in  Benth.  et  Hook.  Gen.  PL  III  (1880), 

30  =  Sericorema  remotiflora  (Hook.)  Schinz. 
Sericocoma  sericea    Schinz   in   Engl.  Bot.  Jahrb.  XXI   (1895),    181 

=  Sericorema  sericea  (Schinz)  Lopr. 
Sericocoma  shepperioides   Schinz   in    Bull.    Herb.    Boiss.    ser.    2,    I 

(1901),  872  =  Calicorema  capitata  (Moq.)  Hook. 
Sericocoma    somalensis   Moore   in    Journ.    of   Bot.    (1877),    70    = 

Chionothrix  somalensis  (Moore)  Hook. 
Sericocoma    frichinioides   Fenzl   in   Linnaea   XVII   (1843),  324    = 

Cyphocarpa  trichinioides  (Fenzl)  Lopr. 
Sericocoma    Wehvitschii  Hook,    in   Benth.    et   Hook.    Gen.    PL    III 

(1880),  30  non  Baker    =    Marcellia  Welwitschii   (Hook.)  Lopr. 
Sericocoma   Welwifschii  Baker  in  Kew  Bull.  (1897),  278  non  Hook. 

=  Nelsia  quadrangula  (Engl.)  Schinz. 
Sericocoma  Zeijheri   (Moq.)   Engl,    in   Bot.   Jahrb.  X    (1889),  6    = 

Cyphocarpa  Zeyheri  (Moq.)  Lopr. 

Marcellia  Baillon 

in   Bull.   Soc.  Linn.  Paris   I  (1886),  625    et   in   Hist    des  PL, 
209;     Lopriore     in    Engl.    Bot.    Jahrb.    XXVH,    40;     Baker 
and  Clarke   in   Dyer  FL   trop.    Afr.  VI,   49.    —    Sericocoma 
Fenzl   subgen.   Newtonia    Schinz    in    Engl.    Bot.  Jahrb.    XXI 
(1895),  183. 
Blüten     knäuelig     gehäuft     zu    Partialblütenständen     vereinigt. 
Letztere   aus  je   zwei  fertilen   und   zwei   sterilen  Blüten   bestehend. 
Sterile  Blüten  zu  zweiästigen,  von  wolligen  Seidenhaaren  umkleideten 
Dornspitzen  umgewandelt,  fertile  Blüten  nicht  schnabelförmig  vorge- 
zogen. Tepalen  5,  oblong,  aussen  wollig  seidig  behaart.  Staubblätter  5, 


240  Hans  Schinz. 

am  Grunde  zu  einer  Röhre  verwachsen,  ohne  Pseudostaminodien. 
Fruchtknoten  wollig  behaart;  Griffel  mit  kurz  pinselförmiger  oder 
kurz  kopfiger  Narbe. 

Aufrechte,  krautartige  oder  halbstrauchige  Pflanzen  mit  linea- 
lischen, gegen-  oder  wechselständigen  Laubblättern  und  gestielten, 
ährigen  Blütenständen. 

1.  Vorblätter  einer  Partialinfloreszenz  unter  sich  ungleich 

M.  Welwitschii. 

1*.  Vorblätter  einer  Partialinfloreszenz  unter  sich  gleich. 
2.  Haare  der  Partialblütenstände  weiss;  Narbe  kopfig 

M.  splendens. 
2*.  Haare  der  Partialblütenstände  bräunlich  oder  rosenrotbräunlich ; 
Narbe  pinselförmig. 
3.  Trag-  und  Vorblätter  rotbraun  M.  Dinteri. 

3*.  Trag-  und  Vorblätter  strohgelb  M.  denudata. 

M.  Welwitschii  (Hook.)  Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XX VH  (1899),  40, 

t.  1,  fig.  C.    —   Sericocoma  Welwitschii  Hook,  in  Benth.  et 
Hook.    Gen.    PI.  HI   (1880),    30    non   Baker;    Schinz   in  Engl. 
Bot.  Jahrb.  XXI,  183.  —  Marcellia  ^nirabiUs  Baillon  in  Bull. 
Soc.    Linn.   Paris   I    (1886),    625 ;    Baker   and  Clarke   in  Dyer 
Fl.  trop.  Afr.  VI,  50 ;  Hiern  in  Cat.  Afr.  PI.  Welw.  I,  888. 
Aufrechte,  krautige,  mit  Ausnahme  der  Infloreszenz  kahle  Pflanze 
mit    gegenständigen,    lanzettlichen    oder    linealischen,    2    bis    5    cm 
langen  und  +  1  mm  breiten,  flachen  Laubblättern.  Äussere  Vorblätter 
breit  verkehrteiförmig,  oben  ausgerandet,  innere  spateiförmig,  abge- 
rundet,   alle   rosarot.     Blütengrund   sich  wulstig  verdickend.     Narbe 
pinselförmig. 

MOSSAMEDES:  sandige  Stellen  am  Bero-Fluss  bei  Caval- 
heiros,  Welwitsch  6508. 

M.  splendens  Schinz  in  Mem.  Herb.  Boiss.  No.  20  (1900),  16; 
Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  51. 

Aufrechte,  mehrjährige,  mit  kurzem,  schneeweissem  Filz  be- 
kleidete Pflanze,  mit  zum  Teil  gegen-,  zum  Teil  wechselständigen, 
linealisch  verkehrtlanzettlichen,  +  5  cm  langen  und  +  3  mm  breiten,  an- 
fänglich kurzfilzigen,  später  verkahlenden  Laubblättern.  Blütenstand 
+  7  cm  lang  und  etwa  2V2  cm  dick.  Partialblütenstände  mit  silber- 
weissen,  langen  Haaren.  Trag-  und  Vorblätter  breiteiförmig,  zart, 
bespitzt.  Tepalen  dicht  zusammenschliessend,  zur  Fruchtzeit  unter- 
wärts stark  verhärtend. 

HEREROLAND:  im  sandigen  Flussbett  bei  Salem,  Dinter  152. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Züi'ich  (LVI).  241 

M.  Dinteri  Schinz  in  Mem.  Herb.  Boiss.  No.  20  (1900),  15;  Baker 
and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  51. 

Halbstrauch  von  Meterhöhe.  Stengel  und  Zweige  stielrund,  ge- 
rillt, mit  einem  feinen,  schneeweissen,  kurzen  Filz  bekleidet.  Laub- 
blätter teils  gegen-,  teils  wechselständig,  schmallinealisch,  im  ge- 
trockneten Zustande  nach  oben  eingerollt  und  filzig  behaart,  +  35  mm 
lang  und  ^  2  mm  breit.  Trag-  und  Vorblätter  breiteiförmig,  mit 
rigidem  Mittelnerv  versehen,  der  die  Spreite  als  kurze  Spitze  etwas 
überragt. 

HEREROLAND:  Abassi,  Dinter  1542;  Sorissoris,  am  Ugabfluss,. 
Gürich  49. 

M.  denudata'(Hook.)  Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII  (1899),  41; 
Baker   and   Clarke   in   Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,   50 ;    Hiern  in 
Cat.  Afr.  PL  Welw.  I,  889.  —  Sericocoma  denudata  Hook,  in 
Benth.  et  Hook.  Gen.  PL  IH  (1880),  30;  Schinz  in  Engl.  Bot. 
Jahrb.  XXI,  183. 
Ausgesprochener,  mehrjähriger,  aufrechter,    spärlich  verzweigter 
Xerophyt.  Zweige  armblätterig,  gerillt,  in  den  Rillen  flaumig.  Laub- 
blätter 21  30  mm  lang,  linealisch,  +  1  mm  breit,  kahl  oder  flaumig,  über 
der  Blattrippe  der  Länge  nach  zusammengefaltet  nach  Art  eines  V;  obere 
Laubblätter  wechselständig.  Blütenstand  ährig,  +  7  cm  lang ;  Rhachis 
dicht  gelbflaumig.  Partialblütenstände  in  den  Achseln  pubeszierender, 
eiförmig  lanzettlicher  Tragblätter.  Vorblätter  breit  eiförmig  dreieckige 
häutig,  kahl  oder  pubeszierend,  spitz  mit  verdickter  Mediane.   Haare 
der  sterilen  Blütenanlagen  goldbraun. 

MOSSAMEDES:  steinige  Litoralzone  nahe  der  Stadt  Mossamedes,. 
Welwitsch  6503. 

Synonymik. 

MarcelUa  Bainesii   (Hook.)    C.  B.  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI 

(1909),  51  =  Leucosphaera  Bainesii  (Hook.)  Gilg. 
MarcelUa  lanata  (Gilg)  C.  B.  Clarke  1.  c.  =  Dasysphaera  lanata 

Gilg. 
MarcelUa  mirabiUs  Baillon  in  Bull.  Soc.  Linn.  Paris  I  (1886),  62S 

=  Marcellia  Wilwitischii  (Hook.)  Lopr. 
MarcelUa   prostrata    (Gilg)    C.  B.  Clarke   1.  c.    =    Kentrosphaera 

prostrata  Gilg. 
MarcelUa  sericea  (Schinz)  C.  B.  Clarke  1.  c.   =  Sericorema  sericea 

(Schinz)  Lopr. 
Marcellia    fonientosa    (Gilg)    C.  B.  Clarke    1.    c.    =    Dasysphaera 

tomentosa  Gils:. 


•242  Hans  Seh  in  z. 

Centemopsis  Schinz  nov.  gen. 

Flores  hermaphroditi,  tribracteati.  Tepala  triangularia,  basi  indu- 
rata. Pseudostaminodia  5  interjecta,  subquadrata,  fimbriata.  Ovarium 
pilosum.  Stigma  simplex.  Herbae  basi  suffrutescentes,  erectae,  parce 
ramosae.  Folia  opposita.  Flores  sessiles  in  spicas  densifloras,  globosas 
vel  cylindraceas  congesti.    Glomeruli  1-  vel  2  flori. 


1.  Blütenstand  +  kug 

jelig 

C.  glomerata. 

1*.  Blütenstand  +  gestreckt. 

2.  Stengel  rauh 

C.  biflora. 

2*.  Stengel  glatt. 

3.  Blüten  rot 

C.  rnbra. 

3*.  Blüten  + 

strohfarbig 

C.  Kirkii. 

C.  biflora  Schinz  nov.  comb.  —  Gentema  hiflora  Schinz  in  Engl,  und 
Prantl  Natürliche  Pflanzenfam.  III,  1  a  (1893),  10  et  in  Engl. 
Bot.  Jahrb.  XXI  (1895),  183;  Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl. 
trop.  Afr.  VI,  56;  Gard.  Chronicle  (1909),  147  fig.  61.  — 
Psilotrichurn  ruhelhim  Baker  in  Kew  Bull.  (1897),  279.  — 
Centerna  polygonoides  Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII 
(1899),  48  et  in  Malpighia  XIV,  442. 

Eine  aufrechte  Pflanze  mit  gerieftem,  +  rauhem  Stengel  und 
linearlanzettlichen,  bis  4  cm  langen  und  +  3  mm  breiten,  spitzen  oder 
von  einer  Weichstachelspitze  überragten,  anfänglich  kurz  behaarten, 
später  kahlen  Laubblättern.  Blütenstand  walzenförmig^  dichtblütig,  von 
zweiblütigen  Partialblütenständen  gebildet.  Trag-  und  Vorblätter 
+  eiförmig  lanzettlich,  erstere  an  der  Spindel  bleibend  und  zurück- 
geschlagen nach  Abfall  der  Partialblütenstände.  Tepalen  länglich, 
unterwärts  sehr  rigid,  über  der  Mitte  mit  Ausnahme  der  Mittellinie 
dünnhäutig,  braunrot,  +  behaart,  spitz  oder  stumpf,  mitunter  sogar 
■etwas  ausgerandet  und  dann  mit  Weichstachelspitze.  Zur  Zeit  der 
Fruchtreife  die  Tepalen,  wie  übrigens  auch  bei  den  übrigen  Arten 
dieser  Gattung,  zusammenschliessend  und  bis  zur  halben  Höhe  ver- 
härtet. Pseudostaminodien  breit  abgestutzt,  kurz  gefranst.  Frucht- 
knoten sj)itz  eiförmig.    Narbe  kopfig. 

DEUTSCH-OSTAFRIKA:  Fischer  14;  Kiliua  Plateau,  Götze  656; 
Makanja,   subruderal.   Winkler  3761. 

ANGOLA:  um  Huilla,  Welwitsch  6509,  Antunes  63,  322; 
Uumpata,  Chella-Berge,  Johnston;  Uumpata,  Bertha  Fischer  104. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  243 

C.  rubra  (Lopr.)  Schinz  nov.  comb.  —  Centema  rubra  Lopr.  in  Engl. 
Bot.  Jahrb.  XXVII  (1899),  49  et  in  Malpighia  XIV,  442; 
Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  56. 

Unterscheidet  sich  von  C.  biflora  wesentlich  nur  durch  die  nicht 
rauhen,  sondern  glatten  Stengel.  Die  schmallanzettlichen  Laubblätter,  die 
für  C.  rubra  charakteristisch  sind,  kommen  z.  B.  auch  bei  Wel witsch 
6509  (=  C.  biflora)  vor.  Zur  Entscheidung  der  Frage  der  spezifischen 
Verschiedenheit  beider  Arten  bedarf  es  weitern  Materials. 

OSAFRIKA:  Massai-Hochland,  Alhi-Ebenen,  Pospischil ;  Ge- 
birgstal in  Pare,  Trotha  269 ;  Xjika-Hochebene  in  Nymkowa  im  Nyassa- 
gebiet.  Mc  Clounie  46;  Salanda,  Fischer  560;  Bukwaya  im  Ost- 
Nyansagebiet,  Conrad  366 ;  Buschsteppe  zwischen  Mangota  am  Pangani 
und  Mangasee.  Uhlig  52;  Britisch  Ost-Afrika.  Kässner  651. 

C.  glomerata  (Lopr.)  Schinz  nov.  comb.  —  Centema  glomerata  Lopr. 
in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII  (1899),  49  et  in  Malpighia  XIV, 
443;  Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  57. 

Aufrecht,  mit  sparrigen,  dünnen  Spengeln.  Laubblätter  schmal- 
linealisch,  kahl,  15  bis  25  mm  lang  und  2:  ^'^  mm  breit.  Die  kugeligen 
Blütenstände  messen  im  Durchmesser  etwa  20  mm ;  die  Tragblätter 
sind  —  3  mm  lang,  +  1^,2  mm  breit,  mit  breiter  Mittelrippe  ver- 
sehen und  am  Rande  hyalin.  Die  den  Tragblättern  nicht  unähnlichen 
Vorblätter  sind  am  Grunde  verwachsen.  Die  Tepalen  sind  von  fast 
dreieckigem  Umriss,  4  bis  5  mm  lang  und  am  Grunde  etwa  IY2  mm 
breit.     Die  Pseudostaminodien  sind  +  eiförmig  rechteckig. 

ANGOLA:  Huilla,  Antunes. 

C.  Kirkii  (Hook.)  Schinz  nov.  comb.  —  Centema  Kirkü  Hook,  in 
Benth.  et  Hook.  Gen.  PI.  III  (1880),  31 ;  Baker  and  Clarke  in 
Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  57.  —  Achyranthes  breviflora  Baker 
in  Kew  Bull.  (1897),  280. 

Ist  mir  nur  aus  der  Beschreibung  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  bekannt 
und  diese  lässt.  abgesehen  von  der  Blütenfarbe,  nicht  erkennen,  wodurch 
sich  eigentlich  C.  Kirkii  von  C.  rubra  unterscheidet.  Hiezu  kommt 
noch,  dass  auch  C.  rubra  der  C.  biflora  unzweifelhaft  nahe  steht. 

BRITISCH-OSTAFPJKA:  Zwischen  Ribe  und  den  Gallaländern, 
Wakefield ;  zwischen  Mombasa  und  Witu,  Wliyte ;  Ngomeni,  Scott-Elliot 
6365 ;  Tanganika-See,  Cameron ;  Westküste  des  Nyassa-Sees,  Kirk, 
Simons;  Likoma-Inseln.  .Johnson;  Elephant  Marsh.  Scott;  zwischen 
Kondowe  und  Karonga,  Whyte. 


244  Hans  Schinz. 

Sericorema  (Hook.)  Lopr. 

in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXYII  (1899).  39;  Cooke  and  Wright 
in  Dyer  Fl.  Cap.  V  (1910),  412.  —  Sericocoma  Fenzl  sect. 
Sericorema  Hook,  in  Benth  et  Hook.  Gen.  PI.  III  (1880),  30; 
Schinz  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXI,  183. 

1,  2  bis  3  zwitterige  Blüten  mit  1  bis  6  sterilen  Blüten  in 
seidenhaarigen  Partialblütenständen  knäuelig  gehäuft.  Sterile  Blüten 
zu  geweihartig  verzweigten,  rigiden  Dornen  umgewandelt,  iu  dichten 
Büscheln  langer  Seidenhaare  verborgen  und  von  den  schnabelartig 
vorgezogenen  fertilen  Blüten  weit  überragt.  Staubfäden  bandförmig, 
am  Grunde  verbunden;  Staubbeutel  lang,  am  Grunde  pfeilförmig. 
Pseudostaminodien  0,  Fruchtknoten  behaart  oder  kahl,  Narbe  spindel- 
förmig, unmittelbar  dem  Ovarium  aufsitzend. 

Ein-  (?)  oder  mehrjährige  Pflanzen  mit  aufrechtem,  kantigem, 
gestreiftem,  meergrünem  Stengel  und  gegen-  oder  wechselständigen, 
linealischen  oder  schmallanzettlichen,  dicklichen,  spitzen  Laubblättern, 
Blütenstände  lang,  unterbrochen  lockerährig. 

1.  Fruchtknoten  kahl;  Tepalen  mit  rückwärts  gekrümmter  Spitze 

S.  sericea. 
1*.  Fruchtknoten  behaart;  Tepalen  aufrecht  S.  remotiflora. 

S.  sericea  (Schinz)  Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII  (1899),  40.  — 
Sericocoma  sericea  Schinz  in  Engl,  und  Prantl  Natürl. 
Pflanzenfam.  HI,  1  a  (1893),  107  et  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXI,  181.  — 
Marcellia  sericea  C.  B.  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop,  Afr.  VI 
(1909),  50. 

Eine  einjährige  (?),  aufrechte,  häufig  unverzweigte  Pflanze  mit 
dünnem,  gefurchtem,  oberwärts  spärlich  wollig  behaartem  Stengel 
und  mit  in  der  untern  Region  gegenständigen,  in  der  obern  wechsel- 
ständigen, linealischen,  kahlen,  bis  5  cm  langen  und  bis  2  mm  breiten 
Laubblättern.  Blütenstand  ca.  15  cm  lang;  Partialblütenstände  ober- 
wärts ziemlich  dicht,  unterwärts  sehr  locker  angeordnet,  aus  je 
2  bis  3  fertilen  und  4  bis  6,  in  veiästelte,  auswärts  gekrümmte 
Dornen  umgewandelten,  in  weissen  Seidenhaaren  verborgenen  sterilen 
Blüten  bestehend.  Tepalen  linealisch  lanzettlich,  grannig  zugespitzt, 
aussen  dicht  seidig  behaart,  +  13  mm  lang;  Dornen  +  3  mm. 
Fruchtknoten  eiförmig. 

GROSS-NAMALAND :  Veldschoenhorn,  Dinter  976;  Rehoboth, 
auf  Geröll,  Fleck  36  b. 

HEREROLAND :  Teufelsbach,  Dinter  93 ;  Spitzkoppjes  bis  Kan- 
rivier,  Dinter  23 ;  Okahandja,  steiniger  Boden,  Dinter  93. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  245 

AMBOLAND:  Omandongo,  Schiiiz  2001;  Ondonga,  Rautanen  379, 
380;  Uukuanyama,  Kestila  113;    Ondonga,  Liljeblad  197. 

KALACHARI:  Kwebe-Hügel  beim  Ngami-See,  Lugard  165,  181. 

—  —  var.  atrata  Schinz  nov.  var. 
Flores  steriles  atrati. 
GROSS-NAMALAND :  H=  Kuias,  Dr.  Range  309. 

S.  remotiflora   (Hook.)   Lopr.   in   Engl.   Bot.   Jahrb.   XXVII   (1899), 

39;   Cooke   and  Wright   in   Dyer   Fl.   Cap.  V,    412.    —    Tri- 

chinium  remotiflorum  Hook.  Ic.  PI.  (1843),  t.  596,  —  Pupalia 

j^emotiflora  Moq.    in  DC.  Prodr.  XIII/2    (1849),   333;    Sonder 

in  Linnaea  XXIII,  97.    —   Sericocoma  remotiflora  Hook,  in 

Benth.  et  Hook.  Gen.  PI.  III  (1880),  30;  Schinz  in  Engl,  und 

Prantl   Natürl.  Pflanzenfam.  III,  I  a,  107. 

Stengel  krautig,  aufrecht.  Laubblätter  wechselständig,  linealisch 

bis  pfriemlich,  5  bis  22  mm  lang,  kahl.    Tepalen  schmal  lanzettlich, 

grannig  bespitzt,  +  13  mm  lang,  seidig  behaart.  Dornspitzen  in  der 

braunen  Seidenwolle  verborgen. 

KAPKOLONIE:  Vaal-Fluss,  Burke  185;  Zeyer  1434;  Hopetown, 
Rehmann  3337. 

TRANSVAALKOLONIE:  bei  Matsaba,  730  m.  Schlechter  4587. 
ORANJEFLUSS-KOLONIE :  bei  Draaifontein,  Rehmann  3645. 
GROSS-NAMALAND:  felsige  Anhöhen  um  Rehoboth,  Fleck  37. 
HEREROLAND:    östlich   von  Windhoek,    Dinter  866;    Orumbo, 
Dinter  1288. 

Die  Länge  und  Dicke  der  Laubblätter  scheint  bei  verschiedenen 
Exemplaren  verschieden  zu  sein,  so  dass  man  versucht  wäre,  hierauf 
mindestens  Spielarten  zu  kreieren  und  zu  benennen ;  ich  sehe  davon 
ab,  da  ich  vermute,  dass  dies  nur  Standortsbeeinflussungen  sind  und 
weil  Dinter  866  und  Fleck  37  Übergängen  zu  entsprechen  scheinen. 

Sericocomopsis  Schinz 

in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXI  (1895),  184;  Lopriore  in  Engl.  Bot. 
Jahrb.  XXVII,  41 ;  Gilg  in  Engl,  und  Prantl  Natürl.  Pflanzen- 
fam. Nachträge  (1897),  152. 

Partialblütenstände  aus  1  bis  3  fertilen,  reichlich  mit  seiden- 
artigen Gliederhaaren  bekleideten  Blüten  bestehend.  Sterile  Blüten 
fehlend.  Pseudostaminodien  verkehrteiförmig  bis  quadratisch,  gefranst. 
Fruchtknoten  kahl,  mit  verlängertem  Griffel  und  unscheinbarer, 
kopfiger  Narbe. 

Vierteljahrsschrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.    Jahrg.  66.    1911.  17 


246  Hans  Schinz. 

Halbsträuclier  mit  gegenständigen,  behaarten  Laubblättern  und 
gestrecktälirigen,  unterbrochenen  Blütenständen. 

1.  Laubblätter  mit  Sternhaaren  S.  pallida. 

1*.  Laubblätter  mit  einfachen  Haaren  S.  Hildebrandtü. 

S.  pallida  (S.  Moore)  Schinz  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXI  (1895),  185; 
Lopriore  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII,  42;  Schweinfurth  und 
Volkens  in  Ghika,  pays  des  Somalis,  201 ;  Gilg  in  Engl.  undPrantl 
Natürl.  Pflanzenfam.  Nachträge,  152.  —  Sericocoma  pallida 
S.  Moore  in  Journ.  of  Bot.  (1877),  70.  —  Cijphocarpa  pallida 
C.  B.  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI  (1909),  54. 

Halbstrauch  mit  bleich  behaarten  Zweigen.  Laubblätter  unter- 
seits  graufilzig,  oberseits  (getrocknet)  schmutzigbraun.  breit  verkehrt- 
eiförmig,  eiförmig  oder  elliptisch,  stumpf,  +  35  mm  lang  und  + 
30  mm  breit,  +  10  mm  lang  gestielt.  Blütenstände  endständig, 
kurz  gestielt,  +  6  cm  lang.  Tragblätter  breiteiförmig,  mit  Stern- 
haaren besetzt  und  mit  dicklicher  Spitze  versehen,  randwärts  häutig, 
am  Grunde  mit  Gliederhaaren.  Vorblätter  gleich  den  Tepalen  mit 
Oliederhaaren ;  Tepalen  lanzettlich,  +  6  mm  lang.  Staubfäden  +  3  mm 
lang,  fädlich.     Griffel  +  3  V2  mm. 

OSTAFRIKA:  Somalland:  Ahlgebirge  bis  1500  m,  Wolkenregion, 
Hildebrandt  880 ;  am  Modji,  Ellenbeck  1098  ;  bei  Meid,  Gebirgsregion, 
1200  m,  Hildebrandt  1521;  Harradigit,  James  und  Thrupp;  Drake- 
Brockman  361  (Standort  ?) ;  Merehan,  Robecchi-Bricchetti  626 ;  Bürka, 
Ghika.  —  Tarro,  Kässner  525 ;  unterhalb  Marenga  am  Kilimandjaro, 
800  m,  Volkens  551 ;  Kahe  am  Pangani,  Uhlig  97 ;  zwischen  Pangani 
und  Himofluss,  in  der  Steppe,  Volkens  551;  Jäger  129;  Strauchsteppe 
bei  Voi,  gegen  die  Buruberge,  500  bis  400  m,  Engler  1949. 

S.  Hildebrandtü  Schinz  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXI  (1895),  184;  Lopriore 

in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII,  42  ;  Gilg  in  Engl.  Pfl.  Ost-Afr.  C  172 ; 

Gilg  in  Engl,  und  Prantl  Natürl.  Pflanzenfam.,  Nachträge  152. 

—  Cijphocarpa  Hildehrandtii  C.  B.  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop. 

Afr.  VI  (1909),  54. 

Laubblätter  seidig  borstig  behaart,  zum  Teil  auch  +  schmutzig 

lederbraun,    +    35  mm    lang   und    +18  mm   breit,   lanzettlich   oder 

oblong   lanzettlich,    spitz    oder    stumpf,    kurz    gestielt.      Tragblätter 

gleich  den  Vorblättern  zugespitzt.     Tepalen  +  6  ^^   lang.     Griffel 

+  4  mm. 

OSTAFRIKA:  Somalland,  Djehle,  Ellenbeck;  Kilimandjaro,  auf 
Ebenen  von  Ndi  bei  Taita,  Hildebrandt  2584. 

Beide  Arten  unterscheiden  sich  von  Leucosphaera  durch  den 
kahlen,  nicht   behaarten   Fruchtknoten   und    das  Vorhandensein    von 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  247 

Pseudostaminodien,  von  Cijphocarpa  durch  das  Fehlen  des  Frucht- 
knotenhorns  und  den  kahlen  Fruchtknoten  überhaupt.  Eine  Ver- 
einigung dieser  beiden  Arten  mit  Cijphocarpa,  wie  eine  solche  von 
Clarke  vorgenommen  worden  ist,  wirft  unsere  ganze  mühsam  er- 
worbene Einteilung  wieder  über  den  Haufen  und  zwingt  uns.  ent- 
weder nach  neuen  Merkmalen  zu  fahnden  —  und  solche  zu  finden, 
dürfte  schwer  halten  —  oder  dann  grosse,  unübersichtliche  Gattungen 
zu  bilden.  Übrigens  sind  Clarkes  Diagnosen  nicht  einwandsfrei, 
denn  wenn  er  S.  pallida  einen  behaarten  Fruchtknoten  zuschreibt,  so 
stimmt  dies  nicht  mit  den  tatsächlichen  Verhältnissen, 

Sericocomopsis  Bainesii  (Hook.")  Schinz   in   Engl.  Bot.  Jahrb.  XXI 
(1895),  184  =  Leucosphaera  Bainesii  (Hook.)  Gilg. 

Sericocomopsis    quadrangula    (Engl.)    Lopr.    in   Engl.   Bot.    Jahrb. 
XXVII  (1899),  42  -=  Nelsia  quadrangula  (Engl.)  Schinz. 

Sericocomopsis   Welwitschii    (Baker)    Lopr.    in    Engl.    Bot.    Jahrb. 
XXVII  (1899),  42  =  Nelsia  quadrangula  (Engl.)  Schinz. 

Nelsia  Schinz  nov.  gen. 

Flores  spicati,  2  hermaphroditi  cum  sterilibus  2  in  fasciculum 
bracteatum  et  bracteolatum  aggregati:  bracteolae  (vel  segmenta 
perianthii  florum  sterilium)  longo  sericeo-pilosae.  Pseudostaminodia 
quadrata,  fimbriata.  Ovarium  glabrum,  apice  excavatum.  Herba 
erecta,  ramosa,  dense  pilosa.  Folia  opposita,  breviter  petiolata. 
Flores  sessiles  in  spicas  laxifloras  congesti. 

Unterscheidet  sich  von  Sericocoma  und  Cijphocarpa  durch  den 
kahlen,  oben  vertieften  Fruchtknoten,  von  Cijphocarpa  spez.  durch 
den  Ausfall  des  seitlichen  Fruchtknotenhorns ;  SericocomojJsis  hat 
einen  gleichfalls  kahlen,  indessen  nicht  vertieften  Fruchtknoten  und 
unterscheidet  sich  des  weitern  durch  die  an  der  Basis  nicht  ver- 
holzenden Partialblütenstände,  die  der  sterilen  Blüten  überdies  ent- 
behren. Sericore)}ia  hat  keine  Pseudostaminodien  und  zudem  über- 
ragen die  fertilen  Blüten  die  Haarbüschel  um  das  doppelte. 

N.  quadrangula  (Engl.)  Schinz  nov.  comb.  —  Sericocoma  quadran- 
gula Engl,  in  Bot.  Jahrb.  X  (1889),  7.  —  Sericocoma  Kelsii 
Schinz  in  Engl,  und  Prantl  Natürl.  Pflanzenfam.  III,  la  (1893), 
107,  —  Sericocoma  Wehcitschii  Baker  in  Kew  Bull.  (1897), 
278.  —  Sericocomopsis  Welwitschii  Lopr.  in  Engl.  Bot. 
Jahrb.  XXVH  (1899),  42;  Hiern  in  Cat.  Afr.  PL  Welw.  I, 
889.    —    Sericocomopsis   quadrangida   Lopr.   in   Engl,    Bot. 


248  Hans  Schinz. 

Jahrb.  XXVII  (1899),  42.  —  Cijphocarpa  Welwitschii 
C.  B.  Clarke  in  Dyer  FL  trop.  Afr.  VI  (1909),  53.  —  Cijpho- 
carpa quadrangula   C.  B.  Clarke   1.  c,  54. 

Allem  Anschein  nach  einjährig,  aufrecht,  wohl  bis  über  V-  i^i  hoch ; 
Stengel  kantig,  behaart.  Laubblätter  +  8  ii^^i  lang  gestielt,  breit 
lanzettförmig,  +  6  cm  lang  und  +  2.5  cm  breit,  spitz  oder  stumpf- 
lich und  mukronat,  in  den  Blattstiel  zusammengezogen,  zerstreut 
behaart.  Blütenstände  end-  und  seitenständig,  ährig,  bis  15  cm  lang, 
kräftig,  Partialblütenstände  ungestielt  an  gestreckter  holziger  Achse, 
aus  mehreren  fertilen  und  mehreren  sterilen-,  zum  Teil  bis  auf  die 
zur  Reifezeit  stechenden  Vorblätter  reduzierten  sterilen  Blüten  be- 
stehend. Trag-  und  Vorblätter  breiteiförmig,  zugespitzt,  mit  starker 
Mittelrippe,  spärlich  mit  langen  Grliederhaaren  bekleidet.  Tepalen 
schmal  lanzettlich,  spitz,  spärlich  mit  Grliederhaaren  besetzt,  am 
Rande  häutig,  +  6  mm  lang.  Fertile  und  sterile  Blüten  eines  Teil- 
blütenstandes zur  Zeit  der  Fruchtreife  zusammenhängend  und  am 
Grunde  verholzend,  als  Ganzes  abfallend,  die  fertilen  Blüten  alsdann 
verborgen  in  den  bis  12  mm  langen  Haaren  der  sterilen  Blüten. 
Staubfäden  2  V2  mm  lang,  fädlieh ;  Pseudostaminodien  quadratisch 
und  gefranst.  Fruchtknoten  völlig  kahl,  oben  beckenartig  vertieft 
und  berandet,  mit  2  mm  langem  Griffel  mit  unscheinbarer,  kopfiger 
Narbe. 

Wie  aus  der  Aufzählung  der  Synonyme  hervorgeht,  unterscheidet 
Clarke  Cijphocarpa  quadrangula  von  C.  Welwitschii,  wogegen  ich 
beide  zusammenziehe  und  dazu  nur  bemerke,  dass  auch  Clarke  Q..  c.) 
ausdrücklich  darauf  aufmerksam  macht,  dass  möglicherweise  beide 
Arten  besser  in  eine  vereinigt  werden. 

GROSS-NAMALAND :  IHomeib,  Schinz  2013;  !  Kuisib,  Fleck  500. 

HEREROLAND:  !üsa!kos,  in  arenosis.  Marloth  1255;  Spitz- 
koppjes,  Dinter  35;  Otjimbingue,  Fischer  32;  Gobabis,  steiniger  Sand- 
boden, Kupper  53;  Haribes  am  Leberfluss,  v.  Trotha  48;  Oka- 
handja,  Dinter  139;  Windhoek,  Former  52;  Nels  63,  Miss  Kolbe 
(beide  ohne  Standortsangaben). 

KALACHARI:  Kwebe,  Lugard  170,  221. 

MOSSAMEDES:  in  sandy  places  at  the  river  Bero,  Welwitsch 
6501. 

Neocentema  Schinz  gen.  nov. 

Flores  spicati,  2 — 3  hermaphroditi  cum  sterilibus  2 — 4  in  fasci- 
culos  bracteatos  et  bracteolatos  aggregati.  Braceolae  inferiores 
(vel  segmenta  perianthii  florum  sterilium)  in  spinas  desinentes.  Sta- 
mina  5 ;  filamentis  filiformibus,  basi  membrana  connexis,  laciniis  inter- 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  249 

positis  0.  Ovarium  obovatum,  apice  incrassatum,  glabrum,  Stylus 
brevis,  stigmate  2  fido.  —  Friiticuli  ramosi.  Folia  alterna.  Flores 
in  spicas  axillares  solitarias  dispositi. 

1.  Blattstiel  kürzer  als  die  Spreite  N.  alternifolia. 

1*.  Blattstiel  so  lang  oder  länger  als  die  Spreite     N.  RobecchÜ. 

N.  alternifolia  Schinz  nov.  comb.  —  Centenia  alternifolia  Schinz  in 
Bull.  Herb.  Boiss.  IV  (1896),  419.  —  SeiHcocoma? alternifolia 
C.  B.  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI  (1909),  42. 

Ausdauernde,  krautige  Pflanze  oder  niederliegender  Halbstrauch, 
kahl.  Laubblätter  +12  mm  lang  gestielt,  elliptisch  oder  verkehrt 
.lanzettlich  bis  verkehrteiförmig,  kahl  oder  unterseits  spärlich  behaart, 
+  20  mm  lang  und  +  10  mm  breit.  Blütenstände  ährig  oder  kopfig, 
gestielt.  Tepalen  oblong,  +  4  mm  lang,  nach  der  Anthese  am 
Grunde  verhärtend.  Staubfäden  schmalbandförmig  bis  breit  linealisch, 
2V2  his  3  mm  lang.  Fruchtknoten  kahl,  verkehrteiförmig,  oben  mit 
zwei  wulstförmigen  Verdickungen ;  Griffel  +  1 72  mm  lang,  mit 
zwei  Narben.  Partialblütenstände  zur  Fruchtzeit  sich  leicht  ablösend, 
hart,  stark  bewehrt  infolge  der  starren,  spreizenden  Dornen. 

OSTAFRIKA:  Süd-Massai  Steppe,  Stuhlmann  4287. 

N.  RobecchÜ  (Lopr.j  Schinz  nov.  comb,  —  Psilotriclium  Rohecchii 
Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII  (1899),  60,  in  Ann.  Istit. 
Bot.  Roma  IX,  19  et  in  Malpighia  XIV,  451 ;  Baker  and  Clarke 
in   Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  59. 

Ein  zirka  30  cm  hohes,  perennierendes  Kraut  mit  gerieftem 
Stengel.  Laubblätter  breiteiförmig  oder  kreisförmigeiförmig,  am 
Grunde  stumpf  oder  allmählich  in  den  Blattstiel  zusammengezogen, 
am  entgegengesetzten  Ende  +  abgerundet,  seltener  spitzlich  und 
mit  einer  aufgesetzten  Spitze  versehen,  dicklich,  3  bis  6  cm  lang 
und  ebenso  breit,  kahl,  am  Rande  verdickt.  Der  Blattstiel  ungefähr 
so  lang  wie  die  Spreite.  Blütenstände  3  bis  9  cm  lang  gestielt, 
1  bis  1  '''2  cm  lang,  aus  wenigen  Partialblütenständen  bestehend. 
Tepalen  —  '^  J^ni  lang,  die  äussern  grünlich,  die  Innern  hyalin. 
Staubfäden  pfriemlich,  +  ^^U  "^"^  lang.  Fruchtknoten  verkehrt- 
eiförmig und  offenbar  (die  Blüten  sind  noch  ^1  wenig  entwickelt) 
oben  mit  2  wulstartigen  Verdickungen ;  Griffel  j:  2  mm  lang,  mit 
zwei  Narben. 

OSTAFRIKA:  Somalland,  Merehan,    RobecchÜ -Bricchetti   401. 


250  Hans  Schinz. 

Leucosphaera  Gilg 

in    Engl,   und   Prantl  Natürliche  Pflanzenfamilien,    Nachträge 
(1897),  152;  Lopriore  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII,  41. 

Blütenstand  eiförmig  kugelig,  gedrängtblütig ;  Partialblütenstände 
aus  1  bis  2  fertilen  und  1  bis  2,  meist  auf  die  Vorblätter  und  Tepalen 
reduzierten,  sterilen  Blüten  bestehend.  Trag-  und  Vorblätter  und  Tepalen 
mit  zierlich  federig  abstehenden,  weisslichen  Seidenhaaren  dicht  und 
zierlich  bekleidet.  Staubfäden  zu  einem  Becher  unterwärts  ver- 
wachsen, ohne  Pseudostaminodien ;  Staubbeutel  kurz.  Fruchtknoten 
oblong,  am  obern  Ende  pinselförmig  behaart,  unterwärts  kahl ;  Griffel 
verlängert,  mit  abgestutzter  Narbe. 

Halbstrauch,  mit  zum  Teil  sparrig  abstehenden,  kurz  weissfilzig 
behaarten,  verkahlenden  Zweigen.  Laubblätter  +  mit  anliegenden 
Seidenhaaren  dicht  bekleidet,  gegen-  und  wechselständig. 

Leucosphaera  Bainesii  (Hook.)  Gilg  1.  c.  —  Sericocoma  Bainesii 
Hook,  in  Benth.  et  Hook.  Gen.  Plant.  III  (1880),  31 ;  Schinz 
in  Engl,  und  Prantl  Natürl.  Pflanzenfam.  III,  la,  107.  —  Seri- 
cocomopsis  Bainesii  Schinz  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXI  (1895), 
185.  —  Leucosphaera  Pfeilii  Gilg  in  Notizbl.  bot.  Garten 
Berlin  (1897),  328;  Cooke  and  Wright  in  Dyer  Fl.  Cap.  V 
(1910),  414.  —  Marcellia  Bainesii  C.  B,  Clarke  in  Dyer 
Fl.  trop.  Afr.  VI  (1909),  51. 

Laubblätter  verkehrteiförmig,  elliptisch  oder  lanzettlich,  spitz, 
stumpf  oder  abgerundet  oder  gar  abgestutzt  und  ausgerandet,  am 
Grunde  in  den  +  3  mm  langen  Blattstiel  zusammengezogen,  7  bis 
25  mm  lang  und  5  bis  10,  selten  bis  25  mm  breit,  dicht  anliegend 
seidig  behaart  und  dann  silberweiss,  später  verkahlend  und  fahle 
Farbe  annehmend.  Durchmesser  der  kugeligen  Blütenstände  3:  2  cm. 
Tepalen  bis  9  mm  lang,  lang  zugespitzt,  lang  federig  seidig  behaart, 
am  Rande  häutig.  Staubfäden  lanzettlich  fädlich,  +  2  mm  lang; 
Staubfadenröhre  +  1  mm  hoch,  Staubbeutel  zi  1  mni  lang.  Griffel 
3  bis  4  mm. 

KAPKOLONIE:  Bredasdorp  Div.  (ex  FL  Cap.  V.  414). 

GROSS-NAM ALAND :  Inachab,  Dinter  979;  Ganas,  Schinz  249^ 
Rietfontein-Koes,  Pfeil  121;  Keetmanshoop,  Fleck  172a;  Rehoboth, 
Fleck  17  a. 

HEREROLAND:  Otjimbingue, Fischer  189;  Windhoek,  Dinter  848; 
Nauas,  Fleck  176a;  Karibib,  Rautanen  546  ;  Hohewarte,  Former  20,  48  ; 
Naidas,  Fleck  170  a;  Voigtsgrund,  Nord  Anias,  Nonikam  (alle  drei 
Standorte  nach  Material  aus  dem  Hamburger  Museum) ;  Lüderitz  10. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         251 

AMBOLAND :  Oshando,  Scliinz  250 ;  Okasima  ka  Namutenya, 
Schinz  248. 

KALACHARI:  Chansisveld,  Seiner  291;  Kobis- Nord  Shaw-Tal, 
Baines;  Kwebehügel  beim  Ngamisee,  Lugard  158, 

Es  ist  mir  unmöglich,  Leucosj)haera  Pfeilii  Gilg  als  Art,  oder 
auch  nur  als  Varietät  aufrecht  zu  erhalten,  allermindestens  nicht 
auf  Grund  von  Herbarmaterialien.  Nach  Gilg  (1.  c.  und  brieflich) 
soll  L.  Pfeilii  von  sparrigerem  Wüchse  als  der  Typus  sein,  die 
Zweiginternodien  werden  als  kurz  geschildert,  die  Laubblätter  sollen 
kleiner,  dicker  und  von  fahler  Färbung  sein.  Xun  besitze  ich  aber 
Exemplare  sowohl  aus  dem  Herero-  wie  aus  dem  Grossen  Xamalande 
mit  fahlgelben  Blättern  und  sowohl  gestreckten  wie  gestauchten 
Zweiginternodien,  sowohl  kleinen  wie  grossen  Laubblättern.  Cooke 
und  Wright  haben  aus  den  beiden  Arten  Bainesü  und  Pfeilii 
sogar  zwei  Gattungen  gemacht:  Marcellia  Bainesii  soll  (Dyer  Fl. 
trop.  Afr.  VI  [1909],  51)  „Staminal  tube  ending  in  5  depressed  ovate 
lobes.  in  the  summit  of  each  a  very  minute  filament  (resembling 
Pseudohernibstaedtia)"  haben  und  die  Partialblütenstände  sollen  aus 
lauter  fertilen  Blüten  bestehen.  Was  den  Starainalbecher  anbelangt, 
so  kann  es  in  der  Tat  vorkommen,  dass  mitunter  der  Becher  in 
eiförmige  Ausschnitte  ausläuft,  an  deren  Spitze  dann  die  Staubbeutel 
inseriert  sind,  von  Bedeutung  für  die  Wertigkeit  dieses  Merkmales 
ist  wohl  die  Beobachtung,  dass  mitunter  in  einer  und  derselben 
Blüte  einzelne  Filamente  lanzettlich  fädlich.  andere  eiförmig  sind! 
Die  Angabe,  dass  bei  L.  Pfeilii  die  Teilblütenstände  nur  aus  fertilen 
Blüten  bestehen,  kann  ich  nicht  bestätigen,  bei  sorgfältiger  Unter- 
suchung gelingt  es  unschwer  die  auf  die  Vorblätter  oder  Vorblätter 
und  Tepalen  reduzierten  sterilen  und  im  Wachstum  zurückgebliebenen 
Blüten  nachzuweisen. 

Ich  bin  daher  notgedrungen  von  meiner  ursprünglichen  Ansicht. 
L.  Pfeilii  als  Varietät  L.  Bainesii  zu  unterordnen,  zurückgekommen 
und  habe  sie  in  Bainesii  aufgehen  lassen. 


Lopriorea  Schinz  nov.  gen. 

Flores  spicati,  1  vel  2  hermaphroditi  in  fasciculos  bracteatos 
et  bracteolatos  aggregati.  Perianthium  5  partitum,  segmenta  oblonga, 
basi  dense  lanata.  Stamina  5,  exserta,  laciniis  interpositis  0,  filamentis 
lineari-lanceolatis.  Ovarium  ovoideum,  glabrum,  in  stylum  rectum 
attenuatum,  stigmate  2-fido.  —  Sufifrutex.  Folia  opposita,  sessiiia. 
Flores  in  spicas  erectas  terminales  congesti. 


252  Hans  Schinz. 

L.  Ruspolii  (Lopr.)  Schinz  nov.  comb.  —  PsüoMchum  Ruspolii  Lopr. 

in   Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII   (1899),    19,   in   Ann.   Istit.   Bot. 

Roma  IX,  19  et  in  Malpighia  XIV,  452;  Baker  and  Clarke  in 

Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  59. 
Kahler,  7^  ^^^  ^ji  m  hoher  Halbstrauch  mit  aufrechten,  gerieften 
Zweigen.  Laubblätter  gegenständig,  ungestielt,  aus  herzförmigem 
Grunde  lanzettlich,  spitz  oder  stumpf  und  von  einer  V^eichstachelspitze 
überragt,  +  45  mm  lang  und  +  10  mm  breit.  Blütenstände  eiförmig 
bis  kugelig,  +  5  cm  lang  gestielt,  am  Ende  der  Zweige  aus  gedrängten 
Partialblütenständen  bestehend,  die  aus  1  bis  2  fertilen  Blüten 
zusammengesetzt  sind.  Vorblätter  breit  eiförmig,  mit  umfassenden 
Rändern,  stumpf  oder  spitzlich,  häutig,  Mittelrippe  bräunlich,  SVa  bis 
4  mm  lang.  Tepalen  weiss,  aussenseits  unter  der  Mitte  und  namentlich 
gegen  den  Grund  zu  sehr  dicht  weiss  wollig  behaart,  +  5  mm  lang, 
unterhalb  der  Mitte  innenseits  korkig  verdickt.  Staubfäden  fädlich, 
zur  Zeit  der  Anthese  die  Tepalen  deutlich  überragend.  Fruchtknoten 
kahl,  Griffel  +  3V2  mm  lang,  herausragend,  kurz  2  spaltig. 

OSTAFRIKA:  Gallahochland,  Wai-Wai,  Ellenbeck  2131 ;  Djehle, 
Ellenbeck  2117;  Somalland,  zwischen  Bela  und  Dana,  Riva,  Exped. 
Ruspoli  1467. 

Leicht  kenntlich  an  den  herausragenden  Staubblättern  und  Griffeln. 

Chionothrix  Hooker 

in  Benth.  et  Hook.  Gen.  PI.  III  (1880),  33;  Baillon  Hist.  des 
PI.  (1887),  206;  Schinz  in  Engl,  et  Prantl  Natürl.  Pflanzenfam. 
III,  la,  111;  Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  61. 

Blüten  einzeln  in  der  Achsel  der  Tragblätter,  zwitterig.  Tepalen 
spelzenartig,  am  Grunde  nicht  verhärtend,  auf  dem  Rücken  und  am 
Rande  mit  langen,  weissen,  aufstrebenden  Seidenhaaren  bekleidet,  die 
äussern  länglich  lanzettlich,  die  innern  etwas  schmäler.  Staubfäden 
unterwärts  zu  einer  Röhre  verwachsen,  breit  lanzettlich;  Pseudo- 
staminodien  fehlend.  Fruchtknoten  eiförmig,  kahl,  in  den  Griffel 
zusammengezogen;  Narbe  kopfig  abgestutzt. 

Sträucher,  Zweige  und  Laubblätter,  soweit  sie  nicht  verkahlen, 
mit  dichtem  Indument  aus  einfachen  oder  sternartigen  Haaren. 
Laubblätter  gegenständig,  gestielt.  Blütenstände  rispig-ährig ;  Ähren- 
axen  wollig  behaart.   Blüten  in  den  Seidenhaarbüscheln  +  versteckt. 

1.  Laubblätfcer  mit  unverzweigten  Haaren  dicht  bekleidet 

C.  somalensis. 

1*.  Laubblätter  mit  Sternhaaren  flockig  bekleidet     C.  latifolia. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  253 

C.  SOmalensis  (Moore)  Hook,  in  Benth.  et  Hook.  Gen.  PI.  HI  (1880),  33; 
Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  62.  —  Sericocoma 
somalensis  Moore  in  Journ.  of  Bot.  (1877),  70,  t.  185,  fig.  4. 

1  bis  3  m  hoher  Strauch,  dessen  Zweige  und  Laubblätter  dicht 
mit  weissen,  einfachen,  langen  und  dicht  anliegenden  Haaren  bekleidet 
sind.  Laubblätter  kurz  gestielt,  grünlich  weiss,  verkehrteiförmig  bis 
länglich  verkehrteiförmig,  stumpf,  am  Grunde  zusammengezogen,  am 
Rande  bewimpert,  +  18  mm  lang  (inkl.  Blattstiel)  und  5  bis  10  mm 
breit.  Tragblätter  +  8  mm  lang,  lanzettlich  bis  breiteiförmig,  mit 
kurzer  aufgesetzter  Spitze,  dicklich ;  Vorblätter  +  breiteiförmig, 
namentlich  an  der  etwas  verdickten  Spitze  behaart,  bedeutend  kleiner 
als  die  lanzettlichen,  +  8  mm  langen  Tepalen.  Griffel  +  ^  nim  lang- 

OSTAFMKA:  Somalland,  Ahlgebirge,  Hildebrandt  889  e;  bei 
Meid,  Hildebrandt  1519. 

C.  latifolia  Rendle  in  Journ.  of  Bot.  (1896),  54;  Baker  and  Clarke  in 
Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  62. 

1  bis  2  m  hoher  Strauch,  dessen  Zweige  und  Laubblätter  dicht 
mit  einem  flockigen  Überzug  aus  Sternhaaren  bekleidet  sind.  Die 
Laubblätter,  die  mit  der  Zeit  verkahlen  und  dann  (getrocknet)  ober- 
seits  schmutzig  lederfarbig,  unterseits  fahlfarbig  sind,  werden  bis 
50  mm  lang  und  bis  30  mm  breit  und  sind  +  7  mm  lang  gestielt; 
sie  sind  breitlanzettlich  bis  oval,  in  den  Blattstiel  zusammengezogen 
oder  abgerundet,  stumpf.  Im  übrigen  sind  die  Verhältnisse  wie  bei 
obstehend  genannter  Art. 

OSTAFRIKA :  Shebeli,  Donaldson  Smith ;  Dagaga,  Ellenbeck  1016, 
2364;  La  Saloli,  Ruspoli-Riva  229;  Cavernay,  Ruspoli-Riva  856; 
Mil-Mil,  Ruspoli-Riva  1063;  Burka,  Fürst  Ghika. 

Kentrosphaera  Volkens 

in  Engler  und  Prantl   Natürl.  Pflanzenfam.  Nachträge  (1897), 
153.    —    Marcellia    Baill.   ap.  Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl. 
trop.  Afr.  VI  (1909),  49  pr.  p. 
Partialblütenstände  aus  3  fertilen  Blüten  bestehend ;  unfruchtbare 
Blüten,    von   denen  je  2    zu  Seiten  der  fertilen  Seitenblüten  stehen, 
zur  Zeit  der  Fruchtreife  zu  langen,  strohgelben  Stacheln  auswachsend, 
so  dass  ein  traubiger,  aus  wallnussgrossen  Stachelkugeln  zusammen- 
gesetzter Fruchtstand  entsteht.  Staubblätter  5,  ohne  Pseudostaminodien. 
Fruchtknoten  kahl;  Griffel  fadenförmig. 

Ausdauernde,  vom  Grunde  an  verzweigte,  krautige  Staude  mit 
niederliegenden,  dann  im  Bogen  aufsteigenden,  angedrückt  borstig 
behaarten  Zweigen. 


254  Hans  Schinz. 

K.  prostrata  Volkens  I.e.  153.  —  Marcellia  prostrata  C.  B.  Clarke 
in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI  (1909),  51. 

Zweige  stielrund,  schwach,  anliegend  lang  behaart.  Laubblätter 
gegenständig,  +15  mm  lang  gestielt,  +  60  mm  lang  und  —  32  mm 
breit,  breit  elliptisch,  am  Grunde  in  den  Stiel  +  zusammengezogen, 
spitz,  angedrückt  behaart,  in  der  Jugend  dicht  seidenhaarig,  ausge- 
wachsen mehr  borstig,  getrocknet  schmutzigdunkellederbraun.  Tepalen 
lanzettlich,  spitz,  zerstreut  lang-,  fast  wollig  behaart.  3  6  mm  lang, 
+  2  mm  breit,  schmutzig  rötlich  (Volkens).  Staubfäden  +  3  mm  lang ; 
Staubfadenröhre  +  17*  mm  hoch.  Fruchtknoten  kahl,  oberwärts  mit 
einem  Ringwulst  versehen;  Griffel  ^  3  mm  lang,  mit  unscheinbarer 
kopfiger  Narbe. 

OSTAFRIKA:  Kilimandjaro,  am  Pangani,  Volkens  472;  am  Fasse 
des  Pare-  und  Uguenogebirges,  (Salz-)  Niederungssteppe  zwischen 
Salani  und  Kwagogo,  Engler  1673,  1675. 

Dasysphaera  Volkens 
in  Engler  und  Prantl  Natürl.  Pflanzenfam.  Nachträge  (1897),  153. 

Partialblütenstände  aus  1,  2  bis  3  fertilen  Blüten  bestehend; 
unfruchtbare  Blüten,  von  denen  je  2  zu  Seiten  der  fertilen  Seiten- 
blüten stehen,  zur  Zeit  der  Fruchtreife  zu  langen,  gelben  oder  braunen, 
weichen  Borsten  auswachsend.  Pseudostaminodien  0.  Fruchtknoten 
kahl,  Griffel  fadenförmig. 

Niedrige  Sträucher   mit   dicht  behaarten,    filzigen    oder  wolligen 
jungen  Zweigen. 
1.  Partialblütenstände  aus  5  bis  6  fertilen  Blüten  bestehend.  Borsten 

unbehaart.  D.  tomentosa. 

1*.  Partialblütenstände    aus    3    fertilen    Blüten    bestehend.     Borsten 
behaart.  D.  Robecchü. 

D.  tomentosa   Volkens   1.  c. ;    Lopriore   in    Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII, 
53.    —    Marcellia   tomentosa  C.  B.  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop. 
Afr.  VI  (1909\  52. 
Halbstrauch   mit  filzig  behaarten  Zweigen   und    gegenständigen, 
kurz  gestielten,   kreisrundlichen  bis  rundlich  breiteiförmigen,    beider- 
seits   samtig    behaarten,    von    einer    Weichstachelspitze    überragten, 
:r  28  mm  langen  und  +  26  mm  breiten  Laubblättern.  Blütenstände 
+  13  cm  lang,  aus  von  einander  etwas  entfernten,  unterwärts  je  zu 
zweien   auf  gleicher  Höhe  stehenden  Knäueln  fertiler  (5  bis  6)   und 
steriler  Blüten  bestehend.  Knäuel  nach  oben  zu  verarmend.   Tepalen 
wollig  seidig  behaart,    +    8  mm   lang   und    +    2  mm   breit,   schmal 
lanzettlich,  3  nervig,  spitz  bis  zugespitzt.  Sterile  Blüten  zur  Zeit  der 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  255 

Fruchtreife  aus  auf  einem  gestielten  Podium  inserierten,  stralilig  ab- 
stehenden, braunen,  dünnen,  weichen,  geraden,  bis  10  mm  langen 
Borsten  bestehend.  Staubfäden  fadenförmig,  nach  dem  Grunde  zu 
ganz  schwach  verbreitert,  +  4  mm  lang;  Staubfadenröhre  \/2  bis 
V*  mm  hoch.    Griffel  +  4  mm  lang. 

OSTAFMKA:  in  der  Steppe  am  Dschalla-See,  Volkens  1800. 

D.  Robecchii  Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII  (1899),  52,  t.  I,  in 
Ann.  Istit.  Bot.  Roma  IX,  21  et  in  Malpighia  XIV,  447.  — 
D.  lauata  Gilg  in  Engler  und  Prantl  Natürl,  Pflanzenfam. 
Nachträge  (1897),  153  nom.  nud.  -  MarcelUa  lanata  C.B.Clarke 
in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI  (1909),  52. 

30  cm  hoher  Halbstrauch  mit  filzigen,  später  verkahlenden 
Zweigen.  Laubblätter  gegenständig,  kurz  gestielt,  verkehrteiförmig, 
in  den  Blattstiel  zusammengezogen,  abgerundet  oder  ausgerandet,  in 
der  Jugend  dicht  filzig,  später  kahl,  20  bis  35  mm  lang  und  10  bis 
20  mm  breit.  Blütenstände  13  bis  20  cm  lang,  aus  +  1  cm  von 
einander  entfernten  Knäueln  bestehend.  Knäuel  aus  3  fertilen  und 
4  sterilen  Blüten  bestehend,  letztere  zu  je  25  bis  30  Borsten  aus- 
wachsend. Zur  Zeit  der  Fruchtreife  biegen  sich  die  4  Tragblätter 
der  sterilen  Blüten  nach  unten,  den  vier  Beinen  eines  Tisches  ähnliche 
Stellung  einnehmend,  während  die  Borsten  allseitig  abstehen  und  in 
ihrer  Gesamtheit  einen  kugeligen  Kopf  bilden.  Staubfäden  nach  dem 
Grunde  zu  auch  etwas  verbreitert,  übereinstimmend  mit  der  erst- 
genannten Art. 

OSTAFRIKA:  Merehan  im  Somalland,  Robecchi-Bricchetti,  402. 

Sericostachys  Gilg  et  Lopr. 

in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII  (1899),  50  et  in  Malpighia  XIV, 
446;  Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  70. 

Partialblütenstände  ährig  angeordnet,  aus  je  drei  ungestielten, 
knäuelig  gehäuften  Blüten  bestehend,  von  denen  die  mittlere  fertil 
ist,  während  die  beiden  seitlichen  steril  und  in  Haarbündel  von  12 
bis  15  mm  Länge  umgewandelt  sind.  Fertile  Blüten  zur  Reifezeit 
von  den  Haarbündeln  weit  überragt  und  in  ihnen  verborgen.  Pseudo- 
staminodien  länglich,  gezähnt  oder  auch  ganzrandig.  Fruchtknoten 
kahl,  mit  verlängertem  Griffel  und  unscheinbarer,  kopfiger  Narbe. 

Schlingende  Sträucher  mit  rispigen,  zur  Zeit  der  Samenreife 
lang  wolligseidig  behaarten  Blütenständen. 


256  Hans  Schinz. 

Laubblätter  kahl,  Tepalen  Vs  engl.  Zoll  (==  5  mm)  lang 

S.  scandens. 
Laubblätter  behaart,  Tepalen  ^'3  engl.  Zoll  (=  8V2  mm)  lang 

S.  tomentosa. 
Ich  habe  den  Schlüssel  Baker  und  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr. 
VI,  7  entnommen,  füge  aber,  auf  die  untenstehenden  Bemerkungen 
verweisend,  gleichzeitig  hinzu,  dass  sich  meine  Befunde  nicht  ganz 
mit  diesen  Angaben  decken.  Bei  den  mir  vorliegenden  Exemplaren 
komme  ich  für  beide  Arten  zu  geringeren  Tepalenmassen  und  der 
spez.  Wert  der  Behaarung  ist  mir  auch  noch  unklar. 

S.  scandens  Gilg  et  Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII  (1899),  51 
et  in  Malpighia  XIV,  27 ;  Baker  and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop. 
Afr.  VI,  71. 

Zweige  anfangs  behaart,  frühzeitig  verkahlend,  dagegen  scheinen 
die  Blütenstandszweige  ihr  Indument  beizubehalten.  Laubblätter 
gegenständig,  dünnlederig,  kahl,  +  IQ  mm  lang  gestielt,  eiförmig, 
spitz  oder  etwas  ausgezogen,  60  bis  90  mm  lang  und  25  bis  40  mm 
breit,  am  Grunde  spitz  oder  in  den  Blattstiel  zusammengezogen. 
Blütenstand  15  bis  30  cm  lang,  rispig  verzweigt,  unterbrochen. 
Trag-  und  Vorblätter  breit  eiförmig,  zugespitzt,  anfangs  mit  einzelnen 
langen  Gliederhaaren  besetzt,  die  sich  aber  frühzeitig  verlieren,  über- 
dies bewimpert.  Tepalen  eiförmig  lanzettlich,  lederig,  braungelb  am 
Rande  häutig,  spitz,  +  4  mm  lang,  zur  Zeit  der  Samenreife  weit 
von  den  die  seitlichen  Blüten  ersetzenden  Haarbündeln  überragt. 
Staubfäden  +  3  mm  lang,  fädlich;  Pseudostaminodien  +  1  mm  lang. 
Griffel  V/2  bis  2  mm  lang. 

KAMERUN:  Yaunde,  Bongolloberg,  Zenker  1420;  Buea,  Lehm- 
bach 140. 

ÄQUATORIAL-AFRIKA:  Mawokoa  in  Uganda,  Brown  167. 

S.  tomentosa  Lopr.  in  Engl.  Bot.  Jahrb.  XXVII  (1899),  51  et  XXX, 
26  in  obs.,  t.  I,  fig.  P,  Q  et  in  Malpighia  XIV,  450 ;  Baker 
and  Clarke  in  Dyer  Fl.  trop.  Afr.  VI,  71. 

ZENTRAL-AFRIKA:  Runssoro,  G.  J.  Scott  Elliot  7657. 

Unterscheidet  sich  von  der  erstgenannten  Art  eigentlich  aus- 
schliesslich nur  durch  die  ober-  und  unterseits  behaarten  Laubblätter 
und  die  etwas  längern,  nämlich  bis  6  mm  langen  Tepalen.  Es  wird 
daher  erst  weiteres  Material  abzuwarten  sein,  bevor  ein  entscheidendes 
Urteil  über  den  „Wert"  dieser  Art  abgegeben  werden  kann.  Die 
Schwierigkeit  der  Abgrenzung  wird  durch  den  Umstand  erhöht,  dass 
Lopriore  die  Lehmbachsche  Nummer  140  nicht  zu  der  von  ihm  selbst 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         257 

aufgestellten  S.  tomentosa,  sondern  auffallenderweise  zu  S.  scandens 
stellt,  erschwert  insofern,  als  Lehmbach  140  auffallend  grosse  Blüten 
(fertile)  aber  gleichzeitig  nahezu  kahle  Laubblätter  besitzt,  so- 
dass man  fast  geneigt  wäre,  diese  Pflanze  als  eine  frühzeitig  ver- 
kahlende  Form  der  tomentosa  anzusehen.  Lehmbachs  Nummer  nähert 
sich  der  tomentosa  (Scott  Elliot)  auch  noch  dadurch,  dass  die  fertilen 
Blüten  grünlich,  bei  den  Zenkerschen  Pflanzen  (scandens)  dagegen 
von  brauner  Farbe  sind. 

Cruciferae. 

A.  Thellung:  (Zürich). 

Brassica  pachypoda  Thellung  n.  spec. 

Annua  (an  biennis?).  Radix  tenuis  (vix  caulis  crassitie),  fusi- 
formis.  Caulis  unicus  e  rosula  foliorum  basilarium  enatus,  erectus^ 
saepius  subsimplex  (superne  tantum  parce  corymboso-ramosus),  foliatus, 
anguloso-sulcatus,  pilis  subulato-setiformibus  albis  satis  longis  (ple- 
rumque  ^U—  1  mm)  horizontaliter  patentibus  vel  partim  leviter  decli- 
natis  dense  hispidus,  Folia  basilaria  rosulata,  longe  petiolata,  lyrato- 
pinnatifida,  ceterum  forma  valde  variabilia  (lobo  terminali  maximo^ 
ovato  vel  elliptico  vel  obovato,  sinuato-dentato,  lateralibus  utrinque 
1 — 6  plerumque  rotundato-obtusis),  undique  (sed  praesertim  in  petiolo) 
setis  eis  caulis  similibus  hispida.  Folia  caulina  aeque  ac  basiliaria 
pilosa;  inferiora  basilaribus  similia,  sed  brevius  petiolata  et  minus 
divisa.  lobis  infimis  saepe  cauli  approximatis  et  auriculiformibus ; 
superiora  indivisa,  ovato-oblonga,  basi  lata  subamplexicaulia,  crenato- 
dentata,  sensim  in  bracteas  florales  transeuntia.  Racemi  in  caule  et 
ramis  terminales,  satis  pauciflori  (floribus  plerumque  5 — 10),  pedi- 
cellis  singulis  basi  bractea  hispida  ovato-oblonga  crenato-dentata  (vel 
in  floribus  superioribus  subintegerrima  et  glabriore),  pedicello  plerum- 
que subaequilonga  suffultis.  Flores  satis  parvi ;  sepala  apice  hispida, 
saepe  violaceo-picta,  lineari-oblonga,  suberecta,  lateralia  basi  vix 
saccata,  ut  petala  sub  fructu  maturante  satis  diu  persistentia;  petala 
anguste  spatulata,  in  unguem  indistinctum  sensim  attenuata,  calyce 
sesqiiilongiora,  flava  (sicca  albida) ;  stamina  calyci  subaequilonga, 
filamentis  filiformibus ;  glandulae  (2)  medianae  distinctissimae,  ovatae,. 
erecto-patentes ;  laterales  (4)  multo  breviores,  ad  basin  interiorem 
filamentorum  breviorum  per  paria  subconfluentes.  Siliqua  matura  pedi- 
cello patente  valde  incrassato  (siliquae  ipsi  subaequilato)  4— 8-plo 
hreviore  vel  etiam  brevissimo  insidens,  horizontaliter  patens  vel 
ascendens;  valvae  convexae,  saepe  setulis  remote  adspersae,  nervis 
3  rectis  et  distinctis  percursae  et  praeterea  ner\as  tenuioribus  flexuosis 
et  anastomosantibus  praeditae ;  septum  tenerum  hyalinum,  in  stylum 


258  Hans  Schinz. 

vix  rostriformem  brevem  obconicum  abiens;  stigma  emarginato- 
bilobum.  Semina  uniseriata,  parva,  subglobosa,  leviter  compressa, 
a  latere  visa  subanguloso-suborbicularia;  cotyledones  incumbentes 
longitudinaliter  plicatae. 

HAB.:  Afr.  austr. 

Pflanze  meist  +  30  cm  hoch,  je  nach  der  Dichte  des  Bestandes 
3cräftiger  oder  schlanker.  Grundblätter  (mit  Stiel)  7  —  15  cm  lang, 
172 — 4  cm  breit.  Kelchblätter  4  mm,  Kronblätter  6  mm  lang.  Frucht 
5 — 10  cm  lang,  reife  Klappen  2 — 272  mm  breit;  Fruchtstiel  an  den 
untern  Früchten  meist  5—20  mm  lang,  an  den  obern  entsprechend 
kürzer;  Griffel  172—3  mm  lang,  an  der  Spitze  meist  3  mm  breit. 
Same  etwa  1  mm  lang  und  fast  ebenso  breit  (durch  die  nicht  genau 
kugeligen  Samen  nähert  sich  die  Pflanze  etwas  der  Gattung  Eru- 
castriun). 

SÜDAFRIKA:  In  graminosis  pr.  Phoenix,  80  m,  1893,  Schlechter 
3146!  (Herb.  Univ.  Zürich); 

TRANSVAALKOLONIE:  Pretoria,  1904,  R.  Leenderk,  Herb, 
of  the  Pretoria  Museum  416!  (sub  Sinapi  retrorsa,  Herb.  Univ. 
Zürich) ; 

BASUTOLAND,  1903  und  1906,  Dieterlen  165!  (Herb.  Univ. 
Montpellier). 

Brassica  pachypoda  unterscheidet  sich  von  den  übrigen  süd- 
afrikanischen Arten  der  Gattung  {B.  strigosa  DC.  B.  leptopetala 
[DC]  Sonder  [Deless.  Ic.  II,  t.  87  !J,  B.  griquensis  N.  E.  Brown !, 
B.  nigra  [L.]  Koch  und  B.  retrorsa  [Burch.  sub  Sifiapi]  Thell. 
comb,  nov.)  leicht  durch  die  dicken,  durch  Brakteen  gestützten 
Fruchtstiele;  von  den  3  erstgenannten  auch  durch  die  3-nervigen 
Fruchtklappen  (B.  retrorsa  und  j^^ichypoda  gehören  demgemäss  zu 
Sinapis  im  Sinne  von  Koch,  Sondern.  A.,  nicht  aber  von  Prantl 
in  den  „Natürl.  Pflanzenfam.",  der  die  Abtrennung  von  Sinajns  und 
Brassica  mit  Recht  nach  der  Gestalt  des  Fruchtschnabels  vornimmt). 
Im  Habitus  nähert  sich  B.  pachypoda,  wie  auch  B.  griquensis  N. 
E.Brown  (=  Sisymhriuni  Turczaninoivii  Szyszylowiczl  non  Sonder), 
stark  der  Gattung  Sisymbriinn;  aber  die  Keimblätter  sind  nach 
dem  Brassica-TjT^w^  längsgefaltet.  Was  noch  die  Stellung  der 
Art  innerhalb  der  Gattung  Brassica  betrifft,  so  gehört  sie  zu  keiner 
der  4  Pr  an  tischen  Sektionen  (Natürl.  Pflanzenfam.  III,  2  [1891], 
177);  zu  §  IV  Ceratosinapis  (DC.)  Prantl  kann  sie  trotz  der 
3-nervigen  Fruchtklappen  mit  Rücksicht  auf  die  Form  des  Frucht- 
schnabels nicht  gestellt  werden.  Vielleicht  macht  sie  für  sich  allein 
oder  zusammen  mit  der  mir  ungenügend  bekannten  B.  retrorsa  eine 
aieue  Sektion  des  Genus  aus. 


Mitteilungen  aus  dem  bolan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LYI).  259 

Roripa  nudiuscula  (E.  Meyer  ?)  Thell.  comb.  nov. ;  species  ex  speci- 
minibus  completis  denuo  descripta.  —  ?Syn. :  Arabis  f  nudius- 
ciila  E.  Meyer  ex  Sonder  in  Harvey  &  Sonder  Fl.  Cap.  I 
(1859—60),  22  [err.  typ.  „nudicaulis",  cf.  Add.  et  Corrig.]  0 
Perennis.  radice  haud  valida.  Caulis  saepius  unicus  ex  rosula 
foliorum  basilarium  enatus,  (siceus)  anguloso-striatus.  (ut  racemorum 
axis  et  pedicelli)  pilis  brevissimis  tuberculiformibus  hemisphaericis 
vel  (siccis)  lateraliter  compressis  (praesertim  ad  angulos  distinctis) 
remote  adspersus,  parce  ramosus,  inferne  paucifoliatus  (interdum  etiam 
subaphyllus,  scapiforinis),  superne  subnudus,  ut  rami  in  racemos 
ebracteatos  ca.  15 — 25-floros  abiens.  Folia  quoad  formam  valde 
variabilia :  bipinnatifida  usque  indivisa,  lamina  vel  lobis  dentatis, 
dentibus  cartilagineo-mucronatis ;  caulina  (subsessilia)  minus  divisa 
quam  basilaria  (petiolata),  basi  +  auriculata,  summa  in  bracteas  saepe 
squamiformes  subintegerrimas  abeuntia.  Flores  pro  genere  mediocres; 
calyx  basi  aequalis;  petala  spathulato  -  cuneata,  calycem  parum 
superantia,  viva  flava,  sicca  plerumque  albida  vel  rubella.  Siliqua 
satis  crassa,  pedunculo  saepius  crassiusculo  erecto-patente  plerumque 
(1 V^— 2V2-plo)  longior,  suberecta,  fere  recta  vel  leviter  falcato- 
curvata  lateraliter  compressa,  valvulis  parum  convexis,  nervo  mediane 
sub  apice  evanescente.  Stylus  brevis  obconicus  stigmate  leviter 
emarginato-bilobo.  Semina  parva,  biseriata ;  embryo  pleurorrhizus. 
Wurzel  etwa  2  —  4  mm  dick,  mit  spärlichen,  dünnen,  hellen 
Fasern.  Stengel  10 — 40-,  meist  25—30  cm  hoch,  2 — 3  mm  dick,  bei 
niedrigen  Exemplaren  fast  blattlos  und  schaftartig,  bei  kräftigeren 
unterwärts  mit  den  Grundblättern  ähnlichen,  nach  oben  kleiner  und 
einfacher  werdenden  Laubblättern  besetzt,  an  grösseren  Exemplaren 
ästig :  je  nach  Höhe,  Beblätterung  und  Verästelung  im  Habitus  sehr 
veränderlich  (etwa  wie  Diploiaxis  niuralis  [L.]  DC).  Grundblätter 
bald  leierförmig  oder  fiederspaltig  mit  ziemlich  breiten,  gerundeten 
Buchten  und  gezähnten  bis  fiederspaltigen  Abschnitten,  bald  ungeteilt 
(elliptisch  bis  spateiförmig)  und  nur  gezähnt;  Zähne  oder  Läppchen 
letzter  Ordnung  stumpflich,  mit  knorpeligem  Stachelspitzchen.  Stengel- 
blätter den  Grundblättern  ähnlich,  aber  kürzer  gestielt  bis  ungestielt, 
am  Grunde  mit  2  ^  deutlichen  Ohrchen  den  Stengel  halb  umfassend ; 
wenn  tiederspaltig,    die   unteren  Abschnitte   oft   schmäler  und   mehr 

')  Ob  Arabis  nudiuscula  E.  Meyer  wirklich  zu  der  in  Frage  stehenden 
Roripa  gehört,  lässt  sich  nach  der  sehr  dürftigen  Beschreibung  nicht  mit  Sicher- 
heit feststellen;  nach  Sonder  1.  c.  ist  die  Pflanze  ,with  the  habit  of  a  Nasturtium'^ , 
und  nur  die  [getrocknet!]  weissen  Kronblätter  scheinen  Sonder  veranlasst  zu  haben, 
die  Art  vorläufig  zu  Arabis  zu  stellen.  Sichere  Aufklärung  können  nur  die 
—  mir  leider  nicht  zur  Verfügung  stehenden  —  E.  Meyer  sehen  Herbarexemplare 
schaffen. 


260  Hans  Schinz. 

ganzrandig  als  bei  den  Grundblättern.  Kelchblätter  2V2 — S'/'s  mm 
lang,  länglich  elliptisch,  stumpf,  schmal  hellrandig,  unter  sich  ziem- 
lich gleich  (die  seitlichen  am  Grunde  nicht  gespornt);  Kronblätter 
wenig  länger  (meist  etwa  1 7*  mal  so  lang)  als  der  Kelch,  spatel- 
keilförmig, an  der  Spitze  abgerundet,  lebend  wohl  hellgelb,  verdorrt 
und  getrocknet  weisslich  oder  rötlich ;  Honigdrüsen  4  (laterale),  sehr 
kurz  (breiter  als  hoch).  Frucht  1 — 3-  (meist  I72  — 2V2-)  cm  lang, 
gewöhnlich  länger  als  ihr  Stiel,  1 'A — 2  V2  mm  breit;  Griffel  meist 
kurz  (V2 — 1  mm)  und  verkehrtkegelförmig,  seltener  IV2  bis  fast 
2  mm  lang  und  dann  am  Ende  nur  wenig  verbreitert;  Narbe  das 
verbreiterte  Griffelende  einnehmend,  flach  scheibenförmig  und  etwas 
ausgerandet-zweilappig.  Samen  sehr  klein,  etwa  V^  mm  lang  und 
72  mm   breit,    zusammengedrückt    ellipsoidisch,    deutlich    zweireihig. 

R.  nudiuscula  unterscheidet  sich  von  allen  mir  bekannten  Arten 
der  Gattung  und  wohl  auch  von  der  grossen  Mehrzahl  der  Cruciferen 
überhaupt  durch  die  eigenartigen,  sehr  kurzen,  höckerartigen,  +  halb- 
kugeligen Haare  des  Stengels,  wie  solche  in  ähnlicher  Ausbildung 
bei  Lepidium  rotundum  (Desv.)  DC.  und  L.  plüehopetalum  F.  v. 
Mueller  vorkommen.  Die  zweite  südafrikanische  Rorifpa-kxt,  JR.  flu- 
viatilis  (E.  Meyer  ex  Sonder  in  Linnaea  XXHI  [1850],  2  in  obs.  et 
in  Harvey  &  Sonder  Fl.  Cap.  I  [1859-60],  21  sub  Nasturtio)  Thell. 
(einschliessl.  JSfasf.  caledonicimi  Sonder  in  Linnaea  1.  c,  das  von 
Sonder  in  Fl.  Cap.  1.  c.  wohl  mit  Recht  als  Varietät  zu  N.  fluviatile 
gestellt  wird),  unterscheidet  sich  von  R.  nudiuscida  leicht  durch 
kräftige,  reichfaserige  Wurzel  (Standortseinfluss?),  dickeren  Stengel, 
Fehlen  der  für  R.  nudiuscida  charakteristischen  Trichombildungen 
und  viel  grössere  Blüten,  deren  Kronblätter  5 — 6  mm  lang  (fast 
doppelt  so  lang  als  die  Kelchblätter),  verkehrteiförmig  und  auch 
getrocknet  deutlich  gelb  sind;  ferner  ist  das  Knorpelspitzchen  der 
Blattzähne  (=  Epithemhydathode?)  im  Gegensatz  zu  R.  nudiuscula 
sehr  breit  und  stumpf. 

Die  Blattform  ist  bei  R.  fiudiuscula,  wie  schon  bemerkt,  sehr 
variabel;  angesichts  des  bekannten,  zum  Teil  mit  der  Natur  des 
Standortes  in  Korrelation  stehenden  Blattpolymorphismus  der  Gattung 
Roripa  dürfte  es  sich  daher  nicht  empfehlen,  auf  die  verschiedenen 
Blattformen  „Varietäten"  zu  begründen,  sondern  nur  die  extremen 
Formen  mit  Namen  zu  belegen : 

forma  1.  i^innatifida  Thell.,  foliis  inferioribus  pinnatifidis 
(usque  bipinnatifidis)  vel  lyrato-pinnatifidis ; 

forma  2.  integrifolia  (Szyszyl.)  Thell.  {Nasturtium  indicum 
var.  integrifolia  Szyszylowics !  Polypet.  Thalamifl.  Rehmann.  I  [1887], 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  261 

13  in  „Osobne  odbicie  z  Tomu  XVII.  Rozpr.  i  Spraw.  Wydz.  matem.- 
przyrodn.  Akad.  Umiejetnosci"  p.  105\  foliis  indivisis,  tantum  den- 
tatis  vel  duplicato-dentatis. 

KAPKOLONIE :  ?  Zondag  River,  Graafreynet ;  Sneuwebergen  and 
Uitflugt  at  Limoenfontein,  2 — 6000  ft. :  Dr5ge  in  Herb.  Sonder  nach 
Sonder  Fl.  Cap.  1.  c.  unter  Arahis  nudluscula  (non  vidi).  —  In 
humidis  ad  pedem  montis  Boschberg,  2500  pd.,  P.  Mac  Owan 
Austro-Afr.  n.  1592!  ^)  (f.  1,  Herb.  Univ.  Zürich);  in  arenosis  humidis 
pr.  Uitenhage,  250',  1893,  R.  Schlechter  n.  2539!  (f.  1  et  2  mixt., 
Herb.  Univ.  Zürich). 

BASUTOLAND:  „Paposane",  1903.  Dieterlen  n.  98!  (f.  1,  Herb. 
Montpellier). 

TRANSVAALKOLONIE:  Pretoria,  Aapies  Poort,  A.  Rehmann 
Exs.  Afr.  austr.  1875 — 80  n.  4234!  (f.  2  =  Käst,  indicum  var.  integri- 
folia  Szyszylowics !  specim.  orig..  Herb.  Univ.  Zürich).  In  saxosis  inter 
Waterval  Rivier  et  Zuikerbosch  Rand,  4600',  1893,  R.  Schlechter 
n.  3483!  (f.  1;  ibid.).    Shilouvane,  H.  A.  Junod  n.  1334!  (f.  2,  ibid.). 

Leguminosae. 

Hans  Schinz  (Zürich). 

Rhynchosia  holosericea  Schinz  nov.  spec. 

Scandens  (?),  caule  velutino,  viscidulo;  foliis  longe  petiolatis, 
foliolis  late  obovatis  vel  late  rhomboideo-  obovatis,  lateralibus  leviter 
obliquis,  basi  cuneatis,  apice  rotundatis,  mucronatis,  utrinque  molliter 
velutinis ;  stipulis  lanceolatis ;  pedunculo  elongato,  viscidulo  subhirsuto ; 
vexillo  glabro ;  legumine  oblonge,  curvato,  compresso,  velutino-  piloso. 

DEUTSCH-SÜDWEST-AFRIKA:  Olukonda  in  Amboland,  Schinz 
797,  bl.  u.  fr.  IX,  Rautanen. 

Kletternde  (?)  Staude  mit  fahlgelben,  weich-,  +  abstehend  be- 
haarten, allermindestens  anfangs  drüsigen  Zweigen;  vom  Grunde  an 
mehrfach  verzweigt.  Laubblätter  3 zählig,  +15  mm  lang  gestielt, 
mit  breit-  bis  fast  kreisrundeiförmigen  bis  rhombischen,  abgerundeten, 
stumpfen  oder  mucronaten,  ober-  und  unterseits  hellgrünen,  dicht 
samtig  behaarten,  +  20  mm  breiten  und  +  20  mm  langen  Blättchen. 
Das  endständige  Blättchen  ist  um  +  6  mm  von  den  seitlichen  ab- 
gerückt; letztere  sind  +  2  mm  lang  gestielt.  Sämtliche  Spreiten 
lassen  unterseits  die  Nervatur  stark  hervortreten.  Die  Nebenblätter 
sind  lanzettlich,  spitz  und  3  bis  4  mm  lang.    Blütenstände  bis  7  cm 

•)  Als  Nast.  fluviatüe  ß  brevistyhcm.  Möglicherweise  gehört  auch  die  gleich- 
namige Pflanze  Sonders  (Fl.  Cap.  1.  c.  äl,  mit  dem  Syn.  N.  elongatum  E.  Meyer 
ined.),  die  mit  , style  very  short,  stigma  thickened''  charakterisiert  wird,  zu  K. 
nudiuscula ;  doch  ist  eine  sichere  Entscheidung  ohne  Autopsie  der  Originalexemplare 
unmöglich. 

Vierteljahrsschrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.  Jahrg.  56.  1911.  18 


262  iians  Schinz. 

lang,  blattachselständig  and  terminal,  +  12  blutig.  Blütenstiele  kurz, 
drüsig  behaart.  Die  langbehaarten  Abschnitte  des  5 teiligen  Kelches 
sind  lanzettlich  und  5  bis  7  mm  lang,  unter  sich  hinsichtlich  ihrer 
Länge  ungleich.  Die  Fahne  ist  verkehrteiförmig  länglich,  mit  einem 
-^  2  mm  langen  Nagel  und  einer  +  8  mm  langen  und  +  572  mm 
breiten  Platte  versehen,  am  Grunde  beidseitig  vom  Nagel  geöhrt.  Die 
Flügel  messen  +  7  mm,  das  Schiffchen  ist  +  10  mm  lang.  Die  +  flache, 
etwas  gekrümmte  Hülse  ist  bis  25  mm  lang  und  +  9  mm  breit, 
weich  d^ehaart  und  2-  bis  3  sämig.  Die  glänzend  braunroten  Samen 
sind  5  mm  lang  und  4  mm  breit. 

Bei  i?.  Memnonia  (Delile)  DC.  fehlt  die  drüsige  Behaarung  der 
Jüngern  Zweige  wie  der  Blütenstiele;  die  Behaarung  scheint  im 
übrigen  bei  dieser  letztern  Art  eine  recht  wechselnde  zu  sein,  ist 
aber  meiner  Erfahrung  nach  niemals  gelblichgrün,  was  mir  auch  Herr 
N.  E.  Brown  auf  Grund  des  Materials  in  Kew  bestätigt.  Sonst 
erinnert  unsere  Art  allerdings  stark  an  R.  Memnonia. 

Solanaceae. 

Hans  Schinz  (Zürich). 

Withania  somnifera  L.  var.  somalensis  Schinz  nov.  var. 

Herba  perennis,    pube  stellata  vestita,   folia  parva,   subcoriacea. 

OSTAFRIKA :  Ogadeensteppe  im  Somalland,  C.  Keller. 

Die  ganze  Pflanze  ist  mit  einem  flockigen  Überzug  aus  kurzen  Stern- 
haaren bekleidet.  Die  auffallend  steifen,  fahlgrünen  Laubblätter  sind  von 
länglich  eiförmiglanzettlichem  bis  elliptischlanzettlichem  ümriss,  am 
Grunde  +  plötzlich  zusammengezogen,  stumpf,  +  rauhfilzig  behaart,  später 
+  stark  verkahlend,  bis  50  mm  lang  und  bis  20  mm  breit,  +  2  mm 
lang  gestielt.  Die  3  bis  5  mm  lang  gestielten,  nicht  gebüschelten, 
sondern  einzeln  inserierten  Blüten  besitzen  einen  zur  Blütezeit 
glockigen,  dicht  fahl  filzig  flockig  behaarten  Kelch,  dessen  Röhre 
+  3  mm  hoch  und  +  5  mm  weit  ist  und  dessen  etwas  nach  aussen 
gebogene,  +  2V2  mm  lange  Abschnitte  oblong  dreieckiglanzettlich 
und  in  eine  breite  stumpfe  Granne  ausgezogen  sind.  Die  Kronröhre 
ist  3V2  bis  4  mm  hoch;  die  zurückgebogenen,  2V2  bis  3  mm  langen 
Abschnitte  sind  dreieckig,  spitz,  aussen  und  innen  flockig  behaart, 
wogegen  die  Kronröhre  aussen  nur  soweit  behaart  ist,  als  sie  im 
Kelche  steckt.  Die  5  fädlichen  Staubfäden  sind  3  mm  lang  und  ent- 
springen 1  mm  über  dem  Kronröhrengrund ;  die  Staubbeutel  sind 
+  1  mm  lang.  Der  Kelch  ist  zur  Fruchtzeit  +  15  mm  lang;  die 
Rückenmediane  der  5  verwachsenen  Kelchblätter  ist  zu  je  einem 
2  bis  3  mm  breiten  Kelchkiel  ausgewachsen.  Der  Fruchtknoten  ist 
am  Grunde  von  einem  ringförmigen,  5  kerbigen  Diskus  umfasst.    Die 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Ziirich  (LVI).  263 

Beeren  sind  über  erbsen gross,  anfänglich  kurz  filzig  behaart,  späterhin 
kahl.   Der  Griffel  besitzt  eine  kopfige  Narbe. 

Die  Textur  der  Laubblätter,  deren  dichte  Behaarung  und  der 
auffallend  rigid  störrige  Kelch  veranlassen  mich,  die  vorliegenden 
Exemplare,  die  mein  durch  seine  Reisen  und  Haustierforschungen 
wohlbekannter  Kollege  Prof.  Dr.  Conrad  Keller  im  afrikanischen  Ost- 
horn  gesammelt  hat,  als  Spielart  zu  beschreiben.  Sie  sind  auch 
deshalb  interessant,  weil  sie  der  nahen  Verwandtschaft  der  beiden 
Gattungen  Physalis  und  Withania  das  Wort  sprechen  (einzeln 
stehende  Blüten). 

Lycinm  bosciifolinm  Schinz  nov.  spec. 

Suffruticosum,  spinosum ;  foliis  fasciculatis,  glabris,  spatulatis,  rotun- 
datis,  sessilibus;  floribus  5meris,  pedicellatis,  calyce  tubuloso,  glabro, 
lobis  :^  triangularibus,  subobtusis,  corollae  tubo  tubuloso  sursum 
levissime  ampliato,  lobis  late  ovatis,  apice  rotundatis,  reflexis;  sta- 
minibus  exsertis,  basi  sparse  pilosis. 

DEUTSCH-SÜDWEST-AFRIKA:  Kai  gamtes  in  Gross-Nama- 
land,  Schinz  891. 

Dorniger  Halbstrauch  mit  brauner,  rissiger  Rinde  und  ge- 
büschelten,  kahlen,  spatelformigen,  abgerundeten,  ungestielten,  +  8  mm 
langen  und  +  2  mm  breiten  Laubblättern.  Blüten  einzeln,  bis  4  mm 
lang  gestielt.  Kelch  kahl,  mit  +  2  mm  langer  Röhre  und  fünf  drei- 
eckigen, +  7*  wiin  langen,  stumpflichen  Abschnitten.  Kronröhre  bis 
15  mm  lang,  engröhrig,  lang  schmal  trichterförmig,  allmählich  nach 
oben  erweitert,  oben  3  bis  4  mm  weit ;  Lappen  +  2  mm  lang,  am 
Grunde  +  2  mm  breit,  breit  eiförmig,  abgerundet  und  zurückge- 
schlagen. Staubfäden  herausragend,  +  10  mm  lang,  vom  Grunde 
entfernt  inseriert,  unterwärts  mit  zerstreuten  Haaren. 

Solannm  hermannioides  Schinz  nov.  spec. 

Suffruticosum,  glabrum ;  foliis  petiolatis, anguste  ellipticis vel  anguste 
lanceolatis,  acutis,  basi  in  petiolum  attenuatis,  margine  irregulariter 
crenatis;  inflorescentia  pauciflora ;  calycis  segmentis  oblongis,  obtusis; 
coroUa  5  fida,  lobis  ovatis,  glabris. 

KAPKOLONIE:  in  umbrosis  ad  Silver  River,  1330  m,  Schlechter 
5872,  bh  6.  XL  1894. 

Völlig  kahler  Halbstrauch  mit  in  den  +  ^  ^im  langen  Stiel 
zusammengezogenen,  schmal  elliptischen  bis  schmal  lanzettlichen, 
beiderends  spitzen,  x  ^0  mm  langen  und  +  9  mm  breiten  Laub- 
blättern, deren  Spreiten  am  Rande  unregelmässig  engwellig-  bis  wellig 
gekerbt  sind.  Blütenstand  axillär,  wenigblütig,  mitunter  sogar  ein- 
blütig, kurz  gestielt.  Blütenstiele  ±_  6  mm.  Kelchabschnitte  +_  5  mm 


264  Hans  Schinz. 

lang  und  +  1  mm  breit,  oblong,  stumpf;  Kelchröhre  +  2  mm  hoch, 
kahl,  mit  abgerundeten  Buchten.  Die  Kronlappen  sind  breit  eiförmig, 
nach  der  Basis  zu  etwas  zusammengezogen,  +  7  mm  lang  und  +  4  mm 
breit ;  die  Kronröhre  ist  zirka  1 7*  mm  hoch.  Staubfäden  +  1 V*  mm, 
Staubbeutel  +  3  mm,  Griffel  +  5V2  mm. 

Solnmun  pseudocapsicmn  L.,  das  etwa  bei  der  Vergleichung 
obiger  Spezies  mit  andern  Arten  in  Berücksichtigung  kommen  könnte, 
mir  aber  nur  aus  der  Beschreibung  bekannt  ist,  scheint  viel  breitere 
Laubblätter  und  spitze  Kelchzipfel  zu  haben. 

Solanum  Lüderitzii  Schinz  nov.  spec. 

Suffrutex  erectus,  ramis  dense  stellato-  pilosis,  inermibus;  foliis 
petiolatis,  ovato  -lanceolatis,  acutis  vel  obtusis,  integerrimis,  utrinque 
stellato-  pilosis ;  inflorescentia  pauciflora  terminali ;  calyce  4  fido 
stellato-  piloso,  lobis  triangulari-  lanceolatis,  acutis ;  corolla  4  partita, 
lobis  oblonge-  late-  lanceolatis,  extus  stellato- pilosis ;  bacca  giobosa. 

DEUTSCH-SÜDWEST-AFRIKA  (Hereroland):  Lüderitz  la  (ohne 
Standortsangabe). 

Halbstrauch  mit  filzigen  Zweigen,  unbewehrt.  Laubblätter 
+  7  mm  lang  gestielt,  +  eiförmig  lanzettlich,  spitz  oder  stumpf, 
ganzrandig,  beidseitig  filzig,  oberseits  etwas  dunkler  als  unterseits, 
getrocknet  fahl,  +  25  mm  lang  und  +  12  mm  breit.  Blütenstand 
endständig.  Kelchabschnitte  dreieckig  lanzettlich,  spitz,  aussen  dicht 
filzig  sternhaarig,  +  3  mm  lang  und  am  Grunde  +  2  mm  breit. 
Kelchröhre  trichterförmig,  +  2V'2  mm  hoch.  Kronlappen  oblong, 
+  breit  lanzettlich,  stumpflich,  +  9  mm  lang  und  +  SVa  mm  breit, 
aussen  dicht  filzig  behaart.  Kronröhre  3  bis  4  mm  hoch.  Staubfäden 
+  1  mm,  Staubbeutel  +  6  mm,  Griffel  +  10  mm  lang.  Narbe  kopfig 
kurz  zweilappig.  Frucht  im  reifen  Zustande  wohl  schwarz,  +  6  mm 
im  Durchmesser  (getrocknet). 

Solanum  namaense  Schinz  nov.  spec. 

Suffruticosum,  ramis  junioribus  stellato-  pilosis  sparse  aculeatis; 
foliis  petiolatis,  ovato-  lanceolatis,  oblonge-  ovatis  vel  ellipticis,  sinuato- 
lobatis,  acutis  vel  obtusis,  membranaceis,  basi  obtusis  vel  cuneatis, 
lamina  sparse  stellato-  pilosa;  inflorescentia  pauciflora;  calyce  5  fido, 
lobis  triangulari-  lanceolatis,  stellato-  pilosis;  corolla  5  fida,  lobis 
oblonge-  ovatis,  dorso  stellato-  pilosis ;  bacca  giobosa,  flava  vel  grisea. 

DEUTSCH-SÜDWEST-AFRIKA  (Gross-Namaland):  am  Grossen 
Fischfluss,  Fleck;  Kuddis,  Fleck. 

Stengel  mit  wenigen,  meist  hakenförmig  gekrümmten,  bis  4  mm 
langen,  an  der  Basis  bis  2^4  mm  breiten  Stacheln.  Laubblätter  bis 
8  mm  lang  gestielt,  eiförmig  lanzettlich,  länglich  eiförmig  bis  elliptisch 


Mitteilungen  ans  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  265 

(selten),  seicht  buchtig  gelappt,  +  23  mm  lang  bei  +  10  mm  Breite  bis 
+  75  mm  Länge  bei  +  45  mm  Breite,  häufig  ±_  35  mm  lang  und  +  15  mm 
breit,  spitz  oder  stumpf,  +  dünnhäutig,  jedenfalls  niemals  lederig, 
namentlich  unterseits  mit  sehr  zerstreuten  Sternhaaren,  rasch  ver- 
kahlend.  Blütenstände  seitlich,  kurz  gestielt;  die  Blüten- und  Frucht- 
stiele +  8  mm  lang.  Blüten  ausnahmsweise  einzeln,  meist  in  2-  bis 
mehrblütigen  Blütenständen;  Blütenstiele  dornig  bewehrt.  Kelchab- 
schnitte am  Grunde  zusammengezogen,  dreieckig  lanzettlich,  +  3  mm 
lang,  am  Grunde  +  1 V*  mm  breit,  Kelchröhre  +  3  mm,  auf  der 
Aussenseite  mit  Sternhaaren  bekleidet.  Kronlappen  oblong  eiförmig 
lanzettlich,  stumpf  oder  spitzlich,  +  6  mm  lang  und  +  3  mm  breit; 
Kronröhre  +  2  mm  hoch.  Die  ganze  Krone  aussen  dicht  mit  Stern- 
haaren besetzt.  Staubfäden  bandförmig,  +  1  mm  lang,  dicke,  +  4  mm 
lange  Staubbeutel  tragend.  Griffel  +  5V2  mm,  mit  einzelnen  Stern- 
haaren versehen.  Beere  gelb  oder  opalfarbig,  +12  mm  im  Durch- 
messer. 

Solanum  capense  L.  ist  viel  stärker  bewehrt  und  hat  tiefer 
gelappte  Laubblätter. 

Solanum  Rautanenii  Schinz  nov.  spec. 

Suffrutex ;  ramis  junioribus  dense  stellato-  pilosis ;  foliis  petio- 
latis,  oblonge-  ovatis,  margine  +  repandis,  rotundatis,  basi  obtusis 
vel  +  attenuatis,  dense  pilosis;  inflorescentia  pauciflora,  extraaxillari ; 
calyce  5partito,  aculeato,  lobis  lanceolatis,  acutis;  corolla  lutea,  extus 
dense  pilosa,  lobis  late  lanceolatis,  subacutis ;  staminibus  5 ;  filamentis 
brevibus;  bacca  globosa. 

DEUTSCH-SÜDWEST-AFRIKA:  Ondonga  im  Amboland,  Rau- 
tanen  726  a,  bl.  u.  fr.  24.  L  1893. 

„Omhundu"  in  der  Sprache  der  Aajamba  (Oshindonga). 

Ein  Halbstrauch,  dessen  junge  Zweige  dicht  filzig  behaart,  ab 
und  zu  mit  vereinzelten,  +  2  mm  langen,  schwach  gekrümmten, 
scharfen,  schlanken  Stacheln  besetzt  sind;  die  Farbe  der  behaarten 
Zweige  ist  fahlgelb.  Die  ^  7  mm  lang  gestielten  Laubblätter  sind 
+  oblong  eiförmig,  beidseitig  dicht  filzig  behaart,  oberseits  etwas 
dunkler  gefärbt  als  unterseits,  ganzrandig  oder  weitgeschweift,  ab- 
gerundet, gegen  den  Blattstiel  zu  mitunter  etwas  zusammengezogen, 
+  35  mm  lang  und  +  14  mm  breit.  Blüten  entweder  einzeln  oder  zu 
zweien  oder  dreien  seitlich  an  den  Zweigen,  mit  bis  zu  6  bis  10  mm  Länge 
auswachsenden  Stielen.  Kelch  dicht  mit  Sternhaaren  und  3  bis  7, 
selten  mehr,  gelblichen,  geraden  Stacheln  besetzt.  Kelchzipfel  breit 
lanzettlich,  spitz,  +  3  mm  lang  und  am  Grunde  ^_  Vj-i  mm  breit. 
Kronlappen  aussen  dicht  filzig  behaart,  breit  lanzettförmig,  fast  spitz 


266  Hans  Schinz. 

und  zwar  am  Ende  etwas  verdickt,  7  bis  8  mm  lang,  am  Grunde 
2  mm  breit ;  Kronröhre  zn.  2  mm  hoch,  in  der  Kelchröhre  verborgen. 
Staubfäden  verschwindend  kurz,  Staubbeutel  +  5  mm  lang;  Griffel 
+  7  mm,  mit  zerstreuten  Sternhaaren  versehen.  Beeren  auf  in 
scharfem  Bogen  abwärts  gekrümmtem  Fruchtstiel,  7  bis  8  mm  im 
Durchmesser  (getrocknet),  dunkelbraun. 

S.  delagoense  Dunal  (=  S.  panduraeforme  E.  Mey.  nom.  nud. 
=  8.  Baumii  U.  Dammer)  hat  bedeutend  grössere  Blüten ;  S.  aggre- 
gatum  Jacq.  hat  kahle  Blätter. 

Solanum  upingtoniae  Schinz  nov.  spec 

Suffrutex ;  ramis  inermibus,  juventute  pilis  stellatis  mox  deciduis 
obsitis ;  foliis  petiolatis,  ovatis,  ellipticis  vel  ovato-  lanceolatis,  obtusis, 
acutis  vel  acuminatis,  basi  attenuatis ;  inflorescentia  terminali  cymosa ; 
calyce  4partito,  piloso,  lobis  triangularibus,  obtusis;  corolla  4partita, 
extus  pilosa,   lobis  oblongis,  obtusis;  bacca  globosa. 

DEUTSCH-SÜDWEST-AFRIKA:  Oshando  in  Amboland,  an  der 
Grenze  gegen  das  ehemalige  Upingtonia,  Schinz  868. 

Ein  Halbstrauch  mit  unbewehrten,  sehr  rasch  verkahlenden, 
+  25  mm  langen  und  +11  mm  breiten,  am  Grunde  +  zusammen- 
gezogenen, stumpflichen,  spitzen  oder  zugespitzten,  ganzrandigen, 
+  4  mm  lang  gestielten  Laubblättern  mit  unterseits  hervortretender 
Nervatur  erster  und  zweiter  Ordnung.  In  der  Jugend  sind  beide 
Seiten  der  Spreite  dicht  behaart,  die  Behaarung  verliert  sich  aber 
in  der  Folge  sehr  rasch  auf  der  Oberseite  +.  Die  Blütenstände  sind 
terminal.  Der  dicht  sternhaarig  filzige  Kelch  besitzt  aus  breitem 
Grunde  dreieckig  aufstrebende,  stumpfe  Kelchzipfel  von  IV2  mm  Länge 
und  +  2  mm  Breite  (am  Grunde) ;  die  aussen  dicht  behaarten  Kron- 
lappen sind  +  7  mm  lang  und  +  872  mm  breit,  oblong,  stumpf. 
Staubfäden  +  1  mm,  Staubbeutel  +  5  mm,  Griffel  +  10  mm  lang. 
Die  gestielten  (mindestens  5  mm)  Früchte  sind  reif  wohl  dunkelbraun 
und  messen  quer  etwa  6  mm  (getrocknet). 

Diese  Art  unterscheidet  sich  von  Solanum  Lüderitzii  Schinz  durch 
die  Kelchabschnitte,  die  Laubblattform,  die  Nervatur  der  Spreite  und 
deren  auffallend  rasche  Verkahlung. 

Gentianaceae. 

Haus  Schinz  (Zürich). 

Limnanthemum  Thunbergianum  Griseb.   Gen.  et  Spec  Gent.  (1839), 
345  var.  (?)  kalachariensis  Schinz  nov.  var. 
Calycis    segmentis    oblonge-   lanceolatis,    obtusis,    quam    Capsula 
duplo   brevioribus;    Capsula  polyperma,    globoso-  ovoidea;    seminibus 
carinatis,  laevibus,  ochraceis. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  267 

SÜD  WEST- AFRIKA   (Kalachari):   Bitterpits,  Schinz  492,  fr.  V. 

Laubblätter  lederig,  bis  18  cm  lang  und  bis  14  cm  breit.  Blüten- 
stände —  25blütig.  Frucht  kugelig  eiförmig,  bis  doppelt  so  lang  als  die 
lanzettlichen  stumpfen  Kelchabschnitte,  +  70  Samen  enthaltend.  Samen 
lehmgelb,  gekielt,  glatt,  glänzend. 

Die  Früchte  des  L.  Tluuihergianum  sind  so  lang  oder  kürzer 
als  die  Kelchzipfel  und  nur  6-  bis  ISsamig;  die  Samen  sind  grau, 
dunkel  gefleckt.  Nun  hängt  aber  sicherlich  die  Farbe  der  Samen  vom 
Reifezustand  derselben  ab,  denn  wir  besitzen  unter  unserem  Lim- 
nanthemum-Material  unzweifelhafte  L.  Thunberyianum  mit  z.  T. 
grauen,  z.T.  lehmgelben  Samen  aus  ein  und  derselben  Kapsel.  Vielleicht 
repräsentiert  die  Pflanze  von  Bitterpits  eine  von  L.  Thunbergianum 
verschiedene  Art,  ohne  Blüten  wage  ich  indessen  keine  Entscheidung. 

Compositae. 

A.  Thellung  (Zürich). 

Senecio  basutensis  Thellung  spec.  nov.  Subgen.  Eusenecio  0.  Hoffm. 
cf.  sect.  Coriacei  R.  Muschler  in  Englers  Bot.  Jahrb.  XLIII 
(1909),  41,  61. 

Perennis,  radice  brevi  crassa,  fibris  incrassatis.  Folia  basilaria 
rosulata,  rhombico-elliptica,  basi  quasi  in  petiolum  brevissimum  vagi- 
nantem  attenuata,  coriacea,  opaca,  utrinque  [subtus  ad  nervös  tantum] 
pilis  albidis  glanduliferis  obsita,  penniner\'ia,  nervis  primariis  utrinque 
7—9,  margine  integerrima.  Gaules  ex  axillis  foliorum  radicalium 
enati,  graciles,  subflexuosi,  (ut  pedunculi)  leviter  anguloso-striati, 
pilis  eis  foliorum  similibus  asperulo-puberuli,  e  basi  arcuata  suberecti, 
subaphylli  (basi  tantum  foliis  2 — 3  parvis  elliptico-lanceolatis  et 
superne  bracteis  squamiformibus  praesertim  ad  ramificationes  ornati), 
superne  corymboso-ramosi,  ramis  2 — 5  fastigiatis,  plerumque  mono- 
cephalis.  Capitula  longo  pedunculata,  mediocria,  involucro  (siccato) 
late  campanulato,  basi  rotundato,  foliolis  16 — 20  uniseriatis,  lanceo- 
latis,  acutis  et  obtusiusculis,  dorso  glandulosis,  basi  bracteolis  1 — 3 
minimis  subulatis  suffultis.  Flores  40 — 50,  omnes  hermaphroditi,  tubu- 
losi,  deflorati  involucro  sesquilongiores ;  styli  rami  truncati,  in  coronam 
pilorum  abeuntes.  Achaenia  fusiformia,  10  striata,  in  valleculis  pilis 
eglandulosis  sursum  curvatis  subadpressis  pubescentia,  pappo  achaenio 
duplo  longiore  coronata;  pappi  setae  numerosae  (circ.  100),  candidae, 
tenuissimae,  minute  denticulatae. 

Wurzel  ca.  1  cm  dick.  Wurzelfasern  in  verschiedener  Weise 
verdickt  (meist  3 — 5  mm  dickX  teils  keulenförmig,  teils  zylindrisch, 
teils  dünn  rübenförmig.    Grundblätter  ca.  8:4—5  cm,  x.  rhombisch, 


268  Hans  Schinz. 

am  Grunde  kurz  stielartig  verschmälert,  mit  breitem  und  dickem 
Mittelnerv  und  jederseits  ca.  8  sehr  spitzwinklig  abgehenden,  unter 
sich  +  parallelen,  gegen  den  Rand  der  Blattspreite  verschwindenden 
und  netzförmig  anastomosierenden  Seitennerven ;  Haare  ca.  V^  mni  lang. 
Stengel  20—25  mm  hoch,  oberwärts  doldentraubig  verästelt,  mit 
einem  3  — 7köpfigen  Corymbus  abschliessend.  Kopfstiele  fein  drüsen- 
haarig, meist  unverzweigt,  10 — 13  cm  lang,  unter  dem  Kopf  kaum 
verdickt,  fein  kantig  gefurcht,  mit  einigen  winzigen  Hochblättern 
besetzt,  die  allmählich  in  die  Aussenhüllblätter  übergehen ;  Akladium 
273 — 3  cm  lang.  Hüllblätter  6—7  mm  lang,  IV2  mm  breit,  haut- 
randig;  der  grüne  Mittelstreif  V* — 1  ni™  breit,  aussen  drüsenhaarig. 
Krone  7  mm  lang;  Röhre  472  mm  lang,  dünn,  kahl;  Saum  272  mm 
lang,  glockig,  bis  zu  V^  ^  zähnig,  mit  3  eckig  eiförmigen,  ziemlich 
nervenlosen,  an  der  Spitze  etwas  verdickten  und  kurz  papillösen 
Zipfeln.  Frucht  3  mm  lang,  ca.  -/s  mm  breit;  Pappus  +  7  mm  lang. 

Die  verwandtschaftliche  Stellung  der  Art  innerhalb  der  Unter- 
gattung Eusenecio,  zu  der  sie  nach  der  Griffelform  zweifellos  gehört, 
ist  mir  nicht  klar  geworden;  ich  bringe  sie  mit  einigen  Zweifeln 
vorläufig  in  der  Sektion  Coriacei  Muschler  unter.  Die  habituell 
ähnlichsten  Arten,  wie  8.  launaeifolius  0.  Hoffm.  in  0.  Kuntze 
Revis.  gen.  pl.  III,  2  (1898),  175  ( „launayaefolms" )  und  die 
Plantaginei  Harvey  in  Harv.  &  Sonder  Fl.  Cap.  III  (1864—65),  348, 
scheinen  sich  durch  Kahlheit  oder  nur  spinnwebig-filzige  (nicht  aber 
drüsige)  Behaarung  zu  unterscheiden. 

BASUTOLAND:  ohne  Fundort,  1903,  Dieterlen  (Herb.  Mont- 
pellier). 


2. 
Beiträge  zur  Kenntnis  der  Schweizerflora  (XII]. 

Beiträge  zur  Adveutivflora  der  Schweiz  (II) 

von 
A.  Thellung  (Zürich). 


Die  folgende  Zusammenstellung  schliesst  sich  als  Fortsetzung 
an  meinen  1907  (Vierteljahrsschrift  der  Naturf.  Ges.  Zürich  LH, 
434—473)  unter  dem  gleichen  Titel  erschienenen  ersten  Beitrag  an. 
Die  Auswahl  neuer  Adventivfunde  zur  Publikation  erfolgte  wieder 
nach  ähnlichen  Gesichtspunkten;  berücksichtigt  werden  neben  den 
für  das  Gebiet  neuen  Arten  in  der  Hauptsache  nur  die  seltener 
auftretenden  Adventivpflanzen,  die  im  I.  Teil  der  3.  Auflage  der 
„Flora  der  Schweiz"  von  Schinz  und  Keller  (1909)  nicht  aufge- 
führt sind.  Die  Abgrenzung  des  Gebietes  ist  dieselbe  wie  bei  dem 
genannten  Werk,  d.  h.  ausser  dem  Territorium  der  Schweiz  selbst 
werden  auch  die  anstossenden  Teile  Frankreichs,  Deutschlands, 
Österreichs  und  Italiens  berücksichtigt.  Meine  Publikation  fusst  auch 
dieses  Mal  wieder,  neben  noch  unpublizierten  Vorkommnissen  im 
Herbarium  Helveticum  der  Universität  Zürich,  zum  grössten  Teil 
auf  den  Sammlungen  einiger  schweizerischer  Floristen,  die  mir  in 
dankenswerter  W^eise  ihre  Funde  zur  Bestimmung  bezw.  Revision  und 
Veröffentlichung  überliessen,  nämlich  der  Herren  Dr.  A.  Bin z -Basel, 
B.  Branger  -  St.  Moritz,  M.  Candrian  -  Samaden,  Dr.  H.  Fischer- 
Sigwart-Zofingen,  H.  Gams-Zürich,  H.Lüscher-Muri,Dr.R.Probst- 
Langendorf  (Solothurn),  Dr.  W.  R)^tz-Bern,  A.  Schnyder-Buchs  und 
W.  Werndli- Zürich.  Ein  Teil  der  Funde  von  Basel,  Solothurn  und 
Buchs  (St.  Gallen),  sowie  die  Adventivfunde  von  Arosa  (Graubünden), 
sind  bereits  erwähnt  in  folgenden  Publikationen: 

Binz,  A.  Neuere  Ergebnisse  der  floristischen  Erforschung  der 
Umgebung  von  Basel.  Verh.  Naturf.  Ges.  Basel  XXI  (1910),  126  bis 
144  (Adventivpflanzen  S.  143—144). 

Lüscher,  H.  Zweiter  Nachtrag  zur  Flora  des  Kantons  Solo- 
thurn. AUg.  bot.  Zeitscljr.  XVI  (1910),  72—73,  88—90,  122—123, 
138—141. 

Murr,  J.  Beiträge  zur  Flora  von  Vorarlberg,  Liechtenstein  und 
des  schweizerischen  Grenzgebietes.  45.  Jahresber.  des  Museums- Ver. 
Bregenz  1907  (1909),  283—304. 


270  Hans  Schinz. 

Murr,  J.  Weitere  Beiträge  zur  Flora  von  Vorarlberg  und 
Liechtenstein.  55.  Jahresber.  d.  k.  k.  Staatsgymnasiums  Feldkirch, 
1909—10  (1910),  3—32. 

Murr,  J.  Zur  Flora  von  Vorarlberg,  Liechtenstein,  Tirol  und 
dem  Kanton  St.  Gallen  (XXIV).  Allg.  bot.  Zeitschr.  XVI  (1910), 
185-189. 

Schnyder,  A.  Beiträge  zur  Flora  der  Kantone  St.  Gallen  und 
Appenzell  (Buchs  und  Umgebung)  aus  den  Jahren  1905 — 1909. 
Jahrb.  d.  St.  Gall.  Naturw.  Ges.  1908/09  (1910),  282-294. 

Thellung,  A.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Flora  von  Arosa,  B. 
Adventivflora.  Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich  LV  (1910), 
281—286. 

Die  Aufsätze  von  Prof.  Dr.  J.  Murr -Feldkirch  enthalten  ausserdem 
zahlreiche  interessante  Adventivfunde  aus  Liechtenstein  und  dem 
Vorarlberger  Grenzgebiet  der  Schweizerflora.  Unter  den  Adventiv- 
fundstellen der  Schweiz  machen  sich  auch  jetzt  wieder  zwei  Lokali- 
täten bei  Solothurn  hinsichtlich  der  Reichhaltigkeit  ihrer  exotischen 
Flora  den  ersten  Rang  streitig:  die  Solothurner  Malzfabrik  und 
die  von  ihr  mit  Pflanzenkeimen  versehenen  Schuttstellen  bei  „Schön- 
grün"  und  „Baseltor",  wo  aus  Abfällen  (Kehricht)  von  ungarischem, 
südrussischem  und  türkischem  Getreide  (Gerste  und  Hafer) 
orientalische  Unkräuter  aufzugehen  Gelegenheit  haben,  und  die 
Kammgarnfabrik  von  Derendingen  bei  Solothurn,  wo  vorzugs- 
weise australische  Schafwolle  zur  Verarbeitung  gelangt;  die 
Komposthaufen  an  dieser  letztgenannten  Lokalität  weisen  neben 
spezifisch  australischen  Pflanzen  auch  mediterrane  und  amerikanische, 
in  Australien  eingebürgerte  Arten  {Medicago,  Erigei^on  crispus, 
Xanthium  sjnnosum,  Bidens  inimitus)  auf,  die  wir  also  in  der 
Schweiz  auf  weitem  Umweg  erst  aus  zweiter  Hand  erhalten  haben. 
Auch  die  schon  früher  bekannte  Lokalität  „Neue  Welt"  bei  Basel 
hat  wieder  einige  Novitäten  geliefert;  endlich  kommt  dem  Bahnhof 
von  Buchs  (Rheintal)  dank  seiner  Rolle  als  Eingangspforte  für  den 
osteuropäischen  Güterverkehr  vom  adventivfloristischen  Standpunkt 
eine  stetig  steigende  Bedeutung  zu. 


Die  für  das  Gebiet  neuen  Arten  sind  fett  gedruckt.  Mit 
einem  Stern  [^)  sind  diejenigen  Spezies  bezeichnet,  die  einerseits  in 
Kochs  Synopsis  ed.  2  (1843  —  45)  fehlen,  anderseits  in  den  Arbeiten 
Höcks:  „Ankömmlinge  in  der  Pflanzenwelt  Mitteleuropas  während 
des   letzten    halben   Jahrhunderts"    X    (Zusammenfassung)     in    Beih. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).        271 

Bot.  Zentralbl.  XVIII,  2.  Abt.  (1905)  und  ,Neue  Ankömmlinge  in 
der  Pflanzenwelt  Mitteleuropas"  in  Beih.  Bot.  Zentralbl.  XXVI  (1910) 
Abt.  II,  391—433  —  noch  nicht  genannt,  also  als  für  Mitteleuropa 
neu  zu  betrachten  sind. 

Andropogon  halepensis  (L.)  Brot.  {Sorghum  halejjense  Pers.;  Mediterr.,  ur- 
sprünglich heimisch  wohl  nur  im  Orient).  —  Kiesgrube  Hardau  in  Zürich  III, 
1906,  Bucher!,  1908,  Werndlü,  1911,  Thellung;  Solothurn,  Baseltor,  1909, 
Probst!  (vergl.  Lüscher  in  Allg.  bot.  Zeitschr.  XVI  [1910],  140);  Tosters 
(Vorarlberg):  Murr  in  55.  Jahresber.  Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10  (1910),  6. 

Tragus  racemosus  (L.)  All.  var.  *erectus  Doli  in  Mart.  Fl.  Brasil,  (mit  aufrechtem 
Stengel)  (subtropische  Gegenden,  zunächst  in  N.-Afr.).  —  Kammgarnfabrik 
Derendingen  bei  Solothurn,  1907,  Lüscher!,  Probst!  (vergl.  Lüscher  in  Allg. 
bot.  Zeitschr.  XVI  [1910],  140). 

Panicum  x)roliferum  Lam.  (Tropen)  var.  decompositum  (R.Br.)  Thell.  (1907) 
f.  /iavescetis  Lüscher  in  Allg.  bot.  Zeitschr.  XVI  (1910),  140  (Ährchen  gelblich- 
grün). —  Derendingen  (Solothurn),  mit  der  Var.,  1907:  Lüscher  1.  c. 

Phalaris  canariensis  L.  (W.-Medit.)  var.  siibcylindrica  Thell.  n.  var.  (spica 
graciliore  elongata,  crassitie  sua  3 — 4  plo  [in  statu  compresso  plus  duplo] 
longiore.  Ährenrispe  schlanker,  verlängert,  3 — 4  mal  [gepresst  mehr  als  doppelt-] 
so  lang  als  dick;  daher  Habitus  von  Ph.  brachystachys  Link  oder  Ph.  trun- 
cata  Guss.).  —  Kiesgrube  Hardau  in  Zürich  III,  1910,  Thellung.  [Auch  auf 
Schutt  in  Freiburg  i/B.,  1905,  Thellung.] 

Phalaris  coerulescens  Desf.  (W.-Medit.,  Griechenland).  —  Malzfabrik  und  Schön- 
grün bei  Solothurn,  in  Menge,  1910,  Probst! 

Anthoxanthum  aristatum  Boiss.  (Mediterr.).  —  Solothurn,  Baseltor,  1909,  Probst! 

*Stipa  cf.  verticillata  Nees  det.  Hackel  {St.  micrantha  Bentham  Fl.  Austral. 
ex  p.,  non  Cav. ;  Austral.).  —  Kammgarnfabrik  Derendingen  bei  Solothurn 
(australische  Schafwolle),  1907,  Probst! 

*Stipa  scabra  Lindley   (Austral.).    —    Derendingen  bei   Solothurn,   auf  Kompost 

(austral.  Schafwolle),  1910,  Probst! 
Phleum  graecum   Boiss.   et  Heldr.   (O.-Mediterr.).    —    Am  Tessin  bei  Bellinzona, 

1905,  M.  Jäggli!  (=  Phl.  arenarium  Chenevard  Cat.  pl.  vasc.  Tessin  [1910], 

77  —  non  L.);  Buchs,  Feldweg,  1906,  Schnyder!;    Schöngrün  bei  Solothurn, 

1910,  Probst! 
Älopecurus  utriculatus  (L.)  Solander  (Mediterr.,  W.-Eur.).  —  Bei  Münchenbuchsee 

verschleppt^  1880,  Schneider!;  Bahnhof  Buchs,  1905,  Schnyder!;  ,Kastanien- 

baum"    in    Luzern    (ca.    1909),    Volkarl!;    Kappeli-Altstetten   (Zürich),    1910: 

H.  Gams. 

*  Älopecurus  setarioides  Gren.  Fl.  Massil.  adv.  (1857),  43  in  Mem.  Soc.  Emul. 
Doubs  ser.  3,  II  (1858),  459.  —  Heimat  unbekannt  (Orient?);  einmal  adventiv 
in  den  Wollwäschereien  von  Marseille.  Über  die  Unterschiede  von  dem  ver- 
wandten A.  anthoxanthoides  Boiss.  vergl.  Grenier  1.  c.  44. 

var.  (?)  juvenalis  Hackel  et  Thell.  in  Thell.  Fl.  adv.  Montpell.  (ined.) ').  —  Früher 
im  Port-Juvenal  bei  Montpellier  adventiv  gefunden;  urwüchsig  bis  vor  kurzem 
unbekannt.  —  Malzfabrik  Solothurn,  1910,  Probst! 

*)  Mem.  Soc.  sc.  nat.  Cherbourg  1911,  p.  100  (noch  nicht  ausgegeben).  — 
Syn.:  A.  neglectus  Aznavour  in  Magyar  bot.  Lapok  X  (1911),  No.  8—10  (Aug.-Okt.), 
277,  t.  II!  (Heimat:  Konstantinopel). 


272  Hans  Schinz. 

Sporobolus  indicus  (L.)  R.Br.  (Sp.  tenacissimus  [L.  f.]  Pal. ;  tropische  und 
wärmere  subtrop.  Gebiete,  auch  Australien).  —  Derendingen  (Solothurn), 
Kammgarnfabrik  (australische  Schafwolle!),  1909/10,  Probst! 

Polypogon  monspeliensis  (L.)  Desf.  (Medit.  u.  vielfach  verschleppt  in  wärmeren 
Zonen).  —  Schöngrün  bei  Solothurn,  1910,  Probst!;  Feldkirch  gegen  Tosters 
(Vorarlberg),  1910:  Murr  in  allg.  bot.  Zeitschr.  XVI  (1910),  189. 

* Calamagrostis  retrofracta  (Willd. !)  Link  1833  [Avejia  filiformis  Forster! 
1786  [non  Cälamagrostis  filiforniis  Griseb.  1868];  Deyeuxia  Forsteri 
[A.  Rieh,  sub  Agrostide]  Kunth !  1829;  Cälamagrostis  Forsteri  Steudel  1840'). 

—  Austral.,  Neu-Seeland).  —  Derendingen  bei  Solothurn.  auf  Kompost  (austral. 
Schafwolle),  1910,  Probst!  —  (Wurde  auch  schon  bei  Montpellier!  und  bei 
Hannover  2)!  adventiv  gefunden.) 

Avena  fatua  L.  var.  glabrata  Peterm.  (Deckspelze  auf  dem  Rücken  i  kahl, 
Callus  der  Blüten  mit  einem  Kranz  ziemlich  langer,  ca.  V*  der  Länge  der 
Deckspelze  erreichender  Borstenhaare) :  Gütei-bahnhof  Zürich  III,  1911,  Thellung. 

—  Var.  hyhrida  (Peterm.)  Ascherson  {A.  sativa  X  fatua  A.  vilis  A.  u.  G. ; 
Deckspelze  ebenfalls  ±  kahl,  Callus  mit  einem  Kranz  sehr  kurzer,  den  Grund 
der  Blüte  kaum  überragender  Haare):  mit  der  vorigen  Var.,  1911,  Thellung. 

—  Var.  transiens  Hausskn.  (.4.  sativa  X  fatua  B  transiens  A.  u.  G.). 
Blüten  sich  nicht  freiwillig  ablösend,  mit  rundlicher,  schwach  schief  gestellter 
Abgliederungsfläche;  sonst  in  Farbe,  Begrannung  und  meist  auch  Behaarung 
wie  bei  typischer  A.  fatua.  —  Bahnhof  Buchs,  1910,  Schnyder!;  Morcote 
(Tessin)  und  Güterbahnhof  Zürich  III,  1911,  Thellung. 

Avena  sativa  L.  var.  subuniflora  (Trabut!  1910  sub  A.  fatua)  Thell.  (Blüten 
kahl  und  festsitzend,  wie  bei  A.  sativa,  aber  die  untere  mit  kräftiger,  gedrehter 
und  geknieter  Granne,  wie  bei  A.  fatua,  die  zweite  Blüte  kleiner  und  wehrlos). 

—  Bisher  nur  aus  Algier  (Trabut!)  angegeben;  ganz  ähnlieh  auch:  Gibswil 
(Kt.  Zürich),  unter  kultiviertem  Rispenhafer,  1898,  G.  Bucher!;  Güterbahnhof 
Zürich,  1911,  Thellung. 

Avena  sterilis  L.  (Mediterr.).  —  Im  Güterbahnhof  Zürich  1910/11  in  einem  ausge- 
dehnten Bestand,  wie  kultiviert!  (Thellung);  zwischen  Castagnola  und  Gandria 
(Tessin),  1911,  Thellung.  —  Var.  calvescens  Trabut  et  Thell.  var.  nov. 
(Deckspelzen  +  kahl;  Callus  der  beiden  unteren  Blüten  lang  borstig  zottig): 
Güterbahnhof  Zürich,  1911,  Thellung.  —  'S>s^.'*lMdoviciana  [Dm.)  Gillet  et 
Magne :  Hardplatz  in  Zürich  III,  beim  Zugang  zum  Güterbahnhof,  1903,  Thellung. 

*  Avena  byzantina  C.  Koch!  1848  {A.  algeriensis  Trabut!  in  Bull.  Agric.  Alger. 
Tunis.  16^  annee  [1910],  354—358;  Kulturrasse  der  mediterranen  A.  sterilis 
L.)3).  —  Tiefenbrunnen  bei  Zürich,  auf  Schutt,  1899,  Thellung  (—  A.  sativa 
NaegeU  u.  Thell.  in  Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich  L  [1905],  241  ex  p.); 
Güterbahnhof  Zürich  III  (mit  A.  sativa  und  sterilis),  1910/11,  und  Kiesgrube 
Hardau  in  Zürich III,  1911,  Thellung;  Arosa  (Graubünden),  Schutt  am  Obersee 
(1750  m),  1908,  Thellung  (in  der  Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich  LV 
[1910],  282  irrig  unter  A.  sativa  aufgeführt);  Bironico  (Tessin),  ungebaute 
Orte,  1903,  M.  Jäggli!  (Herb  .Helv.  Univ.  Zürich) ;  Morcote  (Tessin),  Strassenrand, 
1909,  1911  (mit  A.  sativa),  Thellung;  ob  an  den  beiden  letztgenannten 
Lokalitäten  eingeschleppt  oder  aus  der  Kultur  in  der  Gegend  selbst  verwildert? 


')  Näheres  über  die  Nomenklatur  dieser  Art  wird  in  meiner  demnächst  er- 
scheinenden , Flore  adventice  de  Montpellier"  mitgeteilt  werden  (Mem.  Soc.  sc.  nat. 
Cherbourg  1911,  p.  103—105,  noch  nicht  ausgegeben). 

2)  Döhrener  Wollwäscherei  bei  Hannover,  1893  (Herb.  BeroL,  indet.). 

^)  Näheres  über  diese  Spezies  siehe  in  dem  nachfolgenden  Aufsatz  über  die 
Saathafer-Arten. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).        273 

■  Dnnthonia  raceniosa  R.  Br.  (Austral.)  —  Derendingen  bei  Solothurn,  auf 
Kompost  (austral.  Sciiafwolle),  1910,  Probst! 

JSleusine  tristachya  (Lam.)  Kunth  {E.  oligostachya  Link;  S.  Am.,  eingebürgert 
auf  den  Azoren,  in  Spanien  und  Italien).  —  Unkraut  im  botan.  Garten  Zürich. 
1902,  Schinz! 

Eragrostis  abyssinica  (Jacq.)  Link  (tropisch-afrikanische  Unterart  von  E.  pilosa 
[L.]  Pal.).  —  Zwischen  St.  Jakob  und  „Neue  Welt"  bei  Basel,  1908,  P.  Vosseier! 
(vergl.  Binz  in  Verh.  Naturf.  Ges.  Basel  XXI  [1910],  143). 

Kceleria  phleoides  (Vill.)  Pers.  (Mediterr.).  —  Schöngrün  bei  Solothurn,  1910, 
Probst! 

Vidpia  Myuros  (L.)  Gmelin  var.  sübuniglumis  Hackel  (cf.  A.  et  G.  Syn.  II,  2, 
557  [1901]).  —  Schöngrün  bei  Solothurn,  1910,  Probst! 

Vtilpia  geniculata  (L.)  Link  (W.-Mediterr.).  —  Ruchfeld  bei  Basel,  1903, 
Binz!  (vergl.  Verh.  Naturf.  Ges.  Basel  XXI  [1910],  143). 

Bromus  erectus  Hudson  var.  longiflorus  (Willd.)  Pari.  (=  Br.  laxus  Hornem.).  — 
Bahnhof  Buchs,  1910,  Schnyder!  (wohl  adventiv;  bis  jetzt  aus  Deutschland, 
Österreich  und  Italien  bekannt). 

Bromus  racemosus  L.  (Zentr.-Eur.,  doch  in  der  Schweiz  nur  adventiv).  —  Arosa 
(Graubünden),  Schutt  beim  Schulhaus,  1908,  Th eilung,  teste  Volkart  (vergl. 
Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich  LV  [1910],  282). 

Bromus  arvensis  L.  var.  hyalinus  (Schur)   A.  u.  G.   (südeuropäische   Rasse).   — 

Solothurn,  Malzfabrik  (sehr  typisch!),  1909,  Probst! 
Bromus  intermedius  Guss.  (Mediterr.).  —  Aubonne,  champs,  1887,  Favrat!  (als 

Br.  x)atulus). 
Brom.us   macrostachys   Desf.    (Mediterr.).    —    Strasse    Beinwil-Reinach    (Aargau), 

verwilderte  Zierpflanze,  1908,  Jos.  Meier! 
Bromus  briziformis  Fischer  et  Meyer  (SW.-As. ;  auch  Zierpflanze).  —  R.  Birs- 

ufer  bei  St.  Jakob  b.  Basel,  1907,  P.  Vosseier!  (Herb.  Binz). 
Haynaldia  villosa  (L.)  Schur  {Triticum  villos-mn  M.  Bieb. ;  Mediterr.).  —  Basel,  an 

der  Verbindungsbahn  zwischen  Hai'd-  und  Gellertstrasse,  1908,  P.  Vosseier! 
Triticum  ovatum  (L.)  Raspail   (Mediterr.).    —    Der  Fundort  Ascona  im  Kt.  Tessin 

[Scriba  in  Ber.   d.   Deutsch,   bot.  Gesellsch.  VIII  (1890),  (173)]   ist  sicherhch 

—  entgegen  der  Auffassung  von  Aschers on  u.  Graebner  (Syn.  II,  704  [1902])  — 

nicht  mehr  zum  natürlichen  Areal  der  Art  zu  rechnen. 
Triticum  cylindriciim  (Host)   Ges.,  Pass.  et  Gib.  (SO.-Eur.,  SW.-As.,  N.-Afr.).    — 

Gäsi  (Linthdelta)  bei  Weesen,  1911,  M.  Vischer! 
Hordetim  biUbosuni  L.  (Mediterr.).  —  Solothurn,  Schutt  beim  Transformatoren- 
haus (Abfälle  von  der  Malzfabrik),  1908,  und  bei  der  Malzfabrik,  1910,  Probst! 
Hordeum  marinum  Hudson  (SW.-Eur.,  Medit.)   ssp.  Gussoneanum  (Pari.)   Thell. 

(S.-Eur.).  —  Bahnhof  Buchs,  1910,  Schnyder! 
Hordeum  jubatum  L.   (N.-  u.  S.-Am.,  Sibir.).    —    Islas  hinter  Kurhaus  St.  Moritz, 

Schutt,  1910,  B.  Branger! 
Hordeum.  Caput  Medusae   (L.)   Cosson  (Medit.)   ssp.  asperum   (Simonkai)   Degen 

(SO.-Eur.).  —  Schöngrün  bei  Solothurn,  1910,  Probst! 
JElymtts  canadensis  L.  (N.-Am.).    -  Orbe,  adventice  dans  les  empierrements  de 

la  riviere,  1894.  Moehrlen!  (als  E.  sabulosus  M.  B.). 


^74  tJans  Schinz. 

* Arundinaria  japonica  Sieb,  et  Zucc  [Phyllostachys  hambusoides  Hort., 
non  Sieb,  et  Zucc. ;  Japan).  —  Verwildert  bei  Paradiso-Lugano,  1907,  Rohrer! 

*  Phyllostachys  äff.  batnbusoides  Sieb,  et  Zucc.  (Japan)  i).  —  Sumpfige  Stellen 
an  einem  Bachufer  bei  Agnuzzo-Muzzano,  1903,  J.  Bär!  (=  Phyllostachys 
hambusoides  Schinz  u.  Keller  Fl.  d.  Schweiz  ed.  2,  II  [1905],  400);  verwildert 
an  einer  Mauer  in  Grucivaglio  (Bez.  Lugano,  Tessin),  1910,  H.  Garns! 

Tradescantia  virginica  L.  (Zierpflanze  aus  N.-Am.).  —  Schutthaufen  bei  Erlen- 
bach (Zürich),  1908:  Eug.  Fischer  nach  Schinz  mscr. 

Juncus  tenuis  Willd.  (Am.).  —  Graubünden:  Maienfeld,  gegen  die  Eisenbahnbrücke, 
1908,  Jos.  Braun!  —  Liechtenstein:  Wald-  und  Wiesenwege  von  Ruggel  nach 
Schellenberg:  Murr  in  Allg.  bot.  Zeitschr.  XIV  (1908),  136. 

Sisyrinchium  angustifolium  Miller  (N.-Am.).  —  Istein  bei  Basel,  Buxtorf! 
(Herb.  Binz).  —  An  der  111  bei  Frastanz  (Vorarlb.):  L.  Atzwanger  nach  Murr 
in  45.  Jahresber.  d.  Museums- Ver.  Bregenz  1907  (1909),  296;  weitere  Fundorte 
im  Vorarlberg:  Murr  in  55.  Jahresber.  Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10  (1910),  8. 

Tritonia  crocosvniiflora  (Lemoine)  Voss  (=  Tr.  aurea  X  Pottsii  A.  et  G. 
=  Tr.  Pottsii  X  aurea  Voss;  Gartenbastard,  dessen  beide  Eltern,  Tr.  aurea 
Pappe  und  Tr.  Pottsii  [Baker]  Bentham,  aus  S.-Afr.  stammen).  —  Schöngrün 
bei  Solothurn,  auf  Schutt,  1910,  Probst! 

JPopulus  balsamifera  L.  (N.-Am.).  —  Areuse-Ufer  bei  Couvet  (Neuchätel),  teil- 
weise verwildert,  1910,  C.  Wirth! 

JPopulus  candicans  Aiton  (N.-Am.).  —  Wollmatingerried  längs  des  Mühlegrabens, 
durch  Stockausschläge  bezw.  Ausläufer  sich  vermehrend,    1909,  E.  Baumann! 

*Quercus  rubra  L.  (atlant.  N.-Am.).  —  „Verwildert"  bei  Wädenswil  (Zürich): 
Haus  er  in  Ber.  Schweiz,  bot.  Ges.  XVII  (1908),  253  b;  Sangenwald  beim 
Wolfsberg  Ermatingen  vereinzelt,  1905,  E.  Baumann! 

Hutnulus  japonicus  Sieb,  et  Zucc.  (China,  Japan  und  benachbarte  Inseln).  —  An 
der  Sihl  gegenüber  dem  Sihlhölzchen  in  Zürich  III,  1899,  Thellung;  Bözingen 
(Solothurn),  Schutt,  1909,  Probst!,  Lü scher  in  Allg.  bot.  Zeitschr.  XVI 
(1910),  138;  Komposthaufen  am  Katzensee  bei  Zürich,  1910:  Hans  Schinz, 
6.  Schellenberg.  —  Schutt  gegen  Tosters  (Vorarlb.):  Murr  in  45.  Jahresber. 
d.  Museums-Ver.  Bregenz  1907  (1909),  295. 

*  Urtica  incisa  Poiret  (Austral.,  N. -Seeland;  ob  spezifisch  verschieden  von 
U.  dioeca  L.?).  —  Derendingen  bei  Solothurn,  auf  Kompost  (austral.  Schaf- 
wolle), 1910,  Probst! 


')  Nach  freundUcher  Bestimmung  und  Mitteilung  von  Prof.  E.  Hackel- 
Attersee  (III.  1911)  entspricht  unsere  Pflanze  der  Phyllostachys  mitis  Makino  in 
Bot.  Magaz.  Tokyo  XV  (1901),  68  —  non  Riviere,  nee  Bambusa  mitis  Poir.; 
—  Ph.  puhescens  Houzon  de  Lehaye ,  in  Le  Bambou  I  (1906),  38  —  vix  Mazel 
ibid.  p.  7 ;  =  Ph.  edulis  Houzon  de  Lehaye  1.  c.  p.  39  —  an  Bamhusa  edulis 
Garr.  ?  —  Einen  sicher  gültigen  Namen  für  unsere  Pflanze  konnte  mir  Prof.  Ha  ekel 
nicht  mitteilen,  wie  denn  überhaupt  die  Nomenklatur  und  die  Synonymie  der 
Bambuseen  —  hauptsächlich  infolge  der  Diskrepanz  zwischen  den  gärtnei'ischen 
und  den  wissenschaftlich  botanischen  Namen  —  äusserst  verwirrt  und  kompliziert 
sind.  Die  Pflanze  des  Tessin  unterscheidet  sich  von  der  echten,  in  Europa  nur  in 
den  Kew-Glashäusern  kultivierten  (Hackel  br.)  Ph.  hambusoides  Sieb,  et  Zucc! 
(von  der  im  Herb.  gen.  d.  Univ.  Zürich  authentische  Exemplare  aus  dem  Herb. 
Zuccarini  vorhegen)  hauptsächlich  durch  die  unterseits  weichhaarigen  Laubblätter 
und  die  auf  dem  Rücken  dicht  flaumige  Ligula. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich    (LVI).       275 

Polygonum  patulum  M.  Bieb.  (P.  Bellardii  auct.  rec.  non  AU.');  Mediterr., 
O.-Eur.,  W.-As).  —  Solothurn,  Turnschanze,  1906,  und  Schöngrün,  1<)10, 
Probst!;  Egelsee  (Kt  Schaffhausen),   1908,  Kelhofer! 

Polygonum  Orientale  L.  (SO. -As.).  —  Zwischen  St.  Jakob  und  „Neue  Well"  bei 
Basel,  1908,  P.  Voss e  1er! 

Polygonum  cuspidatum  Sieb,  et  Zucc.  (Gartenpflanze  aus  Japan).  —  Mehrfach 
verwildert  in  Vorarlberg:  Murr  in  55.  Jahresber.  Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10 
(1910),  10. 

*  Polygonum  cf.  polystachyuni  Wall.  (Himalaya).  —  Schuttplatz  an  der  Riet- 
gasse Rlieineck  (St.  Gallen),  1907,  E.  Sulger-ßuel!  Die  Pflanze  stimmt  mit 
P.  polystachyuni  leidlich  überein  mit  Ausnahme  des  Umstandes,  dass  die 
Blüten  gegenüber  den  Beschreibungen  (z.  B.  Hook  er  Fl.  Brit,  Ind.)  und  der 
Abbildung  bei  Wight  Ic.  t.  1807!  (sub  P.  molli)  etwas  zu  klein  und  die  Griffel 
im  Verhältnis  zum  Fruchtknoten  zu  lang  sind.  —  Die  gleiche  Form  erhielt  ich 
auch  schon  aus  einem  Garten;  die  Pflanze  von  Rheineck  ist  daher  wohl  als 
Kulturflüchtling  zu  betrachten. 

Chenopodium  striatum  (Krasan)  Murr  (Indien?,  0. -Asien?).  —  Zwischen  St.  Jakob 
und  , Neue  Welt"  bei  Basel,  190.3,  Binz! 

Chenopodium  urbicum  L.  (Eur.,  N.-Asien;  in  der  Schweiz  nur  vorübergehend 
verschleppt).  —  Rheinmühle  Chur,  1908,  J.  Braun!;  Biel,  Schutt  am  See, 
1909,  Probst! 

ChenojJodium  anibrosioides  L.  ssp.  suffriUicosum  (Willd.)  Thell.  in  Morot 
Journ.  de  Bot.  22^  annee  [2^  ser.,  t.  II]  (1909),  34  (als  Rasse)  {Ch.  anthel- 
minthicum  auct.  non  L.;  trop.  Am.,  eingebürgert  im  Mediterrangebiet  etc.).  — 
Derendingen  bei  Solothurn  (austral.  Schafwolle),  1910,  Probst! 

Chenopodium  fcetidum,  Schrader  (trop.  Ah-.,  Am.  ?).  —  Unkraut  in  zwei  Gärten 
von  Göfis  (Vorarlberg),  1910:  Murr  in  Allg.  bot.  Zeitschr.  XVI  (1910),  188. 

Atfiplex  oblongifoUmn  W.  K.  [A.  tataricu7n  auct.  nonnull.  non  L.;  N.-  und 
O.-Eur.,  W.-  u.  Zentr.-As.).  —  Bahnhof  Buchs  (St.  G.),  seit  1907  beständig, 
Schnyder!  (vergl.  Jahrb.  St.  Gall.  Naturw.  Ges.  1908/09  [1910],  285). 

Atriplex  sagittatum  Borkh.  1793  {A.  nitens  Schkuhr  1803;  O.-Eur.,  W.-  u. 
Zentr.-As.).  —  Kiesgrube  Hardau  in  Zürich  III,  1905,  Bucher! 

Atriplex  laciniatuin  L.  sec.  Ascherson  [A.  arenaria  Woods,  Tineo  non  H.  B.  K. ; 
A.  crassifolia  Gr.  Godr.  non  C.  A.  Meyer;  A.  Tornabeni  Tineo  sec.  Rouy, 
Coste.  —  Küsten  des  Mittelmeergebietes  und  von  W\-Eur.  bis  Dänemark  und 
N. -Deutschland).  —  Derendingen  (Solothurn),  Kompost  aus  australischer  Schaf- 
wolle (?!),  1909,  Probst! 

Atriiüex  tataricum  L.  sec.  Ascherson  (Mediterr.,  W.-As.).  —  Bahnhof  Buchs 
(Rheintal),  1908,  Schnyder! 

Ahnpleoc  litorale  L.  (wohl  Unterart  von  A.  patulum  L. ;  Küstenländer  und 
salzige  Stellen  in  Eur.  u.  As.).  —  ?  Tiefenbrunnen  bei  Zürich,  auf  Schutt,  ca. 
1899,  Thellung  (Bestimmung  nicht  ganz  sicher).  — Var.  rfenia^Mwi.  Hornem. 
(=  A.  serratum  Hudson;  A.  marinum  Koch  an  L.  ?) :  Bahnhof  Romanshorn, 
1909,  A.  Schnyder!  (det.  Murr). 

Suaeda  maritima  (L.)  Dumort.  (Küstenländer  von  Eur.,  As,.  N.-Afr.,  N.-Am.. 
Austrat.).  —  Schutt  gegen  Tosters  (Vorarlb.):  Murr  in  45.  Jahresber.  d. 
Museums-Ver.  Bregenz  1907  (1909),  294. 

>)  Vergl.  Rouy   Fl.  France  XII  (1910),  108.    P.  Bellardii  All.   Fl.  Pedem.  II 
(1785),  205  t,  90!  ist  =  P.  rurivagum  Jordam  =  P.  aviculare  L.  var. 


276  Hans  Schinz. 

Salsola  Kali  L.  var.  tenuifolia  Rchb.  (Binnenlandsform  der  in  den  gemässigten 
Zonen  kosmopolitischen  Küstenpflanze).  —  Kanal  Liestal-Schöntal,  1904:  Heinis 
nach  Fischer-Sigwart  (br.);  Güterbahnhof  Genf,  1907,  Jos.  Braun!;  Rhein- 
mühle Chur,  1908,  Jos.  Braun! 

Kochia  scoparia  (L.)  Schrader  (Asien;   in  S.-  u.  O.-Eur.  kult.  und  verwildert).   — 

Unkraut  im  Pfarrgarten  Kilchberg   (Z.),  wohl  aus  Vogelfutter  verwildert,   1910, 

E.  Baumann! 
Amarantus  retroflexus  L.  var.  Delilei  (Richter  et  Loret)  Thell.  (1907)  (besonders 

Medit. ;   doch  ursprünglich,   wie  der  Typus  der  Art,   wohl  aus   dem  trop.  Am. 

stammend).   —    Genf:  decombres  aux  Grands-Philosophes,  1879:  Ayasse  nach 

Deseglise  in  Bull.  Soc.  Sc.  Angers  (1880),  234;  Bahnhof  Wyla  (Zürich),  1908, 

Dekan  Baumann! 
Amarantus  albus  L.   (Trop.  Am. ;   eingebürgert  in  N.-Am.,  Medit.  etc.).   —  Basel, 

Bundesbahnhof,  1911,  Binz! 
Amarantus  blitoides  S.  Watson  (N.-Am.).  —  Thayngen  (Kt.  Schaffhausen),  Dorfweg, 

1908,  Kelhofer! 
Amarantus  spinosus  L.  (Trop.).  —  Kilchberg  (Z.),  Unkraut,  1911,  Dekan  Baumann! 
Tetragonia    expayisa   Murray    (Gemüsepfl.    aus    O.-As.,    Polynes.).    —    Landquart 

(Graubünden),  auf  Schutt,  1908,  J.Braun! 
Portulaca  grcindiflora  Hooker  (Argentin.,  Brasil. ;  Zierpflanze).  —  Schutthaufen 
•  bei   Nieder-Uster    (Zürich),    1905,    Werffelü;    Kies   beim   Bahnhof  Dübendorf 

(Zürich),  1909,  Thellung. 
Silene  italica  (L.)  Pers.  (Mediterr.).    —   Naturalise  en  plusieurs  points  des  Jordils, 

pres  Chambesy  (Geneve),   oü   cette  plante  n'a   cependant  jamais    ete   cultivee: 

Beauverd  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2^  ser.  VH  (1907),  160. 

*  Silene  Pseudo-Atocion  Desf.  (Alger.,  Balear. ;  ob  Zierpflanze  in  Mitteleuropa?).  — 
Sagens  (Bündner  Oberland)  auf  Schutt,  1901,  Candrian! 

Silene  dichotoma  Ehrh.  (SO.-Eur.,  SW.-As.)  f.  acaulis  (Roh.  Keller)  Thell. 
(S.  nutans  f.  acaulis  Rob.  Keller!  in  Bull.  Herb.  Boiss.  2^  ser.  III  [1903],  383). 
Stengel  fehlend,  Blüten  gleichsam  aus  der  Grundachse  entspringend.  —  Tessin: 
Olivone,  Flussgeschiebe,  1902,  R.Keller! 

Tunica  velutina  (Guss.)  Fischer  et  Meyer  (Mediterr.;  wird  von  Rouyu.  Foucaud 
als  Rasse  der  T.  x>rolifera  (L.)  Scop.  aufgefasst).  —  Solothurn,  Malzfabrik, 
1909,  Probst! 

Nigella  damascena  L.  (Mediterr.)  —  Sihlfeld  bei  Zürich,  1874,  Siegfried!; 
Oerlikon  und  Unter-Affoltern  (Zürich),  wohl  aus  Bauerngärten  verwildert,  1910: 
Gams. 

Delphinium  Orientale  Gay  (Mediterr.).  —  Aigle,  decombres,  1900,  H.  Jaccard!; 
Solothurn,  in  frisch  gesäter  Luzerne,  1908,  Probst!;  Rhein-  und  Neumühle 
Chur,  1908,  Jos.  Braun!;  Bahnhof  Buchs  (St.  Gallen),  1909,  Schnyder!; 
Frastanz  (leg.  Kaiser)  und  Tosters  (Vorarlberg):  Murr  in  55.  Jahresber. 
Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10  (1910),  12. 

Clematis  Viticella  L.  (S.-Eur.,  SW.-As.).  —  Insel  Reichenau  (Untersee),  im  Ufer- 
gebüsch beim  Genlishorn  in  Menge  verwildert:  E.  Baumann  (br.). 

Kanunculus  testiculatus  Crantz  (Ceratocephalus  orthoceras  DC;  O.-Eur., 
Medit.  bis  Zentr.-As.).  —  Bei  Pontresina:  Dr.  L.  Grosz  nach  Borbäs  in 
Termesz  Köslem  1898  p.  445  (Dr.  A.  v.  Degen  briefl.  an  Dr.  Rubel). 


Mitteilungen  aus  dem  hotan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         277 

*Adonis  microcarpus  DG.  (Medit. ;  eine  Var.  von  A.  dentatus  Del.).  —  Einzeln 

an  der  Illbrücke  bei  Frastanz  (Vorarlberg):  Kaiser  nach  Murr  in  ijö.  Jahresher. 

Staatsgynni.  Feldkirch   l<.)0y/10  (l'.)10),   12. 
Argemone  niexicana  L.  (Zentr.-Am.,  W.-Ind.;   advent.   in  N.-Am.,   Eur.,   Afr., 

As.  etc.)  var.  ochroleucci  (Sweet)  Lindl.  (Mexico,  Texas;  ZierpH.  in  Eur.).  — 

Derendingen  (Solothurn),  Gartenflüchtling,  1909,  Probst! 
Lepidium  Draba   L.    [ssp.   eu-Draba  Thell.]   var.   dentatum  ßaguet:   Neumühle 

Chur,    1908,   J.Braun!    —    Var.  subintegrifoUum    L.  Micheletti!    in  Bull. 

Soc  bot.  Ital.    1908,    86 — 87   (Stengelblätter  fast  oder  völlig  ganzrandig,    meist 

breiter  als  beim  Typus;  die  oberen  oft  herzeiförmig.  Ohrchen  der  Steiigelblälter 

stumpfer.     Italien:    Alessandria!    und    [weniger    charakteristisch]    Florenz).    — 

Delsberg,  auf  Schutt,   1910,  Probst! 
Lepidium  Draha  L.  ssp.  *chalepense  (L.)  Thell.  (SW.-As.)  var.  typicum  Thell.  — 

Getreidelagerhäuser    in    Brunnen,    1910,    Hans    R.  Schinz!    —    [Südbahnhof 

München,  1903,  G.  Hegü]  —  Neu  für  Europa. 
Lepidium  perfoliatum  L.  (Spanien  [eingebürgert],  (J.-Eur.,  SW.-As.).  —  St.  Moritz 

bei   einem    Pferdestall,    1900,    Branger!;    am   Ufer   der   Goldach   (St.  Gallen), 

1903:    Ikle   nach   Bächler   br.    an   Prof.  Schinz;    Rheinmühle   Chur,    1908, 

J.Braun!;    Sachsein  (Unterwaiden),  Bahndamm,  1909,    Frau  Ed.  Rärlocher! 
Lepidium    densiflorum    Schrader    (N.-Am.).    —    Bahndamm    Celerina    (Engadin), 

1905,    ß.   Branger!;     Schosshalde   Bern    1906,    Kirchenfeld    1907,    W.  Rytz! 

(vergl.   Fischer  Fl.   v.  Bern   8.  Aufl.  [1911],  81);    Bahndamm  bei  Sulz-Röthis 

(Vorarlberg):  Murr  in  55.  Jahresber.  Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10  (1910),  12. 
Lepidium  neglectum  Thell.  (N.-Am.).  —  Tourbillon  bei  Sitten,  1891,  0.  Naegeli!:: 

Bahndamm  Hombrechtikon  (Zürich),  -1894,  A.  Volkart! 
Lepidium  hyssopifolium  Desv.  em.  DC.  (Austral.).   —  Derendingen  bei  Solothurn, 

auf  Kompost  (austral.  Schafwolle),    1910,   Probst!    (die  typische  Form  der  Art 

mit  entfernt  gesägten  Laubblättern). 

'^Iberis  sempervirens  L.  (S.-Eur.,  Kl. -As.).  —  Rüdlingen  (Kt.  Schaffhausen),  an 
Rebbergmauern  verwildert,  1909,  Kelhofer,  Wirth! 

Myagrum  perfoliatum  L.  (S.-  u.  Zentr.-Eur.  [oft  advent.],  W.-As.).  —  Solothurn, 
Vorstadt,  1908,  Probst!;  Bahnhof  Chur,  1908,  J.Braun! 

Brassica  juncea  (L.)  Cosson  [Br.  lanceolata  Lange;  cf.  Thellung  in  Verb.  bot. 
Ver.  Brandenb.  L,  2  [1908],  151  seq.;  NO.-Afr.,  SW.-As.).  —  Feldkirch  gegen 
Tosters,  1910:  Murr  in  Allg.  bot.  Zeitschr.  XVI  (1910),  185. 

Brassica  elongata  Ehrh.  (Erucastrum  elongatmn  Rchb. ;  SO. -Eur.,  SW.-As.).  — 
Aigle,  auf  Schutt,  1910,  H.  Jaccard!  (Form  mit  ganzrandigen  oberen  Stengel- 
blättern, dadurch  habituell  der  Br.  persica  Boiss.  genähert;  aber  Früchte  wie 
bei  typischer  Br.  elongata). 

Brassica  persica  Boiss.  [Br.  armoracioides  Gzern. ;  S. -Russland,  SW.-As.).  — 
Yverdon:  Cruchet  in  Bull.  Soc.  Vaud.  Sc.  nat.  XXXVIII,  No.  145  (1902),  333; 
Kiesplätze  am  frühern  Erdbeergraben  in  Basel,  1903,  Baumberger ! ;  Grabs 
(Rheintal),  bei  der  Strickermühle,  1908,  Schnyder!;  Neumühle  Chur,  1908, 
J.  Braun  ! ;  Lugano,  kiesige  Stelle  am  Seeufer  gegen  Castagnola,  1909,  Thellung. 

Sisymhrium  Orientale  L.  (Mediterr.)  var.  subhastatum  (Willd.)  Thell.  (1907).  — 
Basel,  an  der  Verbindungsbahn  zwischen  Hard-  und  Gellertstr.,  1908,  P.  Vosseier!; 
Bahnhof  Gäiisbrunnen  (Solothurn),   1909,  Probst! 

Vieiteljahrsschrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.     Jahrg.  56.     1911.  19 


278  Hans  Schinz. 

Sisymbrium   Loeselii   L.    (Span. ;    O.-Eur.,    W.-As.).    —    Surpunt    bei    St.  Moritz 

(Engadin),  1904,  Branger! 
* Arahis  rosea  DC.  (Zierpflanze;   siiditalienische  Ssp.  oder  Var.  von  A.  muralis 

Bertol.).  —  In  Menge  auf  den  Felsen  nördlich  von  Belle-Roche  bei  Neuchätel: 

Tripet  in  Le  Rameau  de  Sapin  XXXVIII  (1904),  :^6. 
Erysimum  repandum  L.  (Span.,  N.-Afr.,  SO.-Eur.,  W.-As.).  —  St.  Moritz-Salastrains, 

2000  m,  auf  Düngerstätte,   190.5,  Branger!;  Rhein-  und  Neumühle  Chur,  1908, 

J.  Braun!;    Arosa   gegen   Rüti,    1908,    Thellung    (vergl.   Vierteljahrsschr.   d. 

Naturf.  Ges.  Zürich  LV  [1910],  284);  Aktienbrauerei  Zürich,  1910:  H.  Garns.  — 

Var.  graciUpes   Thell.    (1907):    Bahnhof  Buchs  (Rheintal),    1908,    Schnyder! 

(vergl.  Jahrb.  St.  Gall.  Naturw.  Ges.  1908/09  [1910],  289). 
Erysimuvi    erysimoides   (L.)    Fritsch    {E.  pannonicum    Crantz;     E.    odoratum 

Ehrh.;  S.-,  Mittel-  u.  O.-Eur.).  —  Orbe,  1883,  Moehrlen! 
Alyssu}n  saocatile  L.   (O.-Eur.,    Kl. -As. ;    oft  Zierpfl.).    —    Eisenbahndamm   bei 

Suruva  (Engadin),  1908,  Candrian! 
Alyssiini  aff/enteum  All.  (Piemont,  SO.-Eur.,  S W.-As.).  —  Hertenstein  bei  Baden, 

auf  einer  Mauer  verwildert,  1910,  Schnyder! 
Älyssmn  campestre  L.  (Mediterr.).  —  Solothurn,  Baseltor,  1909,  Probst! 
Alyssum  liirsutum   M.  Bieb.   (SW.-As.).    —    Bei   Hörn   (St.  Gallen):   A.  Lampert 

1900  nach  Bächler  briefl.  an  Prof.  Schinz. 
Alyssum.  maritivium  (L.)  Lam.  (Mediterr.).    —    Palezieux  (VVaadt),  Schutt  bei  der 

Broie-Brücke,  1908,  P.  Vosseier!;  Bahnhof  Chur,  1908,  J.  Braun!;  Milchbuck 

Zürich  IV,  Gartenfiüchtling,  1910:  H.  Garns. 
Malcomia  maritima  (L.)  R.Br.  (Zierpflanze  aus  dem  östl.  S.-Eur.).    —    Wiese  bei 

Töss  (Winterthur),  1900,  A.  Liesch!-(Herb.  R.  Keller);  Kilchli  bei  Reigoldswil 

(Basel-Land)    auf  Schutt,    1909,    Th.  Probst!;    Küsnacht   (Zürich),    auf  Schutt, 

1909,  Oppliger! 
'*Mntthiola  oxtjceras  DG.  (N.-Afr.,  SW.-As.),  eine  Form  mit  sehr  kurzen  Giüffel- 

anhängseln  („Hörnern"),  der  M.  livida  (Del.)  DC.  genähert.  —    Baden  (Aarg.), 

Schutt,  1909,  Jos.  Weber!    [Langendorf  bei  Solothurn  als  Bienenpflanze,    1903, 

Probst!] 
Bunias  orientalis  L.  (S.-RussL,  W.-As ).  —  Villa  Viola,  St.  Moritz,  Fettwiese,  1910, 

B.  Branger! 
Chori.spora    tenella    (Pallas)    DC.    (S.-Russl.,    SW.-As.).     —    Turbenthal    (Zürich), 

Kiesgrube    am    1.    Tössufer,    1907,     H.    Kägi    jun. ! ;     Neumühle    Chur,     1908, 

Jos.  Braun!;     Bahnhof   Buchs    (Rheintal),    1908,    Schnyder!    (vergl.    Jahrb. 

St.  Gall.  Naturw.  Ges.  1908/09   [1910],    286);   Solothurn,   Mühle   Bartsch!,    1909, 

Probst! 
Reseda  alba  L.   (Mediterr.).    —    Insel   Reichenau   (Untersee),    Ufer  bei  Mittelzeil, 

1908/09,  E.  Bau  mann! 
Sarracenia   „piM^^^wrea   Michx."   Vergl.   A.  Ch[arpie]    in   Le  Rameau  de  Sapin 

43«  annee  (1909),  1«'"  sept.,  36.  Die  Pflanze  wurde  vom  Autor  1909  im  moorigen 

Wald  zwischen  Tavannes  und  Fuet  (Berner  Jura)  wieder  aufgefunden;  wie  eine 

Zeitungs-Umfrage  ergab,  war  sie  dort  von  Herrn  Cornu  in  Vevey  gesät  worden. 
Saxifraga  „canaliculata  Boiss.   et  Reuter"    bei   Thellung  in  Vierteljahrsschr.   d. 

Naturf.   Ges.   Zürich  LH    (1907),   450    ist    wohl    richtiger    als    S.  triftircata 

Schrader  (Spanien)  zu  bezeichnen  (die  Unterschiede  zwischen  den  beiden  „Arten" 

sind  mir  weder  nach  iler  Literatur   noch  nach  Herbarmaterial  klar  geworden). 

—  Z.  B.:  Hitzkirch  1907,  J.  Meier!;  Aarau  (Erdhaufen)  1911,  Ammann! 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  279 

Jtibes  aureuni  Pursli  (N.-Am.).  —  Kiest,'riibe  lieim  Balinhof  Eglisau,  lilOS. 
C.  Wirth! 

Physocarpus  opulifolius  (L.)  Maxim.  {Spiraea  opuUfoUa  L. ;  Zierpfl.  aus  N.-Am.). 

—  Bei  Greifensee  (Kt.  Zürich)  völlig  verwildert  zwischen  Myricaria,  Alnus  und 
Salix,  l'.llo,  H.  Gams! 

Spiraea  Japonica  L.  f.  (S.  callosa  Thunb. :  Japan,  China).  —  Verwildert  bei 
Frastanz  (Vorarlberg):  Kaiser  und  Murr  in  55.  Jahresber.  Staatsgymn  Feld- 
kirch lV»Oi»/lO  (1910),  14. 

Spiraea  chamaedryfoHa  L.  em.  Jacq.  {S.  ulmifolia  Scop. ;  O.-Eur.,  N.-  u.  O.-As.). 

—  Riese-Teufelskanzel  bei  Turbenthal  (Kt.  Zürich),    1907,   Kägü;    Mühlenthal- 
Schaff  hausen,  1909,  Kummer! 

Spiraea  hypericifolia  L.  (SW.-Eur.  [?],  S.-Russl..  W.-,  Zentr.-  u.  N.-As.).  — 
Mühlenthal-Schaff  hausen,  1 909,  Kummer! 

S/tiraca  obovata  W.  K.  (Span.,  Frankr.).  Von  A.  u.  G.  als  Rasse  der  S.  hyperici- 
folia L.  aufgefasst,  nach  C.  K.  Schneider  (111.  Handb.  der  Laubh. -Kunde)  jedoch 
gute  Art.  —  Abhang  Riese-Teufelskanzel  ob  Turbenthal  (Kt.  Zürich),  verwildert, 

1907,  Kägü 

*  Cotoneasfer  Simonsi  Baker  (Himalaya).  —  Wald  am  Ottlisberg  ob  Zollikon 
(Kt.  Zürich)  verwildert,   1910,  Thellung  (1  steriles  Exemplar). 

Cydonia  japonica  (Thunb.)  Pers.  [Chaenomeles  japonica  Lindley;  Zierpflanze 
aus  Japan  und  China).  —  Verwildert  in  einem  Gebüsch  bei  Archamps  am 
Saleve,  1903,  J.  Bär! 

Kerria  japonica  (L.)  DG.  (China,  Japan).  —  Halb  verwildert  in  Mauren  (Liechten- 
stein) und  Göfis  (Vorarlberg):  Murr  in  45.  .Jahresber.  d.  Mus.-Ver.  Bregenz, 
1907  (1909),  286. 

Potentilla  norvegica  L.  (X.-Eur.,  W.-  u.  N.-As.,  N.-Am.).    —    Ruchfeld  bei  Basel, 

1908,  E.  Suter!:  Rheinmühle  Chur  und  Bonaduz,   1908,  J.Braun! 

Potentilla  intermedia  L.  (Russl.).  —  Bahnhof  Buchs,  1909,  Schnyder! 

Cytisus  hirsidus  L.  ssp.  elongatas  (W.  K.)  Briq.  (S. -Frankreich  [ob  spontan?], 
Ungarn,  Serbien).  —  Genf:  Gebüsch  bei  Genthod,  verwildert,  1874,  Spiess! 

Lupiniis  polyphyllus  Lindley  (westl.  N.-Am. ).  —  Verwildert  bei  Töss  (Kt.  Zürich), 
1900.  Miethlich! 

^Tt'iyonella  spicata  Sibth.  et  Sm.  (Griechenland,  Krim,  KI. -As.,  Kaukas.).  — 
Solothurn,  Baseltor  (Schutt  von  der  Malzfabrik),  1909,  Probst! 

JMelilotus  indicus  (L.)  All.  (Mediterr.)  ssp.  Toinmasinii  (Jordan)  0.  E.  Schulz 
(östl.  Mittelmeergebiet  u.  Algerien).  —  Orbe,  adventiv  aus  Abfällen  von  Getreide 
aus  Bombay,  1883.  J.Vetter! 

Trifolium  resupinatum  L.  var.  majiks  Boiss.  (vorzugsweise  ostmediterrane 
Varietät).  —  Anlage  bei  der  Innbrücke  zu  Samaden,  1905,  Candrian! 

Trifolium  diffusum  Ehrh.  (S.-  u.  SO.-Eur.,  SW.-As.).  —  Erdbeergraben  in  Basel, 
1903,  Baumberger! 

Trifolium  echinatum  M.  Bieb.  {Tr.supinum  Savi;  SO.-Eur.,  SW.-As.).  —  Bahnhof 
Rlieineck,  1908,  Sulger-Buel! 

Trifolium  lappaceum  L.  (Mediterr.).  —  Bellinzona,  1907:  M.  Jäggli  nach 
Chenevard  Cat.  pl.  vasc.  Tessin  (1910),  293. 


280  Hans  Schinz. 

Galega  officinalis  L.  (S.-  u.  SO.-Eur.,  W.-As.)  f.  variegata  Thell.  n.  f.  (vexillo 
coeruleo,  alis  et  cariiia  albidis).  Fa?ine  blau,  Flügel  und  Schiffchen  weisslich. 
{G.  bicolor  Boiss.  et  Hausskn.  unterscheidet  sich  durch  Kelchzähne,  die  kürzer 
[statt  länger]  sind  als  die  Röhre).  Wohl  hie  und  da  im  Areal  der  Art,  aber 
an  Herbarexemplaren  oft  schwer  zu  konstatieren.  —  Langendorf  (Solothurn), 
in  einem  Hühnergarten,  1909,  Probst!  —  Die  häufigste  Form  der  Art,  bei  der 
alle  Kronblätter  gleichmässig  bläulich  gefärbt  sind,  mag  als  f.  COerulescens 
Thell.  n.  f.  bezeichnet  werden ;  die  rein  weissblütige  Form  ist  f.  alhiflora  Boiss. 

Caragana  arhorescens  Lam.  (Sibir.).  —  Verwildert  bei  Frastanz  (Vorarlberg) ; 
Murr  in  55.  Jahresber.  Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10  (1910),  14. 

Scorpiurus  subvillosus  L.  (Mediterr.).  —  Solothurn,  Baseltor,  1909,  Probst! 

Ornithopus  sativus  Brot.  (Spanien,  Portugal,  N.-Afr.).  —  Munter-Grenchen  (Solo- 
thurn), Haferfeld,  1909,  Lüscher! 

*Sedysai'um  tnultijuguni  Maxim.  (Zentr.-  u.  O.-As.).  —  Rheinfelden  (ver- 
wildert oder  nur  kult.?),  1909,  Schwere! 

Vicia  gi'andiftora  Scop.  (SO.-Eur.,  SW.-As.).  —  Var.  Seopoliana  Koch:  Bahnhof 
Buchs,  1905,  Schnyder!;  var.  Kitaibeliana  Koch  (=  V.  sorclida  W.  K.) : 
im  Koppel  ob  Rheineck  (St.  Gallen),  1899:  Güster  nach  Bächler  br.  an 
Prof.  Schinz;  Kiesgrube  Hardau  in  Zürich  III,  1909,  Werndli! 

Vicia  2')annonica  Crantz  (S.-  u.  O.-Eur.,  W.-As.).  —  Trimmis  (Graubünden),  1897, 
Volkart!;  Kirchenfeld  bei  Bern,  1907:  W.  Rytz  (br.). 

Lathyrns  annuus  L.  (Mediterr.).  —  Orbe:  Vetter  in  Bull.  Soc.  Vaud.  sc.  nat. 
XXII,  n.  95  (1886),  268—277;  Kiesgrube  Hardau  in  Zürich  III,  1909,  Thellung 
(neu  für  Zürich;  die  Angabe  in  Naegeli  u.  Thellung  Rud.-  u.  Adv.-Fl. 
Kt.  Zürich  [1905],  53  bezieht  sich  auf  L.  hierosolymitanus  Boiss.). 

Geraniuvi  macrorrhizmn  L.  (Zierpflanze  aus  dem  mittleren  Süd-  u.  SO.-Eur.).  — 
La  foret  des  Glees,  am  Fuss  der  Montagne  de  Boudry  (Neuenburg),  18812: 
anonyme  Notiz  nach  Aug.  Dubois  in  Le  Rameau  de  Sapin  44^  annee  (1910),  11 ; 
seit  einigen  Jahren  auf  einer  Mauer  in  St.  Blaise  (Neuenburg)  eingebürgert: 
Aug.  Dubois  (ibid.). 

Oxalis  corniculata  L.  var.  purpurea  Parlat.  (Zierpflanze).  —  Verwildert  in 
WaUisellen  (Zürich),  1910,  Thellung. 

Linuni  ausfriacum  L.  (SO.-Eur.,  SW.-As.).  —  Frastanz  (Vorarlberg),  1910: 
Kaiser  nach  Murr  in  Allg.  bot.  Zeitschr.  XVI  (1910),  186. 

Linwn  grandißot'uni  Desf.  (Zierpflanze  aus  Algerien).  —  Rechtes  Birsufer 
zwischen  St.  Jakob  und  „Neue  Welt"  bei  Basel,  1908,  P.  Vosseier! 

Euphorbia  maculata  L.  {N.- Am.).  —  Bahnhof  Valdomino,  Linie  Luino-Ponte  Tresa 
(Italien),  1909,  Thellung;  Bahnhof  Sins  (Aargau),  1910,  Lüscher!;  Garten 
der  Villa  Schöllhorn  an  der  Lindstrasse  in  Winterthur,  1910,  Thellung; 
Bahnhof  Bellinzona,  1911,  Thellung. 

Euphorbia  humifusa  Willd.  (W.-,  N.-  u.  O.-As.).  —  Unkraut  im  botan.  Garten 
der  Universität  Neuenburg  und  in  einigen  Privatgärten,  1910,  H.  Spinner! 
(vergL  Le  Rameau  de  Sapin,  44^  annee  [1910],  No.  3,  p.  11). 

Euphorbia  Esula  L.  (fast  ganz  Eur.,  W.-  u.  N.-As.).  —  Branson  (Wallis),  an  der 
Strasse  nach  Martigny  bei  der  Rhonebrücke,  1909,  Thellung. 

Euphorbia  pilosa  L.  {E.  procera  M.  Rieb.;  S.-  und  O.-Eur.,  W.-As.).  —  Vor- 
bahnhof Zürich,  1891,  R.  Rau! 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  281 

Euphorbia  graeca  Boiss.  et  Spruner  (Balkan,  Krim,  Kl.-As.)-  —  ,Chateau  d'Oex, 
1850,  Leresche"!  Ob  adventiv  oder  nur  kultiviert? 

*Ii7ins  CoHaria  L.  (Medit.).  —  Verwildert  und  eingebürgert  auf  Felsen  längs 
der  Bundesbahn-Linie  zwischen  Neuchatel  und  Serrieres:  H.Spinner  (br.)- 

Iiiipatiens  Roylei  Walpers  (/.  glanchdifera  Royle  1839  non  Arn.  1835;  /.  glanduli- 
gera  Lindley — Himalaya).  —  Birs  bei  Dornach  (Solothurn):  E.  Suter  nach 
Lüscher  in  Aljg.  bot.  Zeitschr.  XVI  (1910),  73;  Eichholz  bei  Weesen  seit  ca. 
1908  in  Menge,  zuerst  von  einer  Frau  Bühl  er  gefunden:  Mitteilung  von  Gärtner 
Trier  in  Weesen  an  Herrn  J.  Bär;  Unkraut  im  Garten  von  Hrn.  Trier  nach 
derselben  Quelle;  Mühletal  (Walensee,  Glarus),  verwildert  seit  1910,  J.  Bär, 
1911  Thellung. 

Vitis  Lahrusca  L.  (bekannte  Kulturpflanze  aus  N.-Am.).  —  Rechtes  Birsufer 
zwischen  St.  Jakob  und  „Neue  Welt"  bei  Basel,  1908,  P.  Vosseier! 

Abutilon  Avicennae  Gaertner  (SO.-Eur.,  N.-Afr.,  SW.-As.).  —  Unkraut  im  botan. 
Garten  Zürich,  1904.  Thellung. 

Lavatera  x>nnctata  All.  (Medit.).  —  Reigoldswil  (Basel-Land),  1910,   Th.  Probst! 

Althaea  rosea  (L.)  Cav.  (Balkan  und  Inseln)  var.  Sibt/iovpit  (Boiss.)  Fiori 
&  Paoletti  (Alcea  ficifolia  auct.  non  L. ;  Griechenland,  Kreta).  —  In  einer 
Wiese  ob  Vevey  verwildert,  1908,  Wicki! 

Media  ciHftpa  L.  (Gartenpflanze  von  zweifelhafter  Herkunft ;  vielleicht  eine  Kultur- 
form der  in  SO. -As.  heimischen  M.  rerticillata  L.).  —  Verwildert  in  Schaan 
(Liechtenstein):  Murr  in  55.  Jahresber.  Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10  (1910),  18. 

Malva  süvestris  L.  ^)  ssp.  anibiffua  (Guss.)  Eouy  et  Fouc.  (SW.-Eur.)  var.  mlcro- 
phylla  Rouy  et  Fouc.  —  Orbe,  1890,  Moehrlen! 

Malva  neglecfa  Wahr.  var.  bracJiypetiila  Uechtr.  ex  Fiek  Fl.  Schles.  (1881), 
78  (Kronblätter  kaum  länger  bis  l'/z  mal  so  lang  als  der  Kelch:  sonst  vom 
Typus  der  Art  nicht  verschieden,  von  M.  pusilla  With.  durch  die  Ausbildung 
der  Frucht  leicht  zu  unterscheiden).  —  Aus  Schlesien  beschrieben;  in  der 
Schweiz,  wie  auch  in  Süddeutschland  (z.B.  Bahnhof  Tübingen  1902,  Thellung), 
anscheinend  nur  adventiv.  —  Stauffacherbrücke  in  Zürich  III,  1903,  Thellung: 
ca.   1901  auch  zwischen  Römerhof  und  Dolder  (Zürich  V)  beobachtet. 

Malva  parviflora  L.  (Mediterr.),  —  Derendingen  bei  Solothurn   (Kompost  bei  der 

Malzfabrik),  1909,  Probst! 
Malva  pusilla  With.   {M.  horealis  Wallm.;   N.-Eur.,   W.-  u.  N.-As.).    —    Tosters 

(Vorarlberg),  1910:  Murr  in  Allg.  bot.  Zeitschr.  XVI  (1910),  186. 
Sida  spinosn  L.   (Tropen   beider  Hemisphären).    —    Gartenunkraut  in  Dornbirn 

(Vorarlb.):    Frl.  Hedwig  Windler  nach  Murr   in   45.  Jahresber.  d.  Museums- 

Ver.  Bregenz  1907  (1909),  286  (det.  Ascherson). 

Hibiscus  Trionum  L.  (Spanien  [eingebürgert],  SO.-Eur.,  SW.-As.;  gelegentlich 
wohl  auch  Zierpflanze).  —  Sihlfeld  bei  Zürich.  1874,  Siegfried!;  Zürich- 
Fluntern,  neue  Bergstrasse  unterm  Schulhaus,  1885,  Weilen  mann!;  Lindenbach- 
strasse in  Zürich  IV,  1907,  Werndlü;  Murg,  1909,  Schwere! 

Oenothe.ra  cf.  muricata  L.  (N.-Am.).  —  Bahnhofstrasse  in  St.  Moritz,  1905, 
Branger!  (ein  verkrüppeltes  Exemplar). 

')  M.  nicaeensis  All.  ist  aus  der  Adventivflora  der  Schweiz  zu  streichen. 
Die  Pflanze  von  Airolo  (1904,  leg.  Chenevard!  cf.  Bull.  Herb.  Boiss.  2^  ser.  V 
[1905],  329)  gehört  nach  den  vom  Autor  mir  freundlichst  zur  Revision  überlassenen 
Exemplaren  zu  M.  süvestris  L. 


2S2  Hans  Schinz. 

Oenothera   laciniata  Hill    1767   (Oe.  sinuata  L.    1771;   N.-   u.  S.-Am.).    —    Am 
Fabrikkanal   Liestal-Schöntal,    unterhalb    der    Bleiche   Liestal,    1903,    Heinis! 

(Herb.  Hinz);  Rheinmühle  Chur,  1908,  J.Braun! 
*  Oenothera  cf.   Whitneyi   A.  Gray  {Godetia  Whitneyi  T.  Moore ;  Zierpfl.,  Kali- 

forn.).    —    Oberdorf  bei   Solothurn,   auf  frisch   angesätem  Rasen   des  Wasser- 
reservoirs, 1910,  Probst! 
Gaura  Lindheimeri  Engelm.  (N.-Am.).    —   Basel.  Schutt  am  1.  Rheinufer  bei  der 

Johanniter-Fähre,  1897.  Binz! 
Aralia  chinensis  L.  (O.-As.)  var.  cawcsccws  (Franchet  et  Savatier)  G.  K.  Schneider 

{Dimorphanthus   elatus   Miq. ;    A.   chinensis   var.    elata    Sarg.).    —    Junge 

Exemplare  durch  Samenabfall  von  kultivierten  Bäumchen  zeitweilig  verwildert 

in  Bludenz  (Vorarlb.):    Murr   in  45.  Jahresber.  d.  Museums-Ver.  Bregenz  1907 

(1909),  289  (als  var.  elata  Miq.). 
Eryngiitm  2}l(^num  L.  (Ü.-Eur.,  W.-As.).  —  Bahnhof  Buchs,  1906,  Schnyder! 
Scandix   iberica    M.    Bieb.    (SW.-As.).    —    Maggimülile    in    Zürich    III.    1910,. 

Werndli! 
*ScancHoc   pinnatifida    Vent.    (Span.,    N.-Afr.,    SW.-As.).     —     Maggimühle    in 

Zürich  m,  1908,  Werndli! 
Torilis   arvensis  (Hudson)    Link  ssp.  neglecta  (Bremer   et   Schultes    pro   spec.) 

Thell.  (Medit.).  -  Ruchfeld  bei  Basel,  1903,  Binz! 
Bupleurum   lancifolium  Hornem.    (B.  siihovatum    Link,    B.  jirotractum    Hoff- 

mannsegg    &    Link;    Mediterr.).     —     St.    Imier    (Berner    Jura),    Schutt,     1908, 

Ganzonü;  Arosa  (Graubünden)  gegen  Rüti,    1908,   Thellung   (vergl.  Viertel- 

jahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich  LV  [1910],  285). 
Ammi  majus   L.   (Medit.)  var.  iutermedium   (DG.)  Gren.  et  Godron:    Dolder   am 

Zürichberg  (künstlicher  Rasenplatz),  1908,  Thellung. 
Daucus  mauritanicus  (L.V)  Lam.  {D.  maximus  DesL;  W. -Medit.  bis  Dalmat.).  — 

Feldkirch  gegen  Tosters  (Vorarlberg):  Murr  in  Allg.  bot.  Zeitschr.  XYI  (1910),. 

186  (als  D.  viaxiinus). 
*Cornus  capitata  Wall.  {Benthamia  fragifera  Lindley).   —   Himalaya,  China. 

—  Auf  einer  verwilderten  Landzunge  am  See  bei  Lugano,    1909:   J.  Mumen- 

thaler  nach  Fischer-Sigwart  (brietl.). 
* L/yshnachia  atropurpurea  L.  (S. -Balkan,  Kl. -As.).  —  Solothurn,  Schutt  beim 

Baseltor,  1910,  Probst! 
* Fraccimis  cf.  Willdenowiana  Kcehne  Deutsche  Dendrol.  (1893),  515  (F.  parvi- 

folia  Willd.  non  Lam.   nee  F.  excelsior   var.  j^^i'^vifolia  Dippel;  Zierpflanze 

unbekannter  Herkunft).   —  Bellach  (Solothurn),  am  Busletenbach  bei  der  Post 

(schon   um    1870   beobachtet),    1907,    Probst!    (von   Rikli   in   Ber.    d.    Zürch. 

Bot.  Ges.  X  [1907],  24  als  kleinblätterige  F.  excelsior  angesprochen). 
Periploca  graeca  L.  (SO.-Eur.,  SW.-As.).    —   Verwildert  bei  Ghambesy  (Genf) : 

Beauverd  in  Bull.  Soc.  bot.  Geneve  2^  ser.  II  (1910),  182. 
Asclepias  syriaca  L.  {A.  Cornuü  Decne. ;   Zierpflanze  aus  N.-Am.).   —  An  der 

alten  Landstrasse  in  Küsnacht  (Zürich),  1909,  Oppliger!  (für  die  Schweiz  noch 

nicht  als  verwildert  angegeben). 
Cotivolvulus  pubescens  (Lindley)  Thell.  {Calystegia  puhescens  Lindl. ;  Ghina).  — 

Baisthal  (Solothurn),  in  einem  Kartoffelackei-,   1909,  Probst! 
Pharbitis  piirpurea  (L.)   Voigt  (trop.   Am.).    —    Zwischen   St.  Jakob   und  „Neue 

Welt"  bei  Basel,  1908,  P.  Vosseier! 


Mitteilungen  aus  dem  hotan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LYI).         283 

Collomia  grandiflora  Douglas  (N.-Am.).  —  Gartenland  bei  Liestal,  1VKJ9,  Heinis! 

^  CifHOfflossmn  cf,  nebrodense  Guss.  (Medit.  ausser  Frankr.).  —  Bahnhof 
Zürich,  1876,  Siegfried!  (als  C.  officinale).  Die  Exemplare  weichen  von  der 
Mediterranpflanze  durch  üppigen  Wuchs  und  sehr  breite  Stengelblätter  stark  ab, 
was  sich  jedoch  vielleicht  durch  den  abnormen  Standort  erklären  lässt.  (Auch 
C.  creticum  Miller  [C.  jnctum  Alton]  wird  in  der  Kultur  in  Mitteleuropa  auf- 
fallend breitblätterig.) 

Cynoglosstnn  Wallichii  Don  (Himalaya).  —  Langendorf  (Solothurn),  Garten- 
flüchtling, 190y,  Probst! 

^Cynoglossum  glochidiatum  Wall."  (Hiraal.).  —  Klein-Döttingen  (Aargau),  ver- 
schleppt: Lüscher  in  Deutsche  bot.  Monatsschr.  XI  (1893),  84.  Dürfte  wohl 
gleichfalls  C.  Wallichii  G.  Don  sein. 

Omj)halodes  venia  Mönch  (SO.-Eur.).  —  Verwildert  in  Bendern  (Vorarlberg):  Glatzl 
nach  Murr  in  55.  Jahresber.  Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10  (1910),  23. 

Lappula  patida  (Lehm.)  Aschers.  (Spanien,  N.-Afrika,  S.-Russl,  SW.-As.).  — 
Solothurn,  Baseltor,  mit  L.  echiuata,  1909,  Probst!;  Bruggen  bei  St.  Gallen, 
1911,  A.  Heyer! 

Anchusa  ochroleuca  M.  Bieb.  (SO.-Eur.,  SW\-As.).  —  Yverdon:  Cruchet  in 
Bull.  Soc.  Vaud.  Sc.  nat.  XXXVIII,  No.  145  (1902),  333. 

Anchusa  BarrelieH  (All.)  Vitm.  (SO.-Eur.,  Kl.-As.).  —  Buchthaien  (Schaff  hausen), 

1909.  comm.  Kelhofer! 
Lycopsis  Orientalis   L.    (Spanien,    S. -Russland,    SW.-As.).    —    Rheinmühle    Chur, 

1908,  J.Braun!;  Solothurn,  Baseltor,  1909,  Probst! 
Nonnea  pulla  (L.)   DG.   (O.-Eur.,  W.-As.).    —    Paspels   (Domleschg,   Graubünden), 

1909;  Haldensteinerfeld  gegen  Felsberg  bei  Chur,  1908;  Glasaurer  Tobel  hinter 

Castiel  (Schanfigg,  1220  m),  1903,  Jos.  Braun! 
Nonnea   lutea   (Desr.)    Rchb.    (SO.-Eur.,    SW.-As.).    —    Elfenau    bei   Bern,    1907 : 

W.  Rytz  (br.). 

*Mertensia  Sibirien  (L.)  Don  (Sibir..  Altai;  Zierpflanze).  —  St.  Moritz,  Ab- 
lagerungsplatz, 1908,  Branger! 

■  Scutellai'ia  lateriflora   L.    (N.-Am.).    —    Schutt   bei   Bonaduz    (Graubünden), 

1899,  Candrian! 
Sideritis  montana  L.  (Mediterr.).    —    Yverdon:  Cruchet  in  Bull.  Soc.  Vaud.  Sc. 

nat.  XXXVIII,  No.  145  (1902),  333;  Rheinmühle  Chur,  1908,  J.  Braun! 
Salvia  nemorosa  L.  (S.  silvestris  auct.  non  L. ;  O.-Eur.,  W.-As.).    —    Langendorf 

bei    Solothurn,    Hühnergarten    (aus    Hühnerfutter    von    der    Malzfabrik),     1908, 

Probst!;  Felsberg  bei  Chur,  Steinbruch  am  Calanda,  1908.  J.Braun! 
Salvia  cf.  vir y ata  kiion  (SO.-Eur.,  SW.-As.).  —  Bahnhof  Buchs,  1904,  Schnyder! 
Mentha  Palegiuvi  L.  var.  hirsuta  (Perard)  Briq.  (in  der  Schweiz  nicht  heimisch; 

wohl    vorzugsweise   südliche  Abart).    —     Solothurn,    Baseltor    (Schutt   von   der 

Malzfabrik),  1909,  Probst!  (cf.  Lüscher  in  Allg.  bot.  Zeitschr.  XVI  [1910].  122). 
*OcifHuin  Basilicum  L.  (Gartenpflanze  aus  dem  trop.  As.  und  Afr.).  —  Binningen 

bei  Basel,  Schutt  im  Spiegelfeld,  1909,  P.  Vosseier! 
Physalis  peruviana  L.  var.  esculenta  (Sahsb.)  Fiori  Sc  Paoletti  (S.-Am.).  —  Biel. 

Schutt  am  See,  1909,  Probst! 
Capsicum   annuum   L.    (Kulturpflanze    aus  S.-Am.).    —    Binningen   bei   Basel 

Schult  im  Spiegelfeld,   1909,  P.  Vosseier! 


284  Hans  Schinz. 

Solanum  rostratum  Dunal  (N.-Am.).  —  Kleinhüningen,  1899,  Baumberger! 

Sölanuin  sisynibrUfolium  Lam.  (S.-Am.).  —  Schutt  zwischen  St.  Jakob  und 
„Neue  Welt"  bei  Basel,  1910,  Binz! 

Nicotiana  affinis  Moore  (Zierpflanze,  wohl  Varietät  der  brasilianischen  N.  alata 
Link  et  Otto).  —  Auf  Schutt  gegen  Tosters  (Vorarlberg),  1909:  Murr  in 
55.  Jahresber.  Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10  (1910),  24. 

Verbascuin  virgatum  W\ih.  (V.  blattarioides  Lam.;  W.-Medit.,  ferner  [wohl 
verschleppt]  in  Indien,  S.-Afr.,  S.-Am.).  —  Insel  Reichenau  (Untersee),  Acker 
bei  der  Ruine  Schöpften,  1908,  E.  Baumann!;  zwischen  St.  Jakob  und  „Neue 
Welt"  bei  Basel,  1910,  Binz!  (eine  eigenartige  Form,  die  durch  auffallend 
breite,  etwas  gezähnelte  Kelchzipfel  an  Celsia  cretica  L.  erinnert). 

Verbascitm  Chaixi  Vill.  var.  austHacum  (Schott)  Fiori  &  Paoletti  (O.-Eur.).  — 
Bahnhof  Buchs,  1909,  Schnyder!,  vergl.  Jahrb.  St.  Gall.  Naturw.  Ges. 
1908/09  (1910),  289  (eine  durch  ziemlich  lange  Blütenstiele  und  deutlich 
kantigen  Stengel  dem   V.  nigrum  genäherte  Form). 

Linaria  chalepensis  (L.)  Miller  (S.-Eur.,  SW.-As.).  —  Solothurn,  Baseltor  (Schutt 
von  der  Malzfabrik?),  1909,  Probst! 

Linaria  purpurea  (L.)  Miller  (Ital.,  Griech.,  Tunis;  aus  der  Schweiz  bisher 
wohl  nur  irrig  angegeben,  vergl.  Thellung  in  V^ierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges. 
Zürich  LH  [1907],  464-65).  —  Auf  Schutt  im  Illbett  bei  Bludenz  (Vorarlberg): 
Glatzl  nach  Murr  in  55.  Jahresber.  Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10  (1910),  24. 
Ob  die  echte  Art? 

Linaria  bipartita  (Vent.)  Willd.  (Zierpfl.  aus  N.-Afr.).  —  Bahnhof  Ghur,  ver- 
wildert,   1908,  J.  Braun! 

^Miniulus  rivularis  Nutt.  (eine  Subsp.  von  M.  luteus  L.  sens.  lat. ;  Chile) 
f.  variegatus  (Lodd.)  Voss  —  Murgkies  bei  Frauenfeld,  1892,  Fisch! 

Mimulus  moschatus  Douglas  (westl.  N.-Am.).  —  Gartenunkraut  in  Meggen  (Luzern), 
1911,  M.  Vischer! 

*Gratiola  virginiana  L.  (l<i.- Am).  —  Schuttplatz  in  Samaden,  1897,  Candrian! 

Veronica  peregrina  L.  (Am.).  —  Schutt  bei  Samaden,  1898,  Candrian!;  Pflaster 
an  der  Rieterstrasse  in  Zürich  II,  1910,  H.  Gams! 

Veronica  DillenU  Crantz;  vergl.  Ber.  d.  Schweiz,  bot.  Ges.  XIX  (1910),  160 
(über  einen  grossen  Teil  von  Eur.  verbreitet  *) ;  aus  der  Schweiz  bis  vor  kurzem 
mit  Sicherheit  nur  adventiv  bekannt).  —  Güterbahnhof  Zürich,  1903,  Naegeli 
und  Thellung  (in  der  Ruderal-  u.  Adventivfl.  d.  Kts.  Zürich:  Vierteljahrsschr. 
d.  Naturf.  Ges.  Zürich  L  [1905],  293  [sep.  69]  irrig  als  F.  venia  aufgeführt). 
Erst  im  Sommer  1910  in  spontanem  Zustand  auf  Schweizerboden  nachgewiesen: 
Gr.:  Münstertal,  Zuoz  im  Engadin,  Jos.  Braun!  (vergl.  Vierteljahrsschr.  d. 
Naturf.  Ges.  Zürich  LV  [1910],  265). 

Melampyruni  barbatum  W.  K.  (S.-  u.  O.-Eur.)  var.  purpureo-bracteatum 
Schur:  au  bief  d'Ependes  pres  Orbe  (Waadt),  1891,  Moehrlen!  (cf.  Ronniger 
in  Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich  LV  [1910],  312). 


')   Spanien,  Süd-Frankreich!,  Piemont!,  Deutschland!,    Schweden,  Oesterreich- 
Ungarn!,  Polen!,  Mittel-  und  Süd-Russland!,  Kaukasus. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  285 

Plantago  lanceolata  L.  var.  maritima  Gren.  et  Godron  (P.  inediterranea 
A.  Kerner;  S.-Eur.  etc.?).  —  Feldweg  bei  Gennersbrunn  (städtischer  Schutt- 
ablagerungsplatz) bei  Schaffhausen,  1910,  Kelhofer! 

Plantago  lanceolata  L.  ssp.  altissima  (L.)  Rouj'  (vorzugsweise  osteuropäisch - 
südvvestasiatische  Rasse).  —  In  neuerer  Zeit  nicht  selten  mit  Grassamen  ein- 
geschleppt: Chexbres  (Waadt),  1907,  Karl  Huber!;  Arosa,  1908,  Thellung 
(Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich  LV  [1910],  285);  Winterthur,  Bahnhof 
Zürich  und  Zürichberg  beim  Sonnenberg,  1909,  Thellung;  Damm  des  Re- 
servoirs im  Engesumpf  bei  Schaffhausen,  1910,  Kelhofer !;  Walenstadt,  Schutt 
am  Seeufer,  1911,  Thellung.  —  [Bahnhof  Iselle  (Südseite  des  Simplon)  und 
Erlenbruck   bei   Hinterzarten  (bad.  Schwarzwald),  1909,  Thellung.] 

*  Plantago  glauca  C.  A.  Meyer  (Kaukas.).  —  Von  der  ähnlichen  und  wohl  auch 
sehr  nahe  verwandten  PI.  lanceolata  L.  hauptsächlich  durch  dickliche,  kahle, 
blaugrüne  Laubblätter  und  vöUig  kahle  Kelchzipfel  verschieden;  wieso  Boissier 
(Fl.  Or.  IV  [1879],  886)  dazu  kommt,  PI.  glauca  als  Synonym  zu  PI.  Lagopus 
L.  zu  ziehen,  ist  mir  unverständlich.  —  Bahnhof  Buchs  (St.  Gallen),  1910, 
S  c  h  n  y  d  e  r ! 

Plantago  Psyllium  L.  (Mediterr.).  —  Solothurn,  Baseltor,  1909,  Probst! 

Criicianella  angustifoUa  L.  (Mediterr.).  —  Solothurn,  Malzfabrik,  1909, 
Probst! 

*Galniin  tenuissitnuni  M.  Bieb.  (SO.-Eur.,  SW.-As.).  —  Schöngrün  bei  Solo- 
thurn, 1910,  Probst!  (hieher  gehört  auch  G.  divaricatum  Thell.  in  Viertel- 
jahrsschr. d.  Naturf.  Ges.  Zürich  LH  [1907],  465  [non  Lam.]  von  Solothurn). 

Symphoricarpus  racemo.ms  Michx.  (N.-Am.).  —  Riese-Teufelskanzel  bei  Turben- 
thal  (Kt.  Zürich),  verwildert,  1907,  Kägü;  verwildert  bei  Vaduz  (Liechtenstein): 
Murr  in  55.  Jahresber.  Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10  (1910),  25. 

■Knautia  anibigua  (Friv.)  Boiss.  et  Orph.  (Thrac,  Macedon.).  —  Yverdon : 
Cruchet  in  Bull.  Soc.  Vaud.  Sc.  nat.  XXXVÜI,  No.  145  (1902),  333. 

Cucumis  sativus  L.  (Gartenpfl.  aus  Indien).  —  Mutschellenstrasse  in  Zürich  II, 
verwildert,  1911,  B.  Blum! 

Campjamda  Medium  L.  (Gartenpfl.,  SW.-Eur.).  —  Arosa  (Graubünden),  Schutt 
beim  Schulhaus,  1908,  Thellung  (vergl.  Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges. 
Zürich  LV  [1910],  285). 

Canxpanula  carpathica  Jacq.  (Zierpflanze  aus  Ungarn,  Gahzien,  Siebenbürgen). 
—  Verwildert  bei  St.  Aubin-Concise  und  Vaumarcus  (Neuen bürg),  an  Strassen- 
rändern  und  Felsen,  1910,  Wirth! 

CaUistephus  chinensis  (L.)  Nees  (China,  Japan).  —  Altstetten  bei  Zürich,  1909, 
G  a  m  s ! 

Aster  novae  Angliae  L.  (N.-Am.).  —  Jussy  (Genf),  1908,  J.  Braun! 

*Aster  multiflorus  Alton  (N.-Am.).  —  ^Känzeli"  (Zürichberg),  1882,  Itschner! 
(als  Erigeron  canadensis). 

Aster  nori  belgii  L.  var.  stenolepis  Thellung  in  Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges. 
Zürich  LH  (1907),  466  dürfte  zusammenfallen  mit  der  var.  minor  Nees  Gen. 
et  spec.  Aster.  (1833),  81  (=  A.  floribundus  Willd.  Spec.  pl.  III,  3  [1804], 
2048  =  A.  novi  belgii  D)  florihundiLS  Ascherson  Sc  Graebner  Fl.  d.  nordostd. 
Flachl.,  700  [1899]). 


286  Hans  Schinz. 

Aster  lanceolatns  Willd.  Spec.  pl.  III,  3  (1804),  2050  sens.  ampl.  {A.  .salici- 
folius  Lam.  Encycl.  I  [1783],  306;  Alton  Hort.  Kew.  IH  [1789],  203  et  auct. 
Am.  bor.  —  non  Scholler  1787  ^)  [nomen  confusum] ;  Ä.  bellidiflorus  Willd. 
Enum.  h.  Berol.  II  [1809],  886;  A.  jiraealtus  Poiret  Encycl.  Suppl.  I  [1810], 
493;  A.frutetorum  Wimmer  ex  Fiek  Fl.  Schles.  [1881],  211;  A.  panicitlatus 
auct.  Am.  bor.  [ad  ex.  A.  Gray  Syn.  fl.  N.-Am.  L  2  (1884),  187/88;  Britton 
&  Brown  111.  Fl.  North.  U.  S.  Canad.  III  (1898).  377]  ex  p.  —  non  Lam.  2); 
A.  Lamarckianus  Ascherson  &:  Graebner  Fl.  nordostd.  Flachl.,  701  [1899]  — 
non  Nees^)  —  Zierpflanze  aus  N.-Am.)  —  Zu  dieser  Art,  die  quasi  eine 
Zwischenart  A.  novi  belgii  —  Tradescanti  darstellt,  ziehe  ich  jetzt  auch  die 
1907  (Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich  LH,  467)  von  mir  als  ^A.  novi 
belgii  X  Tradescanti?''  publizierte  Pflanze  vom  Espi  bei  Trieboltingen 
(Thurgau),  leg.  E.  Baumann  1906.  Als  A.frutetorum  Avird  die  Pflanze  auch 
aus  Vorarlberg  angegeben:  im  Bett  der  Bregenzer  Ache  bei  der  Lauteracher 
Brücke:  Murr  in  .5.5.  Jahresber.  Staatsgymn.  Feldkirch  1909/10  (1910),  26. 

*  Felicia  tenella  (L.)  Nees  {F.  fragilis  Cass.;  Zierpfl.  aus  S.-Afr.).  —  Bahnhof 
Ghur,  verwildert,  1908,  Jos.  Braun! 

Anaphalis  margaritacea  (L.)  Bentham  et  Hooker  {Antennaria  R.  Br. ;  NO. -As., 
N.-Am.).  —  Verwildert  im  Wilihof  bei  Triengen  (Luzern)  in  Hecken  und  auf 
dem  Winikerberge  (Luzern)  bei  der  Dungein  im  Gebüsch,  1860,  .J.  Suppiger! 
(Herb.  Helv.  Univ.  Zürich);  im  Gländ  im  Pfaffnertal  (Bez.  Zofingen)  verwildert 
1868,  Jäggi!  (ibid.);  Schutt  am  Rheinufer  bei  Rheineck  1876,  1879: 
Zollikofer  nach  Bächler  br.  an  Prof.  Schinz;  Truns  (Graubünden),  an  der 
Landstrasse  verwildert,  1909,  .Jos.  Braun! 

Amwiobium  alatmti  R.Br.  (Zierpflanze  aus  Australien).  —  Bahnhof  Buchs 
(St.  Gallen),  auf  Schutt,  1910,  Schnyder! 

*Pulicaria  arahica  (L.)  Cass.  (SW.-As.,  Aegypt. ;  Span.).  —  Schöngrün  bei 
Solothurn,  1910,  Probst! 

*^lva  frutescens  L.  (atlant.  N.-Am.).  —  Bodenseeufer  bei  Hörn  (St.  Gallen): 
A.  Lampert  1900  nach  Bächler  briefl.  an  Prof.  Schinz. 

Ambrosia  trifida  L.  (N.-Am.)  var.  integrifolia  (Mühlenb.)  Torrey  k  Gray  — 
Kirchenfeld  bei  Bern,  1902,  Wickü;    Bahnhof  Buchs,  1909,  Schnyder! 

Xanthium  echinattim  Murray  (A'.  italicum  Moretti;  vergl.  Thellung  in  Verh. 
bot.  Ver.  Prov.  Brandenb.  L  [1908],  142—151.  —  Am.;  eingebürgert  in  S.-  u. 
O.-Eur.).  —  Tägerweilen  (Thurgau),  mit  Rosshaarabfällen  gedüngter  Kartoffel- 
acker, 1902,  J.Bär! 

')  A.  salicifolius  Scholler  FI.  Barb.  Suppl.  (1787),  328  kann  seinen  Namen 
nicht  behalten  mit  Rücksicht  auf  das  ältere,  bis  heute  von  den  amerikanischen 
Autoren  als  gültig  verwendete  Lamarcksche  Homonym.  Als  Ersatz  dient  der  Name 
A.  salignus  Willd.  Spec.  pl.  III,  3  (1804),  2040,  der  ausdrückhch  geschafl'en 
wurde,  um  die  erwähnte  Homonymie  zu  eliminieren.  Der  älteste  für  diese  Art  in 
Frage  kommende  Name  ist  A.  paniculatus  Lam.  1783  (vergl.  die  folgende  Fuss- 
note);  doch  empfiehlt  sich  seine  Verwendung  nicht  wegen  der  Existenz  eines  noch 
altern,  nicht  genügend  geklärten  Homonyms  von  Miller  (1768)  (ob  =  A.  novi 
belgii  L.?)  und  wegen  der  abweichenden  Bedeutung  dos  Namens  hei  den  ameri- 
kanischen Autoren  (hier  grösstenteils  =  A.  lanceolatus  Willd.). 

^)  A.  paniculatHs  Lam.  Encycl.  I  (1783),  306  ist  nach  der  Beschreibung 
(„calycibus  polyphyllis  non  imbricatis")  offenbar  ==  A.  salignus  Willd.  {^A.  salici- 
folius  Scholler  non  Lam.). 

*)  A.  Lamarckianus  Nees  Gen.  et  spec.  Aster.  (1833),  100  ist  sowohl  nach 
der  Beschreibung  („periclinii  foliolis  subaequalibus")  als  auch  nach  dem  Synonym 
A.  paniculatus  Lam.  (vergl.  die  vorhergehende  Fussnote)  —  A.  salignus  Willd. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         287 

Eudbeckia  hirta  L.  (vera)  (N,-Am.).  —  Langendorf  (Sololhurn),  in  frisch  ange- 
sätem Gartenrasen.  1902,  und  Lommiswil  (Solothurn),  Bahndamm,  1909, 
Probst!;  Rheindamm  bei  Diepoldsau  (St.  Gallen),  1910,  S.  Sutter! 

Mudbeckia  fulgida  Alton  (N.-Am.).  —  Seeaufschüttung  beim  Belvoir  Zürich  II, 
1900,  G.  Hegi!  (von  Naegeli  u.  Thellung  Ruderal- u.  Adventivfl.  Kt.  Zürich 
[1905],  75  als  R.  hirta  aufgeführt;  möglicherweise  gehören  auch  die  übrigen 
zürcherischen  Vorkommnisse  der  B.  „hirta*  zu  R.  fulgida). 

* Helianthus  strumosus  L.  (N.-Am.)  var.  tnollis  (VVilld.)  Torrey  et  Gray 
[U.  mollis  Willd.,  Bot.  Mag.  t.  3689 !  non  Lam. ;  H.  strumosiis  var.  macro- 
phyllus  Britton  excl.  syn.  Willd.  ?^)).  —  Kiesgrube  Hardau  in  Zürich  III, 
1911,  Thellung. 

Helianthus  multiflorus  L.  (Gartenpflanze;  nach  A.  Gray  eine  Varietät  des  nord- 
amerikanischen H.  decapetalus  L.).  —  Solothurn,  Gartenflüchtling,  1909, 
Probst! 

Helianthus  debilis  Nutt.  (//.  cucximerifolius  bort. ;  N.-Am.).  —  Einzeln  auf  Schutt 
gegen  Tosters  (V'^orarlb.) :  Murr  in  45.  Jahresber.  d.  Museums-Ver.  Bregenz 
1907  (1909),  290. 

*  Verbesina  encelioides  (Cav.)  A.  Gray  (Zierpflanze  aus  dem  trop.  Am.).  — 
Schutt  am  1.  Birsufer  zwischen  ,Neue  Welt"  und  St.  Jakob  bei  Basel,  1910, 
P.  Vosseier! 

Guizotia  äbyssinica  (L.  f.)  Cass.  (Ölpflanze  aus  dem  trop.  Afrika,  bei  uns  aus 
Abfällen  von  Vogelfutter  verwildert).  —  In  einer  Wiese  bei  Reigoldswil  (Basel- 
Land),  1910,  Th.  Probst!;  Schuttplätze  bei  Kreuzungen,  ziemlich  häufig, 
1910:  E.  Baumann!;  um  Zürich  alljährlich  nicht  selten!  (verschiedene 
Sammler). 

Bidens  bipinnattis  L.  (Trop.  Am.;  eingebürgert  in  S.-Eur.,  As.  etc.).  —  Schutt 
zwischen  St.  Jakob  und  „Neue  Welt"  bei  Basel,  1910,  Binz! 

*Layia  Calliglossa  A.  Gray  [Blepharij^appus  Douglasii  [Hooker  et  Arn.] 
Greene;  Zierpfl.  aus  Kalifornien).  —  Bahnhof  Chur,  1904,  Jos.  Braun! 
(eine  verkrüppelte  Form  mit  grösstenteils  gegenständigen,  ganzrandigen  Stengel- 
blättern). 

Tagetes  niinuttis  L.  {T.  glandulifera  Schrank;  S.-Am.,  advent.  in  Eur.  etc., 
eingebürgert  in  Austral.).  —  Derendingen  (Solothurn),  Kammgarnfabrik 
(austrahsche  Schafwolle),  1909,  Probst!;  Schutt  zwischen  St.  Jakob  und  „Neue 
Welt"  bei  Basel,  1910,  Binz! 

Änthemis  Cota  L.  (Medit.).  —  Sarmenstorf  (Aargau),  Haferfeld,  1908,  Jos.  Meier! 

Anthemis  austriaca  Jacq.  (SO.-Eur.,  Kauk.,  Kl.-As.).  —  Bahnhof  Buchs  (St.  Gallen), 
1908/09,  Schnyder!  (vergl.  Jahrb.  St.  Gall.  Naturw.  Ges.  1908/09  [1910],  289); 
Neumühle  Chur,  1908,  J.Braun!;  Arosa  (1840  m),  1908,  Thellung  (Viertel- 
jahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich  LV  [1910],  285);  Mastrils  (Graubünden),  1909, 
Jos.  Braun!;  Bahnhof  Au  (St.  Galler  Rheintal),  1909,  C.  Gadient!;  Aigle, 
champ  inculte,  1910,  H.  Jaccard! 


')  Der  neuerdings  als  „Heüanthi"  oder  „Salsifis"  vielfach  kultivierte  H.  niacro- 
phyllus  Willd.  (vergl.  P.  Graebner  in  Notizbl.  kgl.  bot.  Garten  u.  Mus.  Berlin  V, 
n.  44  [1909],  107 — 8)  unterscheidet  sich  von  meiner  Pflanze  durch  unterseits  rasch 
verkahlende    (nicht  bleibend  fein  grauhaarige)  Laubblätter  und  längere  Hüllblätter. 


288  Hans  Schinz. 

Anthennis  austriaca  Jacq.  var.  truncata  Thellung  in  Schinz  u.  Keller  Flora  der 
Schweiz  2.  Aufl.  II  (1905),  218.  —  Diese  Varietät  besitzt  Spreublätter  von  der 
gleichen  Form  wie  die  der  Ä.  austriaca  nahestehende  A.  Brachmanni  Boiss.  et 
Heldr. !  aus  Griechenland;  letztere  Art  unterscheidet  sich  jedoch  von  meiner 
Varietät  (wie  auch  vom  Typus  der  A.  austriaca)  durch  weniger  regelmässig 
kammförmig  gestellte  Abschnitte  letzter  Ordnung  der  Laubblätter,  durch 
bräunlich-  (statt  weisshäutig-)  berandete  Hüllblätter  und  namentlich  durch  die 
grösseren,  schwach  zusammengedrückten  und  fast  stumpfkantigen  (statt  zwei- 
schneidig zusammengedrückten)  Früchte.  Den  von  Boissier  (Fl.  Or.  III  [1875], 
285)  noch  angegebenen  Unterschied  in  der  Grösse  der  Köpfe  finde  ich  nicht 
zutreffend,  da  an  den  authentischen  Heldr  ei  chschen  Exemplaren  vom  Taygetos, 
die  ich  durch  die  freundliche  Vermittlung  von  Herrn  G.  Beauverd  in  Genf 
einsehen  konnte,  die  Köpfe  keineswegs  grösser  sind  als  an  gewöhnlicher 
A.  austriaca. 

Anthemis  ruthenica  M.  Bieb.  (SO.-Eur.,  Kauk.).  —  Bahnhof  Buchs,  Schnyder! 
(vergl.  Jahrb.  d.  St.  Gall.  Naturw.  Ges.  1908/09  [1910],  288);   Arosa  (1840  m), 

1908,  Thellung  (Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges.  Zürich  LV  [1910],  285); 
Rhein-  und  Neumühle  Chur,  1908,  J.Braun!;  Bruggen  bei  St.  Gallen,  1911, 
A.  Heyer! 

Achülea  Neilreichii  Kerner  (eine  Form  von  A.  nobilis  L.  mit  blassgelben  Blüten 

=  var.  ß  Neilreichii  G.Beck).  —  Yverdon:  Cruchet  in  Bull.  Soc.  Vaud.  Sc. 

nat.  XXXVIH,  No.  145  (1902),  333. 
Chrysanthemum  segetum  L.  (Medit. ;  Zentr.-Eur.,  meist  verschleppt).  —  Ruchfeld 

bei  Basel,  1908,  E.  Suter! 
Chrysanthemum  coronarium  L.  (Medit.).  —  Zwischen  St.  Jakob  und  „Neue  Welt" 

bei  Basel,  1908,  P.  Vosseier! 

Chrysanthemum  Farthenium  (L.)  Bernh.  (Medit.,  meist  kultiviert  und  verwildert, 
einheimisch  wohl  nur  im  Orient).  —  In  der  Blattform  sehr  veränderlich;  eine 
von  Baumberger  1903  am  Erdbeergraben  in  Basel  gesammelte  Pflanze  hat 
fast  3  fach  fiederschnittige  Laubblätter  und  nähert  sich  dadurch  dem  orienta- 
lischen Chr.  partheniifolium  (Willd.)  Bernh.,  das  von  Boissier  (Fl.  Or.  III 
[1875],  344)  als  eigene  Art,  dagegen  von  Voss  (in  Vilmorins  Blumengärtnerei 
ed.  3  [1896],  509)  als  unbedeutende  Form  von  Ch.  Farthenium  aufgefasst  wird. 

'* Chrysanthemum  roseum  Weber  et  Mohr  {Pyrethrum  carneum  M.  Bieb.; 
P.  roseicm  Lindey  non  M.  Bieb.  —  Zierpft.  aus  dem  Kaukasus  u.  Persien).  — 
Schutt  bei  Bevers  (Engadin),  1901,  Candrian! 

Chrysanthemtmi  macrophyllum  W.  K.  (SO.-Eur.,  Kaukas.).  —  Rüfi  bei 
Trimmis  (Graubünden),  aus  einem  Garten  verwildert,  1908,  J.Braun! 

Artemisia  annua  L.  (O.-Eur.,  W.-  u.  N.-As.).  —  Langendorf  (Solothurn),  „in 
mehreren  Gärten    seit  einigen  Jahren  verwildert  und   alljährlich    erscheinend", 

1909,  Probst!;  ?  Binningen  bei  Basel,  Schutt  im  Spiegelfeld,  1909,  P.  Vosseier! 
(zu  wenig  entwickeltes  Exemplar);  Trins  (Graubünden),  Gartenflüchtling,  1909, 
J.Braun!;  verwildert  in  Schellenberg  (Liechtenstein),  1910:  Murr  in  Allg. 
bot.  Zeitschr.  XVI  (1910),  187. 

Erechthites  hieraciifolius  (L.)  Rafin.  (N.-Am;  eingebürgert  in  Oesterreich  usw.). 
—  Balmhof  Buchs,  1908/09,  Schnyder!  (vergl.  Jahrb.  St.  Gall.  Naturw.  Ges. 
1908/09  [1910J,  289). 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  289 

Carduus  nutans  L.  ssp.  macrocephalus  (Desf.  pro  spec.)  Gugler  (Mediterr.).  — 
Bahniiof  Buchs,  1904/06,  Sehn y der!  (vergl.  Jahrb.  St.  Gall.  Naturw.  Ges. 
1908/09  [1910],  289);  bei  der  „Bleiche"  Liestal,  1905,  Heinis! 

Carduus  acanthoides  L.  ?  (Identisch  mit  von  f  Gugler  bestätigten  Exemplaren 
von  Orbe,  die  aber  vielleicht  doch  zu  C.  midtiflorus  Gaudin  =  C.  crisjnis 
L.  var.  DG.  =  C.  acanthoides  var.  Rouy  gehören;  zwischen  C.  multiflorus 
und  acanthoides  scheinen  nur  graduelle  Unterschiede  zu  bestehen.  —  Heimat 
des  C.  acanthoides :  ein  grosser  Teil  von  Europa,  aber  in  der  Schweiz  nur 
sehr  selten  adventiv;  selbst  das  einzige  einigermassen  sichere  Vorkommnis 
von  Orbe  scheint  mir  etwas  zweifelliaft !).  —  Lommiswil  (Solothurn),  Bahn- 
damm, 1909,  Probst! 

Carduus  acanthoides  L.  var.  sqitMrvosus  Rchb.  (Hüllblätter  bogig  zurück- 
gekrümmt ;  von  den  dadurch  ähnlichen  C.  nigrescens,  hamulosus,  spiniger 
etc.  durch  die  starke,  für  C.  acanthoides  charakteristische  Bestachelung  ver- 
schieden). —  Bahnhof  Buchs,  1906,  Schnyder!  (vergl.  Jahrb.  St.  Gall.  Naturw. 
Ges.  1908/09  [1910],  289). 

*  Carduus  cf.  nigrescens  \\\\.  (S. -Frankreich,  Spanien,  Balearen).  —  Orbe,  1888, 

Moehrlen! 

Serratida  coronaria  h.  iO.-Em.,  ^Mi\).  —  Vouvry  (Wallis),  1900,  F.O.Wolf! 
(schon  von  Schinz  u.  Keller  Fl.  d.  Schweiz  2.  Aufl.  II  [1905],  227  ohne  Angabe 
der  Lokalität  erwähnt). 

Crupina  Crupinastrum  (Moris)  Vis.  {Cr.  Morisii  Bor.;  Medit.).  —  Ardon 
(WaUis),  1887:  Papon  in  Herb.  Hungar.  (Ungar.  Nationalmuseum)  nach 
t  W.  Gugler  br.  (IL  1908). 

Centaurea  spimdosa  Rochel  =  C.  Scahiosa  L.  ssp.  eu-Scabiosa  W.  Gugler  var. 
spinulosa  Koch  (Ungarn,  SO.-Eur.).  —  Yverdon:  Cruchet  in  Bull.  Soc  Vaud. 
sc.  nat.  XXXVIII,  No.  145  (1902),  333. 

Centaurea  „Sadleriana  -Janka"  [=  C.  Scabiosa  L.  ssp.  Sadleriana  A.  u.  G. 
(Ungarn,  SO.-Eur.)].  —  Yverdon:  Cruchet  in  Bull.  Soc.  Vaud.  Sc.  nat.  XXXVIII 
No.  145  (1902),  333.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  um  die  gleiche  Pflanze, 
die  Vetter  unter  dem  Namen  C.  Sadleriana  von  Orbe  angibt,  die  jedoch  nach 
der  Bestimmung  von  f  W.  Gugler  zur  C.  Scabiosa  .ssp.  badensis  (Traft.)  var. 
.  tenuifolia  (Schleicher)  Gugler  in  Ann.  Mus.  Nat.  Hungar.  VI  (1908)  sep.  p.  126 
gehört. 

Centaurea  orientalish.  (SO.-Eur.,  Kaukasus).  —  Yverdon:  Cruchet  in  Bull.  Soc. 
Vaud.  sc.  nat.  XXXVIII,  No.  145  (1902),  3.33. 

*  Centaurea   diluta   Alton    (Marokko,   Algerien?).    —    Zwischen    St.  Jakob    und 

„Neue  Welt"  bei  Basel,  1908,  P.  Vosseier!  (det.  fW.  Gugler);  vergl.  Binz  in 
Verh.  Naturf.  Ges.  Basel  XXI  (1910),  144. 

Centaurea  diffusa  Lam.  (S.-Russland,  SW.-Asien).  —  Yverdon:  Cruchet  in  Bull. 
Soc.  Vaud.  sc.  nat.  XXXVIII,  No.  145  (1902),  333;  ebenda  auch  Bastardformen. 

Scolynins  hispanicus  L.  (Mediterr.).  —  Yverdon:  Cruchet  in  Bull.  Soc.  Vaud. 
Sc.  nat.  XXXVIII,  No.  145  (1902),  333. 

Lapsana  communis  L.  var.  hirta  Guss.  (=  var.  glandidosa  Freyn;  S.-Eur.). 
Pflanze  ±  drüsenhaarig.  —  Bahnhof  Buchs,  1908,  Schnyder!  (vergl.  Jahrb. 
d.  St.  Gall.  Naturw.  Ges.  1908/09  [1910],  288);  Kiesgrube  Hardau  in  Zürich  III, 
1910,  Thellung. 


290  Hans  Scliinz. 

^Lapsana  cf.  intermedia  M.  Bieb.  (Balkan,  Krim,  Kl. -As.,  Kauk.).  Köpfe  grösser 
als  bei  L.  communis  L.  (Hülle  8  —  10  mm  lang),  länger  gestielt,  in  lockei'erm 
Gesamtblütenstand;  Blüten  doppelt-  (statt  l'/z  mal)  so  lang  als  die  Hülle, 
dunkler  gelb.  —  Bahnhof  Buchs,  1908,  Schnyder!  (vergl.  Jahrb.  d.  St.  Gall. 
Naturw.  Ges.  1908/09  [1910].  288;  die  Pflanze  wurde  von  Murr  in  4.5.  Jahresber. 
d.  Museums-Yer.  Bregenz  1907  [1909],  291  als  L.  grandiflora^)  angesprochen). 
Eine  ähnliche,  wo  nicht  identische  Form  beobachtete  ich  ca.  1903  am  Hard- 
platz  in  Zürich  HI;  leider  versäumte  ich  jedoch,  da  ich  damals  in  der  Pflanze 
nur  eine  üppige  Form  der  L.  communis  erblickte,  Exemplare  davon  zu 
trocknen.  —  Nomenklatur  und  Systematik  der  orientalischen  ^ Arten"  aus  der 
Verwandtschaft  von  L.  com'munis  sind  noch  zuwenig  geklärt;  die  von  Boissier 
Fl.  Or.  aufgeführten  Spezies  dürften  wohl  nur  zum  Teil  als  solche  aufrecht  zu 
erhalten  sein.  L.  macrocarpa  Cosson  (=  L.  communis  var.  macrocarpa 
Battand,  et  Trabut,  Fiori  et  Paoletti;  NW.-Afr.,  S.-Ital.?)  hat,  wie  L.  inter- 
media,  1  cm  lange  Hülle,  aber  kürzere  Blüten,  die  die  Hülle  nur  wenig  über- 
ragen. 

Picris  hieracioides  L.  ssp.  spinulosa  (Bertol.  pro  spec)  (=  P.  stricta  .Jordan; 
S.-Eur.,  Medit.?).  —  Ufer  der  Maggia  bei  Locarno,  1892,  R.  Raul:  Locarno, 
terrain  vague,  1904,  Chenevard!  (als  P.  hieracioides  var.  alpestris  A.-T.); 
bei  der  Rhonebrücke  bei  Fully,  1909,  G.  Brunner!  In  allen  drei  Fällen  ist 
die  Bestimmung  als  P.  S])inidosa  nicht  zweifellos  sicher;  die  von  den  Autoren 
angegebenen  Unterscheidungsmerkmale  gegenüber  P.  hieracioides  erweisen 
sich  bei  der  Prüfung  eines  reichen  Materials  als  unzulänglich. 

Picris  Sprengeriana  (L.)  Poiret  (Medit.).  —  Ruchfeld  bei  Basel,  1903,  BinzI 

Crepis  vesicaria  L.  {Barkhaiisia  vesicaria  Sprengel;  Medit.).  —  Tessin:  Val 
Maggia,  au  bord  d'une  prairie  naturelle:  Chenevard  in  Bull.  Herb.  Boiss. 
2e  ser.  Vn  (1907),  2.5.5. 

*)  L  grandiflora  M.  Bieb.  (180S)  hat  nach  den  Nomenklaturregeln  den  Namen 
L.  erysimifolia  (Willd.  1804  sub  « Prena?ithes»)  Thell.  comb.  nov.  zu  heissen; 
vergl.  Boiss.  Fl.  Or.  III  (1875),  721. 


Register  der  Gattungsnamen. 


Seite 

Seite 

Seite 

Abutiloii      .     .     . 

281 

Cotoneaster      .     .     .     279 

Lathyrus 280 

Achillea  .... 

288 

Crepis     .     . 

290 

Lavatera  .     . 

281 

Adonis    .... 

277 

Grucianella 

285 

Layia  .     .     . 

287 

Alopecuru^; .     .     . 

271 

Crupina  .     . 

289 

Lepidium 

277 

Althaea  .... 

281 

Cucumis 

285 

Linaria     . 

284 

Alyssum      .     .     . 

278 

Cydonia  .     . 

279 

Linum       .     . 

280 

Amarantu?  .     .     . 

27(i 

Cynoglossum 

283 

Lupinus    .     . 

279 

Ambrosia    .     .     . 

286 

Cjiisus    .     . 

279 

Lycopsis  .     . 

283 

Ammi     .... 

282 

Danthonia  . 

273 

Lysimachia  . 

282 

Animobium      .     . 

286 

Daucus   .     . 

282 

Malcomia 

278 

Anaphalis    .     .     . 

286 

Delphinium 

276 

Malva  .     .     . 

281 

Anchusa      .     .     . 

283 

(Deyeuxia)  . 

272 

Matthiola 

278 

Andropogou     .     . 

271 

Eleusine 

273 

Melampyrum 

284 

Antliemis    .     .     . 

287 

Elymus  .     . 

273 

Melilotu.s  .     . 

279 

Anthoxanthum     . 

271 

Eragroslis    . 

273 

Mentha     .     • 

283 

Arabis     .... 

278 

Erechthites 

288 

Mertensia 

283 

Aralia     .... 

282 

Eryngium    . 

282 

Mimulus   .     . 

284 

Argemone  .     .     . 

277 

Erysimum   . 

278 

Myagrum 

277 

Artemisia    .     .     . 

288 

Euphorbia  . 

280 

Nicotiana 

284 

Arundinaria     .     . 

274 

Felicia    .     . 

286 

Nigella      .     . 

276 

A.sclepias     .     .     . 

282 

Fraxinus 

282 

Nonnea     .     . 

283 

Aster      .... 

285 

Galega    .     . 

280 

Ocimum  .     . 

283 

.\triplex  .... 

275 

Galium   .     . 

285 

Oenothera     . 

281 

Avena     .... 

272 

Gaura     .     . 

282 

Omphalodes 

283 

Bidens    .... 

287 

Geranium    . 

280 

Ornithopus    . 

280 

Brassica      .     .     . 

277 

Gratiola .     . 

284 

Oxalis       .     . 

280 

Bromus  .... 

273 

Guizotia .     . 

287 

Panicum  .     . 

271 

Bunias    .... 

278 

Haynaldia  . 

273 

Periploca 

282 

Buiüeurum .     .     . 

282 

Hedysarum 

280 

Phalaris    .     . 

271 

Calaniagrostis 

272 

Helianthus  . 

287 

Pharbilis  .     . 

282 

Callistephus     .     . 

285 

Hibiscus 

281 

Phleum     .     . 

271 

Campanula      .     . 

285 

Hordeum     . 

273 

(Phylloslachys) 

274 

Capsicum    .     .     . 

283 

Humulus 

274 

Physalis    .     . 

283 

Caragana     .     .     • 

280 

Iljeris      .     . 

277 

Physocarpus 

279 

Carduus       .     .     . 

289 

Impatieiis    . 

281 

Picris  .     . 

290 

Centaurea  .     .     . 

289 

Iva     .     .     . 

286 

Plantago  .     . 

285 

Chenopodium  .     . 

275 

•luncus    .     . 

274 

Polygonum    . 

275 

Chorispora       .     . 

278 

Kerria     .     . 

279 

Polypogon     . 

272 

Chrysanthemum  . 

288 

Kiiautia  .     . 

285 

Populus    .     . 

274 

Clematis      .     .     . 

276 

Kochia    .     . 

276 

Portulaca 

276 

Collomia      .     .     . 

283 

Ka'leria  .     . 

273 

Potentilla 

279 

Convolvulus     .     . 

282 

Lappula 

283 

Pulicaria  .     . 

286 

Cornus    .... 

282 

Lapsana 

289 

Quercus    .     . 

274 

292 


Hans  Schinz. 


Seite 

Ranunculus      .     .     .     276 

Reseda   .     . 

278 

Rhus  .     . 

281 

Ribes      . 

279 

Rudbeckia 

287 

Salsola    . 

276 

Salvia     . 

283 

Sarracenia 

278 

Saxifraga 

278 

Scandix  . 

282 

Scolymus 

289 

Scorpiurus 

280 

Scutellaria 

283 

Serratula 

.     289 

Sida  .     . 

281 

Seite 

Sideritis 283 

Silene 276 

Sisymbrium     .     .     .  277 

Sisyrinchium    .     .     .  274 

Solanum      ....  284 

Spiraea 279 

Sporobolus  ....  272 

Stipa 271 

Suaeda 275 

Symphoricarpus  .     .  285 

Tagetes 287 

Tetragonia ....  276 

Torilis 282 

Tradescantia   .     .     .  274 

Tragus 271 


Seite 

Trifolium      .     .     .     .279 

Trigonella     . 

279 

Triticum  . 

273 

Tritonia    . 

274 

Tunica 

276 

Urtica  .     . 

274 

Verbascum 

284 

Verbesina 

287 

Veronica  . 

284 

Vicia    .     . 

280 

Vitis     .     . 

281 

Vulpia 

273 

Xanthium 

286 

3. 

Über  die  Abstammung, 

den   systematischen  Wert  und  die  Kulturgeschichte  der 

Saathafer-Arten  [Auenae  satiuae  Cosson). 

Beiträge  zu  einer  natürlichen  Systematik  von  Avena  sect.  Euavena. 
Von  A.  Thellang  (Zürich). 


Kaum  eine  zweite  Kulturpflanze  dürfte  sich  so  gut  zur  Demon- 
stration der  Unterschiede  zwischen  den  einstigen  und  den  heutigen 
Methoden  und  Zielen  der  systematischen  Botanik  eignen  wie  der  Hafer. 
Linne  und  seine  unmittelbaren  Nachfolger  reihten  die  Saat-  und  die 
Wildhafer-Arten  {Aveua  satira  L.,  on'e?ifalis  Schreb.,  strigosa 
Schreb.,  brevis  Roth,  uuda  L.,  fatua  L.,  steril is  L.  und  hathata 
Pott^  koordiniert  hintereinander,  anscheinend  ohne  sich  über  eventuelle 
phylogenetische  Beziehungen  zwischen  einzelnen  dieser  Formen,  die 
zusammen  die  Sektion  Etiaveiia  Griseb.  (1844)  oder  die  Gesamtart 
A.  sativa  Ascherson  u.  Graebner  (1899)  ausmachen,  Rechenschaft  zu 
geben.  So  treffen  wir  z.  B.  bei  Willdenow  (Spec.  pl.  I.  [1798] 
445 — 49)  folgende  Anordnung  der  uns  interessierenden  Arten: 
.  .  .  .  A.  brevis  Roth,  A.  alba  Vahl,  A.  strigosa  Schreb.,  A.  orientalis 
Schreb.,  ^4.  sativa  L.,  A.  Forskaelci  Vahl,  .4.  nuda  L.,  A.  fatua  L., 
A.  elephautitia  Thunb.,  A.  sesquitertia  L.,  A.  lutea  L.  f.,  A.  tenuis 

Mönch,    A.  pubescens   Huds.,    A.  sterilis  L ,    wobei   also   z.  B. 

A.  fatua  und  .4..  sterilis,  zwei  einander  sehr  nahestehende  Arten, 
durch  Angehörige  anderer  Sektionen  oder  selbst  anderer  Genera  ge- 
trennt werden. 

1854  unternahm  Cosson^)  unter  Mitwirkung  von  Durieu  de 
Maisonneuve  den  ersten  Versuch  einer  natürlichen  Grui)pierung  der 
genannten  Arten,  indem  er  sie  auf  zwei  Subsektionen  der  Sektion 
Avenatijpiis  (=  sect.  Euavena  Griseb.)  verteilte;  als  Einteilungs- 
prinzip  figurierte  dabei  die  Gliederung  der  Blüten  auf  der  Ährchen- 


')  Cosson,  E.     Classification   des    especes    du   genre  Avena   du   groupe    de 
Y Avena  sativa  (Avena,  sect.  Avenatypiift).  Bull.  Soc.  bot.  France  I.  (18.54)  11— 17. 

Vierteljahisschrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.    Jahrg.  56,    1911.  20 


294  Hans  Schinz. 

Spindel  und  die  damit  zusammenhängende  schiefe  resp.  horizontale 
Insertion  der  Deckspelze^) : 

Subsect.  I.  Sativae  1.  e.  p.  13^)  (=  Saathafer- Ar te n) :  Blüten 
auf  der  Ährchenspindel  nicht  gegliedert,  nur  durch  den  Bruch  der 
Achse  selbst  sich  ablösend.  Hieher  gehören:  A.  sativa,  orie?itaUs, 
strigosa,  brevis,  nuda. 

Subsect.  II.  Agrestes  p.  14'-)  [=  Wildhafer -Arten):  Ährchen- 
achse  unter  der  untersten  Blüte  gegliedert;    letztere    daher    bei    der 

')  Schon  früher  (184.5)  hatte  Durieu  de  Maisonneuve  (in  Duchartre  Rev. 
bot.  I.  359)  bei  der  Beschreibung  dreier  neuer  Arten  aus  der  Gruppe  der  A.  sativa 
{A.  longightmis,  clauda  und  eriantha)  auf  die  Artikulation  der  Ährclienspindel 
als  systematisch  verwertbares  Merlcmal  aufmerksam  gemacht.  —  Dass  sich  die 
Saathafer- Arten  vor  den  Wildformen  durch  nicht  ausfallende  Scheinfrüchte  aus- 
zeichnen,   war   übrigens   schon    im    Altertum    bekannt;     spricht   doch    Plinius    im 

1.  Jahrhundert  n.  Clir.  (Nat.  Hist.  XVIII,  14.3)  von  einem  Kulturhafer  —  nach  unserer 
heutigen  Auffassung  w^ohl  Avena  hyzantina  C.  Koch  —  als  der  « Avena  Graeca, 
Cid  uon  cadit  seinen».  Auch  C.  Bau  hin  hatte  das  Ausfallen  der  Scheinfrüchte 
beim  Flughafer  wohl  bemerkt,  da  er  (Theatr.  bot.  [1658J  472)  über  seine  «Avena 
nigra»  (=  A.  fatua  L.)  schreibt:  ,granum  .  .  .  tunica  triplici  vestitur,  quarum 
tertia  maturescens  cito  cadit."  Ebenso  beschrieb  Cupani,  der  gegen  Ende  des 
17.  Jahrhunderts  die  Flora  von  Sizilien  bearbeitete,  die  dort  vorkommenden  Wild- 
hafer-Arten sehr  treffend  mit  folgenden  Ausdrücken:  1.  «Festuca  longissimis 
glumis,  vacuis,  spadicei  coloris»  (Hort.  Gathol.  [1696]  72  sec.  G.  E.  Mattei  in 
litt.)  =  Ä.  sterilis  L.   (teste  Durieu   in  Act.  Soc.  Linn.  Bordeaux  XX.  [185.5]  54). 

2.  'i  Avena  gracilior,  elatior,  ramosa,  follicuUs  2)rae  maturitate  vacuis  .... 
vulgo  Alna  fimminedda»  (Suppl.  alt.  Hort.  Cathol.  [1697]  12  sec.  G.E.  Mattei  in 
litt.)  =  A.harhata  Pott  (teste  Durieu  I.e.);  3.  «Avena  elatior,  ramosa,  folli- 
cuUs prae  maturitate  vacuis»  (Pamph.  Sic.  I.  [1713]  t.  196  sec.  Pariatore  Fl. 
Ital.  I.  [1848]  290)  =  A.  fatua  L.  (sec.  Pariatore  et  Durieu  II.  cc;  ob  wirkhch 
verschieden  von  der  vorigen  Art?).  —  Merkwürdig  genug,  dass  die  Botaniker  der 
Neuzeit  bis  100  Jahre  nach  Linne  dieses  so  auffäUige  und  auch  praktisch  wichtige 
Unterscheidungsmerkmal  zwischen  den  Avenae  agrestes  und  sativae  fast  durchwegs 
übersehen  haben!  VorlSl'5  finde  ich  einzig  bei  drei  Schriftstellern  das  frühzeitige 
Ausfallen  der  Scheinfrüchte  der  Wildhafer-Arten  erwähnt:  Mattuschka  (Fl.  Sites. 
[1776]  68)  äussert  sich  folgendermassen  über  A.  fatua:  «Der  reife  Saame  löset  sich 
leicht  von  den  anklebenden  Bälglein,  und  fällt  bey  der  geringsten  Bewegung  heraus»; 
Dumont  de  Courset  (Bot.  cult.  II.  [1802]  124  seq.,  nach  Durieu  I.e.  1855  p. 54/5)  be- 
merkt, dass  A.steril/sh.  (die  der  Autor  als  vermeintlich  neue  Spezies,  A.  Novae  Velliae 
Dum.-Cours.,  beschreibt)  wegen  des  erwähnten  Umstandes  zum  Anbau  (der  zu  jener 
Zeit  in  Frankreich  gelegentlich  zum  Zweck  der  Futtergewinnung  versucht  wurde) 
untauglich  sei,  und  ebenso  erwähnt  Doli  (Rhein.  Fl.  [1843]  100),  da.ss  A.  fatua 
wegen  der  ausfallenden  Blütchen  nicht  kultivierbar  sei.  —  Der  von  Linne  dem 
Flughafer  gegebene  Name  A.  fatua  {fatu.us  =  albern,  einfältig;  franz.  FoUe-Avoine) 
soll  nach  Saint-Lager  (in  Gariot  Etüde  des  Fleurs  ed.  8.  [1889]  921  nach 
Ed.  Bonnet  br.)  eine  Metapher  sein,  um  das  (scheinbar  sinnlose)  frühzeitige  Aus- 
fallen der  Blüten  anzudeuten;  umso  sonderbarer  erscheint  es.  dass  Linne  und  seine 
Zeitgenossen  dieses  Merkmal  des  Flughafers  in  den  Beschreibungen  nicht  erwähnen. 
[Der  Vollständigkeit  halber  sei  erwähnt,  dass  der  Name  « Avena  fatua »  schon  bei 
Tabernaemontanus  (New  Kreulerbuch  I.  [1588]  671)  vorkommt,  aber  in  der 
Bedeutung  von  Bromiis  sterilis  L.] 

^)  Bei  Durieu  in  Act.  Soc.  Linn.  Bordeaux  XX.  (1855)  48  figurieren  die 
Gruppen  Sativae  und  Agrestes  Goss.  et  DR.  als  Subsektionen  der  Sektion 
Genuinae  Koch. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVl).         295 

Reife  (verbunden  mit  dem  darübersteiienden  Glied  der  Ähichenachse) 
sich  leicht  ablösend,  wobei  der  Callus  an  ihrem  Grunde  eine  sehr 
deutliche,  von  der  Abgliederung  herrührende  Narbe  (wulstförmig 
umrandete  Vertiefung)  aufweist,  die  in  ihrer  Form  mit  dem  zwischen 
den  Hüllspelzen  stehenbleibenden  Stück  der  Ährchenachse  überein- 
stimmt.   Diese  Subsektion  wird  weiterhin  eingeteilt  in : 

§  1.  Hifortnes  (p.  14):  Blüten  von  zweiej-iei  Art:  nur  die 
unterste  Blüte  eines  jeden  Ährchens  ist  von  der  Achse  abgegliedert 
und  weist  am  Grunde  einen  Callus  mit  sehr  deutlicher  Abgliederungs- 
narbe  auf;  die  oberen  Blüten  sind  nicht  abgegliedert  und  lösen  sich 
(wie  bei  den  Safirae)  nur  durch  gewaltsamen  Bruch  der  Achse  selbst 
ab ;  normalerweise  fallen  also  sämtliche  Blüten  als  Ganzes  verbunden 
(an  einem  Stück)  aus  den  Hüllspelzen  heraus.  Hieher:  A.  ventricosa 
Bai.,  A,  sterilis  L.,  A.  eriantha  Durieu. 

§  2.  Confomies  (p.  14):  alle  Blüten  unter  sich  gleich  gestaltet, 
auf  der  Achse  gegliedert  und  mit  deutlicher  Abgliederungsnarbe  auf 
dem  Callus,  mit  dem  über  ihnen  stehenden  Stück  der  Ahrchenachse 
abfallend.  Vertreter:  A.  longiglumis  Durieu,  A.  clauda  Durieu,. 
A.  hirsuta  Roth  [=   A.  barbata  Pott],  A.  fatua  L. 

Anschliessend  daran  bemerkt  Cosson  (1.  c.  p.  15)  richtig,  dass 
bei  den  typisch  sich  abgliedernden  Blüten,  deren  Ablösung  freiwillig 
erfolgt,  die  Artikulationsfläche  schief  gestellt  ist,  während  die 
(funktionslos  gewordene)  Abgiiederungsfiäche  der  festsitzenden  Blüten 
horizontal  verläuft.  (Vergl.  dazu  die  Tafel  von  Haussknecht  in 
Mitteil,  geogr.  Ges.  [Thür.]  Jena  III.  [1885].) 

Nach  dieser  Gruppierung  wären  also  die  Saathafer-Formen  unter 
sich  (und  ebenso  die  Afjr'estes-kxten  untereinander)  näher  verwandt 
als  mit  den  Vertretern  der  andern  Subsektion.  Diese  Auffassung  ist 
bis  in  die  jüngste  Zeit  die  herrschende  geblieben ;  sie  wird  in  extrem 
konsequentester  Weise  vertreten  z.  B.  durch  Fiori  u.  Paoletti,  die 
(Fl.  anal.  Ital.  I.  1.  [1896]  72)  innerhalb  der  Sektion  Euavena  nur 
zwei  Arten  unterscheiden,  nämlich  1.  A.  sativa  L.  mit  den  Varietäten 
a  typica  (inkl.  b.  orientalis  und  c.  nuda),  ß  brevis  (Roth),  /  strigosa 
(Schreb.)  und  2.  A.  fatua  L.  mit  den  Var,  a  typica,  ß  sterilis  (L.) 
(a  getmina,  hLudoriciana  [Dur.]),  y  hit'snta  (Mönch)  [=  A.  barbata^. 
Auch  Körnicke  (in  Körn.  u.  Werner  Handb.  d.  Getreidebaus  I.  [1885 1 
192,  206 — 220)  und  Ascherson  u.  Graebner  (Syn.  d.  mitteleur. 
Fl.  II.  1.  233—244  [1899])  vertreten  einen  ähnlichen  Standpunkt, 
indem  sie  sämtliche  Saathafer-Arten  als  koordinierte  Varietäten 
(Körnicke)  oder  Unterarten  (Ascherson  u.  Graebner)  der  A.sativa 
L.  s.  lat.  (=  Sect.  Sativae  Coss.)  auffassen,  während  die  letztge- 
nannten Autoren  die  Wildhafer-Arten  als  getrennte  Spezies  behandeln. 


296  Hans  Schinz. 

Mit  dieser  Cossonschen  Gruppierung  in  Sativae  und  Agrestes 
{Biformes  und  Conformes)  war  wohl  eine  praktische,  auf  relativ 
leicht  wahrnehmbare,  morphologisch-biologische  Merkmale  begründete 
Einteilung  der  Sektion  Euaveiia  gegeben,  nach  der  sich  die  bekannten 
und  die  eventuell  noch  neu  zu  entdeckenden  Vertreter  leicht  in  drei 
Abteilungen  bringen  Hessen.  Da  jedoch,  wie  gleich  zu  zeigen  sein 
wird,  diese  Gruppierung  den  wahren  verwandtschaftlichen  und  phylo- 
genetischen Beziehungen  der  einzelnen  Arten  nicht  gerecht  wird, 
indem  einerseits  nahe  verwandte,  nach  unserer  heutigen  Auffassung 
unmittelbar  voneinander  abstammende  Formen  (z.  B.  A.  sativa  und 
A.  fatua)  weit  getrennt  in  verschiedenen  Subsektionen  untergebracht 
werden  müssen  und  anderseits  Konvergenzformen  heterogenen  Ur- 
sprungs in  der  Subsect.  Sativae  vereinigt  sind,  so  kann  die  obige 
Einteilung,  die  als  künstlich  zu  bezeichnen  ist,  den  Ansprüchen,  die 
wir  heute  an  die  wissenschaftliche  systematische  Botanik  stellen, 
nicht  mehr  genügen. 

Gegen  die  in  der  oben  gegebenen  Systematik  zum  Ausdruck  ge- 
langende Auffassung  der  Verwandtschaftsverhältnisse  der  Enavena- 
Arten  machte  zuerst  C.  Haussknecht  von  1885  an  in  einer  Serie 
von  kleineren  Mitteilungen  ^)  Front.  Er  fand  so  nahe  verwandt- 
schaftliche Beziehungen  und  auch  Übergangsformen  zwischen  A.  fatua, 
dem  „ Flughafer "  und  A.  sativa,  dem  gemeinen  Saathafer,  dass  er 
nicht  nur  erstere  für  die  wilde  Stammform  der  letzteren  erklärte, 
sondern  sogar  A.  sativa  mit  einer  grösseren  Anzahl  anderer  Formen 
als  Varietät  zu  A.  fatua  stellte  (1.  c.  1885  p.  238).  Damit  war  gleich- 
zeitig auch,  wie  Haussknecht  (1.  c.  237)  mit  Recht  betont,  der 
Nachweis  von  der  Unhaltbarkeit  der  Subsektionen  Sativae  und 
Agrestes  erbracht. 

Betrachten  wir  nun  die  verschiedenen  Kulturhafer- Arten  für  sich 
und  suchen  wir  von  jeder  einzelnen  die  Abstammung  zu  ermitteln; 
denn  wir  werden  bald  sehen,  dass  es  nicht  angeht,  sämtliche  Sativai^, 
wie  dies  meist  geschieht,  in  gleicherweise  von  A. fatua  abzuleiten. 

1.  Dass  A,  sativa  L.,  der  gemeine  Saathafer  (franz.:  Avoine 
■ordinaire),  von  A.  fatua  L.,  dem  Flughafer  (franz.:  Folle-Avoine), 
abstammt,  wird  von  den  neueren  Forschern,  die  überhaupt  eine  noch 

')  Haussknecht,  C.  «Über  die  Abstammung  des  Saathabers».  Mitteil.  d. 
geogr.  Gesellsch.  (Thür.)  Jena  HI.  (1885)  231 -242  mit  Tafel.  —  Id.  «ijhev  die  Ab- 
stammung des  Saathabers».  Mitteil.  Thür.  bot.  Ver.  N.  F.  H.  (1892)  45—48.  —  Id. 
«Kritische  Bemerkungen  über  einige  Arena- kvien».  Mitteil.  Thür.  bot.  Ver.  N.  F. 
VI.  (1894)  37—45.  —  Id.  «Symbolae  ad  tloram  graecam».  Ibid.  NF.  XIII./XIV. 
(1899)  18—77;  Bemerkungen  über  Acena  p.  43  — 51. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         297 

heute  lebende  Stammform  annehmen^),  übereinstimmend  anerkannt; 
die  Beobachtungen  und  Versuche  Haussknechts  (1.  c.  1885),  der 
eine  ganze  Serie  von  fruchtbaren  —  nach  seiner  Auffassung  phylo- 
genetischen —  Übergangsformen-)  zwischen  den  beiden  genannten 
Arten  feststellte^),  scheinen  genugsam  beweisend  zu  sein*).  Gleich- 
wohl finde  ich  in  der  neueren  und  neuesten  Literatur  (mit  Ausnahme 
der  zitierten  Arbeiten  Haussknechts)  nirgends  die  logische  Konse- 
quenz gezogen,  dass  A.  fatua  und  A.  sativa  zu  einer  Spezies 
(J..  fahm  Hausskn.  1.  c.  1885  p.  237—239)  vereinigt  werden 
müssen.  Die  Übergangsformen  werden  vielmehr  (z.  B.  auch  von 
Ascherson  u.  Graebner  Syn.  H.  1.  242  [1899]),  trotz  ihrer  voll- 
kommenen Fruchtbarkeit,  als  Hybride  zweier  gesonderter  Arten  auf- 
gefasst  (dass  hin  und  wieder  Mischlinge  zwischen  der  Wild-  und 
der  Kulturform  vorkommen  können,  soll  damit  selbstredend  nicht 
bestritten  werden). 

Betrachten  wir  das  Verhältnis  von  A.  sativa  zu  A.  fatua  von 
einem  moderneren  als  vom  rein  morphologisch-klassifikatorischen, 
nämlich  vom  biologisch-phylogenetischen  Standpunkt,  so  erkennen 
wir  bald,  dass  die  Unterschiede  von  A.  sativa  gegenüber  A.  fatua 
auf  den  Verlust  der  natürlichen  Verbreitungsmittel  der 
Früchte  hinauslaufen.  Der  Zerfall  des  Ährchens  bei  der  Reife 
(infolge  der  spontanen  Abgliederung  der  einzelnen  Blüten),  sowie  die 
Verbreitung  der  Scheinfrüchte  („Körner")  mittelst  der  Grannen  und 
der  rauhen  Haare  waren,  wie  schon  Cosson  (1.  c.  1854  p.  14)  und 
Haussknecht  (1.  c.  1885  p.  241)  hervorheben,  für  die  Bedürfnisse 
des  Menschen  ungünstig,  da  sie  einen  bedeutenden  Körnerverlust  bei 
der  Reife  zur  Folge  hatten ;    nichts    liegt   daher   näher   als   die  An- 


')  Alpli.  De  Candolle  (Orig.  pl.  cult.  [ISnSJ.  deutsche  Ausgabe  [188ij  475) 
stellt  die  Hypothese  von  einer  prähistorischen,  im  gemässigten  Osteuropa  und  in 
der  Tatarei  heimischen  Wildform  auf.  In  Übereinstimmung  damit  geben  französische 
Floristen,  z.  B.  Coste  (Fl.  descr.  ill.  France  III.  6.  [19061  591),  die  Herkunft  des 
Hafers  als  unsicher  an. 

«)  Anfänglich  (in  Möller  Fl.  NW.-Thür.  [1S73]  199)  hielt  Haussknecht,  der 
allgemeinen  Annahme  von  der  spezifischen  Verschiedenheit  von  Ä.  sativa  und 
fatua  folgend,  derartige  Zwischenformen  für  Bastarde,  überzeugte  sich  aber  bald  von 
der  Unhaltbarkeit  dieser  Auflassung. 

^)  Über  Details  vergl.  später  die  systematische  Zusammenstellung. 

*)  Christ  (Pflanzenleben  d.  Schweiz  [1879J  43.Ö)  vertritt  die  originelle  Auf- 
fassung, dass  Avena  fatua  und  strigosa  den  Saathafer  „täuschend  nachahmen" ; 
der  Verfasser  denkt  dabei  offenbar  an  eine  rein  äusserliche,  vielleicht  durch  unbe- 
wusste  Selektion  durch  den  Menschen  herangezüchtete  Ähnlichkeit,  unter  deren 
Schutz  es  den  beiden  genannten  Wildhafei'-Arten  möglich  war,  sich  in  die  Kulturen 
des  Saathafers  einzudrängen.  Nach  dem  heutigen  Stande  unserer  Kenntnisse  ist 
jedoch  die  Ähnlichkeit  zwischen  den  Wild-  und  den  Saathafer-Arten  der  unmittel- 
bare Ausdruck  einer  nahen,  direkten  Verwandtschaft. 


298  Hans  Schinz. 

nähme,  dass  der  Mensch  durch  —  unbewusste  ^)  oder  bewusste  — 
Selektion  Sorten  mit  zäher  Ahrchenspindel  herangezüchtet  hat.  Ganz 
analoge  Verhältnisse  treffen  wir  ja  auch  bei  fast  allen  anderen  als 
Körnerfrüchte  kulti\'ierten  Getreidearten:  Weizen  (Trificum),  Roggen 
{Seeale),  Gerste  {Hordeum),  Kolbenhirse  (Setaria  italica),  Reis 
{Orijza  sativa),  Sorgho  {Andropogon  Sorghum);  stets  zeichnen  sich 
die  Kulturrassen  von  den  entsprechenden  Wildformen  durch  zähe 
Blütenstandsachse  und  die  damit  zusammenhängenden  korrelativen 
Veränderungen  aus^).  Bei  der  Ermittlung  der  Stammform  einer 
Kulturpflanze  müssen,  wie  Alph.  De  Candolle  (Orig.  pl.  cult.  [1883], 
deutsche  Ausgabe  [1884]  16)  hervorhebt,  derartige  Anpassungsmerkmale 
jüngsten  phylogenetischen  Alters  selbstredend  vom  morphologischen 
Vergleich  ausgeschlossen  werden.  Sehen  wir  nach  dieser  Regel  bei 
Ave}ia  sativa  von  dem  Kultur-Merkmal  der  rudimentären  Ver- 
breitungsmittel (zähe  Ährchenspindel.  Verlust  der  rauhen  Behaarung 
der  Blüten  und  Reduktion  der  Grannen,  die  als  Verbreitungsmittel 
der  bespelzten  Scheinfrüchte  funktionieren)  ab  und  suchen  wir  einen 
in  seinen  übrigen  Merkmalen  übereinstimmenden  Wildhafer,  so  ver- 
fallen wir  sogleich  auf  A.  fahia,  die  sich  tatsächlich  von  A.  sativa 
nur  durch  die  allgemeinen  Agrestes-M.eYkmBle  unterscheidet^).  An- 
gesichts der  geringen  Konstanz  dieser  Merkmale  (von  der  gleich  noch 
die  Rede  sein  wird)  werden  wir  also  A.  sativa  als  Rasse  oder 
Unterart'*)  der  A.  fatua  unterordnen,  wie  ja  schon  längst  bei 
den  oben  genannten  anderen  Getreide-Arten  die  entsprechenden 
Wild-  und  Kulturrassen  jeweils  zu  einer  Spezies  zusammengefasst 
worden  sind. 

')  Die  unbewusste  Selektion  durch  den  Menschen  kann  man  sich  etwa  folgender- 
massen  vorstellen :  wenn  in  einem  Wildhafer-Bestand  einzelne  Individuen  mit  zäher 
Ahrchenspindel  auftraten,  so  war  bei  diesen  naturgemäss  der  Körnerverlust  bei  der 
Reife  geringer;  ihre  Scheinfrüchte  wurden  dementsprechend  vom  Menschen  bei  der 
Ernte  unabsichtlich  in  relativ  grosser  Zahl  eingesammelt  und  zur  Nachzucht  ver- 
wendet, und  diese  jedes  Jahr  sich  wiederholende  unwillkürliche  numerische  Bevor- 
zugung der  sativa -YoYxn  konnte  im*  Laufe  der  Generationen  zur  Heranzüchtung 
einer  konstanten  Rasse  mit  fixierten  .s'«fü-c<-Merkmalen  führen,  während  die  für  den 
Menschen  ungeeignete  Ägrestes-Yovm.  ausgemerzt  wurde. 

^)  Die  letzte  Stufe  dieser  Entwicklungsreihe,  die  in  dem  freien  Ausfallen  der 
Karyopsen  (gleichzeitig  mit  dem  Zähwerden  der  Blütenstandsachsen)  besteht,  we 
dies  z.  B.  bei  den  Weizenarten  mit  zäher  Ährenspindel  und  bei  den  Nacktgersten 
verwirkUcht  ist,  erreicht  Ävena  erst  mit  dem  7utda-Typus  (vergl.  später). 

^)  Man  vergleiche  z.  B.  die  tabellarische  Zusammen-  und  Gegenüberstellung 
der  Merkmale  von  Ä.  fatua  und  A.  satira  bei  Haussknecht  1.  c.  1885  p.  236/37 
und  bei  A.  Zade,  ^Ber  Flughaiev  {Avena  fatuay ,  Diss.  1909,  p.  8 — 9.  Haussknecht 
kommt  zu  dem  Schluss.  dass  hauptsächlich  nur  die  Bekleidung  und  die  ghedartig 
eingelenkten  , Samen"  (sie)  A.  fatua  von  A.  sativa  unterscheiden. 

*)  Nicht  „Varietät",  wie  Haussknecht  (1.  c.  188-5  p.  2.38)  will;  denn  der 
A.  sativa  kommt  doch  sicherlich  ein  höherer  systematischer  Wert  zu  als  den  übrigen 
von  Haussknecht  (ibid.)  als  koordinierte  Varietäten  aufgezählten  Formen. 


Mitteilungen  aus  dem  bolaii.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVl).         299 

Dass  zähe  bezw.  sich  zergliedernde  Ährchenachse  gar  kein  so 
stark  differierendes  Merkmalspaar  ist  wie  gewöhnlich  angenommen 
wird,  hat  Haussknecht  durch  eine  Reihe  von  schönen  Beobachtungen 
gezeigt.  Zähe  Ahrchenspindel  kommt  nämlich  nicht  nur  bei  Ä.  jatua 
(var.  transiens  Hsskn.  1.  c.  1885  p.  238),  sondern  gelegentlich  bei 
allen  Agrestes-Kvi&n  vor.  So  konstatierte  Haussknecht  eine 
A.  sterilis  var,  soUda  (1.  c.  1894  p.  40),  eine  A.  harhata  var.  solicla 
(ibid.  p.  41)  und  eine  A.  Wiestii  [=  barbata  prol.  Wiestii  A.  et  G.] 
var.  solidff  (1.  c.  1899  p.  49\  die  sämtlich  Übergänge  zum  Safiva- 
Typus  darstellen  und  teilweise  in  Gegenden  vorkommen,  wo  der  von 
der  betreffenden  Art  abgeleitete  Saathafer  nicht  nachgewiesen  ist,  die 
also  nicht  hybriden  Ursprungs  sein  können. 

2.  A,  Orientalis  Schreber,  der  ungarische  oder  Fahnenhafer 
(franz.  :  Avoine  de  Hongrie  ou  d'Oiient),  ist  nach  allgemeiner  Über- 
einstimmung von  A.  saticd  nur  durch  den  einseitswendigen,  zusammen- 
gezogenen Blütenstand  verschieden.  Da  auch  andere  Haferaiten  mit 
allseitig  ausgebreitetem  und  einseitswendig  zusammengezogenem  Blüten- 
stand variieren  {A.  fatua  mit  gewöhnlich  ausgebreitetem  Blütenstand 
kommt  auch  mit  einseitswendiger  Rispe  vor:  var.  y  subsecundo 
Uechtritz  in  Fiek  Fl.  Schles.  [1881]  510  =  var.  y.  contracta  Hausskn. 
I.e.  [1885]  239;  eine  analoge  Variabilität  zeigt  nach  Ascherson 
u.  Graebner  (Fl.  nordostd.  Flachl.  l.[1898]  96)  auch  A.  fatua  var. 
(jlahrafa  Peterm.:  von  ^4.  sterilis  unterscheidet  Pospichal  Fl.  d. 
Österr.  Küstenl.  I.  [1897]  85  eine  var.  a  tijpica  mit  vollständig-  und 
eine  var.  ß pate)is  mit  unvollkommen  einseitswendiger  Rispe;  ebenso 
findet  sich  ^4.  strigosa,  deren  Rispe  in  der  Regel  einseitswendig  ist, 
auch  in  einer  var.  ß  e_ff'usa  Uechtr.  ex  Fiek  1.  c.  [1881]'),  ohne  dass 
den  betreffenden  Formen  eine  höhere  systematische  Bedeutung  zuge- 
sprochen würde),  so  werden  wir  wohl  am  besten  ^4.  orie)italis  als 
Varietät  von  .4.  sativa  betrachten,  wie  dies  bereits  z.  B.  Trinius 
(Gram.  Suppl.  [1835?]  28  in  Mem.  Acad.  Petersb.  ser.  6  [Sc;  math. 
phys.  et  nat.]  IV.  2.  [1888]  Bot.  pag.  23),  Neilreich  (Fl.  Nied.  Österr. 
[1859]  58),  Alefeld  (Landw.  Fl.  [1866]  321),  0.  Kuntze  (Taschenfl. 
Leipzig  [1867]  44)  und  Haussknecht  (1.  c.  1885  p.  239)  getan  haben 
{A.  sativa  var.  ß  contracta  Neilr.  1.  c.  =  var.  orientalis  Alef.  1.  c, 
0,  Kuntze  1.  c.  =  A.  fatua  h,  sativa  secunda  Hausskn.  1.  c).  Während 
z.  B.  Alph.  De  CandoUe  (Orig.  pl.  cult.,  deutsche  Ausgabe  [1884] 
475)  der  .4.  orie/italis  einen  hohen  systematischen  Wert  beilegt, 
gibt  Haussknecht  (I.e.)  an,  auf  grösseren  Feldern  stets  Übergänge 
zu  ^4.  sativa  gefunden  zu  haben;  sicher  ist,  dass  vereinzelt  auf  Schutt 

*)  Sclion  Schreber  selbst  (ßeschr.  d.  Gräser  II.  125  |1S10])  hebt  hervor,  dass 
die  Hispe  der  A.  sfr/'tjosa  bald  zusammengezogen,  bald  pyramidenförmig  ist. 


300  Hans  Schinz. 

verwilderte  Exemplare  hinsichtlich  der  Zugehörigkeit  zur  einen  oder 
andern  »Art"  oft  nicht  zu  deuten  sind^).  —  Bastarde  von  der  Formel 
A.  sativn  X  orienfalis  wurden  von  Wiegmann  (^Bastarderz.  S.  17, 
18,  35,  36)  nach  Focke  (Pflanzenraischlinge  [1881 J  409)  durch  gegen- 
seitige Befruchtung  der  beiden  „Arten"  künstlich  erzeugt;  die  Nach- 
kommen schlugen  nach  einigen  Generationen  in  die  väterliche  Stamm- 
form zurück.  Kreuzungsversuche  zwischen  A.  sativa  (Rispenhafer) 
und  Orientalis  (Fahnenhafer)  sind  ferner  'angestellt  worden  von 
Rimpau  (Kreuzungsprodukte  landwirtsch.  Kulturpfl.,  in  Landw.  Jahrb. 
1891),  Wilson  (The  hybridisatiou  of  cereals,  in  Journ.  of  Agricult. 
Science  IL  1.  [1907]  68)  und  namentlich  von  Nilsson-Ehle  (Kreu- 

0 

Zungsuntersuchungen  an  Hafer  und  Weizen,  in  Lunds  Univ.  Arsskrift 
N.  F.  Afd.  2.  Bd.  5.  Nr.  2  [1909],  122  pp. ;  „Rispentypus  beim  Hafer^' 
pp.  91 — 104).  Der  letztgenannte  Autor  fasst  (1.  c.  p.  103)  die  Haupt- 
resultate seiner  Untersuchungen,  die  auch  von  Erwin  Baur  (Einführ, 
in  die  exp.  Vererbungslehre  [1911]  112  — 115  mit  Abbild.)  akzeptiert 
werden,  folgendermassen  zusammen:  „Die  .  .  .  Untersuchungen  über 
den  Rispentypus  haben  gezeigt,  dass  es  für  allseitswendig  abstehende 
Stellung  der  Rispenäste  ebenso  wie  für  gewisse  Farbenmerkmale 
mehrere  selbständig  spaltende  Einheiten  gibt.  Der  einsei ts wendige 
Fahnentypus  bezeichnet  das  Fehlen  sämtlicher  Einheiten  für  die 
Allseitswendigkeit.  Der  vom  Fahnentypus  am  wenigsten  abweichende 
Steifrispentypus  mit  schräg  aufwärts  stehenden  Hauptästen  ist 
im  allgemeinen  durch  den  Besitz  einer  Einheit  für  die  Allseits- 
wendigkeit gekennzeichnet.  Wo  mehrere  Einheiten  für  die  Allseits- 
wendigkeit vorhanden  sind,  entstehen  die  stark  ausgebreiteten  lockeren 
Rispentypen  mit  horizontal  abstehenden  bis  schlaff  herunterhängenden 
Asten  [Schlaffrispenhafer].  Zwei  Einheiten  zusammen  ergeben  im 
allgemeinen  einen  stärker  ausgebreiteten  Rispentypus  als  jede  für 
sich  allein.  Durch  Kreuzung  zweier  Sorten,  die  je  eine  Einheit  für 
die  Allseitswendigkeit  besitzen,  können  also  als  Neuheiten  einerseits 
Fahnentypen  entstehen,  anderseits  aber  auch  Rispentypen,  die  stärker 
ausgebreitet  sind  als  die  der  beiden  Eltern ;  es  entstehen  m.  a.  W. 
in  beiden  Richtungen  Überschreitungen  der  Elterneigenschaften  .  .  . 
(p.  104:)  Die  Einseitswendigkeit  dominiert  im  allgemeinen  über  die 
Allseitswendigkeit  bei  den  Bastarden  Rispe  X  Fahne."  Für  die  Syste- 
matik ergibt  sich  daraus,  dass  Rispen-  und  Fahnenhafer  keine 
höhere  Wertigkeit  beanspruchen  können   als  etwa  die  ver- 


')  Schon  0.  Kuntze  (Taschenfl.  Leipzig  [1867]  47)  liebt  hervor,  dass  die  Var, 
Orientalis  sich  nur  an  sehr  üppigen  Exemplaren  gut  unterscheiden  lässl;  auch 
Husnot  (Gram,  de  France  etc.  '2«  livr.  [1897]  28)  gibt  an,  in  Feldern  von  A.  oritntaH^ 
alle  tn^ergänge  zu  A.  sativa  gefunden  zu  haben. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  301 

schiedenen  Farbenspielarten    des  Hafers,    d.  h.    dass  sie  als 
Varietäten  einer  und  derselben  Art  zu  betrachten  sind. 

3.  A,  strigosa  Schreb.,  der  Sand-  oder  Kauchhafer  (franz.: 
Avoine  rüde),  wäre  nach  Durieu  {\\\  Act.  Soc.  Linn.  Bordeaux  XX. 
[1855]  32)  und  Nyman  (Consp.  fl.  Europ.  IV.  [1882]  810)  vielleicht 
mit  Cerealien  aus  dem  Orient  eingeführt.  Alph.  De  Candolle 
(Orig.  pl.  Cult.  [1883],  deutsche  Ausg.  [1884 J  475)  erklärt  sie  (in 
Anlehnung  an  Bentham  Handb.  Brit.  Fl.  ed.  4  [1878]  544)  für  eine 
Kulturform  von  A.  sativa,  und  auch  Kör  nicke  (in  Körn.  u.  Werner 
Handb.  d.  Getreidebaus I.  [1885]  208,214)  und  Ascherson  u.  Graebner 
(Syn.  d.  mitteleurop.  Fl.  II.  1.  236  [1899])  halten  an  der  nahen  ver- 
wandtschaftlichen Beziehung  von  A.  strigosa  zu  A.  sativa  fest,  indem 
sie  sie  als  Varietät  bezw.  als  Unterart  von  A.  sativa  auffassen. 
Haussknecht  dagegen  hält  (1.  c.  1885  p.  240)  A.  strigosa  für  einen 
selbständigen,  in  Europa  einheimischen  Typus.  Keine  dieser  drei 
Hypothesen  scheint  das  Richtige  zu  treffen.  Vergleichen  wir  A.  stri- 
gosa morphologisch  mit  den  übrigen  Sativae  und  den  Agresfes,  so 
fällt  uns  auf,  dass  die  ausser  der  Rückengranne  in  zwei  Grannen- 
spitzen auslaufenden  Deckspelzen  der  Blüten  A.  strigosa  einerseits 
von  A.  sativa  (incl.  orientalis).  sowie  von  A.  nuda,  trennen,  während 
sie  sie  anderseits  der  A.  harhata,  unter  den  Agrestes  nähern.  Die 
Untersuchung  der  Blütenmerkmale  von  A.  harhata  und  A.  stri- 
gosa lehrt  uns,  dass  diese  beiden  Arten  sich  genau  in  ana- 
loger Weise  unterscheiden  wie  A. fatua  und  A.  sativa,  d.h., 
durch  die  allgemeinen  Unterscheidungsmerkmale  zwischen 
den  Agrestes  und  den  Sativae^).  In  Ei-wägung  dieser  Umstände 
möchte  ich  —  und  dabei  erfreue  ich  mich  der  Zustimmung  von  Prof. 
Trabut")  in  Alger  —  A.  harhata  als  die  W^ildform  betrachten, 
aus  der  A.  strigosa  durch  bewusste  oder  unbeabsichtigte 
Auslese  in  der  Kultur^)  entstanden  ist.  Auch  die  Verbreitung 
und   die   klimatischen  Ansprüche   der  A.  strigosa  stehen    mit  dieser 


')  Dass  bei  A.  strigosa  zum  Unterschied  von  A.  barbata  das  unterste  Glied 
der  Ährchenachse  deuthch  stielförmig  verlängert  ist,  wodurch  die  unterste  BKUe  über 
den  Hüllspelzen  gestielt  erscheint,  bildet  kein  Hindernis  für  die  obige  Annahme,  da 
die  gleiche  Erscheinung  auch  bei  einer  Varietät  von  A.  abyssinica,  die  Hauss- 
knecht  als  Kulturform  von  A.  Wiest ii  (einer  Wüstenrasse  der  Ä.  barbata  mit 
gleichfalls  ungestielter  unterster  Blüte)  ableitet,  eintritt. 

*)  Vergl. :  Trabut,  L.  «Contribution  ä  Telude  de  l'origine  des  Avoines  cultivees». 
Bull,  agric.  Alger.  Tunis.     16<=  annee  {l'.UO)  n.  15,  361. 

')  A.  strigosa  findet  sich  bekanntlich  in  Mittel-,  W'est-  und  Nordeuropa  auch 
hin  und  wieder  als  Unkraut,  namentlich  unter  A.  sativa.  Auch  unter  diesen 
Lebensbedingungen  kann  sich  der  selektive  Eintluss  des  Menschen,  so  gut  wie  in 
der  Kultur  selbst,  geltend  gemacht  haben,  da  die  Früchte  des  Rauchhafers  wohl  hie 
und  da  mit  denen  des  Saathafers  geerntet  werden. 


30i2  Hans  Schinz. 

Hypothese  in  gutem  Einklang ;  der  Rauchhafer  wird  nämlich  besonders 
im  atlantischen  West-  und  Südwesteuropa  gebaut,  wo  auch  die 
A.  harhata  (wenigstens  nordwärts  bis  zur  Bretagne)  ^)  einheimisch  ist. 
Merkwürdig,  dass  Haussknecht  die  nahen  Beziehungen  zwischen 
A.  hai^hata  und  A.  strigosa  und  ihre  völlige  Analogie  mit  denen 
zwischen  A.  fatiia  und  sativa  nicht  aufgefallen  sind;  hat  er  doch 
selbst  die  Übergangsform  A.  harhata  var.  solida  (1.  c.  1894  p.  41) 
beschrieben  (ohne  jedoch  ihre  wahre  Bedeutung  zu  erkennen),  und 
war  er  es  doch,  der  (wie  wir  gleich  sehen  werden)  A.  ahyssinica 
Höchst,  (einen  der  A.  strigosa  sehr  nahestehenden  Kulturhafer)  von 
A.  Wiestii   Steudel   (einer  Wüstenrasse   der   A.  harhata)   ableitete. 

4.  A,  brevis  Roth,  der  Kurzhafer,  steht  der  A.  strigosa  so 
nahe,  dass  man  ihn,  wie  Ascherson  u.  Graebner  (Syn.  H.  1.  237 
[1899])  richtig  bemerken,  auch  als  Rasse  oder  Varietät  derselben 
auffassen  kann;  die  Unterschiede  beschränken  sich  darauf,  dass  die 
Blüten  der  A.  brevis  kürzer  und  stumpfer  sind  und  die  oberwärts 
verbreiterten  Deckspelzen  in  2  kürzere  Grannenspitzchen  auslaufen. 
Haussknecht  erklärt  (1.  c.  1894  p.  44)  A.  hrevis  für  die  in  der 
Kultur  auf  Sandboden  entstandene  var.  abhreviata  der  A.  strigosa; 
ähnliche  forniae  abhreviatae  kommen  nach  seinen  Beobachtungen 
auch  bei  andern  Euavena- kxien  vor.  Auf  jeden  Fall  können  wir 
unbedenklich  A.  harhata  für  die  Stammpflanze  halten,  aus  einer  von 
deren  Formen  A.  brevis,  sei  es  direkt,  sei  es  auf  dem  Umwege  durch 
A.  strigosa,  hervorgegangen  ist.  [Der  Vollständigkeit  halber  sei 
erwähnt,  dass  Cosson  (Bull.  Öoc.  bot.  France  I.  [1854]  13)  die  Ver- 
mutung ausspricht,  als  Stammpflanze  der  A.  hrevis  (einblütige  Form 
derselben)  sei  vielleicht  die  auf  den  Kanaren  heimische  A.  uniflora 
Parkt.  (PI.  nov.  [1842]  84!  et  in  Webb  et  Berth.  Phytogr.  Canar. 
[1836 — 50]  sect.  III.  401)  anzusprechen,  in  welchem  Falle  dann  die 
Heimat  der  A.  hrevis  nach  den  Kanarischen  Inseln  zu  verlegen  wäre^). 
Da  mir  A.  uniflora  nur  aus  der  Originalbeschreibung  Parlatore's, 
worin  (1.  c.  p.  85—86)  die  Unterschiede  gegenüber  A.  brevis  namhaft 
gemacht  werden,  bekannt  ist^),  so  kann  ich  mir  über  die  grössere  oder 
kleinere  Wahrscheinlichkeit  der  Cosson'schen  Hypothese  kein  Urteil 
erlauben.] 

5.  Avena  nuda  L.,  der  Nackthafer  (franz.:  Avoine  a  gruau), 
unterscheidet   sich  von  allen   andern  Saat-  und  den  Wildhafer- Arten 


')  Über  die  Möglichkeit  ihres  Vorkommens  in  Grossbritannien  vergl.  später 
den  systematischen  Teil. 

*)  Die  gleiche  Vermutimg  wird  auch  von  C.  Müller  in  Walpers  Ann.  bot.  VI. 
(1861)  999  ausgesprochen. 

')  Nach  Trabut  (Bull.  Agric.  Alger.  Tunis.  16e  annee  [1910]  361)  gehört 
A.  uniflora  Pari,  zur  spezifischen  Gruppe  der  A.  harhata. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         303 

dadurch,  dass  die  Deckspelzen  (wie  bei  allen  Arten  die  Hüllspelzen)  von 
häutiger  Konsistenz  (nicht  derblederig  und  bei  der  Reife  verhärtend) 
sind  und  die  Karyopse  nur  locker  umschliessen ;  infolgedessen  fallen 
beim  Dreschen  die  Körner  nackt  (unbeschalt)  aus.  Mit  diesem  „nuda- 
Typus"  erreicht  der  Hafer  die  den  Naektweizen  und  -gersten  analoge 
Organisation.  Wir  haben  es  hier  mit  einer  im  Sinne  der  Bedürfnisse 
des  Menschen  hochspezialisierten  Form*)  zu  tun,  deren  Abstammung 
gerade  deswegen  ganz  unsicher  ist;  denn  die  Unterschiede  von  der 
wilden  Stammform  müssen  beträchtlich  sein.  Z.  B.  können  die  Deck- 
spelzen, deren  Spitzen  sonst  ein  gutes,  auch  für  die  Ermittlung  der 
Phylogenie  verwertbares,  diagnostisches  Merkmal  abgeben,  wegen  der 
(leicht  monströsen)  Veränderungen  (Vergrünung?)  hier  nicht  mehr 
zum  Vergleich  herangezogen  werden,  und  auch  die  Desartikulations- 
fläche  des  Callus  am  Grunde  der  Blüten,  der  sonst  (wie  wir  gleich 
noch  sehen  werden)  ein  grosser  phylogenetisch-systematischer  V^ert 
zukommt,  versagt  hier  völlig  diesen  Dienst,  da  von  einer  Artiku- 
lation überhaupt  kaum  mehr  eine  Spur  zu  erkennen  ist.  Im  besten 
Fall  könnten  allfällige  Rückschlagsformen  über  die  Abstammung  des 
Nackthafers  sichere  Aufklärung  bringen.  —  Nach  Haussknecht 
(1.  c.  1894  p.  43)  wäre  A.  /itida  eine  durch  Kultur  erzeugte  V^arietät 
der  A.  strigosa ;  der  Autor  gibt  an,  unter  der  in  Gärten  kultivierten 
typischen  A.  sfrigosa  häufig  Übergänge  getroffen  zu  haben.  Selbst 
wenn  diese  Beobachtungen  einwandfrei  richtig  sind,  so  kann  ihnen 
doch  unmöglich  eine  allgemeine  Gültigkeit  zukommen ;  denn  weder 
die  morphologisch-systematischen  noch  die  kulturhistorischen  Ver- 
hältnisse sprechen  für  die  Haussknecht 'sehe  Hypothese.  Einerseits 
nämlich  steht  A.  nuda  der  .4..  sfrigosa  morphologisch  durchaus  nicht 
näher  als  z.  B.  der  A.  sativa  —  auch  Körnicke  (in  Körn.  u.  Werner 
Handb.  d.  Getreidebaus  I.  [1885]  208)  und  Ascherson  u.  Graebner 
(Syn.  H.  1.  237  [1899])  fassen  A.  nuda  als  Varietätengruppe  bezw. 
Subspezies  der  A.  safira  auf')  —  und  anderseits  macht  der  Umstand, 
dass  A.  nuda  nach  Bretschneider  (Alph.  De  Candolle  Orig.  pl. 
cult.,  deutsche  Ausg.  [1884]  472)  in  China  schon  in  einem  historischen 
Werke  über  die  Jahre  626  bis  907  n.  Chr.  erwähnt  wird,  während 
in  Europa  nach  Ascherson  u.  Graebner  (1.  c.)  die  älteste,  von 
Dodonaeus   stammende  Nachricht  von    1566   datiert,    die  Annahme 


*)  A.  nuda  hat  nicht  nur,  wie  die  übrigen  Saathafer-Arten,  die  Verl)reitungs- 
vorrichtungen.  sondern  auch  die  Schutzmittel  der  Fruclit  verloren  und  ist  daher 
eine  für  den  Kampf  ums  Dasein  völlig  untaugliche  Form,  die  nur  unter  dem  Schutz 
und  der  Pflege  des  Menschen  sich  erhalten  kann. 

'^)  Schon  Link  (Enum.  h.  Berol.  I.  [1S21J  81)  und  Kunth  (Enum.  pl.  1.  [1833] 
30:2)  nehmen  die  Abstammung  der  A.  nuda  von  A.  saiira  an  («certe  a  praecedente 
[i.  e.  A.  .saf/ra]  orta> ). 


304  Hans  Schinz. 

der  Abstammung  von  der  westeuropäischen  A.  strigosa  höchst  unwahr- 
scheinlich. Wir  werden  viel  eher  als  wilde  Stammform  die  auch 
in  Nord-  und  Ost- Asien  verbreitete  A.  fatua  anzusprechen  haben, 
und  zwar  dürfte  es  sich  empfehlen,  A.  niida  wegen  der  in  der  Kultur 
erworbenen,  stark  abweichenden  Merkmale  —  wenigstens  provisorisch, 
bis  vielleicht  einmal  ein  glücklicher  Zufall  sichere  Aufklärung  schafft 
—  als  besondere,  mit  A.  sativa  zu  koordinierende  Subspezies  zu 
A.  fatua  zu  stellen.  Dabei  dürfen  wir  allerdings  nicht  vergessen, 
dass  A.  nuda  möglicherweise  ein  Gemenge  von  Konvergenzformen 
heterogenen  Ursprungs  darstellen  kann ;  nach  Haussknecht  (1.  c.  1894 
p.  43)  werden  nämlich  in  den  Gärten  sehr  verschiedene  Formen  als 
A.  nuda  kultiviert,  und  das  ;??/r/f/-Merkmal  der  frei  werdenden 
Karyopsen  kommt  nach  seinen  Beobachtungen  gelegentlich  auch  bei 
A.  sterilis  *)  und  A.  sativa  vor  und  wurde  selbst  einmal  bei  einer 
kultivierten  A.  fatua  konstatiert. 

Damit  sind  wir  mit  der  Besprechung  der  bekannteren  Saathafer- 
Arten  zu  Ende  gekommen.  Es  bleiben  uns  nunmehr  noch  zwei 
„sativa^ -FoYmQn  des  Mittelmeergebietes  bezw.  des  tropischen  Afrikas, 
deren  Abstammung  hier  anschliessend  diskutiert  werden  soll. 

6.  A,  hy^antina  C.  Koch!  in  Linnaea  XXI.  (1848)  392  {A. 
algeriensis  Trabut !  in  litt,  et  in  Bull,  agric.  Alger.  Tunis.  16®  annee 
[1910]  No.  15  [1"'  aoüt]  354—8:  y  A.  sterilis  forma  pamUela 
Hausskn.  1.  c.  1885  p.  240 ;  A.  sativa  var.  biaristata  Hackel  I  ex  Trabut 
in  Comptes-Rendus  Acad.  sc.  Paris  CXLIX.  No.  3  [juillet  1909]  228 
[sphalm.  «Haeckel»]  et  in  Bull.  Soc.  bot.  France  LVI.  1909  Sess.  extra- 
ord.  [1910]  XLIX).  —  Franz.:  Avoine  algerienne.  —  Prof.  Trabut 
in  Alger  hatte,  wie  er  in  seinen  1 909  und  1910  erschienenen  Mitteilungen  -) 
darlegt,  die  Wahrnehmung  gemacht,  dass  die  im  Mittelmeergebiet  (z.  B. 
in  Spanien,  Korsika!!,  Unteritalien,  Kleinasien!,  Cypern,  Algerien!, 
Tunesien)  kultivierte  A.  <-<sativa>'  sich  von  dem  mitteleuropäischen 
Saathafer  durch  eine  Reihe  von  Merkmalen  unterscheidet,  so  namentlich 
durch  mehr  verlängerte  Blüten  mit  stärker  lederigen  Deckspelzen 
und  schief  gestellter  (unvollkommen  funktionierender)  Abgliedern ngs- 


')  Ä.  sterilis  lusus  demidata  Hausskn.  1.  c.  1894  p.  40  („var.");  A.  u.  G. 
Syn.  II.  1.  !240  (1899)  (lusus):  Blüten  festsitzend.  Deckspelze  verkahlt,  an  der  Spitze 
vergrünend,  die  Frucht  nur  lose  umgebend,  Granne  reduziert ;  so  einmal  irn  botanischen 
Garten  von  Hanil)urg  beobachtet. 

^)  Trabut,  L.  «Contribution  ä  l'etude  de  Torigine  des  Avoines  cultivees». 
Comptes-Rendus  Acad.  Sc.  Paris  CXLIX  No.  3  (juillet  1909)  227-9;  vergl.  auch  Bull 
Soc.  bot.  France  LVI.  1909  Sess.  extraord.  (1910)  XLIX.  —  Id.  «Contribution  ä  l'etuile 
de  l'origine  des  Avoines  cultivees».  Bull,  agric.  Alger.  Tunis.  Iti«  annee  (1910)  Xo.  15 
(!«'•  aoüt)  353—63  mit  4  Textfig. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  305 

fläche  am  Grunde,  auch  sind  die  an  den  beiden  untern  Blüten  gleich- 
massig  ausgebildeten  Grannen  für  den  algerischen  Hafer  charakteristisch 
(daher  der  Name  A.  safira  var.  hiaristata  Hackel).  Diese  morpho- 
logischen Verhältnisse,  vereint  mit  den  ökologischen  Ansprüchen  der 
Pflanze,  führten  Trabut  zu  dem  Schluss,  dass  diese  mediterrane 
«.4..  safira»  nicht  von  der  Steppenpflanze  .4.  fatua,  sondern  von 
der  im  eigentlichen  Mediterrangebiet  verbreiteten  und  hier  die  A.fatua 
vertretenden  A.sfrrilis  abstammt.  In  Nordafrika  fand  Trabut  auch 
Wildformen,  die  den  Übergang  von  A.  sfen'Iis  zum  .sr///i'<7-Typus 
vermitteln.  Den  Deduktionen  Trabut' s  kann  ich  mich  in  allen 
Punkten  anschliessen  mit  Ausnahme  der  von  diesem  Autor  gewählten 
Nomenklatur,  da,  wie  ich  mich  durch  Vergleich  der  Originale')  über- 
zeugen konnte,  A.  algeriensis  Trabut  (1910)  mit  A.  hijzantina. 
C.  Koch  (1848)  zusammenfällt.  Schon  vor  1885  hatte  Haussknecht 
in  Luristan  (Persien),  wo  nirgends  Hafer  kultiviert  wird,  auf  Lein- 
feldern eine  zufällig  entstandene  Form  der  ^4.  sferilis  mit  kahlen, 
festsitzenden  Scheinfrüchten  beobachtet  (=  A.  sfen'Ii.s  f.  parallela 
Hausskn.  1.  c.  1885  p.  240),  die  also  im  Wesentlichen  mit  unserer 
Kulturrasse  A.  bijzantiiia  (algeriensis)  übereinstimmt.  Später  (1  c. 
1894)  beschrieb  der  gleiche  Autor  auch  zwei  Übergangsformen  von 
A.  sferilis  zum  safiva-Ty^us:  1.  A.  sferilis  ^ox.  pseudo-rilis  (p.  39) 
mit  kahlen,  nur  am  Grunde  von  einem  Haarkranz  umgebenen,  sich 
etwas  weniger  leicht  ablösenden  Blüten  (Parallelform  zu  A.  fafua 
var.  fjlahrafa  Peterm.  =  ^4..  rilis  Wallr.);  2.  ^4..  sferilis  var.  solida 
(p.  40)  mit  fuchsrot  behaarten,  aber  nicht  abgegliederten  Blüten.  — 
Haussknecht  schliesst  daran  folgende  Überlegungen:  „Alle  diese 
Übergangsformen  zur  v2iY.  parallela  zeigen,  dass  A.  sferilis  dieselben 
Formen  aufweist  wie  .4..  fafua,  und  dass  auch  erstere  zur  Gewinnung 
von  Saathafer  zu  verwenden  ist"  (1894  p.  40).  „Für  die  südeuro- 
päischen Länder  würde  die  durch  Kultur  verbesserte  A.  sferilis 
wegen  ihrer  grösseren  Früchte  eine  sehr  zu  empfehlende  Futterpflanze 
abgeben,  zumal  unsere  .4..  saiira  dort  nicht  gut  gedeihen  will"  (p.  39). 
Schon  1885  (p.  240)  hatte  sich  Haussknecht  im  gleichen  Sinne 
ziemlich  positiv  ausgesprochen:  „Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
die  in  den  südlichen  und  östlichen  Ländern  kultivierten  Habersorten 
zum  Teil  von  den  genannten  Haberarten  [A.  sferilis  und  harbafa] 
abstammen  mögen,  was  freilich  noch  näherer  Untersuchung  bedarf." 
Offenbar  hat  Haussknecht  den  mediterranen  Saathafer  nie  zu  Gesicht 
bekommen,  denn  sonst  hätte  er  sicherlich  erkennen  müssen,  dass  die 
von  ihm  geäusserte  Vermutung  schon  längst  zur  Wahrheit  geworden 

')  Durch  die  ireuiidhche  Vermittlung  der  Herren  Geh.  Rat.  Engler  und  Prof. 
Pilger  erhielt  ich  das  Original  der  A.  hyzanüua  C.  Koch  im  Juni  1911  zur  Einsicht. 


306  Hans  Schinz. 

war;  erst  in  allerjüngster  Zeit  hat  Trabut,  und  zwar  unabhängig 
von  Haussknecht,  die  Abstammung  und  die  wahre  Natur  des 
mediterranen  Hafers  erkannt.  Allerdings  ist  das  Kultur-Merkmal 
der  zähen  Ährchenspindel  bei  A.  hyzantina  noch  nicht  ganz  typisch 
ausgebildet,  da  bei  der  Reife  zuletzt  die  Desartikulation  der  untern 
Blüte  erfolgt ;  doch  geschieht  die  Ablösung  der  Blüten  nicht  so  leicht 
wie  bei  den  eigentlichen  Wildformen  (entsprechend  ist  auch  die  Ab- 
gliederungsnarbe  des  Callus  weniger  scharf  ausgeprägt),  und  in  der 
Praxis  können  bei  rechtzeitiger  Ernte  auch  die  Früchte  eingeheimst 
werden  (Trabut  1.  c.  1909  p.  228).  Es  steht  zu  erwarten,  dass  durch 
rationelle  Züchtungsmethoden  eine  konstante  Rasse  mit  typischem 
Äa^zm- Charakter  erzielt  werden  wird. 

Bemerkenswert  ist,  wie  bereits  angedeutet,  das  biologisch-öko- 
logische Verhalten  der  A.  hyzantina  im  Gegensatz  zu  demjenigen 
der  echten  A.  sativa  (vergl.  Trabut  1.  c.  1909  p.  228  29).  Professor 
Trabut  experimentierte  seit  1895  im  algerischen  Littoralgebiet  (in 
der  botanischen  Station)  mit  zahlreichen  Saathafer-Rassen;  nur  die 
von  A.  stei'ilis  abstammenden  Formen  ertrugen  das  Klima  und  wider- 
standen auch  dem  Rost ;  ebenso  zeigten  sie  sich  gegenüber  dem  Salz- 
gehalt des  Bodens  weniger  empfindlich.  In  ähnlicher  Weise  erwies 
sich  der  algerische  Hafer  auch  am  Kap,  in  Australien  und  in  den 
Vereinigten  Staaten  als  die  an  die  klimatischen  Bedingungen  am  besten 
angepasste  Saathafer-Art. 

7.  Endlich  bleibt  uns  noch  eine  sativa-Form  Abessiniens  und 
Jemens  zu  besprechen,  die  in  den  genannten  Gegenden  nicht  als 
Körnerfrucht,  sondern  als  Futterpflanze  kultiviert  wird  (Trabut  br. 
1911)  und  auch  als  Unkraut  in  Getreide-  und  Luzerne-Feldern  vor- 
kommt'): A,  ahyssinica  Höchst,  ex  A.  Rieh.  Tent.  fl.  Abyss.  H. 
(1853)  415,  A.  Richard  selbst  (1.  c.  p,  416  Obs.)  äussert  die  Meinung, 
dass  es  sich  lediglich  um  eine,  nur  durch  die  zwei  gleichmässig 
begrannten  Blüten  verschiedene  Varietät  der  A.  sativa  handle. 
Körnicke  (in  Körn,  u,  Werner  Handb.  d.  Getreidebaus  I.  [1885] 
208)  löst  den  Typus  der  A.  abessinica  in  4  nur  nach  der  Farbe  der 
Deckspelzen  unterschiedene  Formen  auf,  die  er  als  unter  sich  und  z.  B. 
mit  A.  strigosa  und  A.  hrevis  koordinierte  Varietäten  zu  A.  s((tiva 
stellt.  Auch  Engler  (Hochgebirgsfl.  trop.  Afr.  [1892].  129)  und 
Schweinfurth  (in  Bull.  Herb.  Boiss.  IL  [1894]  App.  IL  31)  halten 
an   der   nahen  Verwandtschaft   unserer   Pflanze    mit  A.  sativa   fest, 


^)  Dass  unter  Umständen  aiacli  Unkräuter  unter  dem  Einfluss  der  unbewussten 
Pflege  und  Selektion  durch  den  Menschen  Eigenschaften  von  Kulturpflanzen  er- 
werben können,  haben  wir  bereits  oben  (Seite  301,  Fussnote  3)  hervoi-gehoben. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         307 

indem  sie  sie  als  Var.  abyssinica  zu  derselben  ziehen.  Dagegen 
erkannte  Hausskneeht  richtig  ihren  abweichenden  Ursprung.  An- 
fänglich {\.  c.  1894  p.  44)  hielt  er  A.  abyssinica  für  eine  Varietät 
von  A.  strigosa  (Zwischeuform  strigosa — brevis);  später  (1.  c.  1899 
p.  49 — 51)  widerruft  er  diese  Ansicht  und  erklärt  jetzt  A.  abyssinica 
für  die  Kulturform  (var.  solida  glabra)  der  A.  Wiestii  Steudel, 
einer  nordafrikanisch-südwestasiatischen  Wüstenrasse  der  A.  barbata. 
Dieser  letzteren  Auffassung  kann  ich  mich  durchaus  anschliessend 
ohne  darum  die  erstere  ganz  zu  verwerfen,  da  ja  nach  meiner  Ansicht 
A.  strigosa  (inkl.  A.  breris),  so  gut  wie  A.  Wiestii  und  A.  abyssinica, 
eine  Form  der  Gesamtart  A.  strigosa  (inkl.  A.  barbata)  darstellt. 
A.  Wiestii  und  abyssinica  besitzen  (im  Gegensatz  zu  A.  barbata 
und  A.  strigosa)  verkürzte  Blüten^),  bei  denen  die  beiden  terminalen 
Grannenspitzen  der  Deckspelze  am  Grunde  auf  der  äussern  Seite  je 
von  einem  kleinen,  aber  deutlichen  Zähnchen  begleitet  sind-)  (bei 
.4.  strigosa  und  barbata  läuft  der  auf  die  Grannenspitze  auswärts 
folgende  Längsnerv  der  Deckspelze  höchstens  in  ein  sehr  dünnes, 
kaum  wahrnehmbares  Stachelspitzchen  aus);  der  Unterschied  von 
A.  abyssinica  gegenüber  A.  Wiestii  beruht  also  im  wesentlichen 
nur  auf  dem  Kulturmerkmal  der  fast  kahlen  Blüten  mit  kleiner,  fast 
horizontal  gestellter,  schwach  funktionierender  Abgliederungsfläche 
am  Grunde,  wozu  dann  bei  A.  abyssinica  (ähnlich  wie  bei  A.  brevis) 
noch  eine  Verkürzung  der  terminalen  Grannenspitzen  kommt.  Hauss- 
knecht fand  seine  die  Abstammung  der  A.  abyssinic((  betreffende 
Theorie  bestätigt  durch  die  Existenz  von  Übergangsformen  der 
A.  Wiestii  zum  sativa-Typus:  var.  gtabra  Hsskn.  (1.  c.  1899  p.  49) 
mit  kahlen,  artikulierten  Blüten  und  var.  solida  Hsskn.  (ibid.)  mit 
behaarten,  aber  festsitzenden  Scheinfrüchten ;  als  Endglied  dieser 
Entwicklungsreihe  wäre  dann  die  nach  Haussknecht  als  ein  Produkt 
des  fetten,  feuchten  Kulturbodens  aufzufassende  var.  sotida  glabra 
(p.  51)  =  A.  abyssinica  Höchst,  zu  betrachten.  Als  eine  weitere 
Übergangsform  zwischen  A.  Wiestii  und  A.  abyssinica  kann  noch 
namhaft  gemacht  werden:  A.  Wiestii  var.  pseudo- abyssinica 
Thell.  var.  nov.  mit  sehr  verkürzten,  nur  1 — 2  mm  langen  Grannen- 
spitzen der  Deckspelzen;  diese  Form  steht  der  ^4.  abyssinica  habituell 
sehr  nahe  und  wurde  auch  tatsächlich  von  Schimper')  unter  diesem 

M  Mit  Rücksicht  auf  dieses  Merkmal  veriiält  sicli  nach  Hausskneclit  (1.  c 
1899  p.  48)  A.  Wiestii  zu  A.  barbata  wie  A.  Ludoviciana  Dur.  zu  A.  .sterilis 
oder  A.  brevis  zu  A.  strigosa. 

^)  Dadurch  werden,  wie  Körnicke  (in  Körn.  u.  Werner  Handb.  d.  Getreide- 
baus I.  [1885]  208)  richtig  liervorhebt,  bei  A.  abyssinica  die  Deckspelzen  an  der 
Spitze  4zähnig. 

^)  Urahut  (Abyssinia)  leg.  Schimper  '2b.  X.  1863  (Herb.  Univ.  Züricli). 


308  Hans  Schiiiz. 

Namen  angegeben ;  sie  ist  aber  ein  echter  Wildhafer  mit  stark  rauh- 
haarigen, sich  schon  im  unreifen  Zustand  leicht  abgliedernden  Blüten 
(die  Zugehörigkeit  zu  A.  Wiest! i  ergibt  sich  aus  der  4 zähnigen 
Deckspelze).  —  Während  A.  abyssinica  der  älteren  Schimperschen 
ExsikkatenM  auf  den  Deckspelzen  vereinzelte  lange  Haare  und 
ausserdem  eine  sitzende  untere  Blüte  aufweist,  zeichnet  sich  die  var. 
glaberrima  Chiovenda !  ^)  nicht  nur,  wie  der  Name  andeutet,  durch 
völlig  kahle  Deckspelzen  (nur  die  Ährchenachse  ist  unter  jeder  Blüte 
kurz  behaart),  sondern  auch  durch  eine  deutlich  gestielte  untere  Blüte 
aus,  in  völliger  Analogie  mit  der  ebenfalls  durch  die  gestielte  untere 
Blüte  charakterisierten  ^4.  strigosa^),  die  wir  gleichwohl  von  A.  barhata 
(mit  sitzender  unterer  Blüte)  ableiten.  Mit  dieser  Form  hat  die 
A.  abyssinica  den  sativa-Ty^ws  voll  und  ganz  erreicht,  und  wir 
besitzen  in  ihr  einen  Saathafer,  von  dem  zu  erwarten  ist,  dass  er, 
wie  schon  Trabut  (1.  c.  1910  p.  362)  andeutet,  als  Abkömmling  der 
Wüstenpflanze  A.  Wiestii  in  Ländern  mit  wüsten  artigem  Klima,  wo 
A.  sativa  wegen  der  Ungunst  der  klimatischen  Verhältnisse  nicht 
mehr  zu  gedeihen  vermag,  dieselbe  wichtige  Rolle  spielen  wird  wie 
A.  byzantina  im  Mediterrangebiet. 

Die  Stellung  der  A.  abyssinica  im  System  der  Sektion  Euavena 
wird  davon  abhängig  sein,  ob  wir  A.  Wiestii,  ihre  Stammpflanze, 
als  eigene  Art  oder  als  Form  von  A.  barbata  aufli'assen.  Betrachten 
wir  die  deutlichen  Seitenzähnchen  der  Spitzen  der  Deckspelzen  als 
spezifisch  trennendes  Orgamsationsmerkmal,  so  müssen  wir  A.  abys- 
sinica und  A.  Wiestii  als  Unterarten  zu  einer  Spezies  zusammenfassen, 
die  aus  Prioritätsgründen  den  Namen  A.  abyssinica  Höchst,  sens.  ampl. 
zu  führen  hat.  Nach  Haussknecht  (1.  c.  1899  p.  49)  soll  jedoch 
A.  Wiestii  auf  besserem  Boden  in  A.  barbata  übergehen.  Wenn 
diese  Beobachtung  sicher  zutreffend  ist^),  so  werden  wir  ^4.  Wiestii 


')  Z.  B. :  Schimper  Iter  Abyss.  sect.  II.  n.  9.50  (als  A.  sferilis  L.).  inter  segetes 
Adoae  (Un.  itin.  1842). 

^)  A.  ohyHsinica  f.  c/laberrima  Chiovenda!  in  Anno  VIII  delT  Ann.  R.  Ist. 
Bot.  di  Roma  (1908)  343.  Ich  sah  die  Exsikkaten  von  Medri  od  Tesfä  (Col.  Eritrea), 
Adi  Ghehsus,  1905/06,  leg.  A.  Poppi  n.  6541.  7251  (Herb.  gen.  Univ.  Zürich). 

^)  Von  dieser  Art  unterscheidet  sie  sich  noch  immer  durch  die  verkürzten, 
von  einem  Sekundärzähnchen  hegleiteten  Grannenspitzen  der  Deckspelzen. 

■*)  Haussknecht  erwähnt  für  A.  Wiestii  das  charakteristische  Merkmal  der 
4zähnigen  Deckspelze  nicht:  es  ist  also  die  Möglichkeit  vorhanden,  dass  der  genannte 
Autor  üppigere  Formen  der  A.  Wiestii,  die  sich  vielleicht  nur  habituell  der  A.  barbata 
nähern,  für  Übergänge  zu  dieser  Art  gehalten  hat.  Wegen  der  allgemeinen  Ver- 
nachlässigung des  erwähnten  Merkmals  sind  auch  die  Angaben  über  die  Verbreitung 
der  A.  Wiestii  unzuver]äs.sig ;  es  ist  wohl  möglich,  dass  man  vielfach  Kümmerformen 
der  A.  barbata  dafür  genommen  hat. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         309 

als  Rasse  (oder  nur  Varietät)  zu  A.  harhata,  A.  abyssiuica  dagegen 
als  Rasse  oder  Varietät  zu  A.  stri(/os<f  stellen,  in  der  Annahme,  dass 
die  gleichen  klimatischen  Einflüsse,  die  im  nordafrikanischen  Wüsten- 
gebiet die  A.  barbafa  in  A.  Wiest ii  umprägen,  auch  den  Typus  der 
A.  strigosa  in  analoger  Weise  zu  verändern  vermochten  (man  kann 
sich  z.  B.  vorstellen,  dass  das  deutliche  Seitenzähnchen  der  Spitzen 
der  Deckspelzen  bei  ^4..  Wiest  ii  und  ahijssinica  direkt  mit  der  Ver- 
kürzung und  der  relativen  Verbreiterung  der  Deckspelze  zusammen- 
hängt, indem  dabei  die  Längsnerven  der  letzteren  auseinanderrücken 
und  an  der  Spitze  in  grösserem  Abstand  austreten).  Allerdings  müsste 
noch  der  experimentelle  Nachweis  erbracht  werden,  dass  A.  abijssinica 
durch  die  Kultur  auf  besserem  Boden  in  A.  strigosa  überginge,  wie 
dies  die  A.  abijssinica  var.  glaberrima  anzudeuten  scheint.  Solange 
jedoch  diese  Fragen  nicht  an  Hand  von  ausgedehnten  Beo'.'achtungen 
und  Experimenten  einwandsfrei  entschieden  sind,  werden  wir  wohl 
am  besten  tun,  A.  barbata.  strigosa.  Wiest  ii  und  abijssinica  als 
koordinierte  Subspezies  oder  Rassen  der  A.  strigosa  sens.  ampl.  zu 
behandeln,  wobei  wir  die  Frage,  ob  A.  abyssinica,  der  A.  Wiestii 
oder  der  A.  strigosa  näher  steht,  offen  lassen  müssen^). 


Die  folgende  Tabelle  soll  uns  eine  kurze,  übersichtliche 
Zusammenstellung  der  im  Vorhergehenden  besprochenen  Wild- 
und  Saathafer -Arten  und  ihres  phylogenetischen  Zusammenhanges 
geben. 


*)  Mit  ähnlichen  Schwierigkeiten  hat  die  Systematik  in  dem  analogen  Falle 
des  Hordeum  spontaneum  (!.  Koch  var.  ischnathertim  (Cosson  in  Bull.  Soc.  bot. 
France  XI.  [18fi4]  10.3  sub  H.  ithahurgensi)  Thell.  zu  kämpfen,  das,  von  Cosson 
auf  eine  Adventivpflanze  des  Port-Juvenal  bei  Montpellier  begründet  und  später  von 
BornmüUer  in  Assyiien  und  Kurdistan  autochthon  aufgefunden,  von  Kör  nicke 
(nach  Schwein furtii  in  Her.  d.  deutsch,  bot.  Ges.  XXVl».  [1908]  313)  für  die  Ur- 
sprungspflanze von  H.  vulgare  L.  und  H.  hexaiitichum  L.  erklärt  wird,  während 
der  Typus  des  H.  spontcmexim  die  Wildform  des  H.  diKÜchum  L.  darstellt.  K  ö  r  n i  c  k  e 
fasst  (1.  c.)  H.  iüchnathermn  allerdings  als  eigene  Art  auf;  doch  sind  die  Unter- 
schiede gegenüber  H.  spontaneum.  sicherlich  zu  geringfügig,  um  eine  spezifische 
Trennung  zu  ermöglichen.  Man  kommt  also  auch  hier,  wie  bei  Ai'ei^a  abijssinica, 
die  man  am  liebsten  als  , Subspezies"  der  „Rasse"  Wiestii  von  A.  barbata  behandeln 
würde,  in  Versuchung,  Hordeum  ridyare  und  hexastichum  unter  Umkehr  der 
normalen  hierarchischen  Rangfolge  als  „Subspezies"  zu  H.  spontaneum  ,var." 
ischnatherum  zu  stellen,  ein  Vorgehen,  das  selbstverständlich  —  auch  nach  Art.  13 
der  Wiener  Regeln  —  unzulässig  ist. 

Vierteljahrssclirift  d.  Natiirf.  Ges.  Zürich.     Jahrg.  56.  1911.  21 


310 


Hans  Schinz. 


Kulturformeii 

(Sotivae  Coss.  1.  c.'); 
Ä.  sativa  [L.  sens. 
ampl.]  Körnicke ^)  in 
Körn,  und  Werner 
Handb.  d.  Getreide- 
baus I.  [1885]  192, 
200-206  ;Fiori(S:  Pao- 
lettiFl.anal.Ital.  1.1. 
[1896]  72;  A.  et  G. 
Syn.  IT.  1.  233  [1899]) 


Wildformen 

(Agrestes  Cosson  1. 
c. ') ;  FragüesHusnot 
Gram.  II.  [1897]  39; 
A.  fatua  [L.  sens. 
ampl.]  Fiori  &Paoletti 
Fl.  anal.  Ital.  I.  1. 
[1896]  72) 


A.  hyzantina 

C.  Koch 


1 .  A.  Sterins 

L. 


A.  wuda  L. 

A.  sativa  L. 

(inkl.  A.  Orien- 
talis Sehr.) 


A.  strigosa 

Schreber 

(inkl.  A.  brevis 

Roth) 


A.abyssinica 

Höchst. 


2.  A.  fatua    \  3.  A.  harhata 

Pott  ex  Link 


3  a.  A.  fViestii 

Steudel 


§  1.  Bifortnes 

Coss.  I.e. ^)(em.) 


§  2.    Conforntes  Cosson  I.  c.^)  (em.) 


Gesamtart    Avena   sativa   [L.    sens.   ampliss.]    Ascher.?on    et 
Graebner  Syn.  d.  mitteleur.  Fl.  IL  1.  233  (1899). 


Die  vorstehenden  Erörterungen  dürften  zur  Genüge  dargetan 
haben,  dass  die  Subsektion  «.Satlvae-»  (Cosson)  der  Sektion 
Euavena  oder  die  Sammelart  A.  sativa  von  Körnicke-),  Fiori 
&  Paoletti,  Ascherson  u.  Graebner  keine  systematische  Ein- 
heit, sondern  vielmehr  ein  Gemenge  aus  heterogenen 
Formen  darstellt,  die  nur  durch  Konvergenz  gemeinsame 
äusserliche  Anpassungsmerkmale  von  geringem  phylo- 
genetischem Alter  in  der  Kultur  angenommen  haben.  Schon 
Haussknecht  (1.  c.  1885  p.  237,  1894  p.  44)  und  Trabut  (1.  c.  1909 
p.  228,  1910  p.  356)  haben  die  Unhaltbarkeit  der  Cossonschen 
Gruppen  Sativae  und  Agrestes  mit  allem  Nachdruck  betont  unter 
Hinweis  auf  die  bestehenden  Übergangsformen  und  die  Abstammung 
der  einzelnen  Saathafer- Arten  von  verschiedenen  Wildhafer-Formen. 
Aufgabe  einer  natürlichen,  auf  die  mutmassliche  Phylogenie 
als  oberstes  Gruppierungsprinzip  begründeten  Systematik 
ist  es  nun,  die  Gruppe  Sativae  bezw.  die  Sammelart  A.  sativa 
aufzulösen  und  die  einzelnen  Kulturhafer-Arten  zu  den 
Wildformen,   von  denen  wir  sie  ableiten,    in    direkte    s^ste- 

1)  Siehe  oben  Seite  293— ö. 

^)  A.  «sativa»  enthält  hei  Körnicke  (1.  c.  206—208,  208—220)  29  koordinierte 
Varietäten  von  sehr  ungleichem  systematischem  Wert,  die  zusammen  A.  sativa, 
Orientalis,  brevis,  strigosa,  äbyssinica  und  nuda  umfassen. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVIj.         311 

matische  Beziehung  zu  bringen,  wie  dies  bereits  Haussknecht 
(1.  c.  1894  p.  44-45)  und  Trabut  (1.  c.  1910  p.  362)  angebahnt 
haben.  Unter  Berücksichtigung  der  oben  eingehend  diskutierten  ver- 
wandtschaftlichen Verhältnisse  der  einzelnen  Saathafer-Arten  komme 
ich  zu  folgendem 

Versuch')  einer  iiatürliclieii  Systematik  der  besprochenen 
Formen-)  der  Sektion  Buavena, 

Avena  L.  Spec.  pl.  (1753)  79,  Gen.  pl.  ed.  5  (1754)  34  ex  p.  ^ 
em.  Pal.  Agrost.  (1812)  89;  Trin.  Gram.  Suppl.  (1835?)  in  Mem, 
Acad.  Petersb.  Q'  se'r.  IV.  2.  (1838)  22. 

Sect.  JEuavena  Griseb.  Spicil.  fl.  Rumel.  II.  (1844)  452 ;  Gren, 
et  Godron  Fl.  France  III.  2.  (1856)  510  (Avena  subgen.  1.  Genuinae 
et  2.  Verae  ex  maxima  p.^)  Link  Handb.  I.  [1829]  43,  44;  Avena 
[sect.]  c.  Avenae  genuinae  Ilchb.  Fl.  Germ,  excurs.  sect.  I.  [1830] 
52;  [sect.  L]  Koch  Syn.  fl.  Germ.  Helv.  IL  [1837]  794,  ed.  2.  IL 
[1844]  916;  Durieu  in  Act.  Soc.  Linn.  Bordeaux  XX.  [1855]  48; 
Avena  a)  Annuae  Trin.  Gram.  Suppl.  [1835?]  in  Mem.  Acad.  Petersb. 
6«  ser.  (sc.  math.  phys.  et  nat.)  IV.  2.  [1838]  Bot.  23;  [sect.  L] 
Husnot  Gram.  IL  [1897]  38;  Avena  sect.  I.  Avenatijpus  Cosson  et 
Germain  Fl.  Paris  (1845)  636;  Cosson  [et  Durieu]  in  Bull.  Soc.  bot. 
France  I.  [1854]  12;  sect.  I.  Crithe  Griseb.  in  Ledeb.  Fl.  Ross.  IV. 
[1853]  412;    sect.    Agravena   Kirschleger   Fl.    Als.   IL    [1857]   309; 


')  Ich  spreche  nicht  ohne  Grund  von  einem  „Versuch"  einer  natürliclien 
Systematik,  da  ich  mir  wohl  bewusst  bin,  dass  Vieles  in  der  folgenden  systematischen 
Einteilung  nur  provisorischen  Wert  haben  kann ;  zu  einer  definitiven  Lösung  all  der 
schwierigen  Probleme,  die  die  Systematik  der  Sektion  Euavena  bietet,  wären  lang- 
jährige Kulturversuche  und  umfassende  Herbar-  und  Literaturstudien  erforderlich. 
Auch  die  Nomenklatur  der  Varietäten  der  Wildformen  (z.  B.  von  A.  fatua)  ist  noch 
nicht  völlig  gesichert;  es  ist  wohl  möglich,  dass  in  der  lokalfloristischen  Literatur 
Europas  noch  Namen  existieren,  die  in  den  grösseren  floristischen  und  systematischen 
Werken  übergangen  werden,  die  aber  gleichwohl  unter  Umständen  Berücksichtigung 
erfordern  könnten. 

'')  Von  den  Varietäten  und  Rassen  der  Wildhafer-Arten  sollen  nur  diejenigen 
aufgeführt  werden,  die  als  Übergänge  zu  den  Saathafer-Formen  oder  als  Stamm- 
pflanzen derselben  in  Frage  kommen.  Vom  gleichen  Gesichtspunkt  ausgehend,  werden 
wir  auch  die  grosse  Mehrzahl  der  Abarten  der  Kulturhafer  ausser  Betracht  lassen. 

^)  Nach  freundlicher  Mitteilung  von  Dr.  E.  Janchen- Wien,  der  das  mir  in 
Zürich  nicht  zugängliche  Li nksche  AVerk  in  zuvorkommender  Weise  für  mich  nach- 
schlug, werden  die  Subgenera  Giänae  und  Verae  durch  die  Begrannung  und  die 
Behaarung  der  Blütchenstiele  unterschieden;  zu  den  Genuinae  (p.  43)  werden 
gestellt:  A.  sativa,  A.  chinensift,  [p.  44:]  A.  orientalis,  A.niida;  zu  subgen.  2. 
Verae  (p.  44):  A.  strigosa,  A.brevis,  [p.  45:]  A.  fatua,  A.  sterilis,  A.  hirsuta 
[=  barbata]  und  A .  planiculmis  Schrad.  letztere  bekanntlich  nicht  zu  Euavena 
gehörig). 


312  Hans  Schinz. 

Gesamt  Ä.  sativa  [L.  sens.  ampliss.]  Ascherson  et  Graebner ')  Syn. 
cl.  mitteleur.  Fl.  IL  1.  233  [1899]). 

Subsect.  1.  Bifofmes-)  Cosson  [et  Durieu]  in  Bull.  Soc.  bot. 
France  I.  (1854)  14  (sub  sect.  Av&natypns  subsect.  Affrestes).  Die 
untere  Blüte  an  Wildformen  sich  leicht  von  dem  unter  ihr  befindlichen 
Stück  der  Ährchenachse  ablösend,  auch  bei  den  Kulturformen  mit 
deutlicher,  schiefgestellter  (wenngleich  unvollkommen  funktionierender) 
Abgliederungsfläche ;  obere  Blüten  stets  festsitzend  und  nur  durch 
gewaltsamen  Bruch  der  Ahrchenachse  im  untern  Teil  des  Internodiums 
sich  trennend;  bei  den  Wildformen  fallen  daher  alle  Blüten  an  einem 
Stück  aus  den  Hüllspelzen  heraus,  bei  den  Kulturformen  geschieht 
dasselbe  beim  Dreschen. 

1.  A,  Sterins  L.  Spec.  pl.  ed.  2.  I.  (1762)  118  sens  ampl.  — 
Merkmale  der  Subsektion  BifoDiies.  Artikulationsfläche  der  Wild- 
formen in  der  Regel  sehr  steil  gestellt,  länglich ')   (doch  bei  der  auch 

^)  Die  übrigen  Arten  der  Sektion  Euavena  (z.  B.  A.  clauda  Durieu  und 
A.  pilosa  M.  Bieb.)  stehen  den  hier  behandelten  sehr  nahe,  so  dass  sie  wohl  auch 
in  die  Gesamtart  A.  .sativa  A.  et  G.  einzubeziehen  sind.  Nach  Haussknecht  (1.  c. 
1894  p.  4^2 — 43,  45)  ist  A.  pilosa  die  forma  solida  der  A.  clauda  (einer  in  Griechen- 
land, Südwestasien  i  und  Nordafrika  verbreiteten  Art),  von  der  sie  sich  lediglich 
•dadurch  unterscheidet,  dass  nicht  alle  Blüten  sich  abgliedei'n,  sondern  nur  die  unterste 
sicli  loslöst  (1.  c.  p.  42)  oder  auch  alle  festsitzend  sind  (1.  c  p.  43). 

2)  Ich  behalte  die  Subsektionen  Biformes  und  Conformes  vorläufig  bei, 
obgleich  sie  vielleicht  keine  phylogenetisch  einheitlichen  Gruppen  darstellen,  indem 
wohl  vorstellbar  ist,  dass  die  sie  unterscheidenden  Merkmale  Anpassungen  von  ge- 
ringem phylogenetischem  Alter  darstellen;  immerhin  hat,  wie  schon  Haussknecht 
hervorhebt,  der  Abgliederungsmodus  der  Scheinfrüchte  bei  den  AVildformen  (im 
Gegensatz  zu  den  Kulturrassen)  einen  hohen  systematischen  Wert.  Die  drei  hier  zu 
behandelnden  Arten  würden  daher  (unter  Auflösung  der  Subsektionen)  vielleicht 
besser  in  folgender  Reihe  angeordnet:  1.  A.  fatua,  2.  A.  .sterilis,  3.  A.  strigosa; 
A.  sferiHs,  die  wir  dabei  in  die  Mitte  stellen,  hat  mit  A.  fatua  die  grannenlosen 
Zähne  der  Deckspelzen,  mit  A.  strigosa  dagegen  die  schmale,  sehr  steil  gestellte 
Arlikulationsstelle  gemeinsam.  —  Anm.  nach  Abschluss  des  Manuskriptes :  wenn  die 
zwei  Subsektionen  beibehalten  werden  sollen,  so  werden  wohl  richtiger  die  Co)i- 
formes,  die  ein  ursprünglicheres  karpoliiologisches  Verhalten  aufweisen,  voran- 
gestellt; der  Dimorphismus  der  Blüten  (hinsichtlich  der  Abgliederung  von  der  Achse) 
bei  den  Biformes  ist  sicherlich  ein  phylogenetisch  jüngerer  Zustand. 

^)  Dieser  schmale,  ziemlich  spitze  Callus  am  Grunde  der  untersten  Blüte  dürfte 
■eine  ähnliche  biologische  Bedeutung  haben  wie  das  schnabelförmig  vortretende  basale 
Ende  der  Inflorescenzachse  an  der  fruchtreifen,  am  Grunde  abgebrochenen  Ähre 
von  Triticu/iu  [Aegiloj^s)  ovatum  (L.)  Raspail  (vergl.  Solms-Laubach,  Weizen 
U.Tulpe  [1899]  4—5);  es  erleichtert  wohl  das  Sich-Einbohren  des  ganzen,  fest  zu- 
sammenhängenden Blütenkomplexes  in  die  Erde,  in  die  die  Scheinfrüchte  zur  Keimung 
gelangen  müssen,  und  dürfte  anderseits  auch  dem  Eindringen  der  Scheinfruchtgruppe 
in  das  Haarkleid  von  Tieren  und  der  in  dieser  Weise  stattfindenden  zoochoren 
Verbreitung  dienlich  sein.  Bemerkenswert  ist,  dass  es  sich  bei  den  beiden  genannten 
Gattungen  um  eine  analoge,  nicht  aber  um  eine  völlig  homologe  Erscheinung  handelt : 
bei  Arena  wird  der  spitze  Callus  von  der  Ährchen-,  bei  Triticum  dagegen  von 
der  Älirenaclise  geliefert;  hei  der  erstem  Gattung  handelt  es  sich  um  einen  einzu- 
bohrenden Blüten-,    im  zweiten  Fall   um   einen  Ährchenkomplex.  —  Der  Umstand, 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         313 

habituell  zu  A.  fatiia  überleitenden  Rasse  Ludoviciana  [Duiieu]  Gillet 
et  Magne  oft  breiter  und  weniger  schief).  Deckspelzen  in  der  Regel 
(im  Gegensatz  zu  A.  hat'bata  und  ihren  Abkömmlingen)  an  der  Spitze 
mit  2  kurzen,  nicht  in  einen  Grannenfortsatz  verlängerten  Zähnen, 
doch  auch  (var.  ß  suhulata  Trabut  in  Battand,  et  Trab.  Fl.  Alger. 
Monocot.  [1895]  179)  mit  Grannenspitzen  vorkommend  (so  bei  Oran 
in  Algerien;  ob  Bastard?).  —  Von  dem  uns  hier  interessierenden 
Standpunkt  aus  kommen  folgende  zwei  Unterarten')  in  Betracht: 


dass  bei  A.  aterilis  (im  Gegensatz  zu  den  beiden  anderen  Wildhafer-Arten)  die 
Blüten  eines  Ährchens  auch  bei  der  Reife  fest  verbunden  bleiben,  könnte  vom  karpo- 
biologischen  Standpunkt  zunächst  unzweckmässig  erscheinen,  da  (gerade  wie  bei 
gewissen  Triticum  §  Aegiloiis-kvien)  i2  oder  mehrere  Früchte  am  gleichen  Punkt 
zur  Keimung  gelangen  und  die  jungen  Keimpflanzen  sich  unter  Umständen  gegen- 
seitig in  der  Entwicklung  hindern :  doch  wird  dieser  Nachteil  reichlich  weit  gemacht 
durch  die  erhöhte  aktive  Verbreitungstätigkeit  der  Scheinfrüchte  vermittelst  der 
Haare  und  Grannen  der  Deckspelzen :  nicht  nur  wirken  die  2  Grannen  einer  Blüten- 
gruppe bei  der  kriechenden  Fortbewegung  der  Scheinfrüchte  auf  dem  Erdboden  stärker 
als  die  einzelnen  Grannen  der  isoliert  ausfallenden  Blüten  von  A.  fatua  und  barbato, 
sondern  die  beiden  Grannen  hemmen  sich,  da  der  obere  (wagrecht  umgebogene) 
Teil  der  kürzeren  Granne  bei  seiner  ulu-zeigerartigen  Bewegung  an  den  unteren 
(gedrehten)  Teil  der  längeren  Granne  anstösst,  vorüliergehend  in  ihi'er  Drehbewegung, 
um  dann  plötzlich  elastisch  von  einander  abzugleiten,  wobei  es  zu  einer  hüpfenden 
Fortbewegung  des  Scheinfruchtkomplexes  kommen  kann.  —  Die  hygroskopische 
BeAvegung  des  Grannen  von  A.  fatua  beim  Austrocknen  und  die  dadurch  hervor- 
gerufene Bewegung  von  abgeschnittenen  Stengeln  und  ganzen  Schwaden  waren 
schon  den  Naturforschern  des  18.  Jahrhunderts  bekannt;  vergl.  die  Schilderungen  von 
Leupold  Schauplatz  der  Gewichtkunst  (1726)  292,  Seh  reber  Beschr.  d.  Gräser 
I.  ö.  (1768)  116—17  und  Mattuschka  Fl.  Sites.  (1776)  69.  Die  Grannen  der  A.  fatua 
wurden  von  Leupold  entsprechend  zur  Konstruktion  eines  Hygrometers  verwendet; 
der  Erfinder  des  Instrumentes  ist  (nach  Vaillant  Bot.  Paris.  [1729]  19)  Emanuel 
Magnan.  —  Mattuschka  (1.  c.  68 — 69)  erblickt  in  den  Haaren  und  Grannen  der 
Blüten  von  A.  fatua  ein  anemochores  Verbreitungsmittel:  ,Der  reife  Saame  löset 
sich  leicht  von  den  anklebenden  Bälglein  und  fällt  bey  der  geringsten  Bewegung 
heraus,  wobey  die  zwey  bis  drey  Körner  so  gewöhnlich  in  jedem  Ährchen  reif  werden, 
mittelst  der  Spelzen  gern  an  einander  hängen  bleiben.  Wenn  der  W^ind  um  diese 
Zeit  stark  wehet,  so  kann  er  den  Saamen  weit- herum  führen,  woliei  die  Grannen 
und  einige  an  den  Spelzen  befindhchen  Haare  statt  der  Flügel  dienen".  Daher  auch 
der  Name  „ Flughafer ". 

')  Von  der  im  Verbreitungsgebiet  der  Art  vorkommenden  (gelegentlich  auch 
in  Zentraleuropa  [Schweiz:  Zürich!]  und  nach  Stuckert  in  Anal.  Mus.  Nac.  Buenos 
Aires  XXI.  |ser.  3  t.  XIV.]  (1911)  110  in  Argentinien  verschleppt  auftretenden)  subsp. 
Ludoviciana  (Dur.)  Gillet  et  Magne  Nouv.  Fl.  franc.  ed.  3.  (1873)  532;  A.  etG.  Syn.  II. 

I.  240  (1899)  =  A.  Ludoviciana  Durieu  in  Act.  Soc.  Linn.  Bordeaux  XX.  (,1855") 
37—47  (dec.  18.54  sec.  Desmoulins  ibid.  t.  XX.  2"  partie  p.  819  [1859  '?]),  descr.  p.  41 
=  A.  sterilis  var.  Ludoviciana  Husnot  Gram,  de  France  etc.  livr.  2.  (1897)  39: 
Hausskn.  1.  c.  1899  p.  43  =  A.  sterilis  var.  minor  Gossen  et  Durieu!  Expl.  sc.  Alger. 

II.  fasc.  1.  (18-54— 5)109,  cit.  sec.  W.Herter  in  litt.  =  ?  A.sterilis  micrantha  Trabut 
in  Bull.  Agric  Alger.  Tunis.  16*  annee  (1910)  3-54  tig.  d!  [sine  descr.]  (Ährchen  klein. 
an  A.  fatua  erinnernd,  meist  nur  zweiblütig;  Hüllspelzen  nur  ±  ^5  mm  lang; 
Karyoi)seam  Grunde  verdünnt,  durch  das  vorspringende  Würzelchen  geschnäbelt,  statt, 
wie  l)ei  A.  stcrilis,  am  Grund  stumpf  mit  kurzem  Höcker  [Durieu  1.  c.  18.54  p.  48]) 


314  Hans  Schinz. 

Subsp.I.  macvocarpa  (Mönch)  Briq.  Prodr.  fl.  corse  I.  (1910)  105 
(A.  sterilis  L.  1.  c.  et  auct.  plur.  sens.  strict. ;  Hausskn.  1.  c.^)  1894 
p.  38  seq.,  44;  A.  fatua  ß  A.  sterilis  Lam.  Fl.  fran9.  III.  [1778] 
610,  Encycl.  I.  [1783]  331;  ß  sterilis  Fiori  &  Paoletti  Fl.  anal. 
Ital.  I.  1.  [1896]  72;  A.  macrocarpa  Mönch  Math.  [1794]  196; 
A.  fatua  ß  major  Savi  FL  Pis.  I.  (1798)  130;  A.  Novae  Velliae 
Dumont  de  Courset  Bot.  cult,  IL  [1802]  124  sec.  Durieu  in  Act.  Soc. 
Linn.  Bordeaux  XX.  [1855]  54  [nomen  neglectum !] ;  A.  fatua  ß 
(jrandiflora  Scheele  in  Flora  XXVII.  1.  [1844]  57;  A.  mitans  Saint- 
Lager'^)  in  Cariot  Etüde  des  Fleurs  ed.  8.  [1889]  921  teste  Ed.  Bonnet 
in  litt.;  A.  fatua  Gouan  Hort.  Monspel.  [1762]  53  et  Fl.  Monspel. 
[1765]  125;  Schreber  Beschr.  d.  Gräser  L  5.  [1768]  109  (excl.  var.  ß) 
et  t.  XV !  et  auct.  veter.  reg.  medit.  nonnull. ;  Noe  in  Rchb.  Fl.  germ. 
exs.  n.  529!  [Fiume]  —  non  L.).  —  Besteht  aus  Wildformen  mit  relativ 
grossen,  2-4 blutigen  Ährchen.  —  Verbreitung  der  Unterart :  Mittelmeer- 
gebiet von  den  kanarischen  Inseln  bis  Persien;  selten  verschleppt  in 
Mitteleuropa  (z.  ß.  Belgien,  Oesterreich,  Schweiz !),  ferner  in  Süd- Afrika, 
Nord-  und  Süd-Amerika  (z.  B.  Montevideo,  Argentinien).  —  Über  die 
Abarten  der  sehr  veränderlichen  Unterart  vergleiche  man:  Willkomm 
in  Oesterr.  bot.  Zeitschr.  XL.  (1890)  147  ;  Hausskn.  1.  c.  ^  1894  p.  38 

—  scheint  kein  Saathafer  abzustammen ;  immerhin  lassen  sicli  nach  der  Behaarung 
der  Blüten  heute  schon  3  Formen  unterscheiden : 

Var.  «  lasiathera  Thell.  n.  var.  (cf.  Husnot  Gram,  de  France  etc.  livr.  2. 
[1897]  39):  aristae  pars  inferior  (contorta)  molUter  pilosa.  Unterer  (gedrehter)  Teil 
der  Granne  weichhaarig.  So  in  Algerien:  Tizi  Mascara  bei  Dran,  1886/7,  Trabut! 
PI.  Alger.  —  Eine  durch  etwas  grössere  Ährchen  zur  s.sp.  macrocarpa  A^ar.  maxima 
überleitende  Form :    Lac  de  Miserghin.    1852,  Balansa  n.  ö-^il !    (Herb.  Montpellier). 

Var.  ß  jisilatJiera  Thell.  n.  var.  (cf.  Husnot  1.  c) :  arista  glabra  (tan tum 
scabra).  Granne  kahl  (nur  rauh).  Die  häutigere  Form,  wohl  im  ganzen  Verbreitungs- 
gebiet der  Unterart ;  in  Europa  vielleicht  nur  diese  Varietät.  —  Z.  B. :  Frankreich ! 
Italien!  Algerien!  (mit  der  var.  ((,  1886,  Trabut  n.  298!):  adventiv  in  der  Schweiz! 
und  in  Ostindien ! 

Var.  y  tjlabrescens  Dur.  ex  Gren.  et  Godron  Fl.  France  111.  2.  (1856)  .513 
(mit  dem  irrigen  Zitat  «act.  soc.  linn.  Bord.  t.  20.  p.  41»,  wo  diese  Varietät  sich 
nirgends  vorfindet!)  =  A.  sterilis  var.  Ludoviciana  subvar.  glabrescens  Husnot 
Gram,  de  France  etc.  livr.  2.(1897)  39:  Deckspelze  nur  am  Grunde  zottig  oder  auch 
an  der  Insertion  der  Granne  mit  vereinzelten  Haaren.  So  in  Frankreich  (nach 
Grenier  et  Godron  und  Husnot  11.  cc.j,  sowie  einst  im  botanischen  Garten  von 
Karlsruhe  (A.  Braun!  sub  A.  hirsuta  Roth).  Auf  weitere  Übergänge  zum  sativa- 
Typus  ist  zu  fahnden. 

')  Siehe  die  Zusammenstellung  der  Publikationen  Hausskn  echt 's  oben 
S.  296,  Fussnote. 

^)  Saint-Lager  (I.e.)  ttndet  es  absurd,  einer  so  fruchtbaren  und  im  ganzen 
Mittelmeergebiet  verbreiteten  Pflanze  die  Bezeichnung  «sterilis^-  zu  geben.  Sollte 
dieser  schon  von  Virgil  gebi-auchte  Name  nicht  mit  dem  frtjhzeitigen  Ausfallen  der 
Scheinfrüchte  in  Zusammenhang  stehen?  Dann  würde  er  auf  einer  guten  Beobach- 
tung Ijeruhen  und  hätte  seine  volle  Berechtigung!  —  Vergleiche  auch  die  Erklärung 
des  Wortes  fatuus  oben  S.  294,  Fussnote  1. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  315 

seq.;  Ascherson  et  Graebner  Syn.  IL  1.  240  (1899);  Trabut  1.  c.') 
1909  p.  227,  1910  p.  353—5.  Für  unsere  Zwecke  sind  bemerkenswert: 
Yar.  a  niajcinia  (Perez-Lara  Fl.  Gadit.  [1886 — 92]  54  sec.  Will- 
komm in  Oesterr.  bot.  Zeitsehr.  XL.  [1890]  147  et  Suppl.  Prodr.  fl.  Hisp. 
[1893]  18  sub  A.  sterili)  Thell.  {A.  sterilis  L.  1.  c.  sens.  strictiss. ^) ; 
Schreber  Beschr.  d.  Gräser  L  5.  [1768]  117  8;  A.  sterilis  var.  (/enuina 
Willkomm  1.  c.  1890  in  syn.).  —  Ährchen  sehr  gross,  Hüllspelzen 
bis  40 — 50  mm  lang;  die  2  untern  Blüten  stark  borstig  zottig  behaart; 
Grannen  kräftig,  im  untern  Teil  weich  behaart.  —  Wohl  verbreitet; 
z.B.  Spanien,  Frankreich!,  Sizilien!  (Palermo,  Todaro  n.  1210!), 
Algerien  I 

Var.  ß  scabriiisciila  (Perez-Lara  ibid.  [1886—92]  sec. 
Willkomm  ibid.  sub  A.  sterili)  Thell.  {A.  sterilis  var.  hirta  Will- 
komm 1.  c  1890  in  syn.).  —  Granne  kahl,  nur  rauh;  Ährchen  oft 
etwas  kleiner  (Hüllspelzen  30—35  mm  lang).  —  Die  häufigste  Form. 

Var.  y  calvescens  Trabut  et  Thell.  (in  Vierteljahrsschr.  d.  Naturf. 
Ges.  Zürich  LVL  [1911]  272  sub  A.  sterili)  hoc  loco  {A.  sterilis  var.  a 
Trabut  1.  c.  1909  p.  227,  1910  p.  353—5  cum  ic).  Flores  glabri  vel  sub- 
glabri.  sed  callus  florum  duorum  inferiorum  villoso-hirsutus.  Deck- 
spelzen fast  oder  völlig  kahl,  aber  Callus  der  beiden  unteren  Blüten 
zottig  behaart  (z.  B.  Algerien ! ;  auch  adventiv  im  Güterbahnhof  Zürich 
1911,  Thellung\       , 

Var.  ö  pseudovilis  (Hausskn.  1.  c.  1894  p.  39,  1899  p.  43 
sub  A.  sterili  ex  p.  ^);  emend.  Trabut  1.  c.  1910  p.  353 — 4) 
Thell.  {A.  sterilis  var.  ß  Trabut  1.  c.  1909  p.  227,  1910  p.  353—5 
cum  ic).  Nur  noch  der  Callus  der  unteren  Blüte  ist  von  einem 
Haarbüschel  bekleidet;  diese  Varietät  unterscheidet  sich  von  der 
Kulturform  hijzantina  durch  die  sehr  schiefe,  noch  ziemlich  leicht 
funktionierende  Artikulation  der  unteren  Blüte,  durch  die  längeren 
und  schmäleren,  auch  stärker  lederigen  und  rauh  punktierten  Deck- 
spelzen und  das  Vorkommen  von  je  einer  starken,  geknieten  und  im 
unteren  Teil  gedrehten  Granne  auf  den  beiden  unteren  Blüten  (nach 
Haussknecht  bei  Bordighera  und  ähnlich  bei  Nauplia,  auf  gut  ge- 
düngten, feuchten  Stellen  allmählich  aus  dem  Typus  hervorgehend; 
nach  Trabut  in  Algerien!). 


•)  Siehe  oben  S.  304,  Fussnote  2. 

*)  Linne  betrachtet  diese  Varietät  als  den  Typus  sein&v  A.  sterilis,  da  er  (I.e. 
176:2)  ausdrücklich  von   ihr  sagt:  „exterioribus  flosculis  aristisque  basi  pilosis". 

*|  Haussknecht's  Diagnose  scheint  auch  die  var.  calvescois  einzuschliessen; 
ausserdem  schreibt  er  I.  c.  1899  p.  43  seiner  xsly.  pseudovilis  „nicht  mehr  desarti- 
kulierte  Blüten"  zu.  wonach  sie  mit  der  var.  ])arallela  Hausskn.  zusammenfallen 
Avürde  (?). 


SIT)  Hans  Schinz. 

Var.  £  solula  (Hausskn.  1.  c.  1894  p.  40  sub  A.  sterili)  Thell. : 
Blüten  fuchsrot  behaart,  aber  festsitzend  (von  Haussknecht  1889 
im  botanischen  Garten  zu  Hamburg  beobachtet). 

Subsp.  H.  by^antina  (C.  Koch)  Thell.  (A.  hijzantina  C.  Koch!  ^) 
in  Linnaea  XXI.  [1848]  392  sens  lat. ;  A.  sterilis  f.  parallela  Hausskn.-) 
1.  c.  1885  p.  240,  war.  parallela  1.  c.  1894  p.  39,  40;  A.  algeriensJs 
Trabut!  in  litt,  et  1.  c.  1910  p.  354 — 8  cum  ic,  incl.  A.  sterilis  var. 
/  Trabut  1.  c.  1910  p.  354),  Deckspelzen  +  kahl  und  (im  Gegensatz 
zu  den  bisher  besprochenen  Varietäten^  glatt  und  glänzend  (statt 
rauh  punktiert  und  ziemlich  matt)  mit  Ausnahme  der  Spitze.  Arti- 
kulationsfläche klein,  massig  schief  (ca.  45°)  und  nicht  stark  konkav, 
nur  schwach  schwielig  umrandet;  untere  Blüte  erst  bei  der  Reife 
unvollkommen  sich  abgliedernd.  Grannen  nicht  gekniet;  der  untere 
(vom  obern  nicht  scharf  abgesetzte)  Teil  kaum  mehr  gedreht.  —  Zu 
dieser  Unterart  gehören  2  Varietäten  und  ein  Lusus: 

Var.  a  Maristatci  (Hackel)  Thell.  (A.  sativa  var.  hiaristata 
Hackel!  ex  Trabut  1.  c.  1909  p.  228  [sphalm.  «Haeckel»]  et  in  Bull.  Soc. 
bot.  France  LVI.  1909  Sess.  extraord.  [1910J  XLIX  et  1.  c.  1910  p.  355; 
A.  sterilis  var.  /  Trabut  1.  c.  1910  p.  354—5  cum  ic).  —  Grannen  noch 
ziemlich  lang,  beide  die  Hüllspelzen  deutlich  überragend  (die  Granne  der 
untern  Blüte  meist  mehr  als  1 V^  mal  so  lang  als  die  untere  [kürzere]  Hüll- 
spelze). —  So  nach  Trabut  in  Algerien  als  Unkraut  auf  Kulturland 
mit  den  oben  genannten  Formen  der  A.  sterilis ;  ferner,  wenn  A.  sterilis 
i.  parallela  Haussknecht  hieher  gehört,  auf  Leinäckern  in  Luristan 
(Persien). 

•)  A.  byzaiitina  C.  Koch  wird  von  allen  neueren  Autoren  (zuerst  von  Gosson 
in  Bull.  soc.  bot.  France  I.  [1854]  lo)  mit  A.  hyhrida  Peterni.  resp.  mit  .4.  fataa 
var.  glabrescens  Gosson  identifiziert,  eine  Auffassung,  gegen  die  sich  schon  aus  der 
Originalbeschreibung  (,basis  ftosculi  inferioris  pilis  quartam  ejusdem  flosculi  partem 
attingentibu?  o})sita,  superioris  nuda  .  .  .  Von  A.  sativa  durch  die  beiden  begrannten 
Blütchen,  von  denen  nur  das  untere  behaart  ist,  verschieden")  und  dem  Fundort 
(„Konstantinopel  unter  dem  Getreide")  schwere  Bedenken  erheben  mussten:  alle 
genannten  Punkte  deuten  viel  eher  auf  eine  Form  der  A.  sterilis  als  der  A.  fatua 
(allerdings  gibt  auch  Haussknecht  1.  c.  1891-  p.  37  A.  vilis  Wahr,  mit  den  Syno- 
nymen A.  intermedia  Lindgr.,  A.  hyzantina  Koch.  A.  ambigua  Schönh.  und 
A.  Pseudo-fatua  Schur,  anscheinend  nach  eigener  Beobachtung,  um  Konstantinopel 
an).  Sichere  Aufklärung  über  A.  byzantiaa  brachte  mir  die  Autopsie  des  Original- 
exemplars dieser  Spezies,  das  ich  durch  die  Freundhchkeit  der  Herren  Geh. -Rat 
Engler  und  Prof.  Pilger  aus  dem  Berhner  Herbar  zur  Einsicht  erhielt;  es  ergab 
sich,  dass  A.byzantina  mit  der  1910  von  Trabut  aufgestellten  A.  algeriensis 
zusammenfällt. 

-)  Die  Diagnose  Haussknecht's  („Samen  [sie]  kahl,  festsitzend,  die  Arti- 
kulation durch  Verwachsen  völlig  verschwunden")  ist  zu  wenig  genau,  um  erkennen 
zu  lassen,  welche  der  beiden  Varietäten  der  A.  byzantina  der  Autor  im  Auge 
gehabt  hat;  da  nach  freundlicher  Mitteilung  von  Herrn  Bornmüller  in  Weimar 
auch  das  Herbar  H.'s  keinen  sichern  Aufschluss  darüber  gibt,  so  kann  ich  die 
var.  parallela  nur  als  Synonym  sur  subsp.  byzantina  stellen. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         317 

Var.  ß  culta  Thell.  (A  bijzantina  C.  Koch!  1.  c.  sens.  strict.; 
^4.  algeriensis  Trabut!  1.  c.  sens.  strict.;  A.  sativa  C.  Koch 
in  Linnaea  XIX  [1847]  5  [teste  ipso  auctore  1.  c.  1848]  et  auct.  reg. 
medit.  saltem  ex  maxima  p.  —  non  L.;  ?  A.  sativa  var.  12.  rubida 
Körnicke  in  Körn.  u.  Werner  Handb.  d.  Getreidebaus  I.  [1885]  207, 
214  ex  loc.  «Algier,  Portugal,  Unteritalien»  —  an  Krause  Abbild, 
u.  Beschr.  Getr.  [1835-7]  Heft  VII.  13.  t.  5  B.y).  —  Grannen  kürzer, 
meist  nur  noch  die  längere  (die  der  untern  Blüte)  ihre  Hüllspelze 
überragend,  und  zwar  in  der  Regel  um  weniger  als  die  Hälfte  der  Länge 
der  letztern.  —  So  nach  Trabut  wohl  schon  seit  langer  Zeit  in  Kultur 
im  Mittelmeergebiet:  Spanien,  Korsika!  !  0,  Süditalien,  Kleinasien!-), 
Cypern,  Tunesien,  Algerien!^);  adventiv  (ob  aus  der  Kultur  im  Lande 
selbst  verwildert  oder  aus  grösserer  Entfernung  eingeschleppt?)  im 
schweizerischen  Kanton  Tessin !  ^) ;  entschieden  verschleppt  auch  im 
cisalpinen  Mitteleuropa  (Schweiz ! '"),  Deutschland !  ^)).  —  Habituell 
steht  diese  Form  der  mitteleuropäischen  A.  satira  sehr  nahe;  sie 
unterscheidet  sich  jedoch  von  ihr  und  beweist  ihre  Abstammung  von 
A.  sterilis  durch  folgende  Merkmale :  die  unterste  Blüte  gliedert  sich 
(ob  auch  bei  dem  lusus  deiiudafa?)  bei  der  vollen  Reife  oder  wenigstens 
beim  Dreschen  mit  Hülfe  einer  schief  gestellten  Artikulationsfläche 
ab  (vergl.  Trabut  1.  c.  1910  p.  355  fig.  5,  6),  wobei  das  stehenbleibende, 
schief  becherförmige  Stück  der  Ährchenachse,  das  heller  gefärbt  ist 
als  die  Deckspelze,  schon  vor  der  Abgliederung  deutlich  abgegrenzt 
erscheint,  während  bei  A.  satira  die  Abgliederung  der  Scheinfrüchte 
beim  Dreschen  durch  einen  quer  verlaufenden  Bruch  der  Archenachse 
in  der  Höhe  der  nicht  mehr  funktionierenden  Artikulationsstelle  am 
Grunde  der  Blüten  erfolgt.  Die  zweite  Blüte  (das  „Innenkorn " 
Atterberg's)  bleibt  beim  algerischen  Hafer  beim  Dreschen  zunächst 
mit  der  ersten  (dem  „ Aussenkorn")  verbunden,  so  dass  beide  (zu- 
sammen  mit   einer   eventuell  vorhandenen   dritten  Blüte)    an  einem 

')  Kultiviert  am  Liamone,  im  Hintergrund  des  Golfes  von  Sta.  Manza,  1900. 
M.  Rikli!  (Herb.  Polyt.  Zürich);  verwildert  auf  einer  Mauer  zwischen  Ajaccio  und 
dem  Campo  di  Loro,  1911,  T hellung.  —  Für  Frankreich  ist  Ä.  byzantina  nicht 
sicher  nachgewiesen ;  der  um  Montpellier,  Arles  etc.  kultivierte  Hafer  gehört  nach 
Exemplaren  im  Herb.  Montpell.  zu  A.  sativa  (var.  diffusa  und  var.  contractu). 

2)  Brussa,  ca.  1847,  [Thirke  ?  in]  herb.  C.  Koch!  (herb.  Berol.). 

*j  Schon  1853  von  Duval-Jouve  bei  Dely  (?)  Ibrahim,  von  Europäern  kulti- 
viert, gesammelt  (forma  uniaristata!,  Herb.  Montpell.). 

*)  Bironico,  ungebaute  Orte,  1903,  M.  .läggli!  Herb.  Univ.  Zürich;  Morcote, 
Strassenrand,  1909,  1911,  Thellung. 

*)  Tiefenbrunnen  bei  Zürich,  auf  .Schutt,  1899,  Güterbahnhof  und  Kiesgrube 
Hardau  in  Zürich  III  (mit  A.  sativa  und  sterilis),  1910/11,  Arosa  (Graubünden), 
Schutt  bei  17."iO  m,  1908,  Thellung  (vergl.  auch  Vierteljahrsschr.  d.  Naturf.  Ges. 
Zürich  LVI.  |19I1]  272). 

^)  Freiburg  i./B.,  Kiesgrube  an  der  Baslerstrasse,  1911,  Thellung. 


318  Hans  Schinz. 

Stück  aus  den  Hüllspelzen  ausfallen ;  werden  sie  gewaltsam  von  ein- 
ander getrennt,  so  geschieht  dies  durch  den  Bruch  des  zwischen  den 
beiden  Blüten  befindlichen  Gliedes  der  Ährchenachse,  und  zwar  im 
unteren  Teil  des  Internodiums,  so  dass  der  grösste  Teil  des  „Stielchens" 
der  oberen  Blüte  mit  dieser  sich  abtrennt  und  am  Grunde  eine  ab- 
wärts gerichtete  stielartige  Verlängerung  derselben  bildet  (vergl. 
Trabut  1.  c.  1910  p.  357  f.  A  2),  während  am  Grunde  der  Vorspelze 
der  unteren  Blüte  nur  ein  winziges  Fragment  übrig  bleibt.  Bei 
A.  sativa  dagegen  trennt  sich  die  zweite  Blüte  von  der  ersten  in 
der  Weise,  dass  der  Bruch  am  oberen  Ende  des  Internodiums  der 
Ährchenachse  erfolgt;  dabei  bleibt  der  grösste  Teil  dieses  Inter- 
nodiums am  Grunde  der  unteren  Blüte  (auf  der  Seite  der  Vorspelze) 
in  der  Form  eines  aufwärts  gerichteten  Stäbchens  stehen,  während 
die  obere  Blüte  am  Grunde  keine  stielartige  Verlängerung  zeigt. 
Ausserdem  zeichnet  sich  A.  byzantina  vor  A.  sativa  durch  folgende 
Merkmale  aus,  die  allerdings  keine  absolut  durchgreifenden  Unter- 
schiede darstellen,  aber  in  ihrer  Gesamtheit  doch  für  den  algerischen 
Hafer  charakteristisch  sind:  fast  stets  2 grannige  Ährchen *)  —  nur 
an  Kümmerformen  sehr  sterilen  Bodens  sind  zuweilen  einzelne 
oder  die  meisten  Ährchen  1  grannig  — ,  schlankere  und  meist  auch 
grössere  Blüten,  deren  zweitunterste  am  Grunde  in  den  oberwärts 
knorplig  verhärteten  und  verdickten  Stiel  allmählich  verschmälert 
(statt  plötzlich  in  den  dünnen  Stiel  zusammengezogen)  ist,  sowie  Vor- 
kommen eines  Kranzes  von  relativ  langen  (3  —  5  mm),  borstlichen 
Haaren  auf  dem  Callus  der  untersten  Blüte  (und  zwar  nur  unter 
dieser!).  Endlich  besteht  noch  ein  (stets  zuverlässiger?)  Unterschied 
in  der  Ausbildung  der  Granne:  dieselbe  ist  bei  A.  byzantina  auf 
den  obern,  dünnen  Teil  reduziert  und  daher  einfarbig  grün,  während 
die  Granne  von  A.  sativa  (wenn  vorhanden)  deutlich  in  einen  schwärz- 
lichen unteren  und  einen  grünen  oberen  Teil  gegliedert  ist.  Hervor- 
zuheben ist  noch,  dass  A.  byzantifia  mit  Rücksicht  auf  die  deutlich 


*)  Dass  die  Väter  der  Botanik  (Brunfels,  Bock  [Tragus],  Fuchs,  Dodoens) 
den  mitteleuropäischen  Saathafer  {A.  sativa)  mit  zweigrannigen  Ährchen  heschreiben, 
rührt,  wie  Ernst  H.  L.  Krause  (in  Naturw.  Wochenschr.  XXVI.  [N.  F.  X.]  (1911)  248) 
mit  Recht  aufmerksam  macht,  davon  her,  dass  die  betreffenden  Autoren  die  Diagnose 
des  Hafers  aus  Dioskorides  (vergl.  auch  S.  342)  entnommen  haben,  und  zwar  ent- 
schieden nur  aus  Autoritätsglauben  und  entgegen  der  eigenen  Beobachtuug,  da  die 
Abbildungen  der  Patres  selbst  eingrannige  oder  grannenlose  Ährchen  darstellen! 
Die  Pflanze  des  Dioskorides  war  eben  A.  byzantina  (oder  A.  sterilia?),  die- 
jenige der  Patres  die  A.  sativa  im  engern  Sinne.  Der  mitteleuropäische  Saathafer 
wird  nach  Krause  1.  c.  zum  erstenmal  von  Job.  Bauhin  (Hist.  pl.  H.  [1651]  432) 
richtig  mit  einer  begrannten  und  einer  grannenlosen  Blüte  in  jedem  Ährchen  be- 
schrieben („gemina  grana  oblonga  .  .  .  quorum  granum  alterum  habitus  aristas 
habet  laterales  .  .  ."). 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         319 

ausgebildete  Artikulationsstelle  der  unteren  Blüte  eine  grössere 
Ähnlichkeit  mit  A.  sferilis  bewahrt  hat,  als  dies  bei  A.  sativa  gegen- 
über A.  fatua  der  Fall  ist.  Über  die  ökonomische  Bedeutung  dieser 
Rasse  vergl.  oben  S.  306.  —  Zu  A.  byzantina  ist  wohl  noch  zu 
stellen : 

1.  e^emerfai« (Hausskn.)Thell.  (.4..  fiterilis  var.  demidata  Hausskn. 
1.  c.  1894  p.  40;  1.  denudata  A.  et  G.  Syn.  IL  1.  240  [1899]):  Deck- 
spelze fest  angewachsen  (nicht  artikuliert),  verkahlend  und  verblassend, 
an  der  Spitze  vergrünend,  die  Karyopse  locker  einschliessend,  Granne 
reduziert  (so  von  Haussknecht  im  Hamburger  botan.  Garten  beob- 
achtet). Aus  dieser  Form  Hesse  sich  —  wenn  sie  wieder  gefunden 
würde  —  vielleicht  ein  Nackthafer  mit  den  physiologisch-biologischen 
Eigenschaften  der  A.  sterilis  gewinnen. 

Subsect.  2.  Conformes  Cosson  [et  Durieu]  in  Bull.  Soc.  bot. 
France  I.  (1854)  14  (sub  sect.  Avenatypus  subsect.  Agrestes).  Alle 
Blüten  sich  hinsichtlich  der  Abgliederung  gleich  verhaltend :  entweder 
(bei  den  Wildformen)  alle  sich  abgliedernd,  mit  +  schief  gestellter 
Artikulationsfläche,  oder  (bei  den  Kulturformen  und  den  Übergängen 
zu  diesen)  festsitzend,  mit  kleiner,  rudimentärer  Abgliederungs- 
fläche. 

2.  A.  fatita^)  L.  Spec.  pl.  (1753)  80  sens.  ampl. ;  Hausskn.  1.  c. 
1885  p.  237—39  et  1894  p.  37,  45  (incl.  A.  sativa  L.).  —  Wild- 
formen mit  rundlicher,  massig  schief  gestellter  Abgliederungsfläche 
der  Blüten  (vergl.  Haussknecht  1.  c.  1885  fig.  I,  VII):  Itulturformen 
mit  kleiner,  rundlicher,  horizontaler,  nicht  mehr  spontan  funktio- 
nierender Artikulationsfläche  (Haussknecht  fig.  VI,  VIII).  Deck- 
spelzen an  der  Spitze  wie  bei  A.  sterilis  (S.  313).  —  Für  die  uns 
hier  interessierenden  Formen  der  A.  fatua  sens.  ampl.  schlage  ich 
folgende  Gliederung  vor: 

Subsp.  I.  fatua  (L.)  Thell.  {A.  fatua  L.  1.  c.  sens.  strict.  et  auct. 
plur. ;  A.  fatua  a  typica  Fiori  &  Paoletti  Fl.  anal.  Ital.  I.  1.  [1896]  72  — 
non  Hausskn.  nee  Beck ;  A.  patens  St. -Lager  in  Cariot  Etüde  des 
Fleurs  ed.  8.  [1889]  921  teste  Ed.  Bonnet  in  litt.;  A.  fatua  ß  Schreber 
Beschr.  d.  Gräser  I.  5.  [1768]  109).  —  Wildformen;  Artikulations- 
fläche gut  ausgebildet  und  funktionierend  (vergl.  jedoch  die  Var. 
tra/isiens).  —  Verbreitung  der  Unterart :  heute  in  fast  ganz  Europa 
(doch  urwüchsig  vielleicht  nur  im  osteuropäischen  Steppengebiet 
nach  Haussknecht  1.  c.  1885,  1892,  1899  p.  46—48  auch  in  Mittel- 
europa, speziell  in  Mitteldeutschland?  vergl.  später),  ausserdem  in 
West-,    Nord-  und  Ost-Asien   und  in  der  nordafrikanischen  Steppen- 

M  Über  die  Bedeutung  des  ^Vortes  fafiuis  siehe  oben  S.  294,  Fussnote. 


320  Hans  Schinz, 

Zone;  im  eigentlichen  Mittelraeergebiet  selten  ausser  Ägypten^)  und 
oft  nur  infolge  Verwechslung  mit  A.  sterilis  und  A.  harbata  ange- 
geben; ferner  adventiv  in  Süd-Afrika!,  Nord-!  und  Süd-Amerika 
(z.B.  Montevideo !),  Australien  (nach  F.  v.  Mueller  stellenweise  ein- 
gebürgert) und  Neuseeland  (häufig).  —  A.  fatua  steht  der  A.  sterilis 
sehr  nahe  und  ist  von  ihr  (namentlich  von  deren  Rasse  Ludoviciana 
[Dur.]  Gillet  et  Magno,  bei  der  die  Abgliederungsfläche  der  Blüten  auch 
ziemlich  breit  ist)  oft  mit  Sicherheit  nur  durch  das  Gruppenmerkmal 
der  Conformes  zu  unterscheiden ;  bei  mehr  als  zweiblütigen  Formen 
erkennt  man  A.  fatua  leicht  daran,  dass  alle  Blüten  hinsichtlich  der 
Begrannung  und  Behaarung  sich  gleich  verhalten,  während  bei 
A.  sterilis  nur  die  zwei  untersten  Blüten  behaart  und  begrannt  sind. 
Das  von  manchen  Floristen  zur  Trennung  verwendete  Merkmal  des 
allseitigen  Blütenstandes  von  A.  fatua  (im  Gegensatz  zu  der  ein- 
seitswendig  zusammengezogenen  Rispe  der  A.  sterilis)  ist  nicht  durch- 
greifend, da  auch  A.  fatua  in  einer  var.  [/]  subsecunda  Uechtr. 
ex  Fiek  Fl.  Schles.  (1881)  510  (=  A.  fatua  a  tijpica  b  subsecunda 
Fiori  &  Paoletti  Fl.  anal.  Ital.  I.  1.  [1896]  72  =  J..  fatua  g.  con- 
tracta  Hausskn.  1.  c.  1885  p.  239)  mit  einseitswendigem  Blütenstand 
(analog  der  A.  sativa  var.  contracta  Neilr.  =  A.  orientalis  Schreb.) 
vorkommt.  In  Ägypten,  wo  A.  fatua  und  sterilis  in  Menge  beisammen 
wachsen  (während  sie  sich  sonst  in  der  Regel  geographisch  mehr 
oder  weniger  ausschliessen),  kommen  manifeste  Übergangsformen  vor, 
die  Haussknecht  (1.  c.  1899  p.  44)  wohl  mit  Recht  als  Bastarde 
auffasst.  —  Die  folgenden  Abarten  der  Subsp.  fatua  illustrieren  den 
schrittweisen  Übergang  vom  Wild-  zum  Saathafer-Typus: 

Var.  a  pilosissinia^)  S.  F.  Gray  Nat.  arr.  Brit.  pl.  II.  (1821) 

131  («iS»)  sec.  H.  et  J.  Groves  in  litt.;  Syme  Engl.  Bot.  ed.  3.  XL 
(1872)    79    sec.    eosdem    {A.  lanuginosa    Gilib.    Exercit.    phytol.   IL 

')  Auch  in  Korsika  soll  A.  fatua  nach  Marsilly  (Cat.  pl.  vasc.  Corse  \[ül-2\ 
164)  und  Briquet  (Prodr.  fl.  corse  [1910]  105)  auffallenderweise  verbreitet  sein; 
ob  die  Fundorte  nicht  teilweise  auf  andere  Wildhafer- Arten  zu  beziehen  sind? 
(Marsilly  gibt  die  in  ganz  Korsika[!]  häufige  J..  barbata  nur  von  Ajaecio,  A.  sterilis 
überhaupt  nicht  an). 

^)  Nach  A.  Zade  (Der  Flughafer  [Avena  fatua],  Diss.  Jena  1909,  p.  34— 3ß) 
sind  die  auf  die  Behaarung  der  Scheinfrüclite  begründeten  Varietäten  in  der  Nach- 
kommenschaft nicht  konstant;  der  genannte  Autor  schlägt  daher  (1.  c.  36)  eine  Ein- 
teilung der  A.  fatua  nach  der  Farbe  der  Scheinfrüchte  vor,  die  nach  seinen  Unter- 
suchungen sich  konstant  vererbt:  a)  nigrescens  Hausskn.  1.  c.  1885  p.  237  (braun- 
spelzig), b)  cinerascens  Hausskn.  ibid.  (grauspelzig),  c)  albesvens  Hausskn.  ibid. 
=  var.  flavescens  Zade  1.  c.  (gelbspelzig).  Nun  sind  aber  gerade  diese  Farben- 
varietäten für  unsere  Zwecke,  nämlich  für  die  Aufstellung  einer  Reihe  von  phylo- 
genetischen Übergangsformen  zwischen  A.  fatua  und  A.  sativa,  belanglos,  da  aucli 
A.  sativa  in  analoger  Weise  abändert. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         321 

[1792]  539;  A.  nigra  [«Thal»')]  Wallr.  in  Linnaea  XIV.  [1840]  544; 
A.  fatua  a  hirsuta  Neilr.  Fl.  Nied.-Österr.  I.  [1859]  59;  a  genuina 
Ducommun  Taschenb.  Schweiz.  Bot.  [1869]  863;  var.  typica  Hausskn. 
].  c.  1885  .p.  241  et  fig.  I,  VII;  (a)  G.  Beck  Fl.  Nied.-Österr.  I.  [1890] 
74  —  [non  Fiori  &  Paoletti  1896];  var.  a  nigrescens,  b  cinerascens 
et  c  fflbesce/is'-)  Hausskn.  1.  c.  1885  p.  237).  —  Callus  und  Deck- 
spelzen dicht  borstig  behaart.  —  Die  häufigste  Form. 

Var.  ß  fjlahrata  Peterm.  Fl.  d.  Bienitz  (1841)  13  et  in  Rchb. 
Fl.  Saxon.  (1842)  17  et  in  Flora  XXVII.  (1844)  229;  Hausni.  ex 
DüU  Fl.  Grossherzgt.  Baden  I.  (1857)  190;  Neilr.  Fl.  Nied.-Österr. 
I.  (1859)  59:  Ascherson  Fl.  Brandenb.  I.  2.  (1864)  828;  A.  et  G. 
Syn.  II.  1.  239  (1899)  {A.  fatua  [typus]  S.  F.  Gray  Nat.  arr.  Brit. 
PI.  II.  [1821]  131  sec.  H.  et  .1.  Groves  in  litt.;  A.  intermedia  Lindgren 
in  Lindbl.  Bot.  Notiser  1841  p.  151;  Steudel  Syn.  Gram.  [1855]  230 
—  non  Lestib.  (1827);  A.  fatua  ß  intermedia  Ducommun  Taschenb. 
Schweiz.  Bot.  [1869]  863;  Syme  Engl.  Bot.  ed.  3.  XL  [1872]  79  sec. 
H.  et  J.  Groves  in  litt.:  Hartm.  Handb.  Skand.  FI.  ed.  11.  [1879] 
507=^):  Pachter  PI.  Europ.  I.  [1890]  62;  G.Beck  Fl.  Nied.-Österr.  I. 
[1890]  74:  Husnot  Gram.  II.  [1897]  39  ex  p. ;  cf.  Godron  in  Gren. 
et  Godron  Fl.  France  III.  2.  [1856]  512  —  non  (Lestib.)  Lej.; 
A.  amhigua  Schönh.  Taschenb.  Fl.  Thür.  [1850]  517!^)  ex  descr. 
[non  A.  fatiia  var.  amhigua  Hausskn.];  A. fatua  var.  glahrescens 
Cosson  in  Bull.  Soc.  bot.  France  I.  [1854]  15  ex  p.  [excl.  syn. 
A.  hgbr/da  Peterm.  et  .4..  bijzantina  C.  Koch],  item  in  Coss.  et 
Durieu  Expl.  scient.  Alger.  II.  fasc.  1.  [1854—55]  113  t.  41  f.  3d; 
Battand,  et  Trabut  Fl.  d'Alger  Monocot.  [1884]  62;  Hausskn.  1.  c. 
1885  p.  237;  A.  fatua  var.  glaucescens  [sphalm.]  Durand  et  Schinz 

M  Über  A.  nigra  Thal  vergl.  auch  S.  329. 

^)  Diese  letztere  Form  ist  wohl  identisch  mit  A.  fatua  albescens  Sonder  (wo 
publiziertV)  nach  Doli  Fl.  Grossherzgt.  Baden  I.  (18.57)  190. 

*")  Wohl  auch  schon  in  früheren  Auflagen ! 

■')  Dieses  Zitat,  sowie  die  (Jriginaldiagnose  der  A.  ambigua  verdanke  ich  der 
Freundliclikeit  von  Herrn  -J.  Bornmüller  in  Weimar.  Aus  der  Beschreibung  („Bth. 
kahl  und  glättlich  oder  an  der  untern  Hälfte  flüchtig  behaart;  Achsen  und  Schwiele 
der  Bth.  borstig  rauhhaarig  ....")  geht  hervor,  dass  A.  ambigua  Schönh.  mindestens 
zum  grössten  Teil  zu  unserer  var.  glabrata  gehört,  während  Haussknechts  var. 
ambigua  (mit  dem  Syn.  A.  ambigua  Schönh.)  unserer  var.  hybrida  entspricht 
(die  Schönheit  I.e.  noch  besonders  als  Art  auflührt).  Auch  die  von  Haussknecht 
früher  als  A.  fatua  X  sativa  =  A.  ambigua  ausgegebene  Pflanze  gehört  zur  var. 
glabrata.  —  Schönheit  zitiert  des  Fernern  als  Synonj'm  zu  seiner  A.  ambigua: 
A.  Iigbrida  Koch  Syn.  ed.  H.  non  Peterm. ;  die  letztere  unterscheidet  er  von  seiner 
Pflanze,  neben  der  sehr  kurzen  Behaarung  des  Callus,  namenthch  durch  den  etwas 
zusammengezogenen  (bei  A.  amhigua  „abstehenden,  gleichen")  Blütenstand  und 
die  11-  (statt  9-)  nervige  obere  Hüllspelze.  Endlich  spricht  Schönheit  selbst  schon 
die  Vermutung  aus,  seine  provisorisch  aufgesfellte  Spezies  dürfte  mit  A.  fatua  var. 
(/labrata  Peterm.  identisch  sein. 


322  Hans  Schinz. 

Consp.  fl.  Afr.  Y.  [1895]  842;  « A.  fatiia  a.  Pseudo-fatua  = 
A.  strigoso-fatua-»  Schur  Enum.  pl,  Transsilv.  [1866]  757  [«axe 
flosculisque  minus  pilosis,  subglabris,  pilis  longis  hinc  inde  obsessis>]; 
A.  fatua  X  sativa  0.  Kuntze  Taschenfl.  Leipzig  [1867]  47!  ex  p. ; 
Hausskn.!  in  Möller  FL  NW.-Thür.  [1873]  199!  [sine  descr.,  cum 
syn.  A.  amhigua  Schönh.]  saltem  ex  p.,  item  prob.  Focke  Pflanzen- 
Mischlinge  [1881]  409^);  ?  A.  safira  var.  sericea  J.  D.  Hooker  Fl. 
Brit.  Ind.  VIL  [1897]  275)2).  —  Deckspelzen  am  Grunde  (auf  dem 
Callus)  von  einem  dichten  Kranz  von  Haaren  umgeben,  deren  längste 
etwa  V^  so  lang  sind  als  die  Blüten ;  Deckspelzen  selbst  nur  mit 
vereinzelten  langen  (meist  hellen)  Haaren,  später  oft  völlig  ver- 
kahlend.  —  So  wohl  im  ganzen  Verbreitungsgebiete  der  Art;  auch 
verschleppt,  z.  B.  in  Nord-Amerika:  Ho  well  Fl.  Northwest  Am.  L 
(1903)  743  (var.  glabrescens  Coss.) ;  Montevideo  1880,  Arechavaleta ! 
Kommt  nach  Ascherson  u.  Graebner  (Fl.  nordostd.  Flachl.  1. 
[1898]  96)  auch  mit  zusammengezogener,  einseitswendiger  Rispe  vor. 

Var.  y  intermedia  (Lestib.)  Lejeune  et  Courtois  Comp.  fl. 
Belg.  I.  (1828)  71,  non  alior.  {A.  intermedia  Lestib.  fil.  Botanogr. 
Belg.  IL  [1827]  36!^)  non  alior.;  nomen  neglectum !).  —  Deckspelzen 
spärlicher  behaart  als  beim  Typus,  mit  kürzeren,  meist  blassen 
Haaren;  auch  der  Haarkranz  am  Grunde  der  Blüten  kürzer  als  bei 
den  zwei  vorhergehenden  Varietäten.  —  Belgien  nach  Lestiboudois 
und  Lejeune  et  Courtois  (11.  cc);  stellt  eine  Zwischenform  zwischen 
var.  pilosissinia  und  var.  hijhrida  dar. 

Var.  d  [«c)»]  hybrida  (Peterm.)  Ascherson  Fl.  Brandenb.  I.  2. 
(1864)  828  sens.  ampl.  *);  cf.  Godron  in  Gren.  et  Godron  FJ.  France 
m.    2.    (1856)  512    (A.    vilis   Wallr.    in    Linnaea   XIV.    [1840]    543 


^)  Ebenso  ist  « A.  fatua  L.  X  sativa  L.  subsp.  diffusa  A.  et  G.  f.  inter- 
media» E.  Erdner  Fl.  v.  Neuburg  a./D.  in  Ber.  naturw.  Ver.  Augsburg  39.— 40, 
(Mai  1911)  .559/60  nach  der  mir  von  Prof.  Dr.  F.  Vollmann  in  München  freund- 
lichst mitgeteilten  Diagnose  («  .  .  .  flores  basi  tantum  setoso-pilosi,  axis  plane 
hirsutus»  hinsichtlich  der  Zugehörigkeit  zu  var.  glahrata  oder  var.  hybrida 
zweifelhaft. 

^)  „ .  .  . .  branches  of  panicle  spreading  equally  all  round  ....  gls  III  and  IV 
silky  hairy  at  the  base,  rachilla  silky  villous.  —  Bhotan,  Sikkim  Himalaya,  cult.  — 
Beluchistan  and  Affghanistan ;  wild  in  cultivated  fields  in  the  Kurrum  Valley 
(Aitchison  n.  24)".  Die  wilde  Pflanze  gehört  wohl  sicher  zu  A.  fatua  var.  glab- 
rescens, die  kultivierte  vielleicht  zur  var.  transiens  Hausskn.? 

*)  Eine  Kopie  der  Originaldiagnose  von  A.  intermedia  Lestib.  (welcher  Name 
in  der  neuern  Literatur  vollständig  fehlt)  verdanke  ich  der  freundlichen  Vermittlung 
der  Herren  Professoren  Durand  und  De  W^ildeman  in  Brüssel. 

*)  Die  var.  hybrida  Ascherson  entspricht  in  der  ursprünglichen  Fassung 
ziemlich  genau  der  A.  hybrida  Peterm.  non  Koch;  vergl.  die  folgende  Fussnote. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI),         323 

[«floribus  calvis,  axis  hirsuti  pilis  brevissimis  adpressis  illum 
aequantibus  ];  A.  fatua  var.  vilis  Hausskn.  1.  c.  1894  p.  39,  45 
[cf.  p.  37] ;  ^4.  satica  X  fatua  A.  vilis  Ascherson  et  Graebner  Syn. 
II.  1.  242  [1899];  A.  hyhrida  [«vielleicht  Bastard  von  A.  safiva 
und  fafuay>]  Peterra.  Fl.  d.  Bienitz  [1841]  13  et  in  Rchb.  Fl.  Saxon. 
[1842]  17  et  in  Flora  XXVII.  1.  [1844]  228  sens.  ampl.');  Kocli  Syn. 
fl.  Germ.  Helv.  ed.  2.  II.  [1844]  917');  Steudel  Syn.  Gram.  [1855] 
230;  A.  fatua  var.  cjlabrescens  Cosson  1.  c.  1854  et  1855  ex  p. 
[non  Hausskn.];  A.  Pseudo-fatua  Schur  enum.  pl.  Transsilv.  [1866] 
756  in  syn.  ad  A.  hybridani ;  A.  fatua  y  glabra  Ducommun  Taschenb. 
Schweiz.  Bot.  [1869]  863:  A.  fatua  y<  sativa  0.  Kuntze  1.  c.  [1867] 
ex  p.,  Hausskn.  1.  c.  [1873]  ex  p.,  Focke  1.  c.  [1881]  ex  p. ;  A.  fatua 
c.  ambigua  Hausskn.  1.  c.  1885  p.  237  f.  II,  III  [non  A.  ambigua 
Schönh.  1850];  A.  fatua  var.  intermedia  Husnot  Gram.  IL  [1897] 
39  ex  p.  — ■  non  Lej.  et  Court.  [1828]  nee  Ducommun  [1869)).  — 
Deckspelzen  meist  völlig  kahl,  nur  der  Callus  mit  einem  Kranze  ziem- 
lich spärlicher,  sehr  kurzer  (+  1  mm  langer)  Haare,  die  den  Grund 
der  Blüten  kaum  überragen.  —  So  besonders  aus  Mitteleuropa 
bekannt;  auch  einmal  adventiv  bei  Montpellier!  —  Die  Form  mit 
einseitswendig     zusammengezogener     Rispe    und    11  nerviger    oberer 


M  Petermann  selbst  verstand  unter  seiner  A.  hyhrida  eine  Form  unserer 
var.  hyhrida  mit  ziemlich  zusammengezogenem,  fast  einseitswendigem  Blütenstand 
(„panicula  subcontracta,  subsecunda"),  weshalb  seine  Pflanze  auch  schon  (z.  B.  von 
Ascherson  Fl.  Brandenb.  I.  2.  [1864]  828;  Haussknecht  oUm  in  sched.)  ver- 
mutungsweise als  A.  fatua  X  orientalis  gedeutet  wurde;  der  einseitswendige 
Blütenstand  beweist  jedoch  durchaus  nicht  die  Beteiligung  der  A-  orientalis  bei 
der  Entstehung  dieser  Form,  da  auch  die  typische  A.  fatua  mit  i  einseitswendiger 
Rispe  vorkommt  (vergl.  oben)  und  nach  Ascherson  (1.  c.  1804)  die  gleiche  Form 
des  Blütenstandes  auch  schon  bei  der  var.  glahrata  beobachtet  wurde.  Koch 
dagegen  schreibt  (1.  c.  1844)  der  A.  hyhrida  Peterm.  eine  „panicula  aequalis  patens" 
zu,  weshalb  die  meisten  Autoren  (z.  B.  Garcke  in  den  früheren  Auflagen  seiner 
Flora,  Ascherson  Fl.  Brandenb.,  Ascherson  u.  Graebner)  zwischen  A.  hyhrida 
Peterm.  und  A.  hyhrida  Koch  unterscheiden  zu  müssen  glaubten;  die  letztere  wii-d 
von  den  genannten  Autoren  (Ascherson  1.  c.  I.  2.  [1864]  828;  Garcke,  z.B.  Fl.  v. 
Nord-  u.  Mittel-Deutschl.  ed.  2  [1851]  370,  ed.  12.  [1875]  449,  111.  Fl.  Deutschi.  ed.  16. 
[1890]  493;  A.  et  G.  Syn.  II.  1.  239  [1899])  zu  A.  fatua  var.  ylabrata  gezogen,  die 
erstere  dagegen  als  eigene  Art  (Garcke  1.  c.)  oder  als  eigene  Varietät  der  A.  fatua 
(Ascherson  1  c)  oder  endlich  als  Bastard  von  A.  fatua  und  sativa  (A.  et  G. 
1.  c.  242)  aufgefasst.  Für  die  letztere  Deutung  war  vielleicht  der  Umstand  mass- 
gebend, dass  Petermann  seiner  A.  hyhrida  eine  llnervige,  Koch  dagegen  eine 
9nervig:e  obere  Hüllspelze  zuschreibt;  indessen  hat  schon  Garcke  in  den  späteren 
Auflagen  seiner  Flora  (z.  B.  ed.  18.  [1898]  683),  wie  mir  scheint  mit  Recht,  A.  hyhrida 
Koch  wieder  mit  A.  hyhrida  Peterm.  vereinigt  und  beide  als  Synonyme  zu  A.  fatua 
var.  ylahrescens  (die  unsere  beiden  Varietäten  glahrata  und  hyhrida  umfasst) 
gestellt.  Dass  die  Anzahl  der  „Klappennerven"  veränderhch  ist,  hebt  schon  0.  Kuntze 
(Taschenfl.  Leipzig  [1867]  47),  der  A.  hyhrida  Petermann  und  die  homonyme 
Kochsche  Art  identifiziert  und  beide  als  Synonyme  zu  seiner  A.  fatua  X  sativa 
stellt,  mit  Recht  hervor. 


324  Hans  Schinz. 

Hüllspelze:   subvar.  JPetermanni  Thell.  nom.  nov.  (=  A.  hybrida 
Peterm.  non  Koch)^). 

Var.  B  [d]  transiens  Haiisskn.!  ].  c.  1885  p.  238  et  f.  IV,  V, 
IX  {A.  sativa  X  fatua  B   transiens^)  Ascherson  et  Graebner  Syn. 

')  Eine  ähnliche  Form  mit  zwar  einseitsAvendigem  Blütenstand,  aber  mit 
grösstenteils  nur  9nervigen  Hüllspelzen  sammelte  ich  1911  bei  Freiburg  i.  B.  (Kies- 
grube an  der  Baslerstrasse). 

■')  Auch  A.  Zade  (Der  Flughafer  [Avena  fatua],  Diss.  Jena  1909)  hält  diese 
Form,  da  sie  sich  in  der  Kultur  nicht  konstant  erhält,  sondern  sich  in  der  zweiten 
Generation  in  Flug-  und  Saathafer  spaltet  (p.  36—39),  am  ehesten  für  ein  natürliches 
Kreuzungsp  rodukt  von  A.  fatua  und  sativa  (p.  39,  42 — 43.  45—47).  im  Gegen- 
satz zu  Nilsson-Ehle,  der  sie  (Tidskrift  för  Landtmän  1907  Xo.  21  und  22  [kurzer 
Bericht  im  Journal  f.  LandAvirtschaft  1908  Heft  3,  303];  zitiert  nach  Zade  1.  c.  39) 
als  Mutationen  ansprach  (weil  in  Svalöf.  wo  die  Untersuchungen  vorgenommen 
wurden,  kein  Flughafer  vorkomme:  indessen  konnten,  wie  Zade  1.  c.  42  richtig 
hervorhebt,  der  A.  f>ati7:a  ähnliche  Bastarde  vor  Zeiten  mit  Saatgut  eingeschleppt 
worden  sein),  im  Gegensatz  auch  zu  M.  Fischer,  der  (in  Fühlings  landw.  Zeitschr. 
1900  Heft  19,  20,  21  und  1902  Heft  11  [S.  413]  —  nach  Zade  1.  c.  41,  43)  die 
Übergänge  am  wahrscheinlichsten  für  Rückschlagsformen  von  A.  sativa  nach 
A.  fatua  hält,  die  in  der  Regel  in  A.  fatua,  seltener  (1.  c.  1902,  p.413)  in  A.  sativa 
übergehen.  Ohne  die  Möglichkeit  der  Bildung  von  Mischlingen  zwischen  Flug-  und 
Saathafer  leugnen  zu  wollen,  muss  doch  die  Annahme,  dass  A.  fatua  var.  transiens 
stets  hybrid  sein  müsse,  zurückgewiesen  werden.  Der  von  Zade  (p.  42)  zugunsten 
seiner  Auffassung  angeführte  Wahrscheinlichkeitsgrund,  dass  sich  immer  gerade 
unter  denjenigen  Haferkörnern  die  meisten  Zwischenformen  finden,  die  viel  Flug- 
hafer enthielten  oder  noch  enthalten,  scheint  mir  durchaus  nicht  stichhaltig;  denn 
es  ist  klar,  dass  unter  der  Voraussetzung  eines  bestimmten  Prozentsatzes  von  mu- 
tierenden oder  aus  andern  Gründen  unter  dem  Einfluss  der  Kultur  in  der  Richtung 
nach  A.  sativa  abändernden  Individuen  unter  jedem  Flughaferbestand,  die  absolute 
Zahl  der  aberranten  Exemplare  proportional  mit  der  Menge  der  Flughaferpflanzen 
überhaupt  wachsen  muss.  Unwahrscheinlich  gemacht  wird  die  Annahme  von  spon- 
tanen Kreuzungen  auch  durch  die  schon  Körnicke  (in  Körn.  u.  Werner  Handb.  d. 
Getreidebaus  I.  [1885]  196  —  99)  hervorgehobene  und  auch  von  Zade  (p.  29—30) 
bestätigte,  vorwiegende  Autogamie  der  Hafer-Arten.  Hervorzuheben  ist  auch,  dass 
die  von  Zade  vorgenommenen  künstlichen  Kreuzungen  von  A.  fatua  und  sativa 
bis  jetzt  fast  völlig  erfolglos  gebheben  sind  (p.  47).  Endhch  muss  die  Existenz  einer 
nicht-hybriden  Übergangsform  mit  den  Merkmalen  der  A.  fatua  var.  transiens 
schon  logischerweise  aus  Analogiegründen  vorausgesetzt  werden,  da  die  analogen 
Formen  («formae  solidae»)  anderer  Wildhaferarten  jeweils  in  Gebieten  beobachtet 
wurden,  wo  gar  kein  Saathafer  oder  jedenfalls  nicht  der  von  der  betreffenden  Wild- 
form abzuleitende  kultiviert  wird,  so  dass  hybridogene  Entstehung  ausgeschlossen 
erscheint. 

In  einer  neuesten  Abhandlung:  „Über  Fälle  spontanen  Wegfallens  eines 
Hemmungsfaktors  beim  Hafer"  (Zeitschr.  f.  indukt.  Abstammungs-  u.  Vererbungs- 
lehre V.  1.  [1911]  1—37  u.  Taf.  1)  hält  H.  Nilsson-Ehle  daran  fest,  dass  die 
zufällig  unter  dem  Saathafer  auftretenden  Individuen  mit  Wildhafercharakter  als 
■durch  spontane  Abänderung  entstandene  Atavisten  bezw.  als  Heterozygoten 
aus  Atavisten  und  den  typischen  Saathaferformen  zu  betrachten  sind  und  dass  sie 
unabhängig  von  Kreuzungen  entstehen  müssen.  Das  Zustandekommen  der  Atavisten 
denkt  sich  Verf.  in  der  Weise,  dass  ein  bei  den  Saathafersorten  vorhandener 
Hemmungsfaktor  wegfällt,  wodurch  die  ursprünglich  vorhandenen  Wildhafer- 
merkmale wieder  aktiv  werden.  —  Nach  Taf.  I  gehören  die  ,  Heterozygoten"  zu 
A.  fatua  var.  transiens,    die    „Atavisten"   zu  den   Var.   hijbrida  und  glabrata. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  325 

II.  1.  243  [1899];  ?  A.  sativa  var.  10.  setosa  Körnicke  in  Körn,  u. 
Werner  Handb.  d.  Getreidebaus  I.  [1885,  post  Hausskn.]  207,  211).  — 
Behaarung  und  Färbung  der  Blüten  wie  bei  A.  fatua  war.  piIosissi)na 
oder  var.  glabrata,  aber  Artikulationsfläche  klein,  weniger  schief, 
die  Ablösung  der  Blüten  nicht  mehr  freiwillig  erfolgend;  Ährchen 
oft  nur  1  grannig.  —  Selten  in  Mitteleuropa  (z.  B.  Deutschland!!, 
Schweiz!!);  auch  einmal  (1805)  als  Unkraut  im  bot.  Garten  Mont- 
pellier ! 

Var.  ~  intertnixfa  Thell.  n.  var.,  glumella  inferiore  glabra, 
Corona  pilorum  ad  callum  parcissime  evoluta  et  interrupta,  articu- 
latione  quam  in  var.  hybrida  multo  minore,  tarnen  obliqua  et  distincta, 
floribus  maturis  sponte  deciduis.  Ähnlich  der  var.  hybrida,  aber 
Haarkranz  des  Callus  sehr  schwach  entwickelt  und  unterbrochen; 
Artikulationsfläche  zwar  schief  und  deutlich  umrandet,  aber  viel 
kleiner  als  bei  der  var.  hybrida  ;  Blüten  hellfarbig  und  kahl  wie  bei 
A.  sativa,  jedoch  bei  der  Reife  freiwillig  ausfallend.  —  Freiburg  i.  B., 
Kiesgrube  an  der  Baslerstrasse,  1911,  Thellung.  Könnte,  wie  die 
var.  transiens,  auch  als  Bastard:  A.  fatua  X  satica  gedeutet 
werden. 

Die  zwei  letztgenannten  Varietäten  stellen  offenkundige  Über- 
gangsformen zur  folgenden  Unterart  dar : 

Subsp.  IL    sativa  (L.)  Thell.  [^A.  sativa  L.  Spec.  pl.  [1753]  79; 
A.  et  G.  Syn.  IL  1.  233  [1899]  ex  p.;  A.  sativa  var.  1  —  18  Körnicke 
in  Körn,  et  Werner  Handb.  d.  Getreidebaus  L  [1885]  207,  208—13 
A.  fatua  e.  sativa  Hausskn.  1.  c.  1885    p.  238    et   f.  VI,  VIII;   1.  c 
1894  p.  45:  A.  sativa  a  typica  Fiori  &  Paoletti  Fl.  anal.  Ital.  I.  1 
[1896]  72  [non  G.  Beck  1890];  A.  dispermis  Miller  Gard.  Dict.  ed.  8 
[1768]  Avena  n.  1;  A.  pendula  Gilib.  Exercit.  phytol.  [1792]  539 
Graminastrum    \^Avenxi]    albavena    E.  H,   L.   Krause    in    Naturw 
Wochenschr.    XXVI.    [N.  F.  X.]   [1911]   249).    —    Artikulationsstelle 
fast   horizontal,    von    Parenchymgewebe    erfüllt;    Blüten    daher   fest- 
sitzend,  nur  durch  gewaltsamen   (und  meist  unregelmässigen)  Quer- 
bruch der  Achse  in  der  Höhe  der  Artikulation  sich  ablösend;  Deck- 
spelzen meist  kahl  und  blass  gefärbt,  Callus  mit  spärlichen,  kürzeren 
oder  längeren  Haaren  oder  wohl  auch  ohne  solche.    —    Kultiviert^) 

A.  fatua  var.  transiens,  die  sicli  nach  den  übereinstimmenden  Beobachtungen  von 
Nilsson-Ehle  und  Zade  in  der  Kultur  nicht  konstant  erhält,  sondern  mendelt. 
scheint  demnach  wiritlich  einen  helerozygotischen  Zustand  darzustellen,  der  jedoch 
nicht  notwendig  durch  Kreuzung  entstanden  sein  muss,  sondern  auch  das  Resultat 
einer  spontanen  Abänderung  sein  kann. 

M  Im  wildwachsenden  Zustand  ist  A.  sativa  nicht  mit  Sicherheit  bekannt 
und  eigentlich  mit  Rücksicht  darauf,  dass  ihre  Unterscheidungsmerkmale  gegenüber 
A.  fatua   eine  vom  Standpunkt  der  Pflanze   höchst  unzweckmässige  Anpassung  an 

Vierteljahrsschrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.     Jahrg.  56.     1911.  ^^ 


326  Hans  Schinz. 

in  den  gemässigten  Regionen  der  ganzen  Erde;  in  Europa  besonders 
im  kältern  Teil  (Schweden  bis  64^,  Norwegen  bis  6972°  n.  Br.)  und 
in  Gebirgslagen  (Schweizeralpen  bis  1400  m,  Tirol  bis  1800  m;  auch 
im  Himalaya,  und  zwar  hier  bis  gegen  4000  m,  sowie  in  Kaschmir). 
Im  Mittehneergebiet  schlecht  gedeihend  (vergl.  oben  S.  305/6)  und  hier 
meist  durch  die  habituell  sehr  ähnliche,  bis  vor  kurzem  mit  ihr  ver- 
wechselte A.  hijzmitina  ersetzt^)  (die  Unterschiede  siehe  bei  dieser, 
S.  317/9);  an  der  extrem  atlantischen  Westküste  Europas  (von  Portugal 
und  Spanien  bis  nach  Schottland  und  den  benachbarten  Inseln)  machen 
ihr  die  von  A.  barhata  abstammenden  A.  strigosa  und  brevis  den 
Rang  streitig.  Im  ganzen  Kulturbereich  tritt  A.  sativa  häufig  ver- 
wildert auf,  doch  in  der  Regel  nur  vorübergehend-);  wie  bei  vielen 
anderen  Kulturpflanzen  dürften  der  Verlust  der  Verbreitungsmittel 
der  Früchte  und  wohl  auch  gewisse  physiologische  Veränderungen  in 
der  Kultur  eine  dauernde  Einbürgerung  ausserhalb  des  Pflegebereichs 
des  Menschen  unmöglich  machen.  —  Zerfällt  zunächst  in  2  Abarten: 

Var.  a  diffusa  Neilreicb  Fl.  Nied.-Österr.  (1859)  58  {A.  sativa 
auct.  plur. ;  A.  sativa  [subsp.]  A.  A.  diffusa  A.  et  G.  Syn.  IL  1. 
234  [1899];  A.  sativa  a)  panicula  aequali  patente  Trin.  Gram.  Suppl. 
[1835?]  23  in  Mem.  Acad.  sc.  Petersb.  6*^  ser.  [sc.  math.  phys.  et 
nat.]  IV.  2.  [1838]  Bot. ;  A.  sativa  patiila  Alef.  Landw.  Fl.  (1866) 
320;  A.  sativa  [Gruppe]  A  patula  var.  1 — 13  Körnicke  in  Körn. 
et  Werner  Handb.  d.  Getreidebaus  I.  [1885]  207,  208—11 ;  A.  sativa 
suhs^.  patula  Werner  in  Körn,  et  W.  1.  c.  IL  [1885]  681;  A.  sativa 
a  typica  G.  Beck  Fl.  Nied.-Österr.  I.  [1890]  75  [non  Fiori  &  Paoletti 
1896]).  —  Blütenstand  allseitswendig,  ausgebreitet.  Die  häufigste  Form. 

Var.  ß  oontracta  Neilr.  Fl.  Nied.-Österr.  (1859)  58  (JL.  orientalis 
Schreber  Spicil.  fl.  Lips.  [1771]  52;  A.  sativa  orientalis  Alef.  Landw. 
Fl.  [1866]  821;  [Ib.]  0.  Kuntze  Taschenfl.  Leipzig  (1867)  47;  [ß\ 
G.  Beck  Fl.  Nied.-Österr.  I.  [1890]  75;  A.  sativa  [Gruppe]  B  orientalis 
var.  14 — 18  Körnicke   in    Körn,  et  Wern.    Handb.  d.  Getreidebaus  I. 


die  Bedürfnisse  des  Menschen  darstellen,  gar  nicht  zu  erwarten.  Die  Angaben 
älterer  Schriftsteller  über  spontanes  Vorkommen  des  Saathafers  beziehen  sich,  Avie 
Alph.  De  Candolle  (Orig.  pl.  cult.,  deutsche  Ausg.  [1884]  473/74)  mit  Recht 
hervorhebt,  auf  verwilderte  Pflanzen  oder  (wohl  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle) 
auf  Wildhafer- Arten. 

')  Sehr  bezeichnenderweise  gedeiht  dagegen  A.  sativa  gut  in  der  algerischen 
Steppenzone,  wo  auch  die  wilde  Ä.  fatua  autochthon  vorkommt  (Trabut  1.  c. 
1910  p.  362). 

^)  Die  auch  von  Körnicke  (1.  c.  p.  i205)  reproduzierte  Angabe  von  St.  Hilaire 
(1822),  A.  sativa  sei  um  Montevideo  so  massenhaft  verwildert,  als  ob  sie  gesät 
wäre,  beruht  sicherlich  auf  Verwechslung  mit  den  dort  eingebürgerten  3  Wildhafer- 
Arten.  Schon  Kunth  (Enum.  pl.  I,  [1838]  302)  gibt  von  Montevideo  A.  hirsuta 
(=  harhata)  an. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  327 

[1885]  207,  212—13;  A.  sativa  suhs^.  orientalis  L.»  Werner  in 
Körn,  et  W.  1.  c.  IL  [1885]  730;  Husnot  Gram.  IL  [1897]  38;  [subsp.] 
B.  A.  orie/ifalis  A.  et  G.  Syn.  IL  1.  235  [1899];  A.  sativa  a  hjpir(( 
b  Orientalis  Fiori  et  Paoletti  FL  anal.  ItaL  L  [1896]  72 ;  A.  tartarica^) 
Arduino  in  Saggi  Accad.  Padova  IL  [1789]  101  et  t.  1  teste  cl.  P.  A. 
Saccardo  in  litt.;  A.  heferoniaUa  Mönch  Metli.  [1794]  195;  A.  rare- 
mosa  Thuill.  FL  Paris  ed.  2.  [1799]  44;  A.  unilateralis  Broussonet 
ex  Roemer  et  Scliultes  Syst.  veg.  IL  [1817]  669;  A.  safira  ß  pani- 
cula  contracta,  secunda  Trinius  Gram.  Suppl.  [1835?]  23  in  Mem.  1.  c. 
[1838]  2);  A.fatua  h.  satica  secunda  Hausskn.  1.  c.  1885  p.  239).  — 
Blütenstand  einseitswendig,  zusammengezogen.  Seltener  als  die  var. 
diffusa.  —  Über  den  systematischen  Wert  dieser  Form  gehen  die 
Ansichten  der  Autoren  weit  auseinander;  vergl.  oben  S.  299 — 301.  Ich 
schliesse  mich  aus  den  bereits  auseinandergesetzten  Gründen  der  Auf- 
fassung an,  dass  A.  sativa  s.  str.  und  A.  orientalis  als  Varietäten 
eines  und  desselben  Typus  zu  betrachten  sind. 

Als  dritte  Varietät  der  A.  satica  gliedere  ich  hier  noch  an : 
Var.  y  snhuniflora  (Trabut)  Thell.  (^1.  fatua  subunißora 
Trabut!  in  Bull,  agric.  Alger.  Tunis.  16«  annee  [1910]  No.  15  p.  360 
cum  ic).  Ährchen  klein,  Blüten  schlank;  Artikulation  rudimentär, 
wie  bei  A.  sativa,  aber  untere  Blüte  mit  kräftiger,  stark  geknieter 
und  im  unteren  Teil  gedrehter  Granne  (im  Gegensatz  zu  den  kulti- 
vierten Varietäten)  und  mit  langborstigem  Callus  (ähnlich  A.  fatua  var. 
glahrata);  zweite  Blüte  beträchtlich  kleiner,  wehrlos,  von  der  ersten 
durch  ein  etwas  behaartes,  verlängertes  Achsenstück  getrennt.  — 
Algerien:  Plateau  des  Sersou  (1500  m),  von  Trabut  entdeckt.^)  Die 
Pflanze  macht  durchaus  den  Eindruck  einer  verwilderten  A.  sativa 
(die  Artikulationsstelle  ist  unter  beiden  Blüten  angedeutet,  aber 
funktionslos  geworden),  die  bei  der  Rückkehr  auf  einen  natürlichen 
Standort  zuerst  wieder  die  typische  Granne  der  Wildformen  regeneriert 
hat,  und  ich  würde  sie  auch  ohne  weiteres  als  solche  auffassen,  wenn 
nicht  Prof.  Trabut  ihr  anscheinend  vollkommen  spontanes  Vorkommen 
hervorhöbe,  und  auch  der  Umstand,  dass  nach  Trabut  (briefl.)  in  Algerien 
bis  jetzt  keine  von  A.  fatua  abstammende  Sativa-Form  kultiviert 
wurde,  dagegen  spräche.  Bemerkenswert  ist  immerhin  der  berberische 
Name  «Zekkoum»  (Alph.  De  Candolle  Orig.  pl.  cult.,  deutsche  Ausg. 

')  Und  nicht,  wie  Ascherson  u.  (xraehner  (Syn.  II.  1.  2.35  [i.S99])  irri^ 
zitieren,  «A.  sativa  Tartarica>- . 

^)  A.  i<ativa  «var.  ,*  orientalis  (Trin.  Gram.  Suppl.  23)»,  wie  Stapf  in  Thiselton- 
Dyer  Fl.  Kap.  VII.  3.  (1S99)  478  zitiert,  existiert  nicht! 

')  Eine  p^anz  ähnliche  Form,  nur  mit  etwas  stärker  entwickelter  zweiter  BliUe^ 
fand  sich  1911  im  Güterhahnhof  Zürich  (Thellung). 


328  Hans  Schinz. 

[1884 1  473),  der  vielleicht  eine  sonst  durch  nichts  nachgewiesene  alte 
Haferkultur  in  Nordafrika  vermuten  lässt ;  sollten  vielleicht  die  Berber- 
stämme vorübergehend  die  in  der  Plateau-  und  Steppenzone  Algeriens 
einheimische  A.  fatna  angebaut  und  dann  die  Kultur  wieder  auf- 
gegeben haben,  so  dass  wir  jetzt  nur  noch  deren  Reste  vor  uns  sehen 
würden  ? 

Bei  A.  fafua  bringe  ich  noch  mit  einigen  Zweifeln  unter  die 
Unterart : 

Subsp.  (?)  IIL  nuda  (L.)  Thell.  (A.  nuda  L.  Diss.  Dem.  pl.  [1753] 
p.  ?,  Araoen.  acad.  IIL  [1756]  410;  A.  sativa  nuda  Alef.  Landw. 
Fl.  [1866]  322;  A.  sativa  subsp.  nuda  Gillet  et  Magne  Nouv.  Fl. 
frauQ.  ed.  3.  (1873)  532;  «Alef.»  Werner  in  Körnicke  et  Werner 
Handb.  d.  Getreidebaus  IL  [1885]  735;  [ssp.]  E.  A.  nuda  A.  et  G. 
Syn.  IL  1.  237  [1899];  A.  sativa  [Gruppe]  IL  Nackthafer  var.  25-29 
Körnicke  in  K.  et  Werner  1.  c.  I.  [1885]  208,  216—20;  A.  strigosa 
var.  A.  nuda  Hausskn.  1.  c.  1894  p.  45;  A.  sativa  a  tyjnca  c.  ?iuda 
Fiori  et  Paoletti  Fl.  anal.  Ital.  I.  i.  [1896]  72).  —  Glieder  der  Ährchen- 
spindel zwischen  den  einzelnen  Blüten  (doch  nicht  unter  der  untersten 
Blüte  I)  stark  verlängert,  schlank,  wenigstens  die  zweite  und  die 
dritte  Blüte  daher  die  Hüllspelze  deutlich  überragend;  Deckspelzen 
wie  vergrünt,  von  häutiger  (nicht  lederig  verhärteter)  Konsistenz 
(wie  bei  den  übrigen  Arten  die  Hüllspelzen),  die  Frucht  nur  lose 
einhüllend;  Artikulation  unter  den  Blüten  völlig  geschwunden;  bei 
gewaltsamer  Abtrennung  derselben  reisst  die  zarte  Deckspelze  am 
Grunde  ab  und  lässt  die  freie  Karyopse  ausfallen,  während  die  dünne, 
aber  zähe  Ahrchenspindel  als  Ganzes  stehen  bleibt.  —  In  Kultur  in 
Europa  und  Asien,  namentlich  in  China  (seit  mehr  als  1000  Jahren 
bekannt).  —  Wie  wir  bereits  gesehen  haben  (vergl.  oben  S.  303/4),  ist 
die  Abstammung  des  Nackthafers  ganz  unsicher,  da  die  systematisch 
wichtigsten  Merkmale,  nämlich  die  Artikulationsstelle  der  Blüten  und 
die  Spitze  der  Deckspelze,  gegenüber  der  Stammform  stark  verändert 
sind.  Haussknecht  leitet  (1.  c  1894  p.  43)  A.  nuda  von  A.  strigosa  ') 
ab,  doch  soll  die  var.  chinensis  Fischer  (in  Römer  et  Schultes  Syst.  II 
[1817]  669)  nach  Haussknecht -)  von  A.  steriUs  abstammen  (=  A. 
steril  is  var.  de  gener  ans  Hausskn.  1.  c.  1894  p.  40,  44).  Die  Gründe, 
die  mich  eher  an  eine  Abstammung  der  A.  nuda  von  A.  fatua  (direkt 
oder  auf  dem  Umweg  über  A.  sativa)  denken  lassen,  habe  ich  bereits 
(S.  303/4)  auseinandergesetzt ;  immerhin  musste  ich  dabei  die  Möglichkeit 
offen  lassen,    dass  A.  nuda  vielleicht    ein  Konglomerat   aus   Konver- 

*)  Gegen  diese  A])leitun|i:  spricht  auch  die  (im  Gegensatz  zu  den  von  A.  bar- 
hata  abstammenden  Kulturrassen)  sitzende  untere  Blüte  der  A.  nuda. 

'^)  Auch  Trabut  (I.e.  1910  p.  o63j  schhesst  sich  dieser  Auffassung  an. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         329 

genzformen  verschiedenen  Ursprungs  darstellt,  deren  wissenschaftliche 
Analyse  unmöglich  scheint. 

An  A.fatiia  schliesstsich  noch  ander  Bastard :  A,fatiiayc^.steri- 
Us  =  A,  eiiJiybr idaE.a.usskn.  1.  c.  1899  p.  44,  45.  Diese  Deutung  gibt 
Haussknecht  —  wohl  mit  Recht  —  gewissen  in  Aegypten  beobachteten, 
ausgesprochenen  Übergangsformen  zwischen  den  beiden  genannten 
Arten.  Die  gleiche  Kreuzung  könnte  selbstredend  auch  anderwärts 
auftreten. 

Anmerkung.  Au.sserdem  werden  in  der  Literatur  folgende  zweifelhafte 
Bastarde  namhaft  gemacht: 

1.  A.  fatua X  sativa 0.  Kuntze,  Hausskn.,  A.  et  G.,  Zade  (vergl.  S.  323/4).  Nach  der 
spätem  Auffassung  Haus skn echt s  selbst,  der  ich  mich  vollkommen  anschliesse,  handelt 
es  sich  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  um  nicht-hybride  phylogenetische  (übrigens 
vollkommen  fruchtbare!)  Ubergangsformen.  A.  sativa  var.  sefosa  Körn,  in  Körn.  u. 
Werner  Handb.  d.  Getreidebaus  I.  (1885)  207,  211,  die  nach  der  Diagnose  zu  A.  fatua 
var.  traiisieus  Hausskn.  (1885,  prius!)  zu  gehören  scheint,  wäre  nach  Körn  icke  1.  c. 
wohl  aus  der  Kreuzung  von  A.  satira  var.  brnnnea  Körn.  Sy.st.  Übers.  Landw.  Cer. 
Poppeisdorf  (1873)  17  mit  A.fatiia  entstanden.  —  Als  A.  fatua  X  o/irnta//s  deuteten 
A scher  son  mid  Hausskn  echt  früher  die  A.  Injhrida  Peterm.  (vergl.  S.  323,  Fus.snote). 

2.  A,  fatua  X  stvigosa.  Zu  dieser  Bartardkombination  gehören  nach  Schur 
(Enum.  pl.  Transsilv.  [1866]  67:  «A.  fatua  a.  Pseudo-fatua  =  A.  sfrif/oso-fatna)  und 
Ascher  son  u.  Gr  aebner  (S}^.  H.  239  [1899J)  vielleicht  gewisse  Formen  von  A.  fatua 
var.  glabrata  Peterm.  Da  mir  derartige  Formen,  die  an  den  Seitenspitzen  dei-  Deck- 
spelzen nach  der  Angabe  von  A.  u.  G.  kurze  Grannenspitzen  tragen,  bis  jetzt  nicht 
vorgekommen  sind,  kann  ich  mir  über  dieselben  kein  Urteil  erlauben. 

3.  A.  oHentalis  X  sativa  wurde  von  mehreren  Forschern  künstlich  erzeugt ; 
vergl.  oben  S.  300.     Dieser  , Bastard"  stellt  für  mich  einen  Kassenmisclding  dar. 

4.  A.  sativa  X  strigosa.  Dieser  Kreuzung  entspricht  nach  E.  H.  L.  Krause 
(„Schwarzer  Hafer  und  Flughafer  %  Naturw.  Wochenschr.  N.  F.  X.  [1911]  No.  16  p.  249) 
vielleicht  der  sog.  schwarzkörnige  Hafer  {A.  uif/ra  C.  Bauhin  1596  ?  [non  1658!], 
J.  Bauhin  1651 :  A.  satica  L.  Spec,  pl.  [1753]  80  excl.  var.  ^,  item  Gmelin  Fl.  Bad.  Als. 
I.  [1805]  253  ;  A.  satiia  C.  f/liniiella  nigra,  aristata  Metzger  Europ.  Cerealien  [1824| 
51  sec.  E.  H.  L.  Krause  in  litt.;  A.  satira  var.  uigra  Krause  Getr.  Heft  7  [1835—37] 
15  t.  6  B:  Kirschl.  Fl.  d'Als.  H.  [1857]  309:  (h-aminastniin  (liihimn  iiigratriiaK  H.  L. 
Krause  I.e.  [1911 1).  Der  Schwarzhafer  unterscheidet  sich  von  dem  gewöhnlichen,  hell- 
spelzigen  Saathafer  nicht  nur  durch  die  schwärzlichen  Deckspelzeu,  sondern  auch 
durch  schlankere,  weniger  l)auchige  Hüllspelzen,  schlankere  Scheinfrüchte,  oft  etwas 
borstlich  behaarte  Ährchenachse  und  stärker  und  gleichmässiger  behaarte  Karyopseu. 
Alle  diese  Merkmale  scheinen  mir  die  Var.  uigra  ebenso  sehr  der  A.  fatua  wie  der 
A.  .striffo.sa  zu  nähern,  so  dass  es,  wie  E.  H.  L.  Krause  selbst  (1.  c.  1911,  248  not.  1) 
andeutet,  naheliegt,  den  schwarzkörnigen  Hafer  als  die  phylogenetisch  ältere,  der  Stamm- 
form {A.  fatua)  näher  stehende  Abart  aufzufassen.  Bemerkenswert  ist  noch,  dass,  wie 
aus  der  angegebenen  Synonyniie  ersichtlich,  Linnö  (1.  c.)  die  ihm  offenbar  aus  Holland 
—  von  wo  auch  ich  durch  die  Vermittlung  meines  Fi-eundes  Dr.  H.  Brockmann- 
.Jerosch  in  Zürich  Material  von  schwarzem  Hafer  erhielt  —  bekaimte  A.  nigra  C.  Bauhin 
als  den  Typus  seiner  A.  .satira  auffasste,  während  er  die  A.  alba  G.  Bauhin  als  var. 
ß  davon  abtrennte.  —  Über  A.  nigra  auct.  veter.  vergl.  auch  unten  S.  345 :  wenigstens 
die  Pflanze  J.  Bauhin 's  (1651)  scheint  nichts  anderes  als  eine  schwarzspelzige  A.  -sativa 
zu  sein;  ebenso  wohl  auch  A.  .sgtre.stri.s  kcu  nigra  Thal  Sylva  Hercynica  (1588)  17 
(, cujus  grana  paulo  longiora  crassioraque  sunt  avenae  sativae,  ac  e.x  rubro  nigricantia", 
zitiert  nach  E.  H.  L.  Krause  1.  c.  250). 


330  Hans  Schinz. 

3.  A,  strigosa  Schreber  Spicil.  fl.  Lips  (1771)  52  sens.  ampl.  — 
Wildformen  mit  sehr  steil  gestellter,  länglicher  Abgliederungsfläche; 
Kulturformen  mit  kleiner,  schief  gestellter  Desartikulationsfläche, 
die  nicht  mehr  funktioniert ;  vielmehr  erfogt  die  gewaltsame  Ablösung 
der  Blüten  durch  einen  +  unregelmässig  verlaufenden  Querbruch  (mit 
gezackten  Rändern)  in  der  Höhe  der  Artikulation.  Ferner  ist  bei 
den  typisch  entwickelten  Kulturpflanzen  (noch  nicht  bei  A.  abyssinica 
var.  pilosiuscula !)  das  Grlied  der  Ährchenachse  unter  der  untersten 
Blüte  verlängert,  so  dass  diese  über  den  Hüllspelzen  gestielt  erscheint. 
Deckspelze  an  der  Spitze  stets  mit  2  (an  den  Kulturrassen  brevis 
und  abyssinica  +  verkürzten)  Grannenspitzen,  die  bei  A.  Wiestii 
und  abyssinica  aussen  am  Grunde  je  von  einem  deutlichen  Sekundär- 
zähnchen  begleitet  sind.  In  dieser  Umgrenzung  umfasst  A.  strigosa 
folgende  Wild-  und  Kulturformen : 

Subsp.  L  barbata  (Pott)  Thell.  {A.  barbata  Pott  ex  Link  in 
Schrader  Journ.  Bot.  II.  [1799]  315!')  testibus  Roemer  et  Schultes 
Syst.  IL  [1817]  670  et  Trin.  Gram.  Suppl.  [1835  ?]  25  in  Mem.  Acad. 
Petersb.  G''  ser.  sc.  math.  phys.  nat.  IV.  2.  [1838]  Bot. ;  Brot.  Fl.  Lusit  I. 
[1804]  108;  Haussknecht  1.  c.  1894  p.  40,  45;  A.  sterilis  subsp.  bar- 
bata Gillet  et  Magno  Nouv.  Fl.  franp.  ed.  3.  [1873]  532;  A.  hirsuta 
Mönch  Meth.  Suppl.  [1802]  64!  2);  Roth  Catal.  bot.  IIL  [1806]  19; 
A.fatua  y  hirsuta  (Mönch)  Fiori  et  Paoletti  Fl.  anal.  Ital.  I.  1.  [1896] 
72  [non  Neilr.]  ;  A.  atherantha  Presl  Cyp.  et  Gram.  Sic.  [1820]  30, 
non  herb.  3);  A.  strigosa  [non  Schreb.]  Sm.  Fl.  ßrit.  III  [1804]  1390 
«X  descr. ! ;  Laterr.  Fl.  Bordel.  sec.  Durieu  in  Act.  Soc.  Linn.  Bor- 
deaux XX.  [1855]  32).  —  Enthält  Wildformen  mit  schiefer,  schmaler, 
gut  funktionierender  Abgliederungsfläche  und  ungestielter  unterster 
Blüte;  bei  festsitzenden  Blüten  ist  die  Deckspelze  zottig  behaart. 
Grannenspitzen  der  Deckspelzen  aussen  am  Grunde  von  einem  sehr 
dünnen  Stachelspitzchen  (Endigung  des  nächsten  Seitennervs)  be- 
gleitet oder  auch  ohne  solches.  —  Mittelmeergebiet  (östlich  bis 
Transkaukasien  und  Babylonien),  atlantische  Küste  Westeuropas 
bis  zur  Bretagne,  nordatlantische  Inseln^);  scheint  ein  atlantisches 
Klima   zu    bevorzugen.     Verschleppt   in   Belgien  ^)    und   Deutschland, 

')  A.  barbata  Pott.  (1799;  wird  in  der  neueren  floristischen  Literatur  allge- 
mein übergangen;  das  obige  Zitat  findet  sich  indessen  richtig   im  Index  Kewensis. 

'^)  Auch  dieser  Name  fehlt  (mit  Ausnahme  des  Werkes  von  Fiori  &•  Paoletti) 
in  der  floristischen  Literatur,  weshalb  der  A.  hirsuta  allgemein  der  Autorname  Roth 
beigegeben  wird.  Glücklicherweise  kann  der  fast  überall  gebrauchte  Name  A.  bar- 
bata (mit  dem  Autor  Pott!)  beibehalten  werden. 

')  Nach  Willkomm  (Osterr.bot.Zeitschr.  XL.  |1890]  147)  gehörte,  aterantlia 
|sic|  Presl  herb,  zu  A.  sterilis  var.  maxima. 

')  Ob  in  England?  Vergl.  S.  340,  Fussnote. 

")  Lejeune  et  Gourtois  (Comp.  fl.  Belg.  L  [18!28|  72)  führen  A.  hirsuta  Roth 
als  belgische  Pflanze  auf,  ohne  Zweifel  über  ihr  Indigenat  zu  äussern. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Züricli  (LVI).  331 

ferner  in  Süd-Afrika  und  in  Amerika  von  Mexiko  bis  Argentinien 
(z.  B.  Rancagua  in  Chile,  Bertero  !  in  herb.  Montpell.,  Montevideo!*)); 
in  den  Campos  von  Uruguay  eingebürgert  nach  Arechavaleta  Las 
Gram.  Urug.  (1898)  361.  —  Bemerkenswerte  Abart: 

Var.  solida  Hausskn.  1.  c.  1894  p.  41  (cf.  1885  p.  240)  {A.fatiia 
y  hirsuta  c.  solida  Fiori  Fl.  anal.  Ital.  IV.  1.  (App.)  [1907]  19).  Blüten 
behaart,  aber  nicht  artikuliert;  Callus  undeutlich.  Nach  Hauss- 
knecht bei  Genua,  Venedig,  Eleusis  in  Attika  und  am  Sinai  beobachtet. 

Subsp.  II.  strigosa  (Schreber)  Thell.  (.4.  strigosa  Schreber  1.  c. 
sens.  strict.  et  Beschr.  d.  Gräser  II.  123  t.  XLVI!  [1810];  Danfhonia 
striyos((  Pal.  Agrost.  [1812]  160;  A,  sativa  20.  var.  striyosa  Körnicke 
in  Körn,  et  Werner  Handb.  d.  Getreidebaus  I.  [1885]  208,  214;  (y) 
Fiori  et  Paoletti  Fl.  anal.  Ital.  I.  1.  [1896]  72;  A.  sativa  [ssp.]  C. 
A.  strigosa  A.  et  G.  Syn.  IL  1.  236  [1899];  Graininastnnn  stri- 
gosum  E.  H.  L.  Krause  in  Naturvv.  Wochenschr.  XXVI.  [N.  F.  X.] 
[1911]  249;  A.  hispanica  Ard.  in  Saggi  sc.  lett.  Acad.  Padova  IL 
[1789]  112 2);  A.fusca  [sphalm.?]  Ard.  ibid.  t.  4-);  A.  nervosa  Lam. 
111.  I.  [1791]  201  n.  1115  ex  p.  [excl.  syn.  Leers.!];  Poiret  Encycl. 
Suppl.  I.  [1810]  542 ;  A.  agraria  Brot.  Fl.  Lusit.  L  [1804]  105 ;  .4.  suh- 
spontaiiea  Körnicke  ex  Werner  in  K.  et  W.  Handbuch  d.  Getreide- 
baus IL  [1885]  738  [=-  A.  brevis  -f  A.  strigosa']).  —  Ist  Kulturform 
der  subsp.  barbata :  Blüten  kahl,  sämtlich  gestielt;  Artikulation  rudi- 
mentär; Spitze  der  Deckspelze  (beim  Typus  der  Unterart)  wie  bei 
der  Wildform  ^\  —  Kultiviert  besonders  in  West-Europa  (von  Portu- 
gal und  Spanien^)  über  West-  und  Mittel-Frankreich,  Belgien  und 
Grossbritannien  bis  zu  den  Shetland-  und  Orkney-Inseln),  sowie  (selten) 
im  westlichen  Deutschland,  entsprechend  der  offenbar  von  der  Wild- 
form überkommenen  Vorliebe  für  Gebiete  mit  atlantischem  Klima ; 
als  Ackerunkraut   ausserdem   in  Mittel-   und  Nordeuropa;    angeblich 

V)  A.  hirsuta  Roth  wird  schon  von  Kunth  (Enum  pl.  I.  [1833]  30:2)  von  Monte- 
video angegeben. 

2)  Die  Zugehörii/keit  der  A.  hispanica  (fusca)  Ard.  zu  .4.  strigosa  scheint 
mir  nach  der  mir  von  Prof.  P.  A.  Saccardo  in  Padua  freundlichst  mitgeteilten 
Diagnose  f„.  .  .  gluma  exteriore  biaristata")  und  den  angeführten  Bemerkungen 
(Vergleich  mit  A.  Loeflingiana)  nicht  sicher  festzustehen;  leider  konnte  ich  mir 
die  Abljildung  nicht  verschallen. 

*)  Dass  bei  A.  strigosa  die  2  Spitzen  der  Deckspelzen  zuweilen  aussen  am 
Grunde  von  einem  kurzen  sekundären  Grannenspitzchen  begleitet  sind,  finde  ich  in 
der  floristisch-systematischen  Literatur  einzig  von  Spenner  (Fl.  Friburg.  1.  [1825] 
107)  erwähnt:  „Gluma  inferior  apice  in  lacinias  2  subulatas  2-dentatas  fissa;  dente 
uno  brevissime,  altero  longissime  aristato". 

*)  Nach  Körnicke  in  Körn.  u.  Werner  Handbuch  d.  Getreidebaus  I.  (188.J) 
21.5.  A.  strigosa  fehlt  merkwi^irdigerwei.-^e  in  Willkomm  u.  Lange  s  Prodromus 
florae  Hispanicae  (1861—93)!  Auf  das  Vorkommen  dieser  Art  in  Spanien  deutet 
jedoch  schon  der  Name  A.  hispanica  Ard.  (178it)  hin. 


332  Hans  Schinz. 

auch  in  Russland  und  Transkaukasien  ^) ;  im  übrigen  Europa  zuweilen 
verschleppt  (z.  B.  im  Hafen  von  Triest:  Pospichal  Fl.  d.  Österr. 
Küstenl.  I.  [1897]  84);  ebenso  nach  Cheeseman  Man.  N.  Zealand 
Fl.  (1906)  1091  in  Neuseeland  («cultivated  fields,  not  common:)-).  — 
Haussknecht  (1.  c.  1885  p.  240,  1894  p.  43)  erklärt  A.  sfrigosa 
für  einen  selbständigen,  in  Europa  heimischen  Typus;  die  Pflanze 
kommt  jedoch  meines  Wissens  nirgends  in  natürlichen  Pflanzen- 
formationen vor,  und  es  liegt  daher  nahe,  anzunehmen,  dass  sie  auf 
Kulturland  durch  die  unbewusste  Selektion  durch  den  Menschen  (vergL 
oben  S.  301)  aus  A.  barhata  hervorgegangen  ist.  —  An  A.  sfrigosa 
schliesst  sich  als  Rasse  an : 

Prol.  brevis^)  (Roth)  Hausskn.  1.  c.  1894  p.  45  («var.  A.  brevis^) 
{A.  brevis  Roth  Bot.  Abb.  Beob.  [1787]  42;  A.  safira  19.  var.  brevis 
Körnicke  in  Körn,  et  Werner  Handb.  d.  Getreidebaus  I.  [1885]  207,. 
213;  iß)  Fiori  et  Paoletti  Fl.  anal.  Ital.  I.  1.  [1896]  72;  A.  sfrigosa 
subsp.  A.  brevis  Husnot  Gram.  IL  (1897)  38;  A.  safiva  [ssp.]  D.  A. 
brevis  A.  et  G.  Syn.  IL  1.  237  [1899];  .4.  agraria  nmfica  Brot. 
FL  Lusit.  I.  [1804]  106;  A.  sfrigosa  var.  abbreviata  («Kulturform») 
Hausskn.  1.  c.  1894  p.  44).  —  Blüten  länglich,  stumpf  (bei  der  typischen 
A.  sfrigosa  lanzettlich,  nach  der  Spitze  verschmälert) ;  Deckspelzen 
stumpf,  nach  oben  breiter,  in  2  ziemlich  kurze  Stachelspitzen  endigend. 
—  Angebaut  in  Portugal,  Spanien  (Galizien  nach  Willkomm  u.  Lange 
Prodr.  fl.  Hisp.  I.  1.  [1861]  67),  Frankreich,  Nordwest-Deutschland; 
als  Ackerunkraut  z.  B.  auch  in  den  Ardennen  (Lejeune  et  Courtois 
Comp.  fl.  Belg.  I.  [1828]  78);  die  übrigen  Angaben  sind  irrtümlich 
oder  zweifelhaft.  —  Über  die  spezifische  Verschiedenheit  der  A.  b}'evis 
gegenüber  A.  sfrigosa  sind  schon  mehrfach  Zweifel  ausgesprochen 
worden;  Brotero  (1.  c.  1804)  und  Lejeune  (Rev.  fl.  Spa  [1824]  nach 
Lej.  et  Court.  Comp.  fl.  Belg.  I.  [1828]  73)  fassen  sie  als  Varietät 
der  A.  sfrigosa  auf;  Körnicke  (1.  c.  1885)  behandelt  beide  Arten 
als  koordinierte  Varietäten  der  A.  safiva,  während  Werner  (1.  c. 
1885)  sie  als  A.  subspontanea  Kcke.  zusammenfasst ;  auch  Ascherson 
u.  Graebner  (1.  c.  1899)  und  Coste  (Fl.  descr.  ill.  France  III.  6.  [1906] 
592)  betonen  ihre  sehr  nahe  Verwandtschaft.  Husnot  (Gram.  IL 
[1897])  beschreibt  (p.  39)  und  bildet  (auf  T.  XIII,  A.  brevis  fig.  4,  5  !) 

^)  Wiesen  am  kaspischen  Meer  nach  G.  A.  Meyer  Verz.  Ftl.  Caucas.  (1831)  IG  (?  ?). 

^)  Der  englische  Name  „Hairy  Oat",  den  Cheesernan  der  A.  strigosa  bei- 
legt, lässt  Zweifel  darüber  aufkommen,  ob  dieser  Autor  nicht  vielmehr  A.  harhata 
im  Auge  gehabt  hat;  die  Angabe  der  Verbreitung  (Europa  und  Asien)  Hesse  auf 
A.  fatua  schliessen,  welch  letztere  ArL  jedoch  noch  besonders  aufgeführt  Avird. 

^)  Ich  glaube  nach  dem  Wortlaut  des  Art.  49  der  Wiener  Regeln  hei  der  Er- 
niedrigung der  A.  brevis  Roth  zu  einer  Rasse  von  A.  sfrigosa  den  so  bezeichnenden 
und  bekannten  Roth'schen  Namen  unter  Übergehung  von  A.  agraria  mutica 
Brot,  beibehalten  zu  dürfen. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         333 

eine  Übergangsform  von  A.  brevis  zu  A.  strigosa  ab.  Immerhin  scheint 
mir  A.  b7^evis\on  A.  strigosa  doch  stärker  verschieden  als  A.  orientalis 
von  A.  sativa,  so  dass  ihre  Auffassung  als  Rasse  der  A.  strigosa 
am  richtigsten  sein  dürfte.  (Über  die  Cosson -Müll  er 'sehe  Hypothese 
der  Abstammung  der  A.  brevis  von  A.  uniflora  Pari,  vergleiche 
oben  S.  302). 

Subsp.  III.  Wiestii  (Steudel)  Thell.  {A.  Wiestii  Steudel  Syn, 
Gram.  [1855]  231;  Hausskn.  I.e.  1894  p.  41— 42  ;  A.barbata  var. 
Wiestii  Hausskn.  I.e.  1894  p.45 ;  A.barbata  prol.  vel.  subsp.  A.  Wiestii 
A.  et  G.  Syn.  IL  1.  242  [1899];  cf.  Hausskn.  1.  c.  1894  p.  41—42,  1899 
p.  48;  A.fatua  y  hirsuta  e.  Wiestii  Fiori  Fl.  anal.  Ital.  IV.  1.  App. 
[1907]  19;  A.barbata  var.  B  fuscescens  Batt.  et  Trab.  Fl.  d'Alger 
Monocot.  [1884]  62  ex  p.  [quoad  pl.  sahariensem,  excl.  syn.  var.  minor 
Lange  et  var.  triflora  Willk.  ^)] ;  A.  barbata  var.  minor  Batt.  et  Trab, 
sec.  Hausskn.  1.  c.  1894  p.  49  [quoad  specira.  sahariensia  distributa^ 
teste  Trabut  in  litt.]  et  FI.  Alger.  Monocot.  [1895]  80  ex  p.  —  non 
Lange  'i  ^)).  —  Wildformen  ;  von  A.  barbata  verschieden :  Hüllspelzen 
nur  7 nervig;  Blüten  verkürzt,  kurz  zugespitzt  (statt  an  der  Spitze 
lang  verschmälert),  die  Nerven  der  Deckspelze  an  der  Spitze  ziemlich 
weit  von  einander  entfernt,  der  an  die  Grannenspitzen  nach  aussen 
anstossende  Nerv   daher  in   ein    deutliches  Zähnchen    auslaufend.   — 


')  Nach  Haussknecht  (1.  c.  1894  p.  i:^)  würden  auch  A.  harhata  B.  fuscescens 
Batt.  et  Trab,  und  var.  ß  triflora  Willk.  (in  Willk.  et  Lange  Prodr.  fl.  Hisp.  I.  1.  [1861 J 
68)  zu  A.  Wiestii  gehören,  während  Ascherson  u.  Gr aebner  (Syn.  II.  1.  341 
[1899])  die  var.  triflora  zu  A.  barbata  b)  Hoppeana  (Scheele)  Richter  PI.  Europ. 
I.  (1890)  6-2  (A.  Hoppeana  Scheele  in  Flora  XXVII.  1.  [1844]  hl;  A.fatua  y  hir- 
suta b.  Hoppeana  Fiori  Fl.  anal.  Ital.  IV.  1.  App.  [1907]  19;  A.  barbata  ß  minor 
Lange  Pug.  Hisp.  in  Xat.  For.  Kiöb.  i2.  Aart.  II.  [1880]  39,  dies  nach  Art.  49  der  Wiener 
Regeln  der  gültige  Xame)  ziehen,  A.  Wiestii  dagegen  (1.  c.  p.  242)  als  besondere  Rasse 
oder  Unterart  aufführen.  Ob  und  inwieweit  diese  Pflanzen  wirklich  verschieden 
sind,  muss  durch  fernere  Studien  festgestellt  werden ;  da  mir  von  der  var.  minor 
keine  sicheren  Exemplare  vorliegen,  kann  ich  mir  in  dieser  Frage  kein  Urteil  er- 
lauben. Nach  Ascherson  u.  Graebner  1.  c.  241 — 42  unterscheidet  sich  die  var. 
Hoppeana  =  minor  vom  Typus  (var.  a  genuina  Willk.  in  Willk.  et  Lange  Prodr. 
fl.  Hisp.  I.  1.  [1861]  68)  durch  meist  weichhaarige  oder  gewimperte  Blätter, 
kleinere,  kaum  1..5  cm  lange,  meist  3  blutige  Ährchen,  braune  Haare  der  Deckspelzen 
und  kürzere  Grannen;  A-  lUies^ii  dagegen  durch  kürzere  Ährchen  und  Deckspelzen 
und  nur  7 nervige  Hüllspelzen.  Dazu  kommt  bei  A.  Wiestii  noch  das  von  Hauss- 
kn echt  und  Ascherson  u.  Graebner  nicht  erwähnte  Merkmal  des  Sekundär- 
zähnchens  am  Grunde  der  Grannenspitzen  der  Deckspelzen ;  ob  dasselbe  bei  der 
var.  minor  fehlt,  kann  ich  aus  dem  schon  erwähnten  Grunde  nicht  angeben.  — 
A.  barbata  B  fuscescens  Batt.  et  Trab. !  stimmt  nach  der  Originaldiagnose  sehr  gut 
mit  der  var.  minor  Lange,  schliesst  aber,  wie  die  var.  minor  Batt.  et  Trab.  (1895), 
auch  die  von  diesen  Autoren  nicht  unterschiedene,  im  algerischen  Wüstengebiet 
vorkommende  A.  Wiestii  ein,  wie  mir  Prof.  Trabut  (briefl.)  bestätigt.  —  Über  die 
Schwierigkeit  der  Unterscheidung  von  .1.  barbata  var.  minor  und  A.  Wiestii 
vergl.  auch  Murbeck  Contrib.  fl.  Nord-Ouesl  de  T-Afrique  [in  Act.  Univ.  Lund.|  IV- 
(1900)  8. 


334  Hans  Schinz. 

So  besonders  im  Wüstengebiet  von  Nordafrika  und  Südwest- Asien  ^) 
(z.  B.  häufig  in  Aegypten!);  angeblich  nach  Haussknecht  (1.  c,  1899 
p.  49)  auch  in  Südwest-Frankreich  (Agen)^),  Majorka,  Pantellaria, 
Griechenland  (Pindus),  aber  wohl  meistens  mit  A.  harhata  var.  minor 
Lange  verwechselt.  ^)  Die  spanische  A.  hirhila  Lag.  (Gen.  et  spec. 
nov.  [1816]  4!)  ist  nach  Haussknecht  (1.  c.  1894  p.  42,  1899  p.  48), 
der  authentische  Exemplare  sah,  eine  Übergangsform  zwischen  A.  har- 
hata und  Wiestii  mit  7— 9  nervigen  Hüllspelzen  (was  aus  der  auf 
A.  harhata  passenden  Diagnose  allerdings  nicht  hervorgeht,  jedoch 
durch  alte  Herbarexemplare  aus  Aragonien,  die  ich  sah,  bestätigt 
zu  werden  scheint^)).  —  A.  Wiestii  ändert  ab: 

Var.  ß  pseudo-abyssinica  Thell.  n.  var.:  glumellarum  cuspides 
aristiformes  abbreviatae,  tantum  +  1  mm  longae,  A.  ahyssinicam 
referentes.  Grannenspitzen  der  Deckspelzen  verkürzt  (nur  +  1  mm 
lang),  Blüten  daher  an  die  von  A.  abyssinica  erinnernd ;  die  Pflanze 
ist  aber  ein  typischer  Wildhafer  mit  behaarten  und  gegliederten 
Blüten*).  —  Abessinien:  Urahut,  1863,  Schimper  als  ^4.  r/Z>//ss/;??m 
(Herb.  Univ.  Zürich);  angenähert  auch:  Schimper  sect.  HI.  n.  1877 
(Un.  itin.  1844). 

Var.  y  glabra  Hausskn.  1.  c.  1899  p.  49  (?  ?  A.  ahyssinica  var. 
granulata  Chiovenda  in  Anno  VHI  dell'  Ann.  R.  Ist.  Bot.  di  Roma 
[1908]  343^)):  Blüten  kahl,  aber  normal  artikuliert. 

Var.  d  hitercedens  Thell.  n.  var. :  flores  glabri  (excepta  Corona 
basilari  pilorum  et  nonnullis  pilis  ad  insertionem  aristae),  minus 
perfecte  articulati,  tarde  et  imperfecte  decidui.  Deckspelzen,  abge- 
sehen von  dem  basilären,  ziemlich  kurzen  Haarkranz  und  einigen 
Haaren  an  der  Insertion  der  Granne,  kahl ;  Artikulationsfläche  zwar 
schief  und  deutlich,  aber  kleiner  als  beim  Typus  und  schwächer  wulstig 
umrandet,  Blüten  daher  weniger  rasch  und  nicht  vollzählig  ausfallend. 


^)  Auch  Konstantinopel  nach  Aznavour  in  Masf.  Bot.  Lapok  X.  (1911)  15. 

2)  Das  Exsikkatum  Bill ot  Fl.  Gall.  Germ.  exs.  n.  882  von  Agen  (Lot-et-Garonne) 
leg.  0.  Debaux  18.51  („A.  hirsuta  Roth")  halte  ich  durchaus  für  A.  barbata  var. 
minor.  Übrigens  ist  das  Vorkommen  dei-  spezifischen  Wüstenrasse  Wiestii  in  dem 
ozeanischen  Südwest-Frankreich  sehr  unwahrscheinlich ;  viel  eher  wäre  es  im  zentralen 
Spanien  (dank  seinem  kontinentalen  Klima)  zu  erwarten,  wo  es  indessen  nur  zur 
Ausbildung  der  zwischen  A.  barbata  und  A.  Wiestii  stehenden  Übergangsform 
hirtula  Lag.  gekommen  zu  sein  scheint. 

»)  Willkomm  u.  Lange  (Prodr.  fl.  Hisp.  I.  1.  [1861]  68)  ziehen  .-1.  hirtula 
Lag.  als  Form  mit   pubeszierenden  Laubblättern   zu  A.  barbata  a  genioina  Willk. 

*)  Von  (lei-  habituell  sehr  ähnlichen  A.  fatxia  unterscheidet  sich  diese  Varietät 
■durch  die,  wenngleich  verkürzten,  doch  noch  deutlich  entwickelten,  mit  Seiten- 
zähnchen  versehenen  Grannenspitzen  der  Deckspelzen  und  die  sehr  schiefe  und 
schmale  Artikulationsfläche. 

")  S.  Fussnote  2  auf  S.  336. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  335 

—  Algier,  unter  kultivierter  A.  ahyssinica  1911,  Trabut!  Diese 
Form  ist  analog  der  A.  fatiia  var.  intermixta  Thell.  und  steht  der 
A.  abyssinica  var.  pUosiuscula  sehr  nahe,  von  welch  letzterer  sie 
sich  nur  durch  die  schiefe  Artikulationsfläche  unterscheidet ;  ob  viel- 
leicht lediglich  ein  vorgeschrittenes  Reifestadium  derselben? 

Var.  €  solidiflora  Thell.  nom  nov.  ^)  (var.  solkla  Hausskn.  1.  c. 
1894  p.  42.  1899  p.  49).  —  Blüten  behaart,  aber  festsitzend  oder  nur 
die  untere  sich  ablösend.  So  z.  B.  in  der  Cyrenaica  (Benghasi,  nach 
Haussknecht). 

Subsp.  IV.  abyssinica-)  (Höchst.)  Thell.  {A.  abyssinica 
Höchst.!  ex  A.  Rieh.  Tent.  fl.  Abyss.  IL  [1853]  415  [«palea  exteriore 
nuda  glabra  apice  bifida»]  et  ex  Steudel  Syn.  Gram.  [1855]  230 
[«  glumis  superantibus  flosculos  glabros  basi  vix  pilis  rigidis  brevibus 
apicem  versus  margine  et  ad  insertionem  aristae  pilis  sparsis  raris 
munitis  [sic]y>];  A.  sativa  var.  21  —  24  Körnicke  in  Körn,  et  Werner 
Handb.  d.  Getreidebaus  I.  [1885]  208,  215—16;  A.  sativa  var. 
abyssinica  Engler  Hochgebirgsfl.  trop.  Afr.  [1892]  129;  Schwein- 
furth  in  Bull.  Herb.  Boiss.  IL  [1894]  App.  2.  p.  31 ;  cf.  A.  Rieh.  1.  c. 
[1853]  p.  416  Obs.;  A.  strigosa  var.  Jl.  Abyssinica  Hausskn.  1.  c. 
1894  p.  45:  A.  Wiesfii  var.  solida  glabra  Hausskn.  1.  c.  1899 
p.  51).  —  Pflanzen  vom  Typus  der  Saathafer-Arten :  Blüten  spärlich 
behaart  bis  kahl,  Artikulationsfläche  klein,  rundlich,  wenig  schief. 
Deckspelzen  (im  Gegensatz  zu  A.  strigosa)  an  der  Spitze  4zähnig, 
d.  h.  die  —  wie  bei  A.  brevis  auf  1 — 2  mm  verkürzten  —  terminalen 
Grannenspitzen  sind  auf  der  äussern  Seite  (wie  bei  A.  Wiestii)  von 
einem  deutlichen,  kurzen  Zähnchen  begleitet.  —  So  als  Unkraut 
des  Kulturlandes  (z.  B.  in  Gerste-  und  Luzernefeldern)  und  auch  als 

')  Der  Name  var.  solida  Hausskn.  kann  nach  Art.  29  der  Wiener  Regehi  niclit 
beibehalten  werden  wegen  der  Existenz  einer  homonymen  Varietät  in  der  Subspezies 
barbata. 

*)  Damit,  dass  ich  A.  barbata,  strigosa,  Wiestii  und  abyssinica  als  koor- 
dinierte Subspezies  des  Sammeltypus  A.  strigosa  auffasse,  nehme  ich  hinsichtlich 
der  Systematik  dieser  Gruppe  einen  vermittelnden  Standpunkt  ein;  die  Frage,  ob 
A.  abyssinica  mit  strigosa  oder  Wiestii  näher  verwandt  ist  (vergl.  oben  S.  308  9), 
wird  dabei  offen  gelassen.  Je  nachdem  man  nun  A.  Wiestii  als  eigene  Art  oder 
als  Rasse  der  A.  barbata  von  geringem  systematischem  Wert  auffasst,  kommt  man 
zu  einem  der  beiden  folgenden  Extreme  der  systematischen  Darstellung: 

1.  ^1.  abyssinica  Höchst.  (1853)  sens.  ampl. 
subsp.  I.    Wiestii  (Steudel  1855  pro  spec); 
subsp.  H.  abyssinica  (Höchst.). 

2.  A.  strigosa  Schreb.  sens.  ampl. 
subsp.  I.  t>arbafa  (Pott) 

prol.  Wiestii  (Steudel)  A.  et  G. ; 
subsp.  n.  strigosa  (Schreber  sens.  strict.) 
prol.  abyssinica  (Höchst.). 


336  Hans  Scliinz. 

Futterpflanze  [nicht  als  Körnerfrucht!]  angebaut  (Trabut  br.)  in 
Abessinien  und  Jemen.  Wird  von  Haussknecht  (1.  c.  1899  p.  50) 
wohl  mit  Recht  als  Kulturrasse  der  A.  Wiestü  aufgefasst  ^).  — 
Zerfällt  in  zwei  Abarten^): 

Var.  a  pilosiuscula  Thell.  n.  var. ;  cf.  Hausskn.  1.  c.  1899 
p.  50  {A.  ahyssinica  Höchst,  ex  Steudel  1.  c).  —  Flos  infimus  non 
stipitatus ;  flores  basi  corona  pilorum  cincti  et  ad  Insertionen!  aristae 
subpilosi;  pedicellus  floris  secundi  breviter  et  molliter  pilosus;  arti- 
culatio  subdistincta,  flores  partim  decidui.  Unterste  Blüte  ungestielt; 
Blüten  am  Grunde  von  einem  Haarkranz  umgeben,  auch  die  Deck- 
spelzen an  der  Einfügungsstelle  der  Granne  etwas  behaart ;  Stielchen 
der  zweiten  Blüte  kurz  weichhaarig ;  Artikulationsstelle  noch  ziemlich 
scharf  umschrieben,  die  Blüten  lassen  sich  daher  teilweise  noch  ab- 
lösen. Mit  Rücksicht  auf  diesen  letztern  Umstand  könnte  die  Pflanze 
fast  mit  gleichem  Recht  zur  subsp.  Wiestü  gestellt  werden  (umso- 
mehr,  da  sie  vielleicht  von  deren  var.  intercedens  nicht  deutlich 
verschieden  ist) ;  sie  stellt  eben  einen  ausgesprochenen  Übergang  vom 
Wildhafer-  zum  Saathafer-Typus  dar.  —  Hieher  gehört  z.  B.  : 
Schimper  It.  Abyss.  sect.  IL  n.  950  {« A.  sferilis»),  inter  segetes 
Adoae  (Un.  itin.  1842). 

Var.  ß  glaherrima  Chiovenda!  in  Anno  YIII  dell'  Ann.  R. 
Ist.  Bot.  di  Roma  (1908)  343  («forma*);  cf.  Hausskn.  1.  c.  1899 
p.  50  (A.  abyssinica  Höchst,  ex  A.  Rieh.  1.  c).  —  Unterste  Blüte 
(wie  bei  A.  stn'gosa)  über  den  Hüllspelzen  schlank  gestielt;  Deck- 
spelzen meist  ganz  kahl,  nur  der  Callus  kurz  behaart;  Stielchen  der 
zweiten  Blüte  nur  im  obern  Teil  bärtig ;  Artikulation  mit  Parenchym- 
gewebe   erfüllt,    die  Blüten  daher  festsitzend   und  nur  durch  Gewalt 


1)  Früher  (1.  c.  1894  p.  44/45)  hielt  Haussknecht  A.  abyssinica  für  eine 
der  A.  strigosa  nahestehende  Form  (Übergang  zu  A.  brevis). 

2)  Die  von  Körnicke  1.  c.  (1885)  lediglich  auf  die  Farbe  der  Scheinfrüchte 
begründeten  vier  Varietäten  fallen  für  unsere  Zwecke  ausser  Betracht.  —  Unklar 
ist  mir  die  var.  granulata  Chiovenda  in  Anno  VIII  dell'  Ann.  R.  Ist.  Bot.  di  Roma 
(1908)  343,  die  von  ihrem  Autor  folgendermassen  charakterisiert  wird:  ,Gluma  III 
e  IV.  glaberrime  e  nella  porzione  indurita  densamente  e  minutamente  granulato- 
scabre,  callo  con  peli  densissimi,  uguagHanti  '/s— V2  della  gluma;  glume  all"  apice 
meno  attenuate  e  meno  profondamente  bifide.  —  Amasen :  Monti  Lesa  (Poppi 
n.  4901).  —  Questa  varietk  fa  avvicinare  la  A.  abyssinica  piottusto  all'  A.  fatua 
che  non  all'  A.  sativa."  Die  lange  Behaarung  des  Callus  und  die  GranuUerung  der 
Deckspelzen  lässt  eher  an  einen  Wildhafer  als  an  eine  Kulturform  denken :  sollte 
es  sich  vielleicht  um  eine  Form  der  A.  Wiestü  var.  glabra  Hausskn.  (s.  o.)  mit 
etwas  kürzern  Grannenspitzen  (ähnlich  der  \?ir.  pseudo-abyssinica  Thell.)  handeln  V 
Ohne  Kenntnis  des  Artikulationsmodus  der  fraglichen  Pflanze  ist  eine  sichere  Ent- 
scheidung natürlich  unmöglich.  Aus  der  gleichen  Gegend  (Amasen)  gibt  Chiovenda 
(I.e.  [1908]  342)  auch  A.  barbata  an;  ob  diese  Pflanze  nicht  eher  zu  A.  Wiesfii 
gehört  ? 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).        337 

vermittelst  unregelmässigen  Querbruchs  der  Achse  in  der  Höhe  der 
Artikulation  sich  ablösend ;  unterer  Teil  der  Granne  oft  nur  schwach 
gedreht.  —  Hieher  (nach  Haussknecht  I.e.):  Schimper  Exsicc. 
n.  1877  (von  mir  nicht  gesehen);  ferner:  Col.  Eritrea:  Medri  od 
Tesfä:  Adi  Ghebsus,  1905-06,  leg.  A.  Poppi  n.  6541,  7251') 
(A.  abyssinica  f.  glaherrima  Chiov.,  det.  Chiovenda;  Herb.  Univ. 
Zürich).  —  Mit  dieser  Varietät  hat  auch  der  Formenkreis  der 
A.  abijssinica  (inkl.  .4..  Wiestii)  die  Organisationshöhe  der  Saathafer- 
Arten  voll  und  ganz  erreicht;  es  steht  zu  erwarten,  dass  der  abes- 
sinische  Hafer,  als  Abkömmling  der  Wüstenpflanze  A.  Wiestii,  in 
sehr  trockenen  Gebieten  der  Erde  mit  wüstenartigem  Klima  als 
Kulturpflanze  eine  wichtige  Rolle  zu  spielen  berufen  ist. 


Kulturhistorisches, 

Die  oben  gewonnenen  Resultate  betreffend  die  Abstammung  der 
Saathafer- Arten  können  nicht  ohne  Einfluss  auf  unsere  Anschauungen 
über  die  Kulturgeschichte  des  Hafers  bleiben.  Bei  allen  Be- 
trachtungen dieser  Art  müssen  wir  im  Auge  behalten,  dass  der 
„Saathafer"  im  landläufigen  Sinne  keine  systematische  Einheit,  sondern 
ein  Gemenge  aus  mehreren  heterogenen  Formen  darstellt,  dass  also 
in  den  Berichten  alter  Schriftsteller  „Hafer"  unter  Umständen  recht 
Verschiedenes  bezeichnen  kann.  Praktisch  wird  es  natürlich  unmöglich 
sein,  bei  historischen  Forschungen  die  verschiedenen  Arten  des  Saat- 
hafers mit  Sicherheit  auseinanderzuhalten  —  müssen  wir  doch 
schon  zufrieden  sein,  wenn  wir  nach  den  dürftigen  Beschreibungen 
mit  Gewissheit  eruieren  können,  ob  in  einer  Nachricht  aus  dem 
Altertum  von  einem  Wild-  oder  einem  Saathafer  die  Rede  ist  — ; 
immerhin  dürfte  es  nicht  unangebracht  sein,  über  die  spezifische 
Zugehörigkeit  der  antiken  Haferarten  wenigstens  einige  Ver- 
mutungen, die  sich  hauptsächlich  auf  pflanzengeographische  Über- 
legungen stützen,  zu  äussern. 

Von  den  alten  Ägyptern  und  den  Hebräern  wurde  bekanntlich 
kein  Hafer  angebaut;  auch  im  Sanskrit  und  in  den  neuern  Sprachen 
Indiens  ist  kein  Name  dafür  bekannt.  Wenn  wir  von  einigen  allzu 
unsichern  Angaben  alter  Schriftsteller  absehen,  so  bleiben  uns 
namentlich  fünf  antike  Hafer-Vorkommnisse  zu  besprechen: 

')  Weitere  Fundorte  der  var.  glaberrima  in  der  Colonia  Eritrea  siehe  hei 
(Ihiovenda  1.  c. 


338  Hans  Schinz. 

1.  der  Hafer  der  alten  Germanen  (und  Slaven); 

2.  der   aus   Griechenland    (und    Kleinasien?)    nach    Süditalien 
eingeführte  Hafer; 

3.  der  Hafer  der  Pfahlbauer  und  Kelten; 

4.  der  Hafer  der  alten  Iberer  (und  Basken) ; 

5.  der  chinesische  Hafer. 

1.  Dass  der  Hafer  der  alten  Germanen,  von  dem  Plinius  (im 
1.  Jahrhundert  n.  Chr.)  als  Merkwürdigkeit  erwähnt,  dass  jene  Völker 
sich  von  dem  aus  dieser  Pflanze  gewonnenen  Mehle  nährten,  die  von 
A.  fatua  abstammende  A.  sativa  (im  engern  Sinn)  ist,  wird  allgemein 
angenommen ;  zweifelhaft  und  strittig  bleibt  nur  die  Frage  nach  der 
ursprünglichen  Verbreitung  der  ^4.  fatua  und  dem  Ort  des  Beginnes 
der  Kultur. 

Nach  Nyman  (Consp.  fl.  Eur.  IV.  [1882]  810)  wäre  A.  fatua 
in  Europa  nicht  einheimisch,  sondern  wahrscheinlich  mit  dem  Saat- 
hafer aus  dem  Orient  eingeführt  worden.  Den  extrem  entgegengesetzten 
Standpunkt  nimmt  Haussknecht  ein,  der  (1.  c.  1885,  1892.  1899 
p.  46—48)  A.  fatua  sogar  für  in  Mitteleuropa,  speziell  in  Mittel- 
deutschland (als  Relikt  der  Steppenflora)  heimisch  und  ebenso  auch 
die  Kultur  des  Hafers  (zuerst  nur  als  eines  guten  Futtergrases)  für 
in  Deutschland  autochthon  hält;  die  Römer  hätten  den  Saathafer 
erst  durch  ihre  Feldzüge  in  Germanien  kennen  gelernt.  Haussknecht 
stützt  sich  dabei  auf  das  oft  massenhafte  und  sehr  lästige  Auftreten 
der  A.  fatua  in  Thüringen  als  Unkraut.  —  Gegenüber  dieser  Theorie 
von  dem  mitteleuropäischen  Ursprung  der  Haferkultur  macht 
Körnicke ^)  p.  205—06  geltend,  dass  A.  fatua  bei  uns  auf  Boden 
mit  einer  Grasnarbe  nicht  vorkommt,  also  den  alten  Germanen  nicht 
als  Weidefutter  dienen  konnte.  Körnicke  verlegt  daher  ihre  Heimat 
oder  wenigstens  die  Gegend,  wo  sie  zuerst  in  Kultur  genommen 
wurde,  nach  dem  Südosten;  damit  würde  nach  der  Ansicht  dieses 
Autors  auch  der  von  Galenus  überlieferte  häufige  Anbau  des  Hafers 
in  Kleinasien  im  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  sprechen.  Vielleicht  kam  die 
Pflanze  auch  aus  Armenien  oder  Zentral-Asien  nach  Kleinasien  und 
den  griechischen  Inseln  und  wurde  von  den  Griechen  nach  Sizilien 
und  Unteritalien  eingeführt,  wo  der  Hafer  noch  heute  angebaut  wird. 
Anderseits  aber  konnte  er  auch  aus  Zentral-Asien  sich  längs  der 
Nordküste  des  Schwarzen  Meeres  nach  Westen  bis  zu  den  Deutschen 
am  Rhein  verbreiten  (Körnicke  1.  c.  p.  206).  In  dieser  Theorie 
erkennt  man  unschwer  einen  Dualismus  des  „Hafers",  wie  Körn  icke 

^)  Körn  icke  in  Körnieke  u.  Werner,  Handb.  d.  Getreidebaus  I.  (1885). 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich    (LVI).        339 

ihn  schlechtweg  nennt :  der  südliche  Hafer,  der  von  Kleinasien ')  nach 
den  griechischen  Inseln  und  von  da  nach  Süditalien  und  Sizilien  ein- 
geführt wurde,  war  wohl  zweifellos  die  noch  heute  in  Kleinasien 
und  Süditalien  kultivierte  A.  byzantina,  während  der  aus  Zentral- 
Asien  auf  der  nördlichen  Zugstrasse  über  die  Xordküste  des  Schwarzen 
Meeres  nach  Westen  wandernde  Hafer  der  eigentlichen  A.  satica 
entspricht. 

Wie  stellen  wir  uns  nun  heute  zu  der  Frage  nach  der  prä- 
historischen Verbreitung  der  A.  fatua  und  nach  dem  Ursprung  der 
Haferkultur?  Nach  der  heutigen  Hauptverbreitung  und  nach  den 
klimatischen  Ansprüchen  des  Flughafers  dürften  wir  kaum  fehlgehen, 
wenn  wir  diese  Art,  die  heute  über  den  grössten  Teil  von  Europa 
verbreitet  ist  und  sich  auch  in  entfernten  Erdteilen  eingebürgert  hat, 
als  ursprünglich  in  dem  osteuropäisch-westasiatischen  Steppengebiet 
beheimatet  betrachten  ;  autochthon  ist  sie  auch  in  der  nordafrikanischen 
Steppenzone  (nach  Trabut),  sowie  anscheinend  in  Xord-  und  Ost- 
Asien.  In  Mitteleuropa  bevorzugt  sie  die  niederschlagsarmen  Gebiete^) 
(z.B.  Thüringen):  auch  schaden  ihr.  wie  Haussknecht  (1.  c.  1892 
p.  46)  im  Gegensatz  zu  der  Angabe  Körnickes  (1.  c.  p.  205)  von 
der  Empfindlichkeit  der  A.  fatua  gegen  die  Winterkälte  hervorhebt, 
extrem  strenge  Winter  nicht,  was  jedenfalls  sehr  zugunsten  der  An- 
nahme ihrer  Steppenpflanzennatur^)  spricht*).  Ob  der  Flughafer 
irgendwo  in  Deutschland  urwüchsig  ist,  scheint  mit  Rücksicht  auf 
die  Einwände  Körnickes  sehr  zweifelhaft:  immerhin  müssen  wir 
die  Möglichkeit  im  Auge  behalten,  dass  A.  fatua  vielleicht  vor  dem 
Auftreten  des  Menschen  an  natürlichen  Standorten  gedeihen  konnte, 
die  heute  von  der  Kultur  eingenommen  sind  (die  gleiche  Überlegung 


')  Nicht  aus  Zentral-Asien,  was  Kör  nicke  auch  als  möglich  darstellt. 

^)  Selbst  im  Detail  lässt  sich  ihre  Vorliebe  für  regenarme  Gegenden  kon- 
statieren :  im  Kanton  Graubünden  (Schweiz)  hält  sich  Ä.  fatua  nach  Mitteilung 
meines  Freundes  Jos.  Braun -Chur  durchaus  an  die  xerothermen  Gebiete  und  ist 
z.  B.  in  dem  niederschlagsreichen  Prätigau  nicht  nachgeAviesen. 

')  Der  Umstand,  dass  nach  Zade  (Der  Flughafer  [Avena  fatua]^  Diss.  Jena 
1909  p.  14,  16,  27)  die  Früchte  der  A.  fatua  zur  Keimung  einer  Samenruhe  be- 
dürfen und  in  höherem  Prozentsatz  bei  trockener  als  bei  feuchter  Aufbewahrung 
keimen,  stimmt  ebenfalls  gut  mit  der  Annahme  der  kontinentalen  Klimaansprüche 
dieser  Pflanze.  Der  feuchte,  frostfreie  oder  frostarme  Winter  des  Mediterrangebietes 
ist  vielleicht  das  Haupthindernis  des  Vorkommens  der  A.  fatua  in  diesem  Floren- 
gebiet. 

*)  Innerhalb  eines  und  desselben  klimatischen  Gebietes  ist  auch  die  Boden - 
beschaffenheit  von  grossem  Einfluss  auf  das  Vorkommen  des  Flughafers:  er  be- 
vorzugt nach  Haussknecht  (I.e.  1885  p  239)  und  Zade  (Der  Flughafer  [Avena 
fatua],  Diss.  Jena  1909,  p.  10)  bindige,  besonders  kalkreiche  Bodenarten,  während 
er  (z.  B.  in  Thüringen)  auf  Sandboden  fehlt  oder  nur  ganz  vereinzelt  auftritt. 


340  Hans  Schinz. 

gilt  auch  für  eine  Reihe  von  anderen  Ackerunkräutern)  ^).  —  Im  Mittel- 
meergebiet ist  A.  fatua  selten  (die  gegenteiligen  Angaben  älterer 
Schriftsteller,  z.  B.  aus  Griechenland,  beruhen  auf  Verwechslung  mit 
anderen  Wildhafer-Arten)  und  wird  meist  durch  A.  sterilis  und 
A.  harbata  ersetzt,  mit  Ausnahme  von  Ägypten,  wo  A.  fatua  häufig 
mit  den  beiden  genannten  Arten  bezw.  der  Wüstenrasse  Wiestii  der 
^4.  barbata  zusammen  vorkommt  (Haussknecht  1.  c.  1899  p.  45). 
Bezeichnend  ist  auch  ihr  Verhalten  in  Algerien,  wo  sie  nach  Trabut 
(1.  c.  1910  p.  360)  die  Plateaus  und  die  Steppen  bevorzugt  und  nur 
selten  die  mediterrane  Littoralzone  erreicht.  Anderseits  darf 
nicht  verschwiegen  werden,  dass  A.  fatua  auch  in  Grossbritannien, 
trotz  seines  ozeanischen  Klimas,  nach  der  Angabe  der  englischen 
Floristen  gemein  ist,  während  man  dort  eher  die  an  der 
atlantischen  Küste  Frankreichs  gedeihende  A.  barbata  zu  erwarten 
Mtte^). 

A.  sativa,  der  von  A.  fatua  abgeleitete  Saathafer,  verhält  sich 
im  Süden  analog  der  Stammform :  er  gedeiht  schlecht  im  eigentlichen 
Mediterrangebiet  (vergl.  oben  S.  305/6),  dagegen  haben  die  Kultur- 
versuche im  algerischen  Teil,  wo  auch  A.  fatua  spontan  vorkommt, 
nach  Trabut  (1.  c.  1910  p.  362)  gute  Resultate  ergeben.  Anderseits 
aber  wird  A.  sativa  im  grössten  Teil  Europas  (auch  in  der  atlantischen 
Zone)  mit  Erfolg  kultiviert ;  immerhin  ist  das  überwiegen  der  Kultur 
der  von  der  ozeanischen  A.  barbata  abstammenden  A.  strigosa  in 
Spanien  und  Portugal,  sowie  z.  B.  auf  den  Hebriden  (Körnicke  1.  c. 
p,  202)  bemerkenswert. 

Im  wildwachsenden  Zustand  ist  A.  sativa  nicht  mit  Sicherheit 
bekannt;  auch  die  Vorkommnisse  in  Turkestan,  die  schon  als  spontan 
gedeutet  wurden,  werden  von  E.  Regel  (Descr.  pl.  nov.  VIII.  [1881] 
94)  auf  Verwildern  aus  frühern  Kulturen  der  Dschungaren  zurück- 
geführt. Die  naturgemäss  sich  erhebende  Frage,  ob  die  Kultur  des 
Hafers  an  einem  bestimmten  Punkte  des  weiten  Areals  der  A.  fatua 
oder  aber  an  mehreren  Stellen  voneinander  unabhängig  begonnen 
hat,  dürfte  schwer  mit  Sicherheit  zu  entscheiden  sein.  Die  schon 
von  Alph.  De  Candolle  (Orig.  pl.  cult.,  deutsche  Ausg.  [1884]  473) 
teilweise     hervorgehobenen     linguistischen     Gründe     sprechen     nach 


')  Vergl.  hierüber  A.  De  Candolle  Geogr.  bot.  rais.  II.  (185-5)  610. 

-)  Smith  (Fl.  Brit.  111.  [1804]  1390)  führt  aus  Grossbritannien  (hinter  segetes") 
unter  dem  Namen  Avena  strigosa  eine  Pflanze  auf,  die  nach  der  Beschreibung 
(„flosculi  bini . .  .  .  pilosi,  dorso  aristati  ....  apice  biaristati")  nur  A.  harbata  sein 
kann ;  sollte  diese  Art  doch  in  England  vorkommen  und  nur  von  den  dortigen 
Floristen  nicht  von  A.  fatua  unterschieden  werden? 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).         341 

Buschan ^)  (p.  62)  dafür,  dass  der  Anbau  des  Hafers  (in  diesem 
Fall  sicher  A.  safiva!)  ursprünglich  ein  Privilegium  der  slavischen, 
also  dereinst  im  Osten  unseres  Kontinentes  ansässigen  Völkerschaften 
(im  Gegensatz  zu  den  graeco-romanischen)  gewesen  sein  muss;  Verf. 
nimmt  (1.  c.  p.  6B)  an,  dass  der  Flughafer  lange  Zeit  von  den 
arischen  Völkern  unbeachtet  gelassen  oder  höchstens  als  Viehfutter 
verwertet  worden  ist,  ohne  indessen  im  letztern  Fall  wirklich  ange- 
baut worden  zu  sein,  und  dass  erst  nach  der  Trennung  der  Irano- 
Inder  und  der  Graeco-Romanen  die  slavischen  und  germanischen 
Stämme  ihn  in  Kultur  nahmen-),  dass  also  der  Saathafer  aus  dem 
Osten  oder  Südosten  nach  Mitteleuropa  gelangt  ist  —  eine  Theorie, 
die  auch  vom  botanischen  Standpunkt  durchaus  annehmbar  ist.  Nach 
Hoops^)  (p.  406)  dürfte  der  Ursprung  der  Haferkultur  am  wahr- 
scheinlichsten nach  Südost -Russland,  in  die  kaspisch-kaukasische 
Ebene  oder  allenfalls  noch  in  das  angrenzende  turkestanische  Tief- 
land zu  verlegen  sein. 

2.  Den  von  Plinius  (im  1.  Jahrhundert  n.  Chr.)  erwähnten  Hafer 
„mit  nicht  ausfallenden  Samen",  den  er  als  „griechischen  Hafer" 
bezeichnet*),  und  der  daher  wohl  aus  dem  östlichen  Mittelmeergebiet 
nach  Sizilien  und  Unteritalien  eingeführt  wurde  (Körnicke  1.  c. 
p.  206),  haben  wir  bereits  vermutungsweise  mit  A.  bijza/itina  identi- 
fiziert; zu  eben  diesem  Saathafer  dürfte  auch  der  nach  Galenus  im 
2.  Jahrhundert  n.  Chr.  in  Kleinasien  (von  wo  ja  auch  die  A.  hijzantina 


')  Buschan,  Vorgeschichthclie  Botanik  der  Kultur-  und  Nutzpflanzen  der 
alten  Welt  (189.5). 

-)  Sollte  der  lateinische  Xame  des  Hafers  (avena),  wie  Hoops  (Waldbäume 
u.  Kulturpfl.  [1905]  409)  nach  dem  Vorgang  einiger  Philologen  annimmt,  mit  dem 
slavischen  (ovisu)  urverwandt  sein,  so  würde  nach  Hoops  daraus  folgen,  dass  die 
Italiker  den  Saathafer  schon  vor  ihrem  Abzug  nach  Süden  von  Osten  her  erhielten, 
und  dass  der  Hafer  nach  ihrer  Niederlassung  in  Italien  von  seiner  ursprünglichen 
Bedeutung  als  menschliches  Nahrungsmittel  zu  einem  mehr  oder  weniger  aus- 
schliesslichen Futterkraut  herabsank.  Diese  Hypothese  bedarf  mit  Rücksiclit  auf  die 
jüngsten  botanischen  Forschungsergebnisse  einer  Modifikation.  Vorausgesetzt,  dass 
wirklich  die  Itahker  bei  ihren  Wanderungen  nach  Süden  einen  Kulturhafer,  und 
zwar  Avena  sativa,  mitbrachten,  so  ist  diese  Saathaferart,  die  an  das  mediterrane 
Klima  nicht  angepasst  ist,  sicherlich  in  Italien  selbst  bald  ausgestorben ;  der  Name 
aber  wurde  auf  die  dortigen  Wildhafer-Arten  {A.  sterilis  und  harhata)  und  dann 
auch  auf  die  von  A.  sterilis  abstammende  A.  bt/zantiua  übertragen.  Anschliessend 
sei  noch  bemerkt,  dass  es  auch  nicht  angeht,  wie  Hoops  dies  tut,  von  dem  ,Wild- 
hafer"  schlechtweg  zu  sprechen:  wir  müssen  vielmehr  die  in  Italien  und  Griechen- 
land heimischen  Arten  {A.  sterilis  und  harhata)  einerseits  und  die  Stamuipflanze 
der  A.  sativa,  die  osteuropäisch -westasiatische  A.  fatua  anderseits,  scharf 
auseinanderhalten. 

^  Hoops,  J.  Waldbäume  und  Kulturpflanzen  im  germanischen  Altertum  (1905). 

*)  t!^  Avena  graeca,  cui  non  cadit  semen»  Plin.  Nat.  Hist.  [ed.  H.  Weis  1841] 
XVni,  Kap.  42. 

Vierteljahrsschrift  d.  Naturf.  Ges.  Zürich.  .Tahrg.  56.  1911 .  23 


342  Hans  Schinz. 

beschrieben  ist!)  gebaute  Hafer  gehören').  Der  Umstand,  dass  der 
ßQÖjf.iog  des  Dioskorides  (I.Jahrhundert  n.  Chr.),  wie  mich  Dr.  E. 
H.L.Krause  aufmerksam  macht,  als  2grannig  beschrieben  wird-), 
stimmt  auch  besser  für  A.  hyzantina  als  für  A.  safiva,  bei  der 
nur  selten  beide  Scheinfrüchte  begrannt  sind. 

Über  das  Alter  der  Haferkultur  im  alten  Griechenland  und 
Italien  sind  die  Meinungen  geteilt;  vergleiche  die  Diskussion  bei 
Hoops  (1.  c.  407 '08).  Dieser  Autor  schliesst  sich  der  Auffassung  an, 
dass  der  Saathafer  in  Griechenland  in  historischer  Zeit  gut  bekannt 
war   und   auch   gebaut  wurde;    er    diente   aber  wohl   in  erster  Linie 


*)  Dass  der  ßoouoi  des  Galeuus  (131 — 200  n.  Chr.),  von  dem  der  Autor 
(De  alimentorum  facultatibus  II.  14  [ed.  Kühn  VI.  p.  522— 23J)  das  häufige  Vor- 
kommen in  Mysien  (Kleinasien),  wo  auch  Ti'ifci  und  olvout  in  Menge  wachsen,  und 
die  Verw^endung  als  Viehfutter  (nur  in  Zeit  von  Hungersnot  als  menschliche  Nahrung) 
erwähnt,  auch  wirklich  zu  Avena  gehört,  ist  schon  bestritten  worden.  An  einer 
andern  Stelle  nämhch  (De  simpl.  medicamentor.  temp.  ac  facult.  VI.  2.  17  [ed. 
Kühn  XI.  855])  rechnet  Galenus  den  ßoöiio^-  zu  den  öa/rot«  («legumina»)  {«Bi)6fto.: 
iar)  ifh'  h' Ti  rior  oajiniMr,  a)X  b)g  (fiinuay.or  ouoiar  f/ti,  Sirccuii' y.niO^  . .  .^xoxims 
unum  est  ex  leguminibus,  verum  ut  medicamentum  similem  hordeo  vim  obtinet»), 
woraus  einige  Forscher  (z.  B.  L.  Reinhardt  Kulturgesch.  d.  Nutzpfl.  I.  1911  [1910]  38) 
den  Schluss  gezogen  haben,  dass  ßnono^  eine  Hülsenfrucht  sein  müsse.  Nun  gibt 
aber  Galenus  selbst  (De  ahm.  facult.  I,  16  [ed.  Kühn  VI.  524])  folgende  Definition 
der  üonoia:  «Zajioui  y.alovaiv  ty.en'a  Tiar  ^r]/.i)jTQici}i'  a^ifouarwr.  t^  wr  uoto^  ov 
yirtTca,  xv/c/nov^;  mOGohg,  tofßird-ovg,  qu/.ovg,  O^touovg,  oQVLar,  oooßovg,  )m{)vooi\', 
aoay.ovg,  o'yyQovg,  ipccarjlovg,  rfjXiy,  ä(p(''.y.r]v,  nre  ti  TotovTov ....  Legumina  appellant 
ea  Cerealia  semina,  ex  quibus  panis  non  fit,  ut  puta  fabas,  pisa,  cicera,  lentes, 
lupinos.  oryzara,  ervum,  ciceres,  aracos.  ervilias,  phaselos,  foenum  Graecum,  aphacen, 
et  si  qua  sunt  similia»;  er  rechnet  also  zu  den  oanQiii  alle  diejenigen  Feldfrüchte, 
die  nicht  zur  Brotbereitung  dienen.  Nun  findet  sich  der  ßonuog  in  dem  Werke  «De 
ahmentorum  facultatibus »  keineswegs  unter  äenoan()i(c  (Kap.  16);  er  wird  vielmehr 
in  Kap.  14  im  Anschluss  an  die  in  den  vorhergehenden  Abschnitten  besprochenen 
Getreidearten  Tivoög,  xoifh].  ricpri  (triticum,  hordeum,  tiphe)  etc.  genannt,  und  im 
15.  Kapitel  folgen  abermals  Gräser:  y.iyxfjog  und  fXvaog  (milium  und  panicum). 
Wenn  daher  Galenus  an  der  oben  genannten  Stelle  den  ßoöuog  den  oayimtc  zu- 
rechnet, so  geschieht  dies  sicher  lediglich  mit  Rücksicht  auf  seine  nur  ausnahms- 
Aveise  Verwendung  als  Brotfrucht.  —  Übiügens  bezeichnet  auch  Icgumen  im 
Lateinischen  durchaus  nicht  etAva  nur  Leguminosen  (im  botanischen  Sinne);  nach 
dem  «Totius  latinitatis  lexicon  op.  et  stud.  Aegidii  Forcellini  edit.  a  .1.  Furlanetto  > 
III.  (Prati  1865)  723  ist  Legumen  ein  «Verbale  a  lego,  quo  significatur  quicquid  ex 
terrae  satis  in  siliquis  nascitur,  ut  sunt  fabae,  pisum,  cicer,  lens  et  similia.  quae 
evelluntur  e  terra,  non  subsecantur>  (Varr.  1.  RR.  23.  et  32.  et  Plin.  18.  46,  2.). 
Entgegen  dem  ersten,  auf  die  Hülsenfrüchte  passenden  Teil  der  Definition  werden 
(mit  Rücksicht  auf  den  Modus  des  Einsammelns?)  von  Columella  (2.  7.  et  10.) 
nicht  nur  faba,  lens,  pisum,  phaselus.  cicer,  lupinus,  sondern  auch  cannabis, 
sesamum,  linum  und  selbst  mihum,  panicum  und  hordeum  zu  den  «legumina» 
gezählt,  so  dass  auch  der  Hafer  sehr  wohl  zu  ihnen  gehören  konnte.  Bemerkenswert 
ist  noch,  dass  auch  die  «Avena  graeca»  des  Plinius  (ed.  Weis  XVIII.  42)  und 
die  «Avencix  des  Columella  (De  re  rustica  IL  11.  9:  1.  Jahrhundert  n.  Chr.) 
mitten  unter  Leguminosen  aufgezählt  werden. 

2)  BoMuog  (Avena)  Diosc.  II,  116:  «yanuhr  öi  e/ti  hi'  üynot  loomo  axQi'ötu 
(Sfy.oyhi .  . . .  in  cacuminibus  dei>endentes  parvulas  veluti  locustas  bipedes  gerit». 


Mitteilungen  aus  dem  holan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVl).  343 

als  Futterkraut,  wurde  zum  Brotbacken  nur  in  Zeiten  der  Not  ver- 
wandt, im  übrigen  als  menschliches  Nahrungsmittel  in  Form  von 
Brei  bezw.  Alphita  genossen.  —  Dass  Plinius  den  altrömischen 
Kulturhafer  als  avcna  (ivcieca  bezeichnet,  beweist  nach  Hoops  (1.  c. 
408/09)  nicht  notwendig  seinen  Import  aus  Griechenland.  Die  Römer 
bauten  wohl  auch  Hafer,  aber  nur  als  Viehfutter;  ob  sie  hierzu  einen 
Saat-  oder  einen  Wildhafer  (vom  botanischen  Standpunkt  kommen 
für  den  letztern  wohl  nur  A.  sterilis  und  harJxfta  in  Betracht)  ver- 
wandten, ist  unsicher.  Eine  Angabe  bei  Columella  (1.  Jahrhundert 
n.  Chr.\  dass  der  Winterhafer  nur  teilweise  zu  Futterzwecken  gemäht, 
teilweise  zur  Samengewinnung  stehen  gelassen  werde,  lässt  nach 
Hoops  (1.  c.  409)  auf  einen  Saathafer  {^A.  sativa  nach  Hoops, 
A.  hijzantina  nach  unserer  Auffassung)  schliessen. 

Ob  der  süditalienische  Kulturhafer  in  Italien  autochthon  ent- 
standen ist  oder  aus  Griechenland  eingeführt  wurde,  ist  von  unserm 
botanischen  Standpunkt  aus  von  relativ  geringer  Bedeutung.  Auf  jeden 
Fall  aber  bedarf  die  von  Haussknecht  (1.  c.  1885  p.  233,  1892) 
aufgestellte  und  auch  von  Grad  mann  (Der  Getreidebau  im  deutschen 
und  röm.  Altertum  [1909]  15 — 22)  verfochtene  Hypothese,  dass  der 
Hafer  ein  spezifisch  nordisches  Getreide  von  vielleicht  mittel- 
europäischem (jedenfalls  nicht  subtropischem)  Ursprung  sei,  das  im 
Mittelmeergebiet  (z.  B.  in  Spanien,  Süditalien,  Griechenland,  Algerien 
und  Ägypten)  hauptsächlich  vom  mittleren  und  nördlichen  Europa 
aus  Eingang  gefunden  hätte'),  hinsichtlich  der  südlichen  Hafervor- 
konimnisse  einer  gründlichen  Modifikation :  der  erste  Teil  der  Theorie 
betreffend  den  extramediterranen  Ursprung  der  Avena  sativa  (im 
engern  Sinn  !)  wird  durch  die  neuesten  botanischen  Forschungsergebnisse 
bestätigt,  dagegen  muss  die  Annahme  der  Einführung  des  Hafers 
von  Norden  ins  Mediterrangebiet  entschieden  zurückgewiesen  werden, 
da  der  südliche  Hafer  von  dem  mitteleuropäisch-nordischen  spezifisch 
verschieden  ist.  Die  mediterrane  Haferkultur  ist  demnach,  wenngleich 
offenbar  jünger  als  die  nördliche,  entgegen  der  Meinung  von  Hauss- 
knecht und  Gradmann,  mindestens  mit  Rücksicht  auf  das  zum 
Anbau  verwendete  Material  als  autochthon  zu  betrachten. 

3.  Der  Hafer  der  Pfahlbauer  und  der  alten  Kelten  war 
zweifellos  .4.  sativa.    Zu  dieser  Art  werden  von  Osw.  Heer  (Pfl.  d. 


')  So  nacli  Gradmann  I.e.  p.  2(J;  Haussknecht  drückt  sich  in  dieser  Frage 
vorsichtiger  aus,  indem  er  nur  von  ilem  Anbau  des  Hafers  (nicht  vom  Hafer  selbst) 
spricht,  der  erst  durch  die  Kriegszüge  der  Römer  aus  Germanien  nach  Südeur()|)a 
gekommen  sei,  dabei  die  Möglichkeit  im  Auge  behaltend,  dass  der  südliche  Hafer 
teilweise  nicht  von  A.  fatua,  sondern  von  einer  mediterranen  Wildform  abslammen 
könnte. 


344  Hans  Schinz. 

Pfahlbauten  [1866]  16)  die  in  den  schweizerischen  Pfahlbauten  der 
Bronzezeit  (2000 — 800  Jahre  v.  Chr.)  von  Montelier  und  der  Peters- 
insel im  Bielersee^)  nachgewiesenen  Haferkörner  gerechnet,  eine 
Bestimmung,  gegen  die  nicht  viel  einzuwenden  ist;  allerdings  be- 
stehen die  in  der  Sammlung  des  eidgenössischen  Polytechnikums  in 
Zürich  aufbewahrten  Proben  in  der  Regel  aus  fast  völlig  entschalten 
Körnern,  so  dass  weder  die  Artikulationsfläche  am  Grunde  der  Schein- 
frucht noch  die  Spitze  der  Deckspelze  mehr  zu  erkennen  sind  -).  Die 
Existenz  eines  eigenen  Namens  in  den  keltischen  Idiomen  (vergL 
A.  De  Candolle  1.  c.  p.  473),  sowie  das  ausschliessliche  Vorkommen 
von  vorgeschichtlichen  Überresten  der  Pflanze  in  den  Niederlassungen 
dieses  Volkes  würde  nach  Buschan  (1.  c.  p.  62)  dafür  sprechen,  dass 
die  Kelten  unabhängig  von  den  übrigen  Völkerschaften  schon  in 
grauer  Vorzeit  Kulturversuche  mit  dem  Flughafer  angestellt  hätten. 
Demgegenüber  macht  Hoops  (1.  c.  406)  mit  Recht  geltend,  dass  die 
Verschiedenheit  der  Benennungen  für  eine  Kulturpflanze  bei  ver- 
schiedenen Völkern  keineswegs  nur  durch  die  Annahme  ebenso  vieler 
selbständiger,  autochthoner  Ursprungsstellen  ihrer  Kultur  zu  erklären 
ist;  denn  sonst  müssten  wir  nur  schon  für  Mittel-  und  Nordeuropa 
mindestens  4  unabhängige  Kulturzentren  für  den  Haferbau  annehmen : 
bei  den  Kelten,  Germanen.  Slaven  und  Angelsachsen,  da  alle  diese 
4  Völkergruppen  vom  Anfang  der  literarischen  Überlieferung  an 
4  voneinander  gänzlich  verschiedene  Namen  für  Hafer  gehabt  haben. 
Ausserdem  ist  durch  neuere  Untersuchungen  von  Sarauw  auf  den 
dänischen  Inseln  gleichfalls  eine  bronzezeitliche  Haferkultur  nach- 
gewiesen worden.  Auch  aus  botanischen  Gründen  ist  eine  autochthon 
entstandene  Haferkultur  bei  den  alten  Kelten  undenkbar,  da  wir  das 
ursprüngliche  Areal  der  Avena  fatua  westwärts  höchstens  bis  nach 
Mitteldeutschland  reichen  lassen.  Ich  kann  daher  Hoops  nur  bei- 
stimmen, wenn  er  (1.  c.  454)  die  Einführung  des  Hafers  in  der 
Bronzezeit  aus  dem  Osten  nach  Mitteleuropa  annimmt.  —  Hafer 
wurde  nach  Busch  an  (1.  c.  p.  58)  auch  von  den  Galliern  nach  Italien 


')  Aus  der  gleichen  Epoche  stammen  nach  Buschan  (1.  c.  p.  58)  auch  Hafer- 
funde von  Bourget  in  Savoyen,  desgleichen  nach  Grad  mann  (Der  Getreidebau  im 
deutschen  und  röm.  Altertum  [1909]  16)  solche  aus  der  Sirgensteinhöhle  bei 
Schelklingen  (Schwäbische  Alb).  —  Das  von  Buschan  (1.  c.)  gleichzeitig  erwähnte 
Hafervorkommnis  in  dem  Salzbergwerke  Heidenschacht  bei  Hallein  in  Salzburg  ist 
nach  Hoops  (1.  c.  406,  Fussnote  6)  zu  wenig  gesichert  und  würde  ausserdem  der 
Hallstattperiode   (also   der  ältesten  Eisenzeil)   und   nicht  der  Bronzezeit   angehören. 

^)  Eine  gut  erhaltene  Hafer-Scheinfrucht  von  Wismar,  welches  Vorkommnis 
Heer  (1.  c.  p.  17)  zugleich  mit  den  Funden  in  den  schweizerischen  Pfahlbauten  der 
Bronzezeit  nennt,  zeigt  über  dem  Grunde  der  untern  Blüte  eine  deutliche,  stäbchen- 
förmige Achsenverlängerung  (das  Slielchen  der  zweiten  Blüte),  die  A.  sativa 
gegenüber  A.  byzantina  charakterisiert  (vergl.  oben  S.  318). 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI).  345 

eingeführt,  und  zwar  war  auch  dieser  Hafer  offenbar  Ä.  sativa , 
denn  A.  brrcis  und  sfrigosa,  die  allenfalls  noch  in  Frage  kommen 
könnten,  sind  in  Italien  nach  Saccardo  (Cronolog.  Fl.  Ital.  [1909]  17) 
erst  seit  1812  bezw.  1820  nachgewiesen').  Immerhin  ist  es  nicht  un- 
möglich, dass  auch  A.  strigosa  von  den  westlichen  keltischen  Stämmen 
schon  seit  langer  Zeit  in  Kultur  genommen  worden  ist;  denn  in 
Schottland  und  auf  den  Hebriden,  wo  nach  Körnicke  (1.  c.  p.  202) 
der  Hafer  seit  langem  eine  Hauptnahrung  des  Landvolkes  bildet, 
wird  vorwiegend  A.  strigosa  gebaut  (vergl.  auch  H.  C.  Watson 
Cybele  Brit.  HI.  [1852]  184),  da  A.  sniiva  dort  offenbar  wegen  der 
starken  Feuchtigkeit  und  der  geringen  Sommerwärme  schwer  zur 
Reife  gelangt.  —  Die  Geschichte  der  Kultur  von  A.  strigosa  und 
A.  brevis  ist  übrigens  schwer  zurückzuverfolgen,  da  diese  beiden 
Formen  von  den  älteren  Botanikern  (noch  bis  in  die  zweite  Hälfte 
des  18.  Jahrhunderts)  nicht  oder  nicht  klar  von  A.  sativa  unter- 
schieden wurden.  Wie  mich  Herr  Dr.  E.  H.  L.  Krause  in  Strassburg 
aufmerksam  macht,  ist  ^4^.  strigosff  möglicherweise  zum  Teil  in 
A.  nigra  der  alten  Kräuterbücher  enthalten^).  A.  nigra  J.  Bauhin 
Hist.  IL  (1651)  432  scheint  allerdings  nach  der  Angabe:  «fatua 
siquidem  non  est:  sed  aeque  plena  ac  ispa  alba;  eodem  etiam  modo 
colitur  multis  locis,  nee  deterior,  interdum  etiam  melier,  &  grano 
majore»  entschieden  eine  schwarzkörnige  A.  sativa^)  (—  var.  nigra 
Krause  Getr.  [1835—37]  Heft  7,  p.  15  t.  6B);  dagegen  enthält 
A.  nigra  C.  Bauhin  Piuax  [ed.  1671]  23  in  Form  der  Synonyme  von 
A.  altera  Ang.^)  und  ^4..  sylvestrior  nigra  Caes,"")  vielleicht  teilweise 
die  -4..  strigosa,  die  auch  einen  Bestandteil  der  A.  nigra  C.  Bauhin 
Theatr.  I  (1658)  472  (die  kultivierte  Pflanze!)  neben  A.  fatua  auszu- 
machen scheint;  die  letztgenannte  Art  figuriert  in  allen  drei 
Bauhinschen  Werken  (Pin.  p.  10;  Hist.  IL  p.  433;  Theatr.  p.  149) 
noch  als  besondere  Art   unter  dem   Namen   Festuca   [dumetoruni] 

')  Wenn  A-  hispanica  Ard.,  wie  gewöhnlicli  angenommen  wird,  zu  A.  strigosa 
gehört  (vergl.  oben  S.  331),  so  ist  der  Anbau  dieser  Art  in  Italien  vielleicht  doch 
schon  älter.  Arduino  berichtet  (1.  c,  1789).  dass  er  die  Samen  dieser  bisher  un- 
bekannten Art  unter  dem  Xamen    '  Avena  di  Spagna»  erhalten  habe. 

■•*)  Vergl.  hierüber  auch  den  nach  Abschluss  der  vorliegenden  Arbeit  er- 
schienenen Aufsatz  von  Ernst  H.  L.  Krause:  Schwarzer  Hafer  und  Flughafer,  in 
Naturw.  Wochenschr.  XXVI.  fN.  F.  X.|  (lUll)  ^248-50. 

^)  Über  den  schwarzspelzigen  Hafer  vergleiche  auch  oben  S.  329. 

\)  Anguillara,  Semplici  [ed.  i.  da  Giovanni  Marinello  (1561)  98!] :  «  .  .  .  due 
Auene.  Una,  che  si  semina  ....  L'altra  nasce  i)er  se :  ma  non  ui  e  differenza 
alcuna  di  figura  tra  loro.  >; 

*)  Caesalpinus  (De  plantis  libri  XVI  [15S3J  177)  unterscheidet  drei  Hafer- 
arten: 1.  mitior  colore  candido:  crassiore  grano,  2.  sylvestrior,  nigra,  teimiorque 
(=  A.  strigosa  f).  3.  tertium  genus  .  .  . .  omnino  sylvestre  it"  immite  ....  arista 
nigra. 


346  Hans  Schinz. 

utriculis  lanuyine  flavescentibus  (Pin.,  Theatr.)  oder  Aegilops 
quihusdcDU  aristis  recurvis,  sive  Avena  pilosa  (Hist.),  unter 
welcher  Bezeichnung  jeweils  nach  den  Synonymen  und  den  Fundorten 
(z.  B,  Monspelii)  auch  noch  A.  sterilis  inbegriffen  ist').  Die  erste 
sichere  Erwähnung  von  A.  strigosa  finde  ich  bei  Morison,  der 
um  1680  (Hist.  pl.  univ.  Oxon.  sect.  8  t.  7  f.  1)  als  «Avena  sativa 
vulgaris  alba,  vel  nigra,  C.  B. »  zwei  ziemlich  verschiedene  Pflanzen 
abbildet;  die  zweite  ist  entschieden  A.  sativa,  die  erste  dürfte  wegen 
der  kleineren,  zweigrannigen  Ährchen  mit  kurzen  Hüllspelzen  und 
geknieten  Grannen  (deren  unterer  Teil  verlängert  ist)  zweifellos  zu 
A.  strigosa  gehören.  Leider  werden  jedoch  die  beiden  Pflanzen  im 
Text  nicht  geschieden. 

4.  Nach  Alph.  De  Candolle  (Orig.  pl.  cult.,  deutsche  Ausg. 
[1884]  473)  spricht  das  Vorkommen  eines  eigenen  Namens  für  den 
Hafer  im  Baskischen  —  jener  bekanntlich  nicht  zum  indo- 
germanischen Stamm  gehörigen  Sprache  der  iberischen  Urbewohner 
Spaniens  —  für  eine  weit  zurückreichende  Kultur  bei  den  alten 
Iberern.  Die  Vermutung  liegt  nahe,  dass  dieser  Hafer  ein  Ab- 
kömmling der  im  atlantischen  Südwesteuropa  heimischen  ^4..  harhata,. 
also  A.  strigosa  (inkl.  A.  brevis)  gewesen  sein  dürfte,  die  noch 
heute  auf  der  iberischen  Halbinsel,  namentlich  im  Westen,  viel  gebaut 
wird.  Es  wäre  interessant,  zu  untersuchen,  ob  A.  strigosa  speziell 
in  den  heute  von  den  Basken  bewohnten  Gebieten  (den  Basses- 
Pyrenees  in  Frankreich  und  den  baskischen  Provinzen  Nord-Spaniens) 
vorwiegend  oder  ausschliesslich  kultiviert  wird-);  unter  Umständen 
könnte  die  eben  vorgetragene  Theorie  von  der  Zugehörigkeit  des 
iberischen  Hafers  eine  wertvolle  Stütze  erhalten.  Auf  jeden  Fall 
dürften  wir  kaum  fehlgehen,  wenn  wir  den  Beginn  der  Kultur  der 
A.  strigosa  im  extramediterranen  Südwesteuropa  suchen.  Im  eigent- 
lichen Mediterrangebiet,  wo  A.  barbata  zwar  auch  häufig  ist,  hat 
der  Mensch   sicherlich   stets   der   gleichzeitig  vorkommenden,    gross- 


')  Dass  die  Hauptfigur  von  Fe.stuca  dumetormn  ....  C.  Bauhin  Theatr.  1.  c, 
zu  Andropogon  Gryllus  L.  gehört,  hebt  schon  Haller  (Hist.  stirp.  Helv.  IL 
[1768]  202)  richtig  hervor. 

^)  Leider  geben  die  mir  zugänglichen  Florenwerke:  Bergeret,  Flore  des 
Basses-Pyrenees ;  Bubani,  Flora  Pyrenaica;  Willkomm  et  Lange,  Prodromus 
florae  Hispanicae  —  keine  zuverlässige  Auskunft  über  diese  Fragen:  A.  strigosa 
fehlt  sogar  (sicher  mit  Unrecht!)  vollständig  selbst  bei  Willkomm  u.  Lange  und 
wird  auch  von  Willkomm  (Grundzüge  d.  Pfl.-Yerbr.  auf  d.  iber.  Halbinsel,  in 
Engler  u.  Drude  Veget.  d.  Erde  L  [1896]  322)  nur  aus  Portugal  angegeben  I  Dagegen 
wird  ihr  Vorkommen  in  Spanien  bezeugt  durch  Kör  nicke  in  Körn.  u.  Werner 
Sandb.  L  (1885)  21.5,  und  auch  der  Name  A.  hisjianica  Ard.  (1780)  weist  (falls 
diese  Art  wirklich  zu  A.  strigoaa  gehört;  vergl.  oben  S.  .331)  auf  ihre  Kultur  in 
Spanien  zu  jener  Zeit. 


Mitteilungen  aus  dem  botan.  Museum  der  Universität  Zürich  (LVI). 


:M7 


körnigen  und  daher  ertragreicheren  A.  steriUs  den  Vorzug  gegeben 
und  so  die  A.  byzantina,  den  typisch  mediterranen  Saathafer,  heran- 
gezüchtet, während  A.  harhata  nur  da  zur  Geltung  kam,  wo 
A.  sferilis  fehlte  oder  wenigstens  viel  seltener  war.  Dies  trifft  z.  B. 
für  Portugal  zu,  wo  nach  Hacke  1  (Cat.  rais.  Gram.  Portug.  1 1880J  19), 
Willkomm  (Grundzüge  d.  Pfl.-Verbreitung  auf  d.  iber.  Halbinsel,  in 
Engler  u.  Drude  Veget.  d.  Erde  I.  [1896]  307)  und  Henriques 
(Bolet.  Soc.  Broter.  XX.  1903  [1905]  83,  84)  A.  barbata  im  ganzen 
Lande  gemein  ist,  während  A.  steriUs  von  Hackel  und  Henriques 
nur  von  einigen  Fundorten  der  Litoralzone  zitiert  wird ;  auch  in 
Südwest-Frankreich  (nördlich  bis  zur  Normandie)  kommt  in  spontanem 
Zustand  nur  A.  barbata  vor. 

5.  Endlich  bleibt  noch  der  Hafer  der  Chinesen  zu  besprechen 
übrig.  Der  in  China  zuerst  in  einem  historischen  Werk  über  die 
Jahre  626 — 907  n.  Chr.  erwähnte  Hafer  gehört  nach  Bretschneider 
(A.  De  Candolle  1.  c.  p.  472)  zu  A.  niida.  Die  Annahme  drängt 
sich  auf,  dass  die  Chinesen  unabhängig  von  den  westasiatischen  und 
europäischen  Völkern  auf  die  Kultur  der  A.  fatua,  des  einzigen  in 
Ostasien  einheimischen  Wildhafers,  verfallen  sein  und  aus  ihm  die 
für  die  Bedürfnisse  des  Menschen  ganz  besonders  günstige  monströse 
Modifikation  A.  nuda  herangezüchtet  haben  dürften,  wenngleich  auch 
der  Annahme  des  Importes  des  Hafers  von  Westen  nichts  Ernstliches 
im  Wege  steht. 


Register  der  vorstehend  erwälinteii  Fflauzeiuiameu. 

t  =  Varietät,   *  =  Subspezies. 
Die  als  gültig  angenommenen  Namen  sind  kursiv  gedruckt. 


Aegilops  quibusdam  . .  .  Bauh.  346 
Avetia  L.  311 

■    §  Agravena  Kirschl.  .311 

§  Agrestes  Cosson  et  DR.  294,  310 

1.  Biformes   Coss.   et   DR.    295, 

310,  312 

2.  Conformes  Coss.  et  DR.  29."), 

310 
§  Annuae  Trin.  311 

§  Avenatvpus     Cosson    et    Germ. 
293,  311 

§  Grithe  Griseb.  311 

§  Euavena  Griseb.  293,  311 


Avena   §   Euavena   subsect.   Bifoimes 
(Coss.  et  DR.)  Thell.  312 
subsect.  Conformes  (Coss.  et  DR.) 
Thell.  319 
%  Fragiles  Husnot  310 
§  Genuinae  Link,  Rchb.,  Koch  311 
§  Sativae  Cosson  et  DR.  294.  310 
§  Verae  Link  311 

—     abyssinica  Höchst.  .301  not.,  30Ct  ff., 
310,  334  tr. 

t  glaherr/iiia   Chiovenda    308  f., 
330  f. 

t  granulata Chiovenda  334, 336  not. 


348 


Hans  Schinz. 


Avena  f  püosiuscula  Thell.  330,  336 

—  agraria  Brot.  331 

t  mutica  Brot.  332 

—  algeriensis  Trabut  304,  316 

—  altera  Ang.  345 

—  ambigua  Schönh.  321  —  3 

—  atherantha  Presl  330 

—  barbata  Pott,  Brot.  294  not.,  301  f., 

307  ff.,  310,  330  ff.,  340  ff.,  346  f. 
t  fuscescens  Batt.  et  Trab.  333 
t  ^enianaWillk.  555  not.,  334 not. 
t  Hoppeana  Richter  333  not. 
t  minor  Batt.  et  Trab.    333 
t  minor  Lange  333  not.,  334 
t  solicla  Hausslin.  299,  302,  557. 
t  triflora  Willk.  333  et  not. 
t  Wiestii  Haiissiin.   333 
*  Wiestii  A.  et  G.  333 

—  brevis  Roth  303,  307,  310,  332—3, 

345  f. 

—  byzantina  C.  Koch  294  not.,  304  ff., 

310,  316,  321,  338,  341  ff.,   347 

—  clauda  DR.  294  not-,  295,  312  not. 

—  dispermis  Miller  325 

—  elatior  etc.  Cup.  294  not. 

—  eriantha  DR.  294  not.,  295 

—  X  euhyhrida  Hausskn.  329 

—  fatua  S  F.  Gray  321 

—  fatua  Fiori  &  Paol.  295,  310 

—  fatua  Gouan,  Schreb.  314 

—  fatua  L.  294  not.,  296  ff.,  304,  310, 

313  not.,  319  ff.,  558  ff.,  345  ff. 
ß  Schreb.  319 
t  albescens  Sonder,  Hausskn.  320 

not.,  321 
t  ambigua  Hausskn.   321,  323 
■f  cinerascens  Hausskn.  320  not., 

321 
t  contracta  Hausskn.    299,  320 
t  flavescens  Zade  320  not. 
t  genuina  Ducomm.   321 
t  glabra  Ducomm.